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Zürich, Tonhalle-Maag – 04.03.2018
Julia Fischer Violine
Yulianna Avdeeva Klavier
Johannes Brahms Violinsonate Nr. 2 A-Dur op. 100 „Thuner Sonate“
Karol Szymanowski „Mythen“ op. 30 für Violine und Klavier
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Dmitri Schostakowitsch Violinsonate G-Dur op. 134
Zugabe: Johannes Brahms F-A-E-Sonate: Scherzo
Gestern der dritte Abend mit Live-Musik in Folge … Julia Fischer spielte neulich schon mit ihrem Quartett in der Tonhalle-Maag, aber da musste ich leider passen. Ich hörte sie zum dritten Mal (Beethoven-Sonaten mit Igor Levit, Bartóks Violinkonzert (Nr. 2) mit Charles Dutoit) und sie überzeugte mich auch gestern wieder völlig.
Die Brahms-Sonate zum Auftakt war intensiv, mit vollem Ton, viel Vibrato, sehr zupackend musiziert von Fischer. Avdeeva, die ich zuvor nicht kannte, schien sich ein wenig zurückzuhalten – beim Applaus verzog sie auch keine Miene. Ich vermute mal, sie war auf die drei Stücke von Szymanowski fokussiert, in denen sie ordentlich zu spielen hatte. Fischer auch … und da hatte sie mich dann auch wieder: was sie ihrem Instrument an klanglicher Vielfalt entlockt, war sehr eindrücklich: vom singend hellen Ton über gedämpfte Klänge, Flageolett-Griffe und Töne, die in die Höhe gehen fast bis zum Verschwinden, aus dem Nichts aufsteigende Kadenzen, halsbrecherische Läufe in einem Schrammelton, der an den guten Szigeti gemahnte … klar sind das Schaustücklein – aber wenn sie mit einer solchen Intensität und Überzeugnungskraft vorgestragen werden, ist das ein Erlebnis! Beim Applaus waren beide sichtlich gelöst (wobei man Fischer die Anpannung nur an der Gesichtsfarbe ansehen konnte), auch Avdeeva lächelte jetzt.
Nach der Pause folgte dann die grosse Sonate von Schostakowitsch. Mit einer allmählichen Annäherung und Steigerung schien das loszugehen, im zweiten Satz war das kalte Ding dann am Kochen – auf blauer Flamme. Eiseskälte, fast unerträgliche Härte – und doch loderte das gewaltig. So ging es dann hinüber in den dritten Satz, die Passacaglia, zum Abschluss. Am Ende war ich ziemlich geschafft, der Applaus war riesig (der Saal war zum Glück ordentlich gefüllt – trotz Kammermusik … ich begreife nicht, warum das nicht mehr Publikum anzieht, zudem scheint mir bei Kammermusik-Konzerten das Durschnittsalter mehrere Jahrzehnte tiefer zu sein – das wäre an sich ja eine Gelegenheit, die es zu ergreifen und auszubauen gälte, aber dazu ist der Saal wohl zu gross, müssten andere Lokalitäten und Gefässe gefundenw erden).
Klar war dann auch, dass es ohne Zugabe nicht enden kann. Das Scherzo der FAE-Sonate von Brahms durch die Schostakowitsch-Ohren gejagt zu kriegen, in gleicher, brennender und manchmal überraschend schroffer Spielweise, war ein toller Kniff. Brahms à la russe, kann man sehr gut machen, gerne hätte ich nach einer weiteren Pause gleich noch die dritte Violinsonate im selben lodernden Flammenmeer gehört – aber man soll nicht gierig werden.
Diese Woche verpasse ich ein Haydn-Rezital von Christian Zacharias und ein Konzert von Kristian Bezuidenhout mit dem Zürcher Kammerorchester – weil sonst Overkill droht. Am Donnnerstag geht es ins Tirol ans Artacts Festival, Klassik steht dann in einer Woche wieder an, und zwar gleich wieder Kammermusik, mit Vilde Frang (und einem tollen Programm: Veress, Arensky, Enescu)
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