Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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yaiza

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Sa, 03.02.2024 Konzerthaus Berlin, Großer Saal

Strauss „Tanz der sieben Schleier“ aus der Oper „Salome“ op. 54
Weill Sinfonie Nr. 2 // Pause
Weill „Die sieben Todsünden“ (Bertolt Brecht) – Ballett mit Gesang

KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
JOANA MALLWITZ Dirigentin
KATHARINE MEHRLING Gesang
YUI KAWAGUCHI Tanz
MICHAEL PORTER Tenor
SIMON BODE Tenor
MICHAEL NAGL Bariton
OLIVER ZWARG Bassbariton
KATRIN SEDLBAUER Regie

Anfang Februar 24 fand das 2. Konzert mit Kurt Weill im Focus statt. Die 1. Sinfonie dirigierte Joana Mallwitz in ihrem Antrittskonzert Ende August 23. Nun also die 2. Sinfonie und „Die sieben Todsünden“. Beide Werke entstanden in zeitlicher Nähe und ähneln sich vom musikalischen Material her in einigen Passagen. Hier war ich gespannt, wie sich beide in der Kombi im Programm anhörten. Die Platzwahl fand ich wg. der „Todsünden mit Tanz-Performance“ gar nicht so einfach. Ich entschied mich für den 1. Rang direkt über dem Podium. Da ich vermutete, dass das Gesangsquartett auf der Orgelgalerie stehen wird, fand ich auch gut in dessen Nähe zu sein.
Als Einstieg wurde „Tanz der sieben Schleier“ von Richard Strauss gespielt. Als ich auf meinem Platz ankam, schaute ich auf’s Podium und staunte, wie voll es dort werden wird… Ich höre fast nie Strauss und auch hier stellte ich fest, dass er mir nicht liegt. Nach dem „Eröffnungs-Tanz“ lichteten sich die Reihen der Bläser. Komisch fand ich, dass alle Streicher in Strauss-Stärke sitzen blieben. Und so war eben auch ein fetter Streicherklang zu hören und die Bläser (bei Weill!) gingen voll unter. Hier war ich ähnlich enttäuscht wie Andreas Göbel vom rbb*. Als ich seine Ausführungen zur schwerfälligen Interpretation der Sinfonie hörte, konnte ich das gut nachempfinden.
Nach der Pause dann als Hauptwerk des Abends die „Die sieben Todsünden“. Vor dem Podium mit Orchester waren parallel zwei kleine Podien aufgebaut. Von den Zuschauern im Parkett aus gesehen das linke für die Sängerin Anna I und das rechte für die Tänzerin Anna II. Für die Begleitung war das Konzerthausorchester kleiner besetzt. Katharine Mehrling als Anna I und das Gesangsquartett waren mit Mikros ausgestattet… anfangs kam mir der Klang etwas zu zaghaft vor (später hörte ich, dass es am Abend zuvor Probleme mit Übersteuerung gab; daher werden sie am zweiten Abend etwas zurückgefahren haben). Ich fand es interessant, diese Aufführung mit den beiden „Annas“ zu sehen. Im Original kamen noch mehrere Figuren vor. Während beim RSB/Jurowski (auch schon mit Katharine Mehrling) im Dez.22 das Gesangsquartett auf der Orgelgalerie blieb, war es in dieser Produktion auch schauspielerisch eingespannt… zudem hatten die vier Sänger einige Laufwege zu meistern, mal runter ins Parkett, auf’s Podium (gruppierten sich auch um Anna I und II), wieder zurück auf die Galerie. Es gab einige sehr starke Momente. Höhepunkt sicherlich & ikonisch, als sich Anna II unter den Mantel von Anna I begabt und so die beiden Seiten der Persönlichkeit nah beieinander waren. Die Begleitung vom Orchester fand ich gut, auch wenn es manchmal etwas rasanter hätte sein können (aber hier bin ich wohl von der Kegel-Aufn. mit Gisela May geprägt). Katharine Mehrling als Anna I fand ich mit dem RSB in 12/22 etwas überzeugender — aber es kann schon sein, dass sie eben vorsichtiger ans Werk ging, um nicht nochmal eine Übersteuerung zu riskieren. Yui Kawaguchi entwickelte Anna II auf interessante Art und recht langsam nach und nach (da war auch noch Distanz der beiden Annas zu spüren); fand ich gut gemacht,da es ja zum Ende hin immer spannender mit den beiden wird.
Mir hat auf jeden Fall gefallen, diese Performance mit Tanz zu sehen. Schön, dass sich die Regie am Original orientierte und sich das Publikum auch 90 Jahre später ein Bild vom „Ballett mit Gesang“ machen konnte.

