Miles Davis

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  • #9953663  | PERMALINK

    vorgarten

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    1. februar 1975. osaka. abendkonzert.

    wozu rafft sich diese band jetzt noch auf, nach dem irrlichtern am nachmittag? der meist abwertende vergleich von PANGAEA mit AGHARTA in der musikjournalistischen fachwelt nervt etwas, ich hätte gerne die möglichkeit gehabt, mich auf PANGAEA einzulassen, bevor ich AGHARTA entdeckt hätte. war aber natürlich nicht so. AGHARTA gab es zu studienzeiten in der stadtbibliothek, PANGAEA nicht. es gibt erinnerungen an lange nächtliche autobahnfahrten mit den feedback-soundscapes von cosey, wo ich sofort verstanden habe, wo diese schwarzen 90er-jahre-gitarristen herkamen, vernon reid, bourelly, fiuczynski. hier verstehe ich gerade, wie sich dieser sound über zumindest 6 jahre bei miles zusammengebaut hat.

    auf PANGAEA gibt es, nach dem schnell angespielten „turnaroundphrase“, einem abgekämpften solo von miles, einem wieder sehr schlüssigen von fortune und einem noise-lastigen von cosey, an dessen ende die band plötzlich das riff von „willie nelson“ vorschlägt, einen ersten breakdown nach 12 minuten; und einen weiteren nach dem versuch, zum powerplay von „turnaroundphrase“ zurückzukehren, nach 20 minuten. danach verdunkelt sich die atmosphäre. die band bleibt zunächst auf dem langsamen funk von „zimbabwe“ hängen, dann folgt ein viel weniger aufwendig abstrahiertes „ife“, schließlich das melancholische „mr foster“ auf fast 30 minuten. auch die postproduktiven überarbeitungen von macero sind quasi auf ein minimum zurückgefahren.

    „zimbabwe“ wird von leisen, fast flehenden linien von miles eingeleitet, der schleppende funk intensiviert sich unwesentlich während des sopransax-solos von fortune, etwas mehr, wenn lucas zu einem unspektakulären solo einsetzt, dessen ende von zirpenden, leisen sounds von cosey kommentiert wird – woraufhin miles erneut existentielle melancholie im pianissimo einwirft. danach setzen foster und henderson mehrfach ganz aus, öffnen den raum für mtumes leisen holzblöcke, miles‘ verschattete orgel – die performance franst aus, ratlosigkeit, schließlich summen mtume und henderson eine leise melodie. nach kurzer stille wird der einsetzende applaus des publikums ausgeblendet.

    das riff von „ife“, das danach einsetzt, wird im mitspiel von cosey von anfang an ins melancholische verschoben, was lucas mit verminderten akkorden über den rest der zeit unterstützt. fortunes flötensolo fühlt sich spürbar wohl in dieser balladen-lesart, miles sowieso. es folgt ein daumenklavier-solo von cosey, in dem erneut das trademark-feedback vom nachmittag auftaucht. die gesamte band spielt nur noch auf zehenspitzen. henderson schlägt plötzlich nach mtumes holzblock-solo eine soulgeprüfte basslinie vor, die zu einem schönen, müden, ungewöhnlichen solo von miles führt.

    „mr foster“ danach bleibt auf dem gleichen verschatteten atmosphäre-level. etwas heißer wird es natürlich während eines (allerdings etwas ausgebrannten) cosey-solos, aber danach übernimmt miles, sich selbst auf der orgel anmoderierend. ein abgrundtief trauriges solo am rande der möglichkeit, überhaupt einen ausdruck zu finden (mtume begleitet ihn sehr sensibel). dann kommt lucas zuhilfe und spielt eine völlig neue akkordabfolge zur losen struktur der komposition, die miles toll aufgreift. vermindertes ausglühen, mit walking bass von henderson, schließlich ride-becken-begleitung von foster. das alles aber immer noch unfassbar leise. mit den kräften haushalten. das eindringen der nacht zulassen. am ende ist es fast ein spiel: wie leise können wir noch werden, bevor man uns nicht mehr hört? cosey bietet ein paar unaufdringliche blues-licks an, miles ein paar orgelsounds. am ende geräuschklimax, vom pianissimo ins piano gehend, letzte entladungen der geräte. PANGAEA, das nachtschattengewächs in der live-diskografie von miles, findet zu seiner ganz eigenen schönheit.

