Konzertimpressionen und -rezensionen

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    gypsy-tail-wind
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    Zürich, Tonhalle-Maag – 04.03.2018
     
    Julia Fischer
    Violine
    Yulianna Avdeeva Klavier
     
    Johannes Brahms Violinsonate Nr. 2 A-Dur op. 100 „Thuner Sonate“
    Karol Szymanowski „Mythen“ op. 30 für Violine und Klavier

    Dmitri Schostakowitsch Violinsonate G-Dur op. 134
    Zugabe: Johannes Brahms F-A-E-Sonate: Scherzo
     
    Gestern der dritte Abend mit Live-Musik in Folge … Julia Fischer spielte neulich schon mit ihrem Quartett in der Tonhalle-Maag, aber da musste ich leider passen. Ich hörte sie zum dritten Mal (Beethoven-Sonaten mit Igor Levit, Bartóks Violinkonzert (Nr. 2) mit Charles Dutoit) und sie überzeugte mich auch gestern wieder völlig.

    Die Brahms-Sonate zum Auftakt war intensiv, mit vollem Ton, viel Vibrato, sehr zupackend musiziert von Fischer. Avdeeva, die ich zuvor nicht kannte, schien sich ein wenig zurückzuhalten – beim Applaus verzog sie auch keine Miene. Ich vermute mal, sie war auf die drei Stücke von Szymanowski fokussiert, in denen sie ordentlich zu spielen hatte. Fischer auch … und da hatte sie mich dann auch wieder: was sie ihrem Instrument an klanglicher Vielfalt entlockt, war sehr eindrücklich: vom singend hellen Ton über gedämpfte Klänge, Flageolett-Griffe und Töne, die in die Höhe gehen fast bis zum Verschwinden, aus dem Nichts aufsteigende Kadenzen, halsbrecherische Läufe in einem Schrammelton, der an den guten Szigeti gemahnte … klar sind das Schaustücklein – aber wenn sie mit einer solchen Intensität und Überzeugnungskraft vorgestragen werden, ist das ein Erlebnis! Beim Applaus waren beide sichtlich gelöst (wobei man Fischer die Anpannung nur an der Gesichtsfarbe ansehen konnte), auch Avdeeva lächelte jetzt.

    Nach der Pause folgte dann die grosse Sonate von Schostakowitsch. Mit einer allmählichen Annäherung und Steigerung schien das loszugehen, im zweiten Satz war das kalte Ding dann am Kochen – auf blauer Flamme. Eiseskälte, fast unerträgliche Härte – und doch loderte das gewaltig. So ging es dann hinüber in den dritten Satz, die Passacaglia, zum Abschluss. Am Ende war ich ziemlich geschafft, der Applaus war riesig (der Saal war zum Glück ordentlich gefüllt – trotz Kammermusik … ich begreife nicht, warum das nicht mehr Publikum anzieht, zudem scheint mir bei Kammermusik-Konzerten das Durschnittsalter mehrere Jahrzehnte tiefer zu sein – das wäre an sich ja eine Gelegenheit, die es zu ergreifen und auszubauen gälte, aber dazu ist der Saal wohl zu gross, müssten andere Lokalitäten und Gefässe gefundenw erden).

    Klar war dann auch, dass es ohne Zugabe nicht enden kann. Das Scherzo der FAE-Sonate von Brahms durch die Schostakowitsch-Ohren gejagt zu kriegen, in gleicher, brennender und manchmal überraschend schroffer Spielweise, war ein toller Kniff. Brahms à la russe, kann man sehr gut machen, gerne hätte ich nach einer weiteren Pause gleich noch die dritte Violinsonate im selben lodernden Flammenmeer gehört – aber man soll nicht gierig werden.
     
    Diese Woche verpasse ich ein Haydn-Rezital von Christian Zacharias und ein Konzert von Kristian Bezuidenhout mit dem Zürcher Kammerorchester – weil sonst Overkill droht. Am Donnnerstag geht es ins Tirol ans Artacts Festival, Klassik steht dann in einer Woche wieder an, und zwar gleich wieder Kammermusik, mit Vilde Frang (und einem tollen Programm: Veress, Arensky, Enescu)

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #10420543  | PERMALINK

    ford-prefect
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    Gestern war ich auf einer klassischen Matinee in der Cafeteria eines Mannheimer Seniorenheims. Mit der jungen Harfenistin Jelena Engelhardt und der Querflötenspielerin Aleksandra Pechytiak. Zwar spielte das Duo auch etwas von Donizetti und Bach, am meisten beeindruckte mich jedoch das polyphone Stück „Narthex“ des zeitgenössischen Komponisten Bernard Andres, bei dem die Harfenistin mit ihrem Stimmschlüssel über die Stellschrauben der Harfe klapperte und die Querflötenspielerin das Mundstück ihres Instrumentes abzog, um darin hineinzustoßen. Für Neue Musik und Klangexperimente bin ich empfänglich. Darüber hinaus stimmte das Duo eine Sonate in F-Dur von Johann Baptist Krumpholz an.

