Tenor Giants – Das Tenorsaxophon im Jazz

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  • #12059045  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    „…. die Aufnahme hat mässig Präsenz- wie die Musik ….“

    Ja :yes: ….

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    #12059055  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind aber frag mich dann halt ein wenig, ob z.B. „Blue Seven“ nicht auch schon sowas Modales war? Nicht konzeptionell wie Davis (Russell, Evans, Evans…), sondern einfach so gemacht, drauflosgespielt … die Freedom Suite müsste ich vor dem Hintergrund nochmal anhören bzw. nachlesen. Aber generell wirkt Rollins auf mich eben schon 1956/57 oft so völlig befreit dass die Frage, ob da noch ein paar Changes drunter mitlaufen oder nicht als ziemlich unerheblich empfinde. Und vom spielerischen Gestus denk ich halt echt nicht an Coltrane, nicht mal bei „East Broadway Rundown“. Wenn ich’s mir so überlege: Rollins gibt die Einfachheit durch, seine Band spielt Changes vs. Coltrane spielt Changes, seine Band hält ihm mit modalen Strukturen den Rücken frei. Sicher alles zu einfach/schnell gedacht.

    ja, alles richtig. rollins war nie raus bei der entwicklung des modalen jazz, und er hat immer eigene wege gefunden, damit umzugehen.
    ich habe hier nicht meinen eigenen lernprozess durch diesen thread reflektiert: ich dachte 1.) dass rollins aus seinem zweiten großen sabbatical mit einer idee von tenorsax-jazz zum vorschein kommt, die im prinzip das vorwegnimmt, was die weißen jungs (brecker etc.) in den 80ern total erfolgreich als eigenes ding verkauft haben, während rollins als relikt mit schlechten bands so lange weitertingelt bis er sich 2014 zurückzieht. dann kam ja 2.) von euch die henderson-position, die eine eigene geschichte vom übergangenen und aus den jazzbüchern herausgestrichenen vorbild für die rehabilitation des tenorsax im jazz erzählt hat, während rollins eigentlich ungebrochen als über-tenorist durch die down-beat-polls getragen wird. im konkreten hören der ersten alben von rollins anfang der 70er stellten wir dann 3.) beide fest, dass er es mit kleinen wackligkeiten auf dem weg offenbar hinbekommen hat, eine ziemlich tolle band zusammenzustellen (die live 1973/74 an diversen orten total abgefeiert wurde, mit den dokumenten japan & montreux) und seine eigenen konzepte (die balladen, die kürzelthemen, das modale, die losgelöstheit von enger harmonischer begleitung) mit autorität und spielwitz ziemlich sexy in die dezent elektrifizierten 70er transportiert hat.

    ich hab jetzt schon in NUCLEUS reingehört, wo sich tatsächlich einiges ändert (vielleicht nich auf dauer?), und das wäre für mich noch mal ein thema für einen anderen thread – was ist ziemlih genau 1975 passiert, dass der jazz sich damals so änderte (sound, produktion, kompositionen u.a.)?

    und à propos caliman (den ich nicht gut kenne) – da war ja die entwicklung des mwandishi-komplexes interessant: bennie maupin wurde darin nur groß, weil joe henderson nicht konnte, der hancocks eigentliche erste wahl war; und da, wo maupin nicht konnte, kamen später andere ins spiel, caliman (priesters LOVE LOVE, hendersons HERITAGE) oder turbinton (ZAWINUL, williams‘ PINNACLE). also auch da eigentlich eine linie, die von henderson ausgeht.

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    #12059069  | PERMALINK

    soulpope
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    Was mir noch durch den Kopf ging…. :

    Azar Lawrence „Warriors Of Peace“ (Prestige)      1975 …. hier natürlich einige Querverbindugen, zB als Sideman von McCoy Tyner (dessen früh70er Aufnahme auf  Milestone wohl die Creme der Veröffentlichungen des Label darstellen), auf „Bridge Into The New Age“ taucht auch Hadley Caliman auf etc ….. btw und wie „gypsy“ richtig erinnerte hatte gestern Arthur Blythe Geburtstag ….

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    #12059071  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Schöne Zusammenfassung (wobei ich ja nie an 1.) glaubte ;-) ) – zu 2.) ist dann noch zu ergänzen, dass das eben die Publikumsschiene ist, dass die Schulschiene Henderson vermutlich ziemlich stark reflektiert hat (vgl. Yellin fünf Seiten oder so zurück hier).