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    #9953763  | PERMALINK

    vorgarten

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    27. februar 1975. „turn of the century“.

    knapp drei wochen nach der japantournee ist die band wieder im studio. es entsteht aus 9 takes ein zusammengebauter funk-track von 16 minuten länge, auf dem miles nur rudimentär auf der orgel zu hören – möglicherweise sollte ein trompetensolo separat aufgenommen und als overdub drübergelegt werden. der track selbst ist bis heute nicht legal veröffentlicht, auch auf die ON THE CORNER box hat er es nicht geschafft, obwohl er nicht ohne reiz ist.

    wie man hören kann, sind das ein paar gitarrenbasierte vamps, zu denen ein paar abgefahrene soundeffekte hinzugefügt wurden. vor allem hört man den merkwürdigen, live manipulierten drumcomputer von mtume, aber auch cosey dürfte an dieser klanglandschaft beteiligt sein. nach einer art simplem refrain (auf zwei sich abwechselnden akkorden) spielt cosey ein langes, sehr typisches und damit auch recht vorhersehbares solo. nach 11 minuten kommt ein neues motiv, über das dann lucas soliert, während die effektgeräte helikopterrotoren simulieren.

    die geradlinigkeit des ganzen deutet eine entwicklung richtung pop an. aber es ist schwer, das anhand eines unfertigen tracks zu beurteilen.

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    #9953779  | PERMALINK

    vorgarten

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    5. mai 1975. „minnie“, „untitled original 750505“.

    nach einigen live-auftritten wieder ein studiotermin. miles legte eine zwangspause ein, um sich am kehlkopf operieren zu lassen. in der zwischenzeit formierte sonny fortune eine eigene band, so dass hier nun der letzte saxofonist vor miles‘ rückzug zu hören ist: sam morrison, ein schüler von dave liebman.

    die entwicklung zu pop-affineren stücken wird bei dieser session besonders deutlich. „minnie“, benannt nach minnie riperton und auf der grundlage ihres songs „loving you“ aufgebaut, verweist schon auf spätere transformationen von „time after time“ oder „human nature“.

    so schön der song ist und die ausstrahlung von riperton auf die bearbeitung einwirkt (sie und miles kannten sich über cosey), fällt doch auf, dass die miles-version eigentlich nur die „lalalala“-variation des refrains als thema übernimmt. den rest bilden simple ketten aus zweitonfiguren, die den höhepunkt des unisono gespielten themas ansteuern. sehr schön ist aber das arrangement: fosters stotternde funkbegleitung, die simultaneität der akkordarbeit von lucas und der riff-begleitung von cosey, hendersons erstaunlich variabler, aufwenig variierender bass.

    das bislang unveröffentlichte unbetitelte original nr. 750505 wurde nach der einspielung zum standard-closer auf den live-konzerten. auch hier ist die poppige grundlage überdeutlich: in zeittypischer manier spielt henderson ein sanftes r&b-thema auf einem effektmanipulierten e-bass, während drums & percussion ganz leise begleiten und lucas butterweiche akkorde hinzufügt. nebenher wird etwas geflötet und es gibt großartige ge-echote space-soundeffekt, die brachial zu- und abgeschaltet werden. der dezent gesetzte höhepunkt setzt ein, wenn coseys fuzz-gitarre das bassmotiv aufgreift und sich dann aber in einer sound-wand verfängt. losin erkennt in der grundanlage unverkennbaren hendrix-einfluss. ich finde das eine großartige, entspannt bekiffte easy-listening-studie, nicht ganz auf flughöhe, aber deutlich ohne bodenhaftung.