    zuletzt geändert von ford-prefect

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    Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!
    #10422661  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    gypsy-tail-windZürich, Tonhalle-Maag – 04.03.2018

    Julia Fischer Violine
    Yulianna Avdeeva Klavier

    Johannes Brahms Violinsonate Nr. 2 A-Dur op. 100 „Thuner Sonate“
    Karol Szymanowski „Mythen“ op. 30 für Violine und Klavier

    Dmitri Schostakowitsch Violinsonate G-Dur op. 134
    Zugabe: Johannes Brahms F-A-E-Sonate: Scherzo

    Heute gab es in der NZZ doch noch eine Rezension zum Konzert:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/bedrueckendes-pochen-im-kopf-ld.1363802

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    #10431321  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    Freitag, 16. März 2018, 19.30 Uhr

    Franz Liszt Konzertsaal Raiding
    Klavierzyklus I
    Boris Bloch, Klavier

    „Die Rollen des Franz Liszt“

    „Der Abbé von Rom“
    Franz Liszt: aus: Années de pèlerinage „Troisième année“ S.163
    Les jeux d’eaux à la Villa d’Este
    Aux cyprès de la Villa d’Este (I) / Thrénodie

    „Der Wagnerianer“
    Franz Liszt: Spinnerlied und Senta-Ballade aus der Oper „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner S.440 und S.441

    „Venezia. Wagner. Liszt“
    Franz Liszt: La lugubre gondola II S.200/2
    Franz Liszt: Am Grabe Richard Wagners S.202

    „Venezianer und Neapolitaner“
    Franz Liszt: aus „Venezia e Napoli“: Canzona und Tarantella. S.162

    „Der Europäer aus dem Osten“
    Franz Liszt: Polonaise Mélancolique c-moll S.223/1
    Franz Liszt: Six Chants polonais S.480

    „Die ungarische Seele“
    Franz Liszt: Ungarische Rhapsodie Nr.12 S.244

    Es war ein meinerseits sehr erwartetes Ereignisz und – um es vorwegzunehmenden – es wurde ein fantastischer Konzertabend.

    Im akustisch hervorragend angelegten Konzertsaal des Lisztgeburtsortes Raiding im Südbugenland entspann sich vom ersten Moment an ein Lisztschauspiel mit Anspannung bis in die Haarspitzen. Bloch ist eim veritabler Großmeister mit einer präzisen Anschlagkultur, welche auch in den fast orchestral anmutenden Passagen eine absolute Durchhörbarkeit präsentiert und – was wohl besonders stupend ist – eine unglaubliche Zärtlichkeit offenbart.

    Bloch erzählt in einer zwischentzeitlichen Conference von seiner lebenslangen Liebe zu Liszt und diese ist auch durchgehend erhörbar. Im 2ten Konzertteil (jedes Set ca 70 Minuten !!) gibt er als Sonderprogrampunkt die Lisztsche Bearbeitung von Schuberts „Ständchen“ und da ist es schon sehr schwer die eigenen Emotionen zurückzuhalten …. nach der „Ungarischen Seele“ ist Schluss, stehende Ovationen machen die Verbindung zwischen dem Künstler und Publikum perfekt …. gottseidank keine Zugabe mehr, denn dieses Konzert endete perfekt, es war alles gesagt und klang noch sehr lange nach ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10431447  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Das klingt toll! Auch ein spezielles Programm … kriegt man nicht oft zu hören, den späten Liszt, oder?

    Ich bin hier noch einen Bericht schuldig von dem einen Konzert, das ich zwischen dem artacts und dem Taktlos noch hörte, am Abend meiner Rückkehr aus dem Tirol. Obendrein sei hier erwähnt, dass es beim Taktlos auch ein Konzert mit Musik von Galina Ustvolskaja gab.
     

     
    Zürich, Tonhalle-Maag – 12.03.2018
    Vilde Frang and Friends

     
    Vilde Frang, Tai Murray, Gregory Ahss, Rosanne Philippens Violine
    Lawrence Power, Lily Francis Viola
    Nicolas Altstaedt, Jan-Erik Gustafsson Violoncello
     
    Sándor Veress Trio für Violine, Viola und Violoncello​​​​​​​
    Anton Arensky Quartett für Violine, Viola und zwei Violoncelli a-Moll op. 35