    Bis hin zu Brecker et al. hab ich das nie gedacht, weil ich Rollins ja eh immer als Solitär wahrgenommen habe – aber klar, es ist dennoch super spannend, ihn in diesem Bezugsgeflecht irgendwo zu verorten zu versuchen.

    Die Frage zu 1975 ist sicher interessant … das wäre aber tatsächlich ein anderer Themenkomplex, in dessen Kontext man auch z.B. Cannonball Adderley, George Duke, die (nicht mehr Jazz) Crusaders ….vielleicht auch Gruppen wie Steely Dan miteinbeziehen müsste, vielleicht auch Zappa, der Fusion, der mehr zur Fahrstuhlmusik wurde (die ganze Sanborn/Weichspühler-Ecke, die da nach oben kommt und mit Jazz nicht mehr so viel am Hut hat, eher sowas wie die (instrumentale) Popmusik macht, wie es sie ja in den Vierzigern auch schon gab, wir hatten’s neulich mal von der „Piano Moods“-Serie, Joe Bushkin wäre ein Name, auch diverse Sänger*innen, Jo Stafford, Bing Crosby, was weiss ich … mich dünkt, einiges, was in der zweiten Hälfte der 70er und dann in die 80er hinein läuft, formulaisiert den davor manchmal sehr offenen Jazz-Rock/Rock-Jazz in eine Art und Weise, dass sich da grundlegend was ändert (vgl. auch die Entwicklung von Weather Report) – aber ob es das ist, was wiederum auf Leute wie Rollins oder Henderson zurück wirkt? Auch spannend finde ich ja, dass die Gegenbewegung, die dann den Marsalises zugeschrieben wird, eigentlich früher einsetzt (gestern war Arthur Blythes Geburtstag) und zunächst ebenfalls freier/offener war, als was dann ab den 80ern lief (wo Hancock mit Carter/Williams im Schlepptau mit drinhängt). Williams wäre auch wer, den man da verfolgen könnte: von der „Verwässerung“ des „harten“ Lifetime-Konzepts bis in den Pop, und dann mit dem Quintett zurück zum … ist das Post-Bop? Da tu ich mich mit den Begriffen immer etwas schwer. Eine Vermutung von mir wäre, dass George Duke recht bedeutend war: mit Cannonball (der ja auch ein Pionier in Sachen Einsatz elektrisch verstärkter Instrumente war), mit Zappa, mit der Cobham/Duke-Band, mit Stanley Clarke (den ich dieser Post-Fusion-Pop-Musik zurechne) … mit Quincy Jones, Flora Purim, Michael Jackson, den Breckers, Ponty, Nancy Wilson – da kommt unglaublich viel zusammen, wenn man mal von seinen Anfängen in den frühen Siebzigern ca. 10 Jahre lang die Credits bei Discogs durchguckt (v.a. Instruments & Performance, die Production-Credits setzen später ein, aber ich denke, er war auch davor insgeheim schon sehr oft mehr als nur der Keyboarder – der war der Arrangeur (und sei es on the spot), der Klangtüftler, der Sound-Architekt usw. und wurde halt deshalb als Keyboarder engagiert).

    Mwandishi-Nebenfrage – off topic, hatte gestern in einem gelöschten Teil-Post noch Cosby drin (irgendwie Stand-Up-Comedy-Alben drin gehabt, als Fussnote zu Eddie Harris-Aberrationen bei Atlantic): Hancocks „Fat Albert Rotunda“ ist schon ein Cosby-Ding, oder? Kenne mich in der Ecke überhaupt nicht aus, dieses ganze Stand-Up-Ding auf Alben lieft ja noch lange (ich glaub der US-Austauschschüler, der Mitte der 90er in meiner Gymi-Klasse war, hatte sowas noch mit dabei damals) und war wohl auch von einem kommerziellen Standpunt gesehen nicht zu verachten (weswegen Harris sowas wohl überhaupt erst machen konnte).

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    #12059079  | PERMALINK

    vorgarten

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    bei rollins in den 80ern bin ich ja noch nicht, die direkten brecker-rollins-vergleiche stehen noch aus ;-)

    1975 – ich denke mittlerweile, es bringt überhaupt nichts, das von musikerseite aus zu betrachten, da geht es nicht um individuelle entscheidungen und einzelne karriereentwicklungen. das ist irgendwas systemisches… oder – radikale gegenposition – es liegt am rückzug von miles, mit dem auch der kommerzielle freie avantgardistische bitches-brew-jazz-verschwand… so wie ja auch mit seinem tod der jazzrock zusammenklappte (meine these, ziemlich unverrückbar, damals war ich ja schon live dabei, haha).

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    #12059085  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    Azar Lawrence hatt ich auch auf meiner Liste zum Nachhoeren die Tage, jetzt gerade laeuft das (auf Bonustracks verteilte) John Patton „Album“ mit Marvin Cabell und George Coleman… aber noch zu frueh um was zu schreiben… was ich nur gerade posten wollte war dieser Link zu einem eher technisch orientierten Interview mit Joe Henderson von Mel Martin, das scheinbar nur noch via internet archive online ist…

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    #12059107  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten
    1975 – ich denke mittlerweile, es bringt überhaupt nichts, das von musikerseite aus zu betrachten, da geht es nicht um individuelle entscheidungen und einzelne karriereentwicklungen. das ist irgendwas systemisches… oder – radikale gegenposition – es liegt am rückzug von miles, mit dem auch der kommerzielle freie avantgardistische bitches-brew-jazz-verschwand… so wie ja auch mit seinem tod der jazzrock zusammenklappte (meine these, ziemlich unverrückbar, damals war ich ja schon live dabei, haha).

    Für 1975 bin ich völlig einverstanden – das Name Dropping oben sollte nicht die Handlungsmacht der genannten (okay, bei Quincy Jones gab’s die schon, bei Duke kenn ich’s nicht beurteilen) hinweisen, sondern auf Leute, die irgendwie drinsteckten in diesen Entwicklungen. Dass davon vieles mit dem ominösen Markt zu tun hat … und ich hab da auch stark das Gefühl, dass man mal die Geschichte der Label (und ihrer Bosse) schreiben müsste. Prägende Figuren im Hintergrund – also meist nicht die Produzenten der Alben, die wir so schätzen, nicht Lion, Thiele, Keepnews, Michel – wie Clive Davis (der 1973 bei CBS rausflog und 1974 mit Arista neu anfing) oder Bruce Lundvall; wer wann wo aus welchem Grund und wie lange ein „vanity project“ (wie Impulse eines war) durchziehen konnte; wie das alles organisatorisch ablief, die ganze Firmenkonstrukte und die jeweiligen Freiräume der Jazz-Abteilungen etc. … dazu ist ja sehr wenig bekannt, oder ich bin noch nicht auf die betreffenden Bücher gestossen.

    Das mit Miles Davis‘ Tod hatte ich mir noch gar nie überlegt. 1975 leuchtet mir schon ein: Zugpferd weg, Wind draussen, dann machten die halt dann diese brave Fahrstuhlmusik, die’s auch in der „Tonight Show“ gab, tat ja nicht weh – und ich sehe Duke übrigens auch nicht super positiv oder so, empfinde ihn eher als einer, der diese seichteren Entwicklungen vorwegnahm und mitbegründete – aus welchen Gründen und unter welchen Rahmenbedingungen wäre dann eben die eigentliche Frage … vieles passierte sicher auch einfach, weil er wollte, aber die Frage nach den Bedingtheiten oder Abhängigkeiten ist damit ja nicht beantwortet. Aber der Tod um 1991 … keine Ahnung, brach da wirklich was weg? Also: was gab es da denn sonst noch? Ein paar Alben von Mike Stern und Bill Evans (sax) … Scofield machte ja weiter. Die ältere Generation (Hancock, Williams, McLaughlin, Zawinul, Corea, Cobham etc.) war entweder auf eigenen Fusion-Schienen unterwegs (Cobham, Zawinul), diversifiziert (McLaughlin, Hancock, Corea) oder zum akustischen Jazz zurückgekehrt (Williams … Shorter sollte folgen, aber erst 10 Jahre später).

    zuletzt geändert von gypsy-tail-wind

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    #12059153  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    ob man von Tom Scott was kennen muss, weiss ich nicht… von Klemmer kenn ich nur das allererste Album, Involvement – und das kann man sich mE prima anhoeren, es ist genau so wie man sich einen talentierten Tenoristen vorstellt, der im Chicago der Sechziger gross wird, ich behaupte jetzt mal Johnny Griffin Schule, mit etwas mehr Coltrane im Ton – und halt auch nicht genauso gut… also: Von Freeman haette die Saxophonrolle hier sicherlich besser gefuellt, aber