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    #9953821  | PERMALINK

    vorgarten

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    12. juli 1975. bottom line, new york

    trotz der gesundheitlichen probleme des leaders ist die band weiterhin live unterwegs. dieses dokument stellvertretend für einige quer-gehörte, weil es halbwegs anhörbar ist. miles scheint durchgängig inspiriert; die raves über morrison, die das netz ausspuckt und die auch von cosey überliefert sind, kann ich nicht ganz nachvollziehen (er bewegt sich energetisch im material, sitzt aber nicht so drauf wie fortune – trotzdem sind einige seiner soli wirklich sehr schön). die „neue“ poppigkeit ist deutlich zu spüren und macht großen spaß – lucas, mtume und henderson hört man quasi schon an, was sie nach miles‘ rückzug machen werden – aber das alles kommt mit großem geschmack und glanz daher, wirkt kein bisschen billig (das „untitled original“ nach „mr foster“ im ersten set z.b.). gleichzeitig bleibt ja das verstörungspotential der elektronischen noise-sounds auch noch im klangbild erhalten. am ende gibt es noch einen schönen r&b-ride vor aufgeheiztem publikum und schließlich ein conga-solo von mtume, das einige damen im raum zu ekstatischen juchzern verführt. man mag hier, so kurz, bevor es um miles zappenduster wird, keine ermüdungserscheinungen feststellen.

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    #9953847  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich habe immer noch einen Ordner mit über 40 Tracks auf dem Rechner, „More On the Corner Sessions“ benannt, den man mal aussortieren bzw. mit den veröffentlichten Takes (die ich zum einfacheren Vergleich erstmal noch rippen müsste) abgleichen müsste … falls Du Lust drauf hast.

    Die Tracks (es handelt sich oft um mehrere Takes) sind – Kursives fehlt mir:

    1970-03-20
    – So What

    1970-04-07
    – Untitled Original 700407

    1972-06-12
    – Jabali (Rehearsals 1-3, Takes 1, 2 & 4)

    1972-12-08
    – Billy Preston (ein „composite“ von 20:40)

    1973-07-26
    – Big Fun (zwei Takes, vermutlich veröffentlicht)

    1974-06-20
    – Dominique (ein Jam der Rhythmsgruppe, 31:26 lang)

    1974-11-06
    – Sound (2 Takes – Lucas-Soli mit Macero-Effekten)

    1974-11-06
    – Untitled Original 741000a (4 Takes)
    – Untitled Original 741000b (2 Takes)
    – Untitled Original 741106b
    dazu noch eine Anmerkung: „TDK Funk“ = rough mix of portion of „What They Do“ (711106) mit Fragezeichen dahinter

    1975-02-27
    – Turn of the Century (composite)

    1975-05-05
    – Minnie (Takes 1-2)
    – Minnie (Takes 3-7, von Takes 6 und 7 zwei Versionen)
    – Untitled Original 750505 (Take 1)
    – Untitled Original 750505 (Take 2)

    1976-03-30
    – Untitled Original 760330a (Takes 3, 5, 10)
    – Mother Dearest Mother (Takes 4, 7, 10)
    – Song of Landa (Takes 2, 6, 10)

    1976-12-27
    – What They Do (3 inc. Takes)
    (und das ist dann das „TDK Funk“ Ding … was die Anmerkung oben soll müsste ich zu rekonstruieren versuchen)

    1978-03-02
    – Miss Last Summer (Rehearsal, vermutlich Takes 1-10)

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #9954173  | PERMALINK

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    ja, immer her damit. ;)

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    #9955147  | PERMALINK

    vorgarten

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    1. juli 1975. avery fisher hall, newport jazz festival in new york.