    George Enescu Oktett für Streicher C-Dur op. 7
     
    Viel mag ich dazu nicht schreiben, ausser dass es toll war, und bereichernd, ein solches Programm überhaupt hören zu können! Das Trio von Veress und das Quartett von Arensky liegen mit in jeweils einer (noch ungehörten) Einspielung vor, von Enescu habe ich gerade ein paar Sachen bestellt … der Kern der Gruppe waren Frang (v), Power (vla) und Alstaedt (vc), die schon im Trio hervorragend zusammen musizierten. Auffällig ist in der Tat, dass Frang ihre Rolle als Star überhaupt nicht spielen mag – selbst wenn die Geigenstimme im Mittelpunkt steht, was bei allen drei Werken (liegt ja in der Natur der Sache) öfter der Fall war, schien sie tunlichst keine Blicke auf sich lenken zu wollen … da wurde aber mit grösster Konzentration musiziert und das war – aus der ersten Reihe, wie üblich – toll zu beobachten. Für das Quartett von Arensky, das tradionellste und gefälligste der drei Werke, stiess Gustafsson am zweiten Cello dazu. Der dunkle Klang gefiel mir sehr gut, der mittlere Variationensatz über ein Tschaikowky-Thema war besonders schön, was das Zusammenspiel der vier betraf. Im Konzert sehen zu können, welcher der beiden Cellisten welche Passagen spielt, ist schon aufschlussreich und macht es gerade als Echtzeiterlebnis, einfacher, Dinge zu verstehen, die man auch hört. Das galt dann wohl noch stärker für das Oktett von Enescu, geschrieben für eine doppelte (Standard)Quartettbesetzung. Jede Stimme (bei den immerhin vier Geigen bin ich nicht ganz sicher) hat ihre Momente im Rampenlicht und es war wunderbar, zu sehen, wie die Musikerinnen und Musiker für diese Passagen aus dem Ensemble hervorstechen konnten, um sich danach wieder gänzlich sachdienlich in dieses zurückzuziehen.

    Erfreulich, nach dem tollen Konzert mit Fischer/Avdeeva schon wieder Kammermusik auf so hohem Niveau hören zu dürfen. Ich würde gerne mehr Kammermusik hören, habe immerhin nächstens noch Karten für zwei Streichquartett-Konzerte (das erste davon ist das Chiaroscuro Quartet, in dem mit Alina Ibragimova ja auch wieder ein „Star“ die erste Geige spielt, das aber gemäss dem, was ich so gelesen habe, als Ensemble ebenso prächtig funktionieren soll wie das bei den Konzerten mit Fischer und Frang der Fall war).
     

     
    Die NZZ hat ausführlicher berichtet:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/die-lieben-freunde-ld.1365712
     

     
    Next up, diese Woche: Delphine Galou und die Academia Bizantina unter Ottavio Dantone, Krystian Zimerman und David Zinman mit dem Tonhalle-Orchester und Brahms Zweiter sowie Bernsteins „Anxiety“, Heinz Holligers neue Oper „Lunea“.

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    #10431563  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    gypsy-tail-windDas klingt toll! Auch ein spezielles Programm … kriegt man nicht oft zu hören, den späten Liszt, oder?

    Ja das Programm war schon sehr speziell  …. und kommendes Wochenende ebendort Alexei Volodin mit Schumann + Liszt …. freue mich schon auf das Konzert + burgenländischen Rotwein/Schmankerln ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10432969  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Zürich, Tonhalle-Maag – 20.03.2018
     
    Delphine Galou
    Alt
    Accademia Bizantina
    Ottavio Dantone
    Cembalo, Orgel und Leitung

    Giovanni Lorenzo Gregori Concerto grosso D-Dur op. 2 Nr. 2
    Alessandro Stradella Et egressus est a filia Sion
    Arcangelo Corelli Concerto grosso D-Dur op. 6 Nr. 4
    Claudio Monteverdi Ego flos campi SV 301
    Claudio Monteverdi Arie „Jubilet“ aus „Selva morale e spirituale“

    Nicola Antonio Porpora In procella sine stella
    Francesco Saverio Geminiani Concerto grosso e-Moll op. 3 Nr. 3
    Niccolò Jommelli „Prigionier che fa ritorno“ aus „La Betulia liberata“
    Antonio Vivaldi „Agitata infido flatu“ aus „Juditha Triumphans“ RV 644

     

    Sehr beeindruckend das gestrige Konzert mit Delphine Galou. Sie verfügt über eine richtige Altstimme („a true contralto“ würde man auf der Insel sagen), tief und voll, sehr farbenreich. Galou singt die heftigsten Koloraturen mit faszinierender Leichtigkeit und vollständiger Kontrolle. Den Wechsel in die hohe Lage bewerkstelligt sie völlig ohne Bruch. Wahnsinnig toll fand ich die Kantate von Porpora, mi der es nach der Pause weiterging. Die zwei Arien von Monteverdi fielen etwas heraus, weil die Musik schlichter und vor allem im Charakter zurückhaltender ist. Die Programmankündigung (Monteverdi und seine Nachfolger) war aber sowieso einigermassen Unsinn.