*Kritik von Andreas Göbel auf rbb kultur
zur 1. Vorstellung am Fr, 02.02.24 — da gab es leider Übersteuerung/Mikro bei den „Todsünden“
https://www.rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_morgen/archiv/20240203_0600/kultur_aktuell_0810.html


Do, 15.02.2024 Pierre Boulez Saal

ALINA IBRAGIMOVA & CÉDRIC TIBERGHIEN
Webern Vier Stücke für Violine und Klavier op. 7
Schumann Sonate für Violine und Klavier Nr. 3 a-moll WoO 2 // Pause
Pärt Spiegel im Spiegel
Schumann Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 d-moll op. 121

Alina Ibragimova hörte ich in einem beeindruckendem Solo-Recital im Juni 22 ebenfalls im Boulez Saal (u.a. mit Bartóks Solosonate). Sie zusammen mit Cédric Tiberghien live wieder zu hören, fand ich sehr schön. Im Jan. 20 spielten die beiden je eine Sonate von Mozart und Lekeu. Das Herz bildeten für mich die Stücke von Cage & Crumb. Nun ging es also mit den „Vier Stücken“ von Anton Webern los. Das Publikum im Boulez Saal empfand ich bisher sehr ruhig, aber irgendwie war zu Beginn noch viel Unruhe. Die Akustik ist ja sehr sehr gut und vermutlich ist einigen gar nicht bewusst, dass man auch das Zusammenklappen von Brillen usw. hört. Die Webern-Stücke beginnen sehr leise und daher waren die Nebengeräusche nicht so schön. Der 2. und 3. Schumann-Sonate habe ich gern zugehört. Cédric Tiberghien gab Alina Ibragimova viel Raum – so dass es sich nicht nach „Kampf der beiden Instrumenente“ anhörte; er trat aber auch mit tollen Parts in Erscheinung. „Spiegel im Spiegel“ von Arvin Pärt dann soetwas wie eine Meditation zwischen den leidenschaftlich klingenden Sonaten. Insgesamt wieder ein toller Abend mit diesem hervorragenden Duo.

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Sa, 17.02.2024 Konzerthaus Berlin, Großer Saal

KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
TON KOOPMAN Dirigent
ALEXANDRA DOVGAN Klavier

Bach Ouvertüre D-Dur BWV 1068 (1719-23)
Mozart Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur KV 271 „Jenamy“ (1777) // Pause
Rebel „Le Cahos“ aus „Les Élémens“ (1773)
Mozart Sinfonie g-Moll KV 183 (1773)

Alexandra Dovgan (Jg. 2007) war bereits 2019 im Rahmen des Young Euro Classic mit einem sehr jungen Orchester, zusammengestellt aus Musikschulen aus Kasan & Umkreis (auf einigen Positionen unterstützt von Studenten der UdK) mit dem Bach Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll BWV 1052 zu hören. Ich hörte es am Radio.
Dem Programmheft zum jetzigen Konzert war zu entnehmen, dass die Werke des Abend von der Entstehung her um die 50 Jahre umspannen. Das Programm begann mit der 3. Ouvt. von Bach (mit der berühmten „Air“) und ich hatte anfangs tatsächlich kleinere Schwierigkeiten in den Klang zu kommen, da ich hier vermutlich Originalklangensembles im Ohr hatte. Das KHO auch viel kleiner besetzt, aber der Funke sprang bei mir zunächst nicht über. Zu Ton Koopman mit seiner positiven Ausstrahlung aber schon. Das „Jenamy“-Konzert von Mozart ist ziemlich oft im Radio zu hören und ich fand, dass Alexandra Dovgan das sehr stark spielte. Ich hörte es zum ersten mal live und irgendwie wurde es auch eine Entdeckung für mich. Soviele interessante Zusammenspiele mit Solisten aus dem Orchester. Ich bemerkte, dass ich sehr gespannt zuhörte und -sah… war interessant,auch diese ganzen Blickkontakte zu beobachten. Die nächste Entdeckung dann nach der Pause mit „Le Cahos“ dem 1. Satz aus „Les Élémens“ von Jean-Féry Rebel; ganz toll vom Orchester dargeboten. Da habe ich mir inzwischen mal wieder die CD der Akademie für Alte Musik herausgesucht (Rebel & Vivaldi) und die ganze Suite/Ballettmusik (in UA ohne 1. Satz) angehört. Das war eine tolle Einleitung zur frühen g-Moll (im Programmheft der Vermerk, dass sie gar nicht soviel kürzer als ihre „ältere Schwester“ ist, wenn alle Wdh. gespielt werden). Ich denke,ich kannte sie bisher eher nur von Nennungen als „kleine g-Moll“ oder hörte sie nebenbei am Radio… ab jetzt werde ich ihr auch mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Ich bin so ganz ohne Erwartungen ins Konzert, weil ich bis auf Bach die anderen Werke des Abends noch nicht intensiver hörte; das Konzert verließ ich mit sehr vielen neuen Eindrücken. Der Abend war echt bereichernd … und Ton Koopman zuzuschauen eine Freude. :)

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