    der letzte dokumentierte auftritt dieser band. auf der bootleg-box mit der newport-klammer ist nur das stück „mtume“ drauf. es existieren aber seit langem bootlegs des gesamten, abwechslungsreichen und sehr inspirierten auftritts, mit den lustigsten covern. das programm fließt organisch durch funk, r&b, noise, latin und pop, miles ist erneut sehr in form, morrison will es wissen und bringt tatsächlich jetzt eine coltrane-note rein (natürlich von der art, die bei A LOVE SUPREME endet), cosey schießt seine üblichen angeber-soli heraus, aber es ist doch erstaunlich, wie sehr die band ihre komplette bandbreite hier zeigt, von völlig kranken geräuschpassagen bis zum easy listening von „minnie“ und dem „untitled original“. über die achse henderseon-foster-mtume-lucas mag ich nicht noch mehr schwärmen, etwas vergleichbares als das, was die 1975 miteinander machen, hat es wohl in der musikgeschichte kein zweites mal gegeben. irgendwie schräg, dass miles trotzdem immer bei „right off“ so richtig aufdreht, dass der blues also doch am ende immer am besten funktioniert – wie ja auch die sessions zu JACK JOHNSON vielleicht spieltechnisch seinen karrierehöhepunkt ausmachen.
    auch toll: die hingabe, mit der das „minnie“-thema präsentiert wird, da ist man dann wirklich schon bei „jean-pieree“ und „human nature“; und morrison darf sogar kurz darüber solieren. und „ife“ danach, das gespensterthema für flöte und geräusche, ist auch wieder toll (obwohl meine lieblingsversion die auf IN CONCERT bleiben wird, mit der sitar-band).

    der tatsächlich letzte auftritt dieser band fand am 5. september im central park statt – und wurde von davis abgebrochen, der vor schmerzen nicht mehr spielen konnte. in seiner autobiografie schreibt er, dass es für einen eitlen menschen wie ihn schon lange unerträglich gewesen war, sich nur noch in den mitleidigen blicken seines publikums zu spiegeln. der nächste live-auftritt mit eigener band fand dann erst wieder im juni 1981 im bostoner kix club statt.

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    #9955773  | PERMALINK

    vorgarten

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    30. mai 1976. „untitled original 760330a“, „song of landa“.

    ein dreivierteljahr später. miles formiert für eine studio-session ein sextett: sam morrison, pete cosey, michael henderson, al foster und den e-pianisten mark johnson, ein freund von henderson, der aber völlig verschüchtert ist und sich kaum was zu spielen traut.

    das nächste „unbenannte original“ ist ein uninspiriert klingender jam mit einem r&b-riff (unisono e-bass und gitarre), dazu gibt es ein bläser-thema (unisono ss und e-gitarre), die produktion klingt flach, die entwicklung ist es auch: wahwah-gitarren-akkordbegleitung und ein klimaxsüchtiges sax-solo. miles spielt dazu ein langweiliges absteigendes 4-akkord-schema. der fünfte take beginnt mit einem e-piano-solo, das im clavichord-modus programmiert ist (was hancock so ca. 1969 spielte). dann kommt das thema, aber der take wird zügig abgebrochen.

    „song of landa“ ist dagegen ein verschleppter funk mit melancholischem thema, sehr generisch 70er, cti ist da nicht weit weg. wieder viel unisono (ss und g), warmes e-piano drum herum, komplizierte metren im thema. die komposition ist von morrison und wurde später von ihm auf seinem album DUNE eingespielt. miles ist auf den zwei überlieferten takes eigentlich nicht zu hören.

    es gab außerdem noch ein paar versuche über die cosey-komposition „mother dearest mother“, die ergebnisse sind aber bislang nicht aufgetaucht.