    Dass Herr Dantone und Frau Galou auch im Leben abseits der Bühnen zusammengefunden haben, wundert irgendwie gar nicht, wenn man sie nebeneinander auf der Bühne sieht – denn da passt wirklich alles, das kleine Ensemble (6 v, 2 vla, 2 vc, 1 b, 1 theorbo, 1 hps/org) ist bestens aufeinander abgestimmt und agiert auch mit Galou in völliger Übereinstimmung. In der ersten Konzerthälfte packte mich das Geschehen noch nicht so ganz, Stradella und Corelli in der Mitte waren das beste, Monteverdi hätte ich wohl lieber in anderer Konstellation (Kirche statt Konzertsaal und/oder reines Monteverdi-Programm) gehört, auch wenn die Darbietungen fraglos sehr gut waren. Nach der Pause blieb mir aber schon bei Porpora öfter fast das Maul offen stehen, das instrumentale Stück von Geminiani war danach perfekt, um Luft zu holen für den Abschluss, den Galou mit den beiden Stücken bestritt, die auf der CD („Agitata“, alpha) den Auftakt machen, an diesem Punkt hatte sie wenigstens das Liebhaberpublikum in den vordersten Reihen längst in der Hand … was natürlich auch mit ihrer tollen Bühnenpräsenz zu tun hat. Galou umschmeichelt zugleich Publikum, Orchester und ja: die Melodie, die Musik an sich. Eine phantastische Zugabe folgte dann auch noch und halbwegs ungläubig ging es heraus in den leisen Schneefall …

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    #10434995  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Zürich, Tonhalle-Maag – 22.03.2018
     
    Tonhalle-Orchester Zürich
    David Zinman
    Leitung
    Krystian Zimerman Klavier
     
    Johannes Brahms Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73

    Leonard Bernstein „The Age of Anxiety“ Sinfonie Nr. 2 für Klavier und Orchester
     
    Gestern in der Tonhalle-Maag, leider eigentlich viel zu müde, aber die Karte hatte ich seit Monaten und wollte nicht verzichten … gelohnt hat es sich alleweil, denn die Interpretation von Brahms‘ zweiter Symphonie war schon ziemlich toll – Zinman dirigierte auswendig, das Orchester folgte ihm fast wie in alten Zeiten, liess da und dort aber die Präzision ein wenig missen. Nach der Pause dann Leonard Bernsteins zweite Symphonie nach W. H. Audens Poem „The Age of Anxiety“, in dem Krystian Zimerman den Solopart übernahm. Das war interessant, auch wenn das Werk alles in allem über einige prägnante Passagen nicht hinauskam und das Orchester die Bälle, die der Solist ihm zuspielte, nicht immer aufzufangen vermochte, während Zinman sich gestalterisch ganz anders als bei Brahms zurücknahm. Ich sass wieder in der ersten Reihe, nah bei Zimerman und mit Blick auf seine Hände … sehr eindrücklich war es, zu sehen und zu hören, wie er seinen Part scheinbar mühelos (er kam allerdings mit der Zeit schon ins Schwitzen – aber das waren bestimmt bloss die Scheinwerfer) spielte, mit vollendeter Perfektion und grosser Eleganz, überraschend gutem Gespür für die jazzigen Passagen – die zu den stärksten des Stückes gehören: der Dialog mit Celesta und Pianino und der grossen Schlagzeuggruppe, der schnarrende Kontrabass (der Musiker, der den Part zu spielen hatte, übte fast die ganze Pause hindurch auf der Bühne) … da ist schon einiges dran an diesem Werk Bernsteins und ich habe noch gestern die beiden CDs mit seinen drei Symphonien aus der Symphony Edition von Sony herausgesucht, obwohl es vermutlich Monate dauern wird, bis ich sie anhöre.
     
    Die NZZ berichtete heute mit übermässig reisserischer (und meiner Meinung nach auch von der Aussage her übertriebenen) Überschrift über den ersten Abend, an dem das Programm gespielt wurde (heute Freitag fand die dritte und letzte Aufführung statt):
    https://www.nzz.ch/feuilleton/verlorene-liebesmueh-ld.1368615

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    soulpope
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    Samstag, 24. März 2018, 19.30 Uhr

    Franz Liszt Konzertsaal Raiding

    Alexei Volodin, Klavier

     

    F. Liszt: Sonate h-moll

    R. Schumann/F. Liszt: Widmung

    R. Schumann: Kreisleriana op.16

    F. Chopin: Ballade No.2 F-Dur op.38

     

    Gestern also Teil 2 meiner (vier) Ausflüge zum Lisztfestival Raiding 2018 und – um es vorwegzunehmen – ein vereinnahmend beglückendes Erlebnisz …. Volodin hat eine sich langsam entfaltende Bühnenpräsenz und auch sein Zugang zu der Lisztschen Klaviersonate hat von Anbeginn etwas Suchendes jedoch – und es wird mit jedem Schritt deutlicher – mit einem klaren Ziel vor Augen …. die Umsetzung legt deutlich Schwerpunkt auf präzise Phrasierung und  Darlegung dynamischer Abstufungen …. auch Schumann findet sich in dieser Darlegung trefflich wieder und die Kreisleriana hat all die verspielten Passagen, ohne daß diese Einsprengsel als zu leicht empfunden werden …. zum Zeitpunkt der Chopin Ballade Nr. 2 ist Alexei Volodin schon längst mit mit dem Instrument und dem Raum eins geworden und der nun von ihm erweckte Suchtfaktor wird durch superbe Zugaben von Chopinschen Polonaisen, Mazurkas und einer umwerfenden Rhapsodie Espagnole von Liszt befüttert ….

    Einmal mehr spielt die formidable Akustik der Konzerthalle Raiding den Geschehnissen in die Karten und das de facto unhörbare Publikum ist eine verblüffende Alternative zum gewohnten (und gefürchteten) „Zauberbergeffekt“ in Wiener Konzertsälen ….

    Alexei Volodin hat sich in mir gestern nachträglich eingeprägt und ich harre der weiteren burgenländischen Offenbarungen mit Spannung + Freude ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10446691  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Zürich, Tonhalle-Maag – 05.04.2018
     
    Tonhalle-Orchester Zürich
    Lionel Bringuier
    Leitung
    Igor Levit Klavier

    Johannes Brahms Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15
    Hector Berlioz „Symphonie fantastique“ op. 14
     
    Nur zwei Sätze diesmal – leider – , denn die penetrante Müdigkeit, die sich meiner dieser Tage bemächtigt, liess das Brahms’sche Konzert gestern zur ziemlichen Überforderung werden. Levit überzeugte schon, aber so ganz fiel das für mich nicht zusammen, Bringuiers Dirigat war nicht auf Feinheiten aus und führte da und dort dazu, dass Levits Nuancenreichtum ein wenig unterging. Nichtsdestotrotz war er mit höchster Konzentration bei der Sache und schien ziemlich ausgepumpt – als Zugabe gab es denn auch eine kurze und langsame Nummer (erkannt habe ich sie nicht). Jedenfalls trat das Orchester im Vergleich mit dem Solisten fast schon grobschlächtig auf, Levit wurde jedoch nicht laut oder ruppig, im Gegensatz zwang er eher die Orchestermusiker dazu, leiser zu werden, präziser im Zusammenspiel.

    Was Bringuier und das Orchester betraf, war die zweite Hälfte deutlich besser. Berlioz‘ „Symphonie fantastique“ scheint eines der Paradestücke des Dirigenten zu sein, für die gerade erschienene Jubiläumsbox zum 150. Geburtstag des Orchester ist er denn auch gerade mit diesem Werk vertreten. Hier stimmte das Zusammenspiel und das Orchester wirkte sehr viel konturierter. Das Publikum war begeistert, es gab fast noch mehr Applaus als davor für Levit (ihm galt er, wegen ihm war das Konzert wohl auch ausverkauft) … aber mir sagt das seltsame Ding irgendwie nicht so wirklich zu … diese ganze halbwegs programmatische Orchestermusik bleibt mir bisher ordentlich fremd und ich mag im Hinblick auf die Symphonie fantastique gar vom Jahrmarkt sprechen (der mir allerdings anderswo – bei Verdi zum Beispiel – durchaus zusagt). Aber ich bleibe dran – und habe, da die Jubiläumsbox seit heute da ist, ja auch eine Aufnahme, wenn ich das weiter vertiefen will (ältere Aufnahmen sind zuhauf da: Munch, Monteux, Karajan, Scherchen, Bernstein, Ansermet …)

    Die NZZ hat auch schon einen Bericht auf der Website (wohl morgen in der Print-Ausgabe):
    https://www.nzz.ch/feuilleton/der-irritierende-unterschied-ld.1375138

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    #10449271  | PERMALINK

    soulpope
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    Konzerthaus Wien – 09.04.2018

    Tonhalle-Orchester Zürich
    Lionel Bringuier
     Leitung
    Igor Levit Klavier

    Johannes Brahms Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15

    Kann hier Flurin`s Eindrücke von diesem „Wanderzirkus“ ziemlich gut nachvollziehen, wobei natürlich das 1ste Brahmsche Klavierkonzert seine „geflickte“ Entstehung nicht leugnen kann – alleine der erste Satz mit seiner Themenvielfalt hat schon etwas von einem Fleckerteppich  – was sicher auch eine Herausforderung an den Solisten und das Orchester bzw die Interaktion stellt …. Igor Levit ist befähigt jederzeit eine feine Klinge zu führen alleine das Tonhalle Orchester geht partiell ziemlich ruppig zur Sache und Lionel Bringuier kann/mag hier nicht Einhalt gebieten …. trotzdem tosender Applaus des Wiener Publikums und da frage ich mich dann schon …. ich würde jedenfalls Igor Levit gerne in der Eigenverantwortung konzertant erleben, das hat sicherlich beträchtliches Potential ….

    zuletzt geändert von soulpope

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10449463  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Danke für den Bericht, war also ähnlich wie in Zürich – den riesigen Applaus gab es hier auch. Ich denke, er setzt sich zusammen aus:
    – Erleichterung, dass das Monstrum von einem Werk endlich fertig ist
    – Stolz darüber, dass man das durchgestanden hat
    – Freude am Klavierspiel von Levit
    – Respekt vor der Leistung des Orchesters (ein paar hätten ja aufstehen und gehen können)

    So ungefähr, nicht zwingend in der Reihenfolge :-)

    Das Orchester kann ja die feine – und scharfe – Klinge führen, wenn es will bzw. wenn es dazu aufgefordert wird, das habe ich oft genug gehört … es gibt aber auch Stimmen, die unter Bringuier eine gewisse Verrohung des Klanges warhnehmen und dieser Auftritt ist gerade nicht geeignet, diese Stimmen zum Schweigen zu bringen …

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    Zürich, Tonhalle-Maag – 14.04.2018
     
    Kammerorchester Basel
    Giovanni Antonini Leitung (Mozart, Beethoven)
    William Blank Leitung (Blank)
    Sabine Meyer Bassettklarinette

    William Blank „Morphosis“ pour 42 instruments (Auftragswerk)
    Wolfgang Amadeus Mozart Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 (Rekonstruktion für Bassettklarinette)

    Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67
     
    Gestern wieder einmal in die Tonhalle-Maag – auf dem Heimweg gab es Scherben und Polizei in Panzern mit Gewehren*, ob da der Tross vom Fussballspiel zurück zum Bahnhof eskaliert war, jedenfalls ein seltsames Gefühl, direkt nach dem Konzert … mancher mag denken: ha ha, reality check, aber das sind die Realitäten, die ich lieber auf anderem Weg gelöst hätte (die Ultras gerne nach Sibirien z.B., wo sie sich kloppen können, bis nur noch einer übrig ist).

    Los ging es mit einer neuen Komposition von William Blank, der das Stück auch selbst dirigierte. Der 1957 in Montreux geborene, in Genf ausgebildete und in Lausanne lebende Komponist stellt in „Morphosis“ die Frage, „wie ein Komponist im 21. Jahrhundert Bezug nehmen kann auf Beethovens fünfte Sinfonie, ein Werk, das für Blank für eine ‚reine Schreibweise‘ steht, eine Schreibweise, die noch nicht die unterschiedlichen Farben und das Schimmern der Moderne kennt. Wie also liesse sich auf diese Sinfonie antworten mit zeitgenössischen Streichinstrumenten oder mit Harfe, Klavier und Schlagzeug?“ – Blank wählte eine kleine Orchesterbesetzung, in der er von der Instrumentierung her quasi zu Beethoven zurück geht, die Rollen aber etwas anders verteilt, so werden die Holzbläser fast schon zu Solisten im Ensemble und auch an den ersten Pulten der Streicher gibt es immer wieder Ausflüge, Dialoge, Solo-Gruppen. Das war ordentlich interessant anzuhören und vom Basler Kammerorchester ziemlich fein gespielt, fand ich.

    Dann trat Sabine Meyer mit ihrer Bassettklarinette auf, der Star des Abends, und spielte das traurig-schöne Konzert von Mozart, eins der schönsten Solokonzerte überhaupt, wenn es nach mir geht. Antonini und die Basler waren ganz bei ihr, die Dynamik wurde (so es das Bassettding denn zulässt, sehr laut kann es nicht) ausgeschöpft, auch in Sachen Agogik ging einiges, da wurde wirklich kammermusikalisch aufeinander gehört und reagiert, Meyer bewegte sich beim Spielen so sehr, wie das selten ist im klassischen Betrieb, wirkte manchmal fast wie eine Schlangenbeschwörerin, wenn sie dem Konzertmeister die nächste Phrase entlockte. Sehr schlank kam die Sichtweise daher und passend schnörkellos und ohne Gefühligkeit – denn die unglaubliche Trauer, die dem Werk wie so vielem gerade beim späten Mozart eingeschrieben ist, kommt am schönsten zur Geltung, wenn man sie nicht noch übermässig betont.

    Nach der Pause gab es dann – für mich eine Première – die Fünfte von Beethoven. Beim Herausgehen hörte man dann die üblichen komischen Sätze wie „also er darf das“ oder „wenn man das so macht, dann darf man das“ … das Publikum also immer noch skeptisch. Dabei kamen gestern soweit ich das sehen kann nur moderne Instrumente zum Einsatz (von der Bassettklarinette mal abgesehen), aber Antonini fährt natürlich seinen Kurs, auch da: schlank (die Streicher in 8-8-4-4-3 Besetzung, soweit ich erkennen konnte), zupackend, sehr dynamisch … ein Höllenritt und dadurch eben gerade eine Möglichkeit, Beethoven heute noch zu spielen – was auch den Faden von William Blank wieder aufgreift. Jedenfalls war man auch als Zuhörer am Schluss fast ausser Puste, denn das war wirklich mitreissend!

    Als Zugabe spielte das BKO dann noch eine Ouvertüre von Mozart – ich glaube die zu „Le nozze di Figaro“ war’s. Da wurde dann die „reine“ Schreibweise, von der Blank spricht, nochmal viel deutlicher als bei Beethovens Fünfter, die ja schon ordentlich modern ist in ihrer Asymmetrie. Ein beschwingter Ausklang jedenfalls und grosser Applaus für das Orchester, das mir gestern so gut wie noch nie gefiel (Venzago/Buniatishvili, Schröder/Lezhneva und natürlich daneben auf diversen CD, von denen einige – zuletzt „Bologna 1666“, DHM, mir allerdings schon sehr, sehr gut gefallen). Antonini ist jedenfalls für das Orchester der passende Mann, mehr als Venzago kitzelt er aus ihnen das Potential heraus, das bei Konzerten ohne Dirigent wie mir scheint nicht so gut zur Geltung kommt (neben dem erwähnten Konzert mit Lezhneva beziehe ich mich auf ein Weihnachtskonzert u.a. mit Nuria Rial, das ich im Fernsehen sah – keine breite Basis, aber you only get one chance at a first impression). Dem Spiel fehlt manchmal ein wenig die Schärfe, die Pointiertheit – ich glaube, da geht es wirklich nur noch um Nuancen, aber die sind es dann halt, die ein Konzert wie jenes mit Antonini und seinem eigenen Il giardino armonico sowie Sandrine Piau halt herausheben. Vielleicht ist das auch der kleine Unterschied zwischen den Haydn-CDs mit dem Garten und den Baslern, doch deren bisher ersten Eintrag in die Diskographie (Vol. 5) höre ich mir demnächst mit frischen Ohren und mehr Nachsicht wieder an, so gut war das Konzert gestern dann nämlich auf jeden Fall!

    *) Gummischrot? Tränengas? Kenne mich mit sowas nicht aus, richtige Gewehre sieht man hier nur wenn Soldaten unterwegs in den Dienst sind … und ja, auf dem Hinweg sah ich einige, die wohl von irgendeinem Anlass kamen, auch Tattergreise Uniformen aus der Zeit des 2. Weltkrieges oder kurz danach, Sturmgewehr inklusive … seltsame Sitten.

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    Luzern, KKL, Konzertsaal – 22.04.2018
     
    Mozart-Gala
    Regula Mühlemann
    – Sopran
    Kammerorchester Basel
    Umberto Benedetti Michelangeli
    Leitung
     
    Wolfgang Amadeus Mozart
    Sinfonie Nr. 36 C-Dur KV 425 „Linzer“ (1783)
    „Exsultate, jubilate“, Motette für Sopran und Orchester KV 165 (1773)

    „Ah, lo previdi“ für Sopran und Orchester KV 272 (1777)
    Sinfonie Nr. 34 C-Dur KV 338 (1780)
    „Ah se in ciel, benigne stelle“, Konzertarie für Sopran und Orchester KV 538 (1778/1788)

    Zugabe: JOHANN STRAUSS JR: Frühlingsstimmen Op. 410 (Richard Genée)
     
    Letzten Sonntag ging es am Nachmittag nach Luzern, um Regula Mühlemann ein zweites Mal zu hören (das „Exsultate, jubilate“, seit längerem ihr Paradestück, stand auch beim Konzert in der Tonhalle im Dezember auf dem Programm). Das KKL war ausverkauft (die Tonhalle leider nicht) und bis unters hohe Dach gefüllt – was auch damit zu tun haben mag, dass das für Mühlemann ein Heimspiel ist, sie stammt aus der Umgebung von Luzern.

    Los ging es etwas verhalten mit der „Linzer“-Symphonie – ein Adagio zum Auftakt, das zwar in ein „Allegro spiritoso“ mündet, doch dann folgt gleich ein Andante, und erst mit dem Menuetto an dritter und dem Presto an letzter Stelle kam so richtig Schwung auf. Das war vielleicht Programm, jedenfalls bereitete es Mühlemanns ersten Auftritt mit eben dem „Exsultate, jubilate“, vor. Und das geriet einmal mehr glanzvoll, die Stimme frisch und klar, das Orchester ganz bei der Sängerin, welche die Koloraturen mit scheinbarer Mühelosigkeit fast schon beängstigend perfekt hinkriegte. Doch Angst braucht man bei Mühlemann keine zu haben (ich würde sie gerne mal in einer inszenierten Oper sehen, aber da wird sie die nächsten zehn Jahre wohl ebenfalls noch die lieben Rollen für leichte Soprane spielen, vermute ich), das wirkt alles völlig natürlich und so ist die Perfektion auch nie eine übermässige Glätte oder führt zu Desinteresse.

    Nach der Pause dann zwei längere Konzertarien, dazwischen die dreisätzige Symphonie Nr. 34, die mir an dem Abend deutlich besser gefiel als die Linzer. Das Kammerorchester Basel übrigens, das ich ja eine Woche zuvor mit Sabine Meyer zuletzt gehört hatte, wächst mir allmählich richtig ans Herz – an dem Abend waren sie jedenfalls in Form und auch gut mit ihrem ehemaligen „principal guest conductor“, einem Neffen des grossen Pianisten, zusammen (er war wohl der Vorgänger von Giovanni Antonini, der heute der leitende Gastdirigent des Ensembles ist, das ja auch ohne Dirigenten auftritt). Das war dann auch der wesentliche Unterschied zum Konzert Mühlemanns in der Tonhalle, denn die Capella Gabetta, die dort aufspielte (ohne Dirigent, Konzertmeister Andrés Gabetta leitete), war weder sauber gestimmt (bzw. immer wieder ver-) noch war das Zusammenspiel von der nötigen Schärfe und Präzision. Der Unterschied zwischen einem mittelguten und einem sehr guten Ensemble wohl – wobei die Basler wohl eine Mischung aus modernen und alten (Blasinstrumente, Celli ohne Dorn) spielten. Dennoch, die Instrumente sind ja eben das und kein Selbstzweck, das spielt daher eine untergeordnete Rolle.

    Die beiden Arien waren erneut beeindruckend, ich musste natürlich an Mühlemanns Auftritt im Film Der Klang der Stimme denken, wo man sie unter anderem dabei sieht, die Projektion der Stimme zu perfektionieren. Es gab denn auch einen Moment, in dem sie ganz leise einsetzte, mit einem gehaltenen Ton – aber den riesigen Saal in der Tat füllte (ich sass allerdings weit vorne, ungefähr auf der Höhe der Bühnenkante, auf einer der Galerien – das geht in dem Saal sehr gut, ist günstig und man hat gerade bei kleineren Ensembles mehr davon, als auf den teureren Parkettplätzen, wo die Musik schon etwas leise sein kann). Als Zugabe folgte noch das Schmankerl von Johann Strauss fils – der Frühling hatte ja gerade angefangen, das Publikum war denn auch ganz aus dem Häuschen, aber mir wäre eine etwas weniger musicalhafte Zugabe nach dem wunderbaren Mozart-Programm schon lieber gewesen.

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    Zürich, Tonhalle-Maag – 27.04.2018
     
    London Symphony Orchestra
    Simon Rattle

    Gustav Mahler: Symphonie Nr. 9
     
    Wie ich gestern im Hörthread schon antönte: mir fehlen hierfür wirklich die Worte – das Erlebnis schwingt nach, und Mozart (die Klaviersonaten mit Vlado Perlemuter, also jene Einspielung, die ich gerade erst entdecke) scheint die passende Musik zum Ausklang zu sein.

    Dass das eine Musik des Abschieds sei – nach den Kindertotenliedern (der eigentlichen Neunten?), von denen Mahler ja mit dem Tod seiner Tochter 1907 gewissermassen eingeholt wurde, und keine Rückkehr zu „geordneten“ orchestralen Bahnen nach der überdimensionierten Achten (die ich vor vielen, vielen Jahren schon einmal angehört habe, vom Konzert mit der Sechsten in der Tonhalle – auch da fehlten mir die Worte – und dem gestrigen mit der Neunten abgesehen die einzige der Symphonien, die ich schon angehört habe, am besten kenne ich das „Lied von der Erde“), „sondern vielmehr eine Überhöhung, ja Entmaterialisierung“, wie Thomas Meyer in seinem ausführlichen Essay im Programmheft schreibt, das leuchtet alles ein – nicht bloss aus dem Rückblick sondern durchaus aus musikalischen Gründen (ich lese den Essay auch erst jetzt, nach dem Konzert). Im ersten Satz scheint man sich durch eine Trümmerlandschaft zu bewegen, die im zweiten dann durch eine derbe Groteske konterkariert wird. Danach wurde in Ruhe nachgestimmt, Rattle stieg vom Podest und trank ein Glas Wasser. Weiter ging es, vom Widerstreit hin zur fast schon lähmenden Ernsthaftigkeit des Schlussatzes, den das Publikum folgerichtig zerhusten musste – bis dahin war es wunderbar still, jetzt, wo die Musik bis zum letzten forderte, liess sich das halbe Publikum abhängen und hustete munter in die leisesten, konzentriertesten Passagen hinein. Ich war am Ende jedenfalls ziemlich erschlagen, meine Übersprungshandlung war es dann wohl, kaum draussen in meinem Buch weiterzulesen und das Nachhallen der Musik, das Nachdenken über sie, noch etwas aufzuschieben.

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