Konzertimpressionen und -rezensionen

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    yaiza

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    Sa, 03.02.2024 Konzerthaus Berlin, Großer Saal

    Strauss „Tanz der sieben Schleier“ aus der Oper „Salome“ op. 54
    Weill Sinfonie Nr. 2 // Pause
    Weill „Die sieben Todsünden“ (Bertolt Brecht) – Ballett mit Gesang

    KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
    JOANA MALLWITZ Dirigentin
    KATHARINE MEHRLING Gesang
    YUI KAWAGUCHI Tanz
    MICHAEL PORTER Tenor
    SIMON BODE Tenor
    MICHAEL NAGL Bariton
    OLIVER ZWARG Bassbariton
    KATRIN SEDLBAUER Regie

    Anfang Februar 24 fand das 2. Konzert mit Kurt Weill im Focus statt. Die 1. Sinfonie dirigierte Joana Mallwitz in ihrem Antrittskonzert Ende August 23. Nun also die 2. Sinfonie und „Die sieben Todsünden“. Beide Werke entstanden in zeitlicher Nähe und ähneln sich vom musikalischen Material her in einigen Passagen. Hier war ich gespannt, wie sich beide in der Kombi im Programm anhörten. Die Platzwahl fand ich wg. der „Todsünden mit Tanz-Performance“ gar nicht so einfach. Ich entschied mich für den 1. Rang direkt über dem Podium. Da ich vermutete, dass das Gesangsquartett auf der Orgelgalerie stehen wird, fand ich auch gut in dessen Nähe zu sein.
    Als Einstieg wurde „Tanz der sieben Schleier“ von Richard Strauss gespielt. Als ich auf meinem Platz ankam, schaute ich auf’s Podium und staunte, wie voll es dort werden wird… Ich höre fast nie Strauss und auch hier stellte ich fest, dass er mir nicht liegt. Nach dem „Eröffnungs-Tanz“ lichteten sich die Reihen der Bläser. Komisch fand ich, dass alle Streicher in Strauss-Stärke sitzen blieben. Und so war eben auch ein fetter Streicherklang zu hören und die Bläser (bei Weill!) gingen voll unter. Hier war ich ähnlich enttäuscht wie Andreas Göbel vom rbb*. Als ich seine Ausführungen zur schwerfälligen Interpretation der Sinfonie hörte, konnte ich das gut nachempfinden.
    Nach der Pause dann als Hauptwerk des Abends die „Die sieben Todsünden“. Vor dem Podium mit Orchester waren parallel zwei kleine Podien aufgebaut. Von den Zuschauern im Parkett aus gesehen das linke für die Sängerin Anna I und das rechte für die Tänzerin Anna II. Für die Begleitung war das Konzerthausorchester kleiner besetzt. Katharine Mehrling als Anna I und das Gesangsquartett waren mit Mikros ausgestattet… anfangs kam mir der Klang etwas zu zaghaft vor (später hörte ich, dass es am Abend zuvor Probleme mit Übersteuerung gab; daher werden sie am zweiten Abend etwas zurückgefahren haben). Ich fand es interessant, diese Aufführung mit den beiden „Annas“ zu sehen. Im Original kamen noch mehrere Figuren vor. Während beim RSB/Jurowski (auch schon mit Katharine Mehrling) im Dez.22 das Gesangsquartett auf der Orgelgalerie blieb, war es in dieser Produktion auch schauspielerisch eingespannt… zudem hatten die vier Sänger einige Laufwege zu meistern, mal runter ins Parkett, auf’s Podium (gruppierten sich auch um Anna I und II), wieder zurück auf die Galerie. Es gab einige sehr starke Momente. Höhepunkt sicherlich & ikonisch, als sich Anna II unter den Mantel von Anna I begabt und so die beiden Seiten der Persönlichkeit nah beieinander waren. Die Begleitung vom Orchester fand ich gut, auch wenn es manchmal etwas rasanter hätte sein können (aber hier bin ich wohl von der Kegel-Aufn. mit Gisela May geprägt). Katharine Mehrling als Anna I fand ich mit dem RSB in 12/22 etwas überzeugender — aber es kann schon sein, dass sie eben vorsichtiger ans Werk ging, um nicht nochmal eine Übersteuerung zu riskieren. Yui Kawaguchi entwickelte Anna II auf interessante Art und recht langsam nach und nach (da war auch noch Distanz der beiden Annas zu spüren); fand ich gut gemacht,da es ja zum Ende hin immer spannender mit den beiden wird.
    Mir hat auf jeden Fall gefallen, diese Performance mit Tanz zu sehen. Schön, dass sich die Regie am Original orientierte und sich das Publikum auch 90 Jahre später ein Bild vom „Ballett mit Gesang“ machen konnte.

    *Kritik von Andreas Göbel auf rbb kultur
    zur 1. Vorstellung am Fr, 02.02.24 — da gab es leider Übersteuerung/Mikro bei den „Todsünden“
    https://www.rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_morgen/archiv/20240203_0600/kultur_aktuell_0810.html


    Do, 15.02.2024 Pierre Boulez Saal

    ALINA IBRAGIMOVA & CÉDRIC TIBERGHIEN
    Webern Vier Stücke für Violine und Klavier op. 7
    Schumann Sonate für Violine und Klavier Nr. 3 a-moll WoO 2 // Pause
    Pärt Spiegel im Spiegel
    Schumann Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 d-moll op. 121

    Alina Ibragimova hörte ich in einem beeindruckendem Solo-Recital im Juni 22 ebenfalls im Boulez Saal (u.a. mit Bartóks Solosonate). Sie zusammen mit Cédric Tiberghien live wieder zu hören, fand ich sehr schön. Im Jan. 20 spielten die beiden je eine Sonate von Mozart und Lekeu. Das Herz bildeten für mich die Stücke von Cage & Crumb. Nun ging es also mit den „Vier Stücken“ von Anton Webern los. Das Publikum im Boulez Saal empfand ich bisher sehr ruhig, aber irgendwie war zu Beginn noch viel Unruhe. Die Akustik ist ja sehr sehr gut und vermutlich ist einigen gar nicht bewusst, dass man auch das Zusammenklappen von Brillen usw. hört. Die Webern-Stücke beginnen sehr leise und daher waren die Nebengeräusche nicht so schön. Der 2. und 3. Schumann-Sonate habe ich gern zugehört. Cédric Tiberghien gab Alina Ibragimova viel Raum – so dass es sich nicht nach „Kampf der beiden Instrumenente“ anhörte; er trat aber auch mit tollen Parts in Erscheinung. „Spiegel im Spiegel“ von Arvin Pärt dann soetwas wie eine Meditation zwischen den leidenschaftlich klingenden Sonaten. Insgesamt wieder ein toller Abend mit diesem hervorragenden Duo.