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    #9955779  | PERMALINK

    vorgarten

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    27. dezember 1976. „what they do (tdk funk)“.

    nochmal ein halbes jahr später. ein rumpf-quartett aus miles, cosey, henderson und foster, es gibt aber noch einen haufen overdubs. das ding ist ein durchaus typischer, dreckiger funk, über den miles mit aggressiver wahwah-trompete soliert. thema gibt es nicht, im eigentlichen sinne auch kein riff. henderson behauptet manchmal ein bisschen dramatik, in dem er eine abwärts führende basslinie spielt. total merkwürdiges ding. es gibt noch congas, quasi mtume-mimikry; und die gitarre evoziert das spiel von lucas, in abwesenheit. die band tut so, als sei es 1975 und sie noch voll im geschäft. und dann bucht man, ohne neues material, ein studio?

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    #9955787  | PERMALINK

    vorgarten

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    2. märz 1978. „miss last summer“.

    notizen eines abwesenden. ein einfaches bassriff, auf- und absteigend, dazu ein paar keyboardsounds und eine darüber solierende e-gitarre als hauptdarstellerin. larry coryell hat diese session angesetzt, miles das simple motiv dafür komponiert, der bass ist von t.m. stevens, an den keyboards sitzen george pavlis und der sehr gut informierte masabumi kikuchi. der hatte da schon sein album „kochi“ im kasten, aufgenommen mit dave liebman, steve grossman, mtume,reggie lucas und al foster. die entsprechende passage aus seinem interview mit ethan iverson:

    EI: You played with Miles a little bit, right?

    MK: Yeah. He came here, to this apartment. He was funny… and I think fourteen other musicians came. I told them Miles was coming and they just showed up.

    EI: Did you record with Miles?

    MK: I think so.

    EI: But it never came out, right?

    MK: There’s one track we recorded. We were rehearsing at that time and Miles was staying at Larry Coryell’s house. So Miles called me and Al Foster to go out to Connecticut. And Miles sent a Limo to pick us up. So we went out there but nothing happened.

    EI: Sort of waiting around for Miles to do something, but nothing happens, right?

    MK: Mhm. Miles got a tour, somehow connected to Willie Nelson’s manager. In that moment he was interested in hiring Sly Stone for bass with Sam Morrison, Pete Cosey and Azzedine Weston. Gil Evans would be the arranger-in-residence. Sly didn’t show the first day, and then the next night Miles said he was busted…… So that was that.

    wie wir wissen, ging miles erst wieder im mai und juni 1980 ins studio. doch das ist ein anderes kapitel in diesem thread und wird wohl nicht von mir geschrieben.

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    #9955799  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Das Comeback-Kapitel könnte ich gelegentlich übernehmen (aber ohne Berücksichtigung der ca. 35’000 Live-Bootlegs, von denen fast keine vom Radio oder Soundboard stammen).

    Ich hab die letzten Tage den Anschluss verloren, aber die Posts bleiben ja hier und man kann sie jederzeit finden (geht im Fall auch ohne Suchfunktion – man kann blättern und lesen, ganz einfach ;-) )

    Mein eigenes „complete Miles“-Hörprojekt (in Etappen) ging nur von 1969 bis in den Frühling 1970 … aber irgendwann unternehme ich auch mal wieder sowas, die Musik bleibt ja, wie Du öfter geschrieben hast, einzigartig. Das sind schon Aufnahmen, zu denen ich immer wieder zurückkehren will und kann, und bei denen ich auch jedes Mal Neues entdecke!

    Deine These zu „Jack Johnson“ als Karriere-Höhepunkt finde ich übrigens sehr interessant. Mich haute die Box damals weg, ich weiss noch, wie ich sie erstmal wirklich hörte, am Küchentisch im alten Haus meiner Eltern, abends, auf der Billigstanlage, die in der Küche stand (eigentlich eine Boom-Box aber gerade schon mit CD-Player und Boxen, die man abnehmen konnte, 1 Meter Stereo-Effekt). Ich kam davon nicht mehr los, so fasziniert war ich von diesen einfachen, und harten Funk-Grooves, dem dunklen Blues-Einschlag, der sich durch die Sessions hindurchzieht. Nichts hatte mich darauf vorbereitet, ich kannte „In a Silent Way“ zwar schon seit Jahren, hatte mich auch allmählich an „Bitches Brew“ herangekämpt, aber „Jack Johnson“, auch das Album selbst, noch nie gehört („Live-Evil“ kannte ich bereits wieder, aber als einziges der Reihe von Live-Doppel-Alben, „On the Corner“ kam auch erst später dazu, „Big Fun“ und „Get Up with It“ holte ich mir erst nachdem ich längst die ganzen Box-Sets hatte, einfach weil ich – auch durch dieses Forum mit seiner Album-Fixiertheit – doch mal noch hören wollte, wie das Zeug damals rauskam).

    Egal, trompetentechnisch ist Miles damals wirklich auf der Höhe, spielt rasante Linien, hat eine gute Höhe mit tollem Ansatz, und Ideen bzw. eine Spiel-Lust wie selten … das wurde mir aber zuerst auf „Miles at Fillmore“ so wirklich klar, das ich ziemlich sicher auch schon kannte bevor ich an „Jack Johnson“ kam (ich habe aber keine Ahnung mehr, in welcher Form Fillmore mir in die Hände gekommen war … wenig später kaufte ich mir all die Digipack-Doppel-CDs, die ich bis heute habe: „Miles at Fillmore“, „Black Beauty“, „Live-Evil“ (davon hatte ich bereits die üble alte französische Sony-Ausgabe aus der Reihe, die Henri Renaud herausgab, aus der ich auch „Carnegie Hall 1961“ und „Bitches Brew“ hatte), „In Concert“, „Dark Magus“.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #9955811  | PERMALINK

    retro

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    vorgarten wie wir wissen, ging miles erst wieder im mai und juni 1980 ins studio. doch das ist ein anderes kapitel in diesem thread und wird wohl nicht von mir geschrieben.

    :cry:

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    Meine Beiträge stellen lediglich meine eigene/persönliche Meinung dar (solange nicht anders beschrieben) und sind nicht zu verallgemeinern.
    #9955823  | PERMALINK

    vorgarten

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    kleiner nachklapp, weil ich damit mal einen schönen abend verbracht habe: was die musiker der letzten miles-bands so nach miles gemacht haben.

    1. cedric lawson

    lawson hatte es kurzzeitig verstanden, die miles’schen orgel-cluster in fachkundiges keyboardspiel zu überführen und hatte es dann mit dem experimentellen charakter etwas übertreiben. nachdem er (ebenso kurzzeitig) durch lonnie lsiton smith ersetzt wurde, ging lawson zu art blakey, in die messengers-besetzung mit stafford james, olu dara und carter jefferson. hier ihre sehr schöne version von „ugetsu“:



    2. lonnie liston smith

    für smith war davis nur durchgangstation. er gründete wenig später seine hippe band „the cosmic echos“ – und so wie der titel klang das dann auch. schon 1973 hörte sich das so toll an:

    mit dabei (neben dem sehr auffälligen bass von cecil mcbee) die schräge, miles-erprobte percussion-combo mtume & badal roy.

    3. badal roy

    à propos. der nahm 1976 erstmal mit dave liebman PASSING DREAMS auf und zwei jahre später die besonders tolle KUNDALINI mit dem wunderbaren perry robinson und nana vasconcelos als zweitem percussionisten. das hörte sich dann so umwerfend an wie hier:

    4. dave liebman

    liebman gründete seine band lookout farm ja schon in der schlussphase seines engagements bei miles. hier ein hübscher tv-mitschnitt aus hamburg, mit badal roy an der tabla. alle im farbsprektrum gelb bis rot. und mit einem heißen programm.



    5. carlos garnett

    liebmans vorgänger war nach dem miles-zwischenspiel eher im spiritual jazz unterwegs, mit unterstützung von reggie lucas und mtume (und der furchtbaren dee dee bridgewater) – BLACK LOVE, 1974:

    6. al foster

    foster bekam von teo macero 1978 die möglichkeit, sein debüt-album aufzunehmen: mit dabei waren masabumi kikuchi und sam morrison. und der sound ist ziemlich anschlussfähig:



    7. michael henderson

    henderson kam nicht vom jazz her und er ist auch nicht dabei geblieben. schon 1976 konnte er sein debütalbum SOLID aufnehmen und interessanterweise präsentierte sich der schüchterne bassist dabei auch als gefühlvoller schmalzsänger. ich mag das durchaus (mit dabei übrigens der glücklose keyboarder der vorletzten miles-session, mark johnson):

    8. mtume

    jetzt aber zu den wirklich erfolgreichen weiterentwicklungen. mtume gründete 1978 die band „mtume“, u.a. mit miles-kollegen reggie lucas und sängerin tawatha agee. ihr größter hit war wohl „juicy fruit“, der, bei aller vordergründigen einfachheit, wohl einen der meistgesampelten grooves der popgeschichte enthielt. auf dem gleichnamigen album von 1983 spielte übrigens auch gary bartz mit.



    9. reggie lucas

    ok, das konnte ich mir jetzt nicht verkneifen:

    zuletzt geändert von vorgarten

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    #9955859  | PERMALINK

    vorgarten

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    nachklapp zum nachklapp:

    wenn man jemandem aus den letzten miles-bands der 70er tatsächlich eine große karriere vorhergesagt hätte, dann wahrscheinlich pete cosey – der verschwand aber nach kurzer mitwirkung an hancocks FUTURE SHOCK tatsächlich bis 2000 von der bildfläche.

    dann katapultierte es ihn allerdings direkt in die gegenwart: mit burnt sugar (u.a. vijay iyer, melvin gibbs, lewis barnes und okkyung lee), von butch morris dirigiert, 2003:

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    #9955999  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy tail windDas sind schon Aufnahmen, zu denen ich immer wieder zurückkehren will und kann, und bei denen ich auch jedes Mal Neues entdecke!
    Deine These zu „Jack Johnson“ als Karriere-Höhepunkt finde ich übrigens sehr interessant. Mich haute die Box damals weg (…).
    Egal, trompetentechnisch ist Miles damals wirklich auf der Höhe, spielt rasante Linien, hat eine gute Höhe mit tollem Ansatz, und Ideen bzw. eine Spiel-Lust wie selten …

    ich fand ja immer, dass das „zweite quintett“ (und auch die band danach) miles ein bisschen überflügelt hatte, vor allem live – so richtig ab ging es erst, wenn shorter übernahm. die neue einfachheit ab FILLES DE KILIMANJARO, über dem gut strukturierten gebräu der rhythm section, miles‘ aura, die gerade in den einfachen linien und übergreifenden ideen zum vorschein kommt, war da eine tolle neuorientierung. dazu kam wahrscheinlich die körperliche fitness, das boxen, der erfolg von BITCHES BREW – daraus konnte sowas wie JACK JOHNSON entstehen. es ist ja interessant, dass er bis zum ende tolle soli über „right off“ herausholen konnte, das war einfach das ideale setting für ihn.

    ja,, entdeckungen gibt es in dieser phase genug zu machen. vorher waren alben wie ON THE CORNER und AGHARTA für mich immer rätselhafte ufos, die aus dem nichts kamen, selbst, wenn man sich im jazz der frühen 70er etwas umgehört hat. da sind die kontexte schon sehr hilfreich, ohne dass sie etwas von dem zauber wegnähmen. wirklich schätzen gelernt habe ich musiker, die ich sonst nur funktional gehört habe: airto, mtume, reggie lucas; auch die bandbreite von michael henderson ist, wenn man seine entwicklung verfolgt, verblüffend. diejenigen, die man sonst immer sofort als stars identifiziert hat, haben dagegen für mich etwas an glanz verloren, vor allem cosey und liebman – die spielten schon sehr im geist ihrer zeit, aber es sind halt die höhepunkte überliefert (das flötensolo auf „he loved him madly“, die gitarre im zweiten teil von AGHARTA).

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