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    Sa, 17.02.2024 Konzerthaus Berlin, Großer Saal

    KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
    TON KOOPMAN Dirigent
    ALEXANDRA DOVGAN Klavier

    Bach Ouvertüre D-Dur BWV 1068 (1719-23)
    Mozart Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur KV 271 „Jenamy“ (1777) // Pause
    Rebel „Le Cahos“ aus „Les Élémens“ (1773)
    Mozart Sinfonie g-Moll KV 183 (1773)

    Alexandra Dovgan (Jg. 2007) war bereits 2019 im Rahmen des Young Euro Classic mit einem sehr jungen Orchester, zusammengestellt aus Musikschulen aus Kasan & Umkreis (auf einigen Positionen unterstützt von Studenten der UdK) mit dem Bach Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll BWV 1052 zu hören. Ich hörte es am Radio.
    Dem Programmheft zum jetzigen Konzert war zu entnehmen, dass die Werke des Abend von der Entstehung her um die 50 Jahre umspannen. Das Programm begann mit der 3. Ouvt. von Bach (mit der berühmten „Air“) und ich hatte anfangs tatsächlich kleinere Schwierigkeiten in den Klang zu kommen, da ich hier vermutlich Originalklangensembles im Ohr hatte. Das KHO auch viel kleiner besetzt, aber der Funke sprang bei mir zunächst nicht über. Zu Ton Koopman mit seiner positiven Ausstrahlung aber schon. Das „Jenamy“-Konzert von Mozart ist ziemlich oft im Radio zu hören und ich fand, dass Alexandra Dovgan das sehr stark spielte. Ich hörte es zum ersten mal live und irgendwie wurde es auch eine Entdeckung für mich. Soviele interessante Zusammenspiele mit Solisten aus dem Orchester. Ich bemerkte, dass ich sehr gespannt zuhörte und -sah… war interessant,auch diese ganzen Blickkontakte zu beobachten. Die nächste Entdeckung dann nach der Pause mit „Le Cahos“ dem 1. Satz aus „Les Élémens“ von Jean-Féry Rebel; ganz toll vom Orchester dargeboten. Da habe ich mir inzwischen mal wieder die CD der Akademie für Alte Musik herausgesucht (Rebel & Vivaldi) und die ganze Suite/Ballettmusik (in UA ohne 1. Satz) angehört. Das war eine tolle Einleitung zur frühen g-Moll (im Programmheft der Vermerk, dass sie gar nicht soviel kürzer als ihre „ältere Schwester“ ist, wenn alle Wdh. gespielt werden). Ich denke,ich kannte sie bisher eher nur von Nennungen als „kleine g-Moll“ oder hörte sie nebenbei am Radio… ab jetzt werde ich ihr auch mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen.
    Ich bin so ganz ohne Erwartungen ins Konzert, weil ich bis auf Bach die anderen Werke des Abends noch nicht intensiver hörte; das Konzert verließ ich mit sehr vielen neuen Eindrücken. Der Abend war echt bereichernd … und Ton Koopman zuzuschauen eine Freude. :)

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    #12261423  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Vielen Dank für die schönen Konzertberichte! Wollte längst schon zum Hadelich/Hecker/Helmchen-Konzert schreiben, dass das sehr stimmig klingt – bis zur Zugabe, die den Bogen dann quasi komplettiert. Die Schumann-Trios finde ich toll, aber am Ende wäre da wohl auch für mich Kodály das Highlight gewesen (hab ich mit Kopatchinskaja/Gabetta im Konzert gehört und war dort auch das Highlight, drumherum war’s mir teils deutlich zu klamaukig).

    Dass Du Weills „Todsünden“ mit Tänzerin erleben durftest, darum beneide ich Dich ein wenig! Ich war ja neulich von Ute Lemper sehr angetan, aber die Doppelrolle konnte sie allein höchsten manchmal andeuten – gesungen wird sie ja eh nur von einer Stimme, aber eine Tänzerin dabei zu haben, macht das Stück sicherlich nochmal etwa verständlicher. Ich habe gerade endlich* „Der Verschollene“ von Kafka gelesen, weil hier demnächst Haubenstock-Ramatis „Amerika“ aufgeführt wird … und klar, bei Weill ist die Parabelhaftigkeit verständlich, bei Kafka muss sie gedeutet werden (oder auch nicht, ich mag offene Texte, die auch einfach aus sich selbst heraus verständlich werden, ohne dass es Deutungen benötigen würde) – aber beides sind Stationendramen und beide geschrieben von Autoren, die die USA (noch) nicht kannten (glaub ich zumindest bei Brecht/Weill? Emigriert sind sie jedenfalls beide später – Haubenstock-Ramati hat zwar die absurdeste, durchaus „kafkaesk“ zu nennende Odysse erlebt in der Kriegszeit und direkt danach, aber in den USA lebte er glaube ich nie).

    Strauss liegt mir in der Oper sehr viel mehr als im Konzert, wo ich zwar manches enorm beeindruckend finde (die „Metamorphosen“, die Orchesterlieder, überhaupt Lieder), aber seine reiche Instrumentierungskunst kommt für mein Empfinden in der kleinteiligeren Oper (kleinteiliger weil im stetigen Wandel) am schönsten zur Geltung – und da empfinde ich sie schon als sehr, sehr toll. Bei den Orchesterstücken ist wohl die Regel, dass sie mir umso unzugänglicher sind, je pathetischer sie sind („Heldenleben“ ist wohl in etwa der Gipfel … das ist shock and awe, lässt mich draussen).

    Alexandra Dovgan hörte ich letzte Saison (Herbst 2022) in einem recht guten Rezital – ihr durch die Pandemie mehrfach verschobenes Debut in Zürich und in der Tonhalle. Und am Dienstag höre ich sie wieder, aber leider nicht mit Koopman (den ich auch sehr gerne mag, aber erst einmal live hörte. Dovgan wird nach der Ouvertüre zu „Lucio Silla“ das frühe Klavierkonzert Nr. 5 D-Dur KV 175 spielen, dann gibt es noch ein Bläser-Concertino von Josef Mysliveček, nach der Pause die Zwischenaktmusiken aus „Thamos, König in Ägypten“ KV 345 und zum Abschluss dann das „Jenamy“-Konzert KV 271. Begleitet wird sie vom Kammerorchester Basel unter Jonathan Cohen. Ich mag das „Jeunehomme“-Konzert ganz gerne – mal schauen, ob es gelingt, etwas neben die wunderbare Version zu setzen, mit der das phänomenale Konzert von Ibragimova und Bezuidenhout in Basel (auch mit dem KOB) neulich endete. Ich bin ehrlich gesagt nicht so optimistisch, aber lasse mich sehr gerne überraschen.


    *) hab immerhin vor langer Zeit mal Neuere dt. Literatur im Nebenfach studiert und „Der Prozess“ ist ein Lieblingsbuch

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12261583  | PERMALINK

    yaiza

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    gypsy, vielen Dank für die Reaktionen und Dir viel Spaß beim Konzert des KOB u. A. Dovgan mit gleich zwei KK.

    Zu den „Todsünden“ — las ich heute das „Kalenderblatt vom BR Klassik“ vom 07.06.2023 und stolperte über die Nennung des Mäzens Edward James.

    „Es ist ein Auftragswerk des Kunstmäzens Edward James, der auch die Rahmenhandlung entwirft“ https://www.br-klassik.de/themen/klassik-entdecken/kurt-weill-sieben-todsuenden-ballett-urauffuehrung-paris-1933-100.html

    Keine Ahnung, ob das mit der vorgegebenen Rahmenhandlung stimmt. Der Text ist recht interessant.
    Habe nochmal in den Programmheften nachgeschaut, aber Edward James wird in beiden gar nicht erwähnt. Im Heft des KH werden allerdings auch die Nebenfiguren der UA aufgezählt und da findet sich ein Edward; ist damit gemeint, dass er sich da hat reinschreiben lassen (?)
    Vier Liebespaare
    Die Eigentümer eines Kabaretts
    Kabarettpublikum
    Der Stallmeister
    Leute vom Film
    Fernando, ein Gigolo
    Edward, ein reicher Mann
    Lebemänner

    Dlf Kultur 21.08.2012 zu Edward James — Ehemann von Tilly Losch, die Anna II in der UA tanzte
    … und den Gesprächen mit einem engl. Journalisten zu den ersten 30 Jahren seines Lebens:

    „…Dazwischen gibt es viel Society-Klatsch, vergnügte Reisen an die Cote-d’Azur, zum Skilaufen nach St. Moritz, aber auch geistreiche Ausflüge in die Künstleravantgarde, nach Paris zu George Balanchine, Brecht/Weill und Strawinsky, die James allesamt subventioniert, um seiner Liebsten Auftritte zu verschaffen…“ https://www.deutschlandfunkkultur.de/multimillionaer-mit-faible-fuers-verrueckte-100.html

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    #12266577  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich wollte längst zu Alexandra Dovgan schreiben, zum Konzert in der Tonhalle mit dem Kammerorchester Basel unter Jonathan Cohen im Rahmen der Neuen Konzertreihe Zürich am 27. Februar. Das Konzert war sehr schön, aber umgehauen hat es mich – wie ihr Rezital letzte Saison – nicht direkt. Ihr Approach bei Mozart war schon sehr toll: unaufgeregt, perlendes Spiel von enormem Fluss und bewundernswerter Gleichmässigkeit – eine emotionale Zurückgenommenheit, wie sie mir bei Mozart oft sehr passend scheint. Vor allem im „Jeunehomme“-Konzert kam das richtig gut. In der ersten Konzerthälfte war Myslivečeks Concertino Es-Dur für 2 Klarinetten, 2 Hörner, Fagott und Orchester mein Highlight (im Programmheft stand auch noch „2 Flöten“ dazu) – da standen die Bläsersolist*innen für einmal hinter dem Orchester und drangen so auch gut durch, es ist ja auch kein eigentliches Solo-Konzert sondern ein Stück, in dem die Bälle zwischen den vielen Solist*innen und dem Orchester rege hin und her geworfen werden. Davor gab’s die Ouvertüre zu „Lucio Silla“ und das Klavierkonzert D-Dur KV 175 (Nr. 5, das erste „eigene“ von Mozart, Nr. 1-4 sind mehr oder weniger Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten – man behafte mich nicht auf diesen Wortlaut bitte). Nach der Pause ging es mit Auszügen aus der Bühnenmusik zu „Thamos, König von Ägypten“ weiter und dann folgte das Klavierkonzert Es-Dur KV 271 (Nr. 9, eben „Jeunehomme“ oder auch „Jenamy“). Als Zugabe spielte Dovgan dann den Walzer cis-Moll Op. 64/2 von  Chopin – in einer rubatoreichen aber doch ziemlich rasanten und überzeugenden Version. Cohens Dirigat gefiel mir sehr gut und das KOB wusste auch ohne Solistin zu überzeugen.

    Neun Tage früher, am Sonntag 18. Februar schon, war ich an der Einführungssmatinée zu „Amerika“, der Oper von Roman Haubenstock-Ramati, die am Sonntag (glaub ich) Premiere hatte. Ich hab da spontan beschlossen, gleich noch für eine zweite Vorstellung eine Karte zu kaufen – wie ich es für (halbwegs) Zeitgenössisches am Opernhaus immer tun sollte … dieses Mal zum Glück rechtzeitig bedacht, ich gehe am Samstag und kommende Woche dann am Freitag erneut hin. Das Gespräch mit Dirigent Gabriel Feltz, Regisseur Sebastian Baumgarten und der Sopranistin Mojca Erdmann (sie singt Klara und Therese), geführt vom Dramaturgen Claus Spahn (diese Stücke aus dem 20. und 21. Jahrhundert sind stets Chefsache, Spahn ist der Leiter der Dramaturgie am Haus) war höchst interessant, einerseits weil erstmals die irre Biographie Haubenstock-Ramatis aufgezeigt wurde (er scheint sie nur ganz wenigen Menschen erzählt zu haben, einer davon ist Heinz Holliger), andererseits weil das quasi ein Werkstattbericht war, der faszinierende Einblicke in das Stück (ein wie man heute sagt „kafkaeskes“ Stationendrama, das dem Irrweg Haubenstocks in der Zeit der Nazerei nicht völlig unähnlich scheinen mag), und auch in die Probearbeit, die höchst schwierig ist. Einen Klavierauszug kann man da nicht machen, es wurde geprobt, indem auf Tischen oder sonstwo Tempi geklopft wurden, überhaupt wurde über die Partitur ein Zeitraster gelegt, an dem sich die Sänger*innen und Tänzer*innen auf der Bühne sowie natürlich der Dirigent im Graben orientieren werden – weil das alles äusserst präzise ist, auch wenn in der Ausgestaltung teilweise eher Spielanweisungen als vollständig notiertes Material vorliegen. Die Partitur für den Dirigenten ist sowieso meist „nur“ graphisch, die Noten für die Musiker*innen und Sänger*innen sind jedoch oft konventionell notiert. Da ist die Herausforderung dann wohl v.a. für den Dirigenten, den Überblick stets zu behalten und seine – wunderschöne – Graphik mit den einzelnen Parts zusammenzubringen, das alles präzise zu leiten. Zudem werden vier Orchester benötigt, von denen drei (manchmal nur eins oder zwei, seltener drei) über die Surround-Anlage im Haus eingespielt werden, sich also auch im Raum bewegen werden … diese Einspielungen hat das Opernhaus selbst angefertigt, das Orchester spielt also quasi mit sich selbst. Ich freue mich riesig darauf … wenn ich’s richtig verstanden habe, ist das erst die vierte Aufführung der Oper überhaupt (allfällige konzertante Aufführungen sind da vermutlich nicht mitgerechnet).

    Letzten Sonntag gab’s dann noch ein Gesprächskonzert mit Heinz Holliger und dem Gringolts Quartett, wieder geleitet von Claus Spahn. Das war ganz grosse Klasse! Das Programm:

    Gringolts Quartett: Ilya Gringolts (Violine), Anahit Kurtikyan (Violine), Silvia Simionescu (Viola), Claudius Herrmann (Violoncello)
    Heinz Holliger (Oboe)

    György Kurtág: 12 Microludes für Streichquartett op.13
    Franz Schubert: Streichquartett G-Dur D.887 II Andante un poco mosso
    Roman Haubenstock-Ramati: Multiple V 1970 (Heinz Holliger gewidmet) [Heinz Holliger (Oboe), Ilya Gringolts (Violine)]

    Im Gespräch: Der Komponist Roman Haubenstock-Ramati [Heinz Holliger, Claus Spahn]

    Roman Haubenstock-Ramati: Streichquartett II in memoriam Christl Zimmerl (1977)
    I Bittersüss, Wienerisch / II Ziemlich Rasch / III Kanon I / IV Violente / V Kanon II / VI Valse Triste

    Das Streichquartett war das musikalische Highlight – zwei wienerisch zumindest anmutende, wie Holliger meinte mit Schmelz und Vibrato à la Kreisler zu spielende Ecksätze (v.a. der Schlusssatz, im ersten sind das eher Anklänge), dazwischen Musik von einer Schroffheit, Kälte und Härte, die einem manchmal fast den Atem verschlägt. Das Stück für Oboe und Violine ist eins, bei dem anscheinend vieles nur partiell notiert ist, da werden z.B. Bewegungen oder Tonbereiche genannt und Akkorde/Tonleitern/Einzeltöne, die gespielt werden sollen/dürfen, in der effektiven Ausgestaltung ist aber vieles den beiden Musikern überlassen. Dabei kamen allerlei unkonventionelle Spieltechniken zum Einsatz, Holliger erzeugte z.B. in manchen Passagen nur beim Einatmen durch die Oboe Töne, entfernte das Rohrblatt und blies direkt in die Oboe, Gringolts spielte unterhalb des Stegs, beide setzten auch ihre Stimme ein (Holliger während dem spielen von Tönen, was bei der Oboe soweit ich weiss ziemlich verdammt schwierig ist). Der Einstieg mit den kurtág’schen Miniaturen und dem anschliessenden Schubert-Satz war auch schon toll – ich habe schon Jahre nichts mehr von Kurtág live hören können, das war also höchst willkommen.

    Im Gespräch erzählte Holliger, wie er Haubenstock erstmal traf und bei weiteren Treffen mit der Zeit immer besser kennlernte, bis dieser ihm irgendwann seine ganze (völlig irre, wie gesagt) Lebensgeschichte erzählt hat.

    PS: das kleine Büchlein, das Holliger auf dem Foto in der Hand hält, ist die Taschenpartitur von Haubenstock-Ramatis zweitem Streichquartett, die er während der Aufführung mitgelesen hat.

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    gypsy-tail-wind
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    Zürich, Tonhalle – 07.03.2024

    Tonhalle-Orchester Zürich
    Paavo Järvi
    Music Director
    Giulia Semenzato Sopran
    Rodion Pogossov Bariton
    Iveta Apkalna Orgel
    Zürcher Sing-Akademie
    Florian Helgath
    Einstudierung

    GABRIEL FAURÉ: «Super flumina Babylonis» (Psalm 136)
    FRANCIS POULENC: Poulenc Orgelkonzert g-Moll
    E: CHARLES-MARIE WIDOR: Toccata (aus 5. Orgelsinfonie Nr. 5)

    GABRIEL FAURÉ: Requiem op. 48 für Solisten, Chor, Orgel und Orchester

    Ich glaube nicht, dass ich Järvi in der Tonhalle (oder überhaupt?) schon mit französischer Musik gehört habe … kurz: es war grandios, ganz besonders das Requiem. Aufschlussreich war in der Hinsicht auch das Vorgespräch mit Florian Helgath, der von der Probearbeit berichtete und sagte, dass Järvi am Vorabend bei der ersten Aufführung im Konzert Dinge gemacht habe, die sie nie so geprobt hätten. Bekannt ist das ja, dass Järvi aus dem Moment hinaus Entscheidungen trifft, dass er ein fast schon kammermusikalisches Spielverständnis pflegt, von den Mitwirkenden stets vollste Aufmerksamkeit verlangend. Das Vorgespräch wurde musikalisch umrahmt, es gab noch etwas mehr Poulenc – vor allem die von Riccardo Acciarino sehr persönlich interpretierte Klarinettensonate war toll.

    FRANCIS POULENC: Sonate für Klarinette und Klavier
    Riccardo Acciarino Klarinette / Or Re’em Klavier
    FRANCIS POULENC: Métamorphoses für Sopran und Klavier
    Giulia Guarneri-Giovanelli Sopran / Daniela Baumann Klavier

    Die Psalmenvertonung von Fauré zum Einstieg war ziemlich toll – ein selten gespieltes Frühwerk, das spätromantische Einflüsse (Brahms, Berlioz) aufweist, recht üppig also und damit eine gute Einstimmung auf das überbordende Orgelkonzert von Poulenc, das mir endlich die Gelegenheit bot, die neue Orgel der Tonhalle in voller Aktion zu hören – sehr beeindruckend! Wie fein die Orgel auf den Saal abgestimmt ist, ihn füllt ohne zu überborden, war wirklich toll zu hören. Apkalna überzeugte in jeder Hinsicht, spielte dann eine überbordende Zugabe von Widor.

    Nach der Pause dann das Requiem von Fauré. Gänsehaut fast von Anfang bis Ende, der Chor war grandios, noch in den zartesten Pianissimi klangen die 14 oder 15 Sopranstimmen wie aus einem Guss. Ich weiss gar nicht, ob ich dieses Requiem schon einmal gehört habe – jedenfalls war das wahnsinnig beindruckend: Chor, Orchester, Solistin und Solist (an der Orgel sass dafür Tobias Frankenreiter).

    Zürich, Tonhalle – Neue Konzertreihe Zürich – 11.03.2024

    Bruce Liu Klavier

    JEAN-PHILIPPE RAMEAU: Le tendres plaints, Les cyclopes, Menuet, 2me Menuet, Les Sauvagas, La Poule, Gavotte et six doubles
    FRÉDÉRIC CHOPIN: Variationen «Là ci darem la mano» aus Mozarts «Don Giovanni» op. 2

    MAURICE RAVEL: Miroirs
    FRANZ LISZT: Réminiscences de Don Juan

    E:
    BACH/SILOTI: Präludium e-Moll BWV 855a aus WTK Band 1
    CHOPIN: Walzer Des-Dur op. 64/1 «Minutenwalzer»

    Montagabend war ich im Rahmen meines Abos der Neuen Konzertreihe beim Rezital von Bruce Liu – ein Konzert, das ist sonst definitiv nicht gehört hätte … und auch nicht wirklich viel verpasst hätte, glaub ich. Das Programm mit dem doppelten „Don Giovanni“-Zitat war eine Runde Sache, aber grad die zwei Stücke überzeugten mich nicht so recht, was aber gar nicht viel mit Liu zu tun hat, der ständig verzögerte Klimax bei Liszt – nach vier Minuten oder so geht es noch zweimal solang, bis es endlich zum Abschluss kommt, da wird aufgetürmt, dass es nur noch albern ist – aber klar, das tut beim Publikum seine Wirkung (für stehende Ovationen reichte es dann aber doch nicht). Die Rameau-Stücke waren, solange sie leise und lyrisch blieben – enorm fein phrasiert, minimaler Pedaleinsatz – wahnsinnig schön, aber in den lautmalerischen („Les Sauvages“, „La Poule“) kam der grosse Flügel natürlich an sein Limit bzw. überrollte, plättete die Musik von Rameau völlig. Den Ravel fand ich dann wiederum auch sehr gut.

    Ein paar Worte nur zu „Amerika“, das ich gestern zum zweiten Mal gesehen habe (09.03.2024 und 15.03.2024)

    Und dann noch schnell zu „Amerika“, das ich gestern zum zweiten Mal sah: Ganz toll! Die Inszenierung ist wohl einigermassen gelungen, die Bühne jedenfalls sehr schön (die, das Licht usw. sollen gemäss Haubenstocks Anweisungen ein Eigenleben haben), dann wurde die Rolle der Pantomime weit ausgebaut, eine zwölfköpfige moderne Tanztruppe (kein Ballet, keine Normkörper, ein japanischer Choreograph namens Takao Baba leitet die Truppe und war für die Choreographie zuständig) spielt quasi eine stumme Hauptrolle, ist immer wieder präsent, bildet auch Aspekte aus Kafkas Geschichte ab, die im Libretto nur angedeutet werden oder fehlen. Der Text ist im Libretto (von Haubenstock) so verknappt, dass manches kaum verständlich wird. Das steigert natürlich den klaustrophobischen, schicksalhaften Aspekt (oder: das „Kafkaeske“). Wenn ich zur Inszenierung sage „einigermassen“, dann beziehen sich die Fragezeichen wieder auf den Klamauk-Aspekt, der v.a. beim „Naturtheater von Oklahoma“, also am Ende, etwas zu dominant werden, fand ich. Das Stück ist aber wahnsinnig toll, die Vermählung von Musik, Bühne, Licht usw. (vieles davon ist recht präzise beschrieben im Libretto, das ich vor dem zweiten Besuch durchgelesen habe in der Fassung aus dem Programmheft). Rein musikalisch fand ich es auch sehr toll: das Zusammenspiel der zugespielten Orchester (eins oder zwei, bei einer Passage drei, die Aufnahmen entstanden wohl seit 2020, als die Aufführung eigentlich hätte stattfinden sollen, aufs Kafka-Jahr-Gedöns wollte man nicht aufspringen), die im Raum verteilt werden, sich bewegen. Auch Stimmen kommen so dazu, dafür wurden die von der letzten Aufführung (der insgesamt dritten) von 2004 in Bielefeld übernommen und neu bearbeitet. Gestern konnte ich im 2. Rand in die erste Reihe vorrücken – solche Aufführungen sind ja selten ausverkauft), sass dort ganz vorn und guckte immer wieder mit meinem kleinen operntauglichen Feldstecher auf die Partitur – und die sieht echt irre toll aus, ein Kunstwerk für sich!

    Amerika
    Oper in zwei Teilen von Roman Haubenstock-Ramati (1919-1994)
    nach dem gleichnamigen Roman von Franz Kafka; Libretto von Roman Haubenstock-Ramati

    Musikalische Leitung Gabriel Feltz
    Inszenierung Sebastian Baumgarten
    Ausstattung Christina Schmitt
    Choreografie Takao Baba
    Lichtgestaltung Elfried Roller
    Video Robi Voigt
    Klangregie Oleg Surgutschow
    Sounddesign Raphael Paciorek
    Dramaturgie Claus Spahn

    Karl Roßmann Paul Curievici
    Heizer, Pollunder, Robinson, erster Landstreicher Robert Pomakov
    Der Oberkellner, Delamarche, zweiter Landstreicher, Der Personalchef des grossen Naturtheaters Georg Festl
    Klara, Therese Mojca Erdmann
    Onkel Jakob, Der Oberportier, Der Direktor des grossen Naturtheaters Ruben Drole
    Brunelda Allison Cook
    Die Oberköchin Irène Friedli
    Sprecher 1, Der Student, Erster Schreiber, Gerichtsagent Benjamin Mathis
    Sprecher 2, Zweiter Schreiber, Wahlkandidat Sebastian Zuber
    TänzerInnen Solomon Quaynoo, Pouria Abbasi, Yvonne Barthel, Natalie Bury, Kemal Dempster, Theodor Diedenhofen, Steven Forster, Evelyn Angela Gugolz, Michaela Kvet, Elisa Pinos Serrano, Anna Virkkunen, Oriana Zeoli

    Philharmonia Zürich

    Die Orchestereinspielungen aus dem Zuschauerraum (ein oder zwei Orchester, an einer Stelle sogar drei) fertigte die Oper Zürich selbst an, für die Sprechchöre wurde die Aufnahme wiederverwendet (und neu bearbeitet), die 2004 für das Theater Bielefeld gemacht wurden (Vokalensemble NOVA/Colin Mason). Die Aufführung in Bielefeld war die dritte und erste mit halbwegs modernen Mitteln, die zweite gab’s 1992 in Salzburg noch mit der Mitwirkung von Haubenstock – im Gegensatz zur Uraufführung 1966 ein Erfolg. Die aktuelle in Zürich ist die vierte.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12272497  | PERMALINK

    yaiza

    Registriert seit: 01.01.2019

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    Vielen Dank, gypsy für die Berichte.
    Ich hörte am Wochenende ein paar Beiträge des Dlf Musikjournals der letzten Wochen nach und nahm auch den zu „Amerika“ in Zürich mit. Holger Noltze führte kurz ein, sprach von hohem Einsatz & Qualität am Haus sowie die Chance, diese Oper nochmal neu bewerten zu können. Das Ausreizen des Opernbetriebes von Haubenstock-Ramati war Thema wie auch eine kurze Beschreibung zur graphischen Notation; street-/urban dance soll auch gut gepasst haben. Vom Sprechgesang war er auf Dauer nicht so angetan.
    https://www.deutschlandfunk.de/musikjournal-100.html (–> 04.03.2024)

    Gabriel Feltz hatte an der Komischen Oper Berlin die letzte Spielzeit mit Nonos „Intolleranza 1960“ eröffnet.
    Aufnahmetechnisch ist er bei mir mit dem Mahler-Zyklus (Aufn. 2007-2019, Stuttgarter und Dortmunder Philharmoniker) vertreten, den ich mir zu Anfang des Jahres angeschafft habe, um mal aus den vorwiegend älteren Aufnahmen von Sinfonien auszubrechen. Einige Sinfonien habe ich jetzt so 2-3x gehört und ich bin überrascht, wie sehr der Zyklus mich doch noch neugieriger macht.

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    #12283019  | PERMALINK

    yaiza

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    5. April 2024, Pierre Boulez Saal, Berlin

    William Youn, Klavier
    Péter Eötvös Erdenklavier – Himmelklavier (2003)
    Maurice Ravel Une Barque sur l’océan (aus „Miroirs“, 1904/05)
    John Adams Phrygian Gates (1977) // Pause
    Franz Schubert Klaviersonate A-Dur, D 959 (1828)

    Schon beim Lesen im Programmheft des Boulez Saals wusste ich, dass mir diese Zusammenstellung sehr gefallen wird. Eötvös‘ Erdenklavier – Himmelklavier hatte ich bisher noch nicht gehört, aber das weitere Programm versprach interessante Einblicke über die gleich in den Sinn kommenden scheinbaren Wellen-, Wasserbewegungen und Wiederholungen von Mustern hinaus. Außerdem erinnerte ich ein schönes Gesprächskonzert mit der Komponistin (und Pianistin) Konstantia Gourzi, Nils Mönkemeyer und William Youn zu welchem ich 2021 ging. So schade, dass das Gespräch zwischen den dreien aus Zeitgründen abgebrochen werden musste, aber Nils Mönkemeyer gelang es noch, kurze Infos zu alten Kirchentonarten unterzubringen. Im Essay von Jürgen Ostmann zum Programm nun also auch Infos zu lydischer und phrygischer Tonart und deren Verbindung. John Adams: „Die lydische Tonart mit ihrer leichten, sinnlichen, resonanten Persönlichkeit wird gegen die instabileren, aber oft heroischen Qualitäten der phrygischen Tonart ausgespielt.“ https://www.boulezsaal.de/de/event/william-youn-216784/program
    Ähnlich wie bei Schubert D 959 begibt man sich bei Adams auch auf eine Reise. Zwischendrin gab es dunkle Passagen, die ich vom Hören zu Hause gar nicht so dunkel erinnerte, aber William Youn stellte die Ausbrüche sehr heraus.

    Nach der Pause dann Schuberts späte Klaviersonate in A-Dur. Ich freute mich, dass ich diese auch mit William Youn noch einmal hören konnte. Er war mit ihr und D 960 in der Bechstein-Reihe im Dez. 22 im Konzerthaus zu Gast, aber zeitgleich zu einem Konzert der jungen Cellistin Estelle Revaz an anderem Ort und ich entschied mich für sie und ihre Begleiterin, was sich für das ganze von ihr ausgearbeitete Programm inkl. Moderation, aber besonders für die Ginastera Cellosonate, lohnte. Gestern fiel mir auch wieder auf, wie nah sich diese Klaviersonate und die „Große C-Dur“-Symphonie D 944 sind — inkl. Katastrophe, Volksmusik im Scherzo und orchestralem Finale. Ich lasse mich gern auf beide Werke ein, erschrecke immer (noch) am Abgrund und verfolge gespannt wie dieser dann doch überwunden wird. William Youn spielte sehr souverän, vermochte das Publikum zu fesseln; es lag bis zum Schluss eine konzentrierte Stimmung in der Luft… die sich dann durch den langen Applaus löste. Die erste Zugabe von William Youn war das 2. Impromptu aus D 935 und nach weiterem Applaus folgte noch eine Liszt-Transkription.

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    #12284609  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Danke @yaiza, das klingt nach einem exquisiten Konzert!

    Bei mir gab’s die letzten Wochen, ohne dass ich noch viel dazu schreiben könnte:

    Faust Heroisch – Basel, Stadtcasino – 16.03.2024

    Kammerorchester Basel
    Giovanni Antonini
    Leitung
    Isabelle Faust Violine

    LUDWIG VAN BEETHOVEN
    Konzert für Violine und Orchester in D-Dur

    Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur «Eroica»

    Isabelle Faust hat mich bei der Gelegenheit wieder einmal enorm beeindruckt. Die neun oder zehn Stühle auf der Bühne (dasselbe auf der linken Seite) zeigen, wie gut das Stadtcasino stets ausgelastet ist. Vielleicht sollten sie sich allmählich auch überlegen, manche Konzerte zweimal aufzuführen.

    Ensemble Opera Nova – Studiobühne, Opernhaus Zürich – 21.03.2024

    The Unanswered Question:
    Das Amerika der Moderne – ein Abend mit verrückten Komponistenpersönlichkeiten des amerikanischen Kontinents

    Ensemble Opera Nova
    Hans-Peter Achberger
    Musikalische Leitung

    Charles Ives (1874 – 1954): The Unanswered Question / Trompete Evgeny Ruzin
    Conlon Nancarrow (1912 – 1997): Study for Player Piano Nr. 7*
    Elliott Carter (1908 – 2012): Concertino for Bass Clarinet and Chamber Orchestra / Bass-Klarinette Filipa Margarida Sacramento Nunes
    Conlon Nancarrow: Study for Player Piano Nr. 21*
    George Crumb (1929 – 2022): Night of the Four Moons / Alt Dominika Stefanska, Flöte Etni Molletones Mendoza, Banjo Gunter Schneider, Elektrisches Cello Claudius Herrman

    John Cage (1912 – 1992): Third Construction für 4 Schlagzeuger / Schlagzeug Didier Chevalier, Dominic Herrmann, Dessislava Kepenerova, Hans-Peter Achberger
    Conlon Nancarrow (1912 – 1997): Study for Player Piano Nr. 3a*
    John Adams (geb. 1947): Chamber Symphony (1993)

    *Schweizerische Erstaufführung

    Dazu fällt es mir leichter, im Rückblich ein paar Zeilen zu schreiben, denn das war ein wirklich besonderes Konzert. Die Probebühne ist ein charmfreier schwarzer Kubus tief im Keller neben dem Opernhaus, hoffentlich gut gegen das Grund- und das nur wenige Meter entfernte Seewasser gesichert. Achberger ist Schlagzeuger im Orchester und leitet einmal pro Saison seine eigenes Ensemble, mit dem er gerne interessante Musik aus dem 20. Jahrhundert aufführt. Dieses Mal habe ich es endlich hin geschafft. Die Produktion von „Amerika“ war nur oberflächlicher Bezugspunkt, aus den USA stammten halt die Werke bzw. Komponisten (Nancarrow lebte in Mexico, weil er nach der Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg in den USA nicht mehr Fuss fassen konnte).

    Nach dem stimmungsvollen Einstieg mit Ives (die Bläser spielten von hinterm Vorhang) – der recht anders war als die gross besetzte Version neulich in der Tonhalle mit Kent Nagano – gab es schon die erste Einlage des Player Pianos. Ein funktionstüchtiges Instrument konnte von einem Mäzen/Sammler, die Rollen aus der Paul Sacher Stiftung in Basel geliehen werden. Dort lagern auch Nancarrows Instrumente, doch die waren schon bei ihrer Übernahme kaum noch nutzbar – die ganze Antriebstechnik scheint diffizil zu sein und der stetigen Pflege zu bedürfen. Das Player Piano stand vorn am Rand, ich hatte einen Blick auf die Tastatur, dank einer Kamera und der Übertragung auf eine grosse Leinwand hinter der Bühne war aber das ganze Instrument gut zu sehen. Aufgeführt wurden die Stücke in der Schweiz gemäss den Recherchen der Sacher-Stiftung tatsächlich nie, Achberger meinte, man habe bloss kurze Ausschnitte nach der Übernahme des Nachlasses in kleiner Runde auf den alten Instrumenten abgespielt.

    Die Musik von Nancarrow erklang ja später nochmal und diese Stücke sind schon völlig irre. Manchmal klingt das nach quasi klassisch verwurstetem Ragtime, Boogie oder Blues, erinnerte mich in der Linienführung auch mal an den Jazzpianisten Lennie Tristano. Aber in den krassesten Momenten der Verdichtung werden so viele Tasten aufs Mal gespielt, wie es ein oder auch zwei Menschen nicht hinkriegen würden. Da werden auch Versuchsanordnungen durchgespielt, z.B. eine Art „X“, in der eine Stimme aus der Tiefe hochgeht, die andere im Diskant anfängt, und in der Mitte kreuzen sie sich dann, es kommt quasi zum Clash … toll, das mal hören zu können!

    Die grossen Highlights kamen aber von Elliott Carter – die Solostimme spielte souverän die Bassklarinettistin des Orchesters der Oper, also der Philharmonia Zürich, Filipa Margarida Sacramento Nunes – , von Robert Crumb – wunderbar gesungen von der Mezzo-Sopranistin Dominika Stefanska, die neulich auch bei „Sweeney Todd“ mitwirkte; die Texte stammen von García Lorca – und von John Cage – ein völlig irres, komplett durchkomponiertes Stück für vier Schlagzeuger*innen, aus deren oft gegenläufigen Rhythmen sich Schichtungen ergeben, die nicht mehr zu verstehen sind, so dicht wird das – und klingt, wie Achberger im Gespräch (mit Claus Spahn, dem Chefdramaturgen der Oper) meinte, manchmal wie Chaos, aber nur, weil eine solche Verdichtung stattfindet. Irre!

    Den Ausklang machte dann Adams‘ Chamber Symphony, die eine Art Trickfilm-Big Band-Adaption für klassisches Kammererensemble ist, rasant, witzig, süffig, mit viel Arbeit für die Bläser.

    Als nächstes steht nach einem Ausflug an die Stanser Musiktage für zwei Jazzkonzerte dann ein „immersives Konzert“ von Barbara Hannigan und den Labèque Schwestern in der Tonhalle an: Electric Fields“ Werke von Hildegard von Bingen, Barbara Strozzi, Francesca Caccini, Bryce Dessner und David Chalmin.
    https://www.tonhalle-orchester.ch/konzerte/kalender/electric-fields-mit-barbara-hannigan-1747620/

    Und am Sonntag dann eine Matinée mit Strauss im Opernhaus – Orchesterlieder mit Diana Damrau und etwas Orchestermusik, am Pult Chefdirigent Gianandrea Noseda:
    https://www.opernhaus.ch/spielplan/kalendarium/strauss/2023-2024/

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    gypsy-tail-wind
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    Danke @yaiza, das klingt nach einem exquisiten Konzert!

    Bei mir gab’s die letzten Wochen, ohne dass ich noch viel dazu schreiben könnte:

    Faust Heroisch – Basel, Stadtcasino – 16.03.2024

    Kammerorchester Basel
    Giovanni Antonini
    Leitung
    Isabelle Faust Violine

    LUDWIG VAN BEETHOVEN
    Konzert für Violine und Orchester in D-Dur

    Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur «Eroica»

    Isabelle Faust hat mich bei der Gelegenheit wieder einmal enorm beeindruckt. Die neun oder zehn Stühle auf der Bühne (dasselbe auf der linken Seite) zeigen, wie gut das Stadtcasino stets ausgelastet ist. Vielleicht sollten sie sich allmählich auch überlegen, manche Konzerte zweimal aufzuführen.

    Ensemble Opera Nova – Studiobühne, Opernhaus Zürich – 21.03.2024

    The Unanswered Question:
    Das Amerika der Moderne – ein Abend mit verrückten Komponistenpersönlichkeiten des amerikanischen Kontinents

    Ensemble Opera Nova
    Hans-Peter Achberger
    Musikalische Leitung

    Charles Ives (1874 – 1954): The Unanswered Question / Trompete Evgeny Ruzin
    Conlon Nancarrow (1912 – 1997): Study for Player Piano Nr. 7*
    Elliott Carter (1908 – 2012): Concertino for Bass Clarinet and Chamber Orchestra / Bass-Klarinette Filipa Margarida Sacramento Nunes
    Conlon Nancarrow: Study for Player Piano Nr. 21*
    George Crumb (1929 – 2022): Night of the Four Moons / Alt Dominika Stefanska, Flöte Etni Molletones Mendoza, Banjo Gunter Schneider, Elektrisches Cello Claudius Herrman

    John Cage (1912 – 1992): Third Construction für 4 Schlagzeuger / Schlagzeug Didier Chevalier, Dominic Herrmann, Dessislava Kepenerova, Hans-Peter Achberger
    Conlon Nancarrow (1912 – 1997): Study for Player Piano Nr. 3a*
    John Adams (geb. 1947): Chamber Symphony (1993)

    *Schweizerische Erstaufführung

    Dazu fällt es mir leichter, im Rückblich ein paar Zeilen zu schreiben, denn das war ein wirklich besonderes Konzert. Die Probebühne ist ein charmfreier schwarzer Kubus tief im Keller neben dem Opernhaus, hoffentlich gut gegen das Grund- und das nur wenige Meter entfernte Seewasser gesichert. Achberger ist Schlagzeuger im Orchester und leitet einmal pro Saison seine eigenes Ensemble, mit dem er gerne interessante Musik aus dem 20. Jahrhundert aufführt. Dieses Mal habe ich es endlich hin geschafft. Die Produktion von „Amerika“ war nur oberflächlicher Bezugspunkt, aus den USA stammten halt die Werke bzw. Komponisten (Nancarrow lebte in Mexico, weil er nach der Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg in den USA nicht mehr Fuss fassen konnte).

    Nach dem stimmungsvollen Einstieg mit Ives (die Bläser spielten von hinterm Vorhang) – der recht anders war als die gross besetzte Version neulich in der Tonhalle mit Kent Nagano – gab es schon die erste Einlage des Player Pianos. Ein funktionstüchtiges Instrument konnte von einem Mäzen/Sammler, die Rollen aus der Paul Sacher Stiftung in Basel geliehen werden. Dort lagern auch Nancarrows Instrumente, doch die waren schon bei ihrer Übernahme kaum noch nutzbar – die ganze Antriebstechnik scheint diffizil zu sein und der stetigen Pflege zu bedürfen. Das Player Piano stand vorn am Rand, ich hatte einen Blick auf die Tastatur, dank einer Kamera und der Übertragung auf eine grosse Leinwand hinter der Bühne war aber das ganze Instrument gut zu sehen. Aufgeführt wurden die Stücke in der Schweiz gemäss den Recherchen der Sacher-Stiftung tatsächlich nie, Achberger meinte, man habe bloss kurze Ausschnitte nach der Übernahme des Nachlasses in kleiner Runde auf den alten Instrumenten abgespielt.

    Die Musik von Nancarrow erklang ja später nochmal und diese Stücke sind schon völlig irre. Manchmal klingt das nach quasi klassisch verwurstetem Ragtime, Boogie oder Blues, erinnerte mich in der Linienführung auch mal an den Jazzpianisten Lennie Tristano. Aber in den krassesten Momenten der Verdichtung werden so viele Tasten aufs Mal gespielt, wie es ein oder auch zwei Menschen nicht hinkriegen würden. Da werden auch Versuchsanordnungen durchgespielt, z.B. eine Art „X“, in der eine Stimme aus der Tiefe hochgeht, die andere im Diskant anfängt, und in der Mitte kreuzen sie sich dann, es kommt quasi zum Clash … toll, das mal hören zu können!

    Die grossen Highlights kamen aber von Elliott Carter – die Solostimme spielte souverän die Bassklarinettistin des Orchesters der Oper, also der Philharmonia Zürich, Filipa Margarida Sacramento Nunes – , von Robert Crumb – wunderbar gesungen von der Mezzo-Sopranistin Dominika Stefanska, die neulich auch bei „Sweeney Todd“ mitwirkte; die Texte stammen von García Lorca – und von John Cage – ein völlig irres, komplett durchkomponiertes Stück für vier Schlagzeuger*innen, aus deren oft gegenläufigen Rhythmen sich Schichtungen ergeben, die nicht mehr zu verstehen sind, so dicht wird das – und klingt, wie Achberger im Gespräch (mit Claus Spahn, dem Chefdramaturgen der Oper) meinte, manchmal wie Chaos, aber nur, weil eine solche Verdichtung stattfindet. Irre!

    Den Ausklang machte dann Adams‘ Chamber Symphony, die eine Art Trickfilm-Big Band-Adaption für klassisches Kammererensemble ist, rasant, witzig, süffig, mit viel Arbeit für die Bläser.

    Als Zugabe, während die Musiker*innen zusammenpackten und von Freund*innen belagert wurden, das Publikum langsam den Keller verliess, spielte das Player Piano noch Gershwins eigene Piano Roll der „Rhapsody in Blue“ – da konnte man das Ding dann noch etwas aus der Nähe betrachten … aber nach zweieinhalb Stunden mochte ich nicht mehr allzu lange bleiben und zuschauen. Ein tolles Konzert!

    Als nächstes steht nach einem Ausflug an die Stanser Musiktage für zwei Jazzkonzerte dann ein „immersives Konzert“ von Barbara Hannigan und den Labèque Schwestern in der Tonhalle an: „Electric Fields“ Werke von Hildegard von Bingen, Barbara Strozzi, Francesca Caccini, Bryce Dessner und David Chalmin.
    https://www.tonhalle-orchester.ch/konzerte/kalender/electric-fields-mit-barbara-hannigan-1747620/

    Und am Sonntag dann eine Matinée mit Strauss im Opernhaus – Orchesterlieder mit Diana Damrau und etwas Orchestermusik, am Pult Chefdirigent Gianandrea Noseda:
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    yaiza

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    vielen  und verspäteten Dank, gypsy für Deine Berichte.

    gypsy-tail-wind  […] Nach dem stimmungsvollen Einstieg mit Ives (die Bläser spielten von hinterm Vorhang) – der recht anders war als die gross besetzte Version neulich in der Tonhalle mit Kent Nagano – gab es schon die erste Einlage des Player Pianos. Ein funktionstüchtiges Instrument konnte von einem Mäzen/Sammler, die Rollen aus der Paul Sacher Stiftung in Basel geliehen werden. Dort lagern auch Nancarrows Instrumente, doch die waren schon bei ihrer Übernahme kaum noch nutzbar – die ganze Antriebstechnik scheint diffizil zu sein und der stetigen Pflege zu bedürfen. Das Player Piano stand vorn am Rand, ich hatte einen Blick auf die Tastatur, dank einer Kamera und der Übertragung auf eine grosse Leinwand hinter der Bühne war aber das ganze Instrument gut zu sehen. Aufgeführt wurden die Stücke in der Schweiz gemäss den Recherchen der Sacher-Stiftung tatsächlich nie, Achberger meinte, man habe bloss kurze Ausschnitte nach der Übernahme des Nachlasses in kleiner Runde auf den alten Instrumenten abgespielt. Die Musik von Nancarrow erklang ja später nochmal und diese Stücke sind schon völlig irre. Manchmal klingt das nach quasi klassisch verwurstetem Ragtime, Boogie oder Blues, erinnerte mich in der Linienführung auch mal an den Jazzpianisten Lennie Tristano. Aber in den krassesten Momenten der Verdichtung werden so viele Tasten aufs Mal gespielt, wie es ein oder auch zwei Menschen nicht hinkriegen würden. Da werden auch Versuchsanordnungen durchgespielt, z.B. eine Art „X“, in der eine Stimme aus der Tiefe hochgeht, die andere im Diskant anfängt, und in der Mitte kreuzen sie sich dann, es kommt quasi zum Clash … toll, das mal hören zu können! […]

    Das ensemble unitedberlin stellte letztes Jahr eine „Geburtstagsparty“ für Ligeti (5 Konzerte) zusammen und Dlf Kultur sendete einen interessanten Zusammenschnitt. Einige  Studies for Player Piano von Conlon Nancarrow wurden auch vorgestellt (#3e, 8, 12, 17); Wolfgang Heisig, Phonola/Pianola.  Die #12 habe ich mir gemerkt — das ist die „Flamenco Study“… Es gibt eine MDG-Box mit Aufn. auf einem von Jürgen Hocker nach Wünschen von Nancarrow restaurierten Ampico Bösendorfer Flügel… einige Studies (ich weiß nicht, ob evtl. alle) kann man sich via yt anhören und die Rollen und Klaviatur sehen…

    hier die #12

    Ligeti & Nancarrow, ca.9min

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    #12295977  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Herzlichen Dank @yaiza – die MDG-Box kommt auf meinen Zettel, ich will das alles hören!

    Wollte hier längst berichten, fange jetzt mal zu tippen über die letzten Paar Konzerte … so gut das Gedächtnis denn halt noch mitspielt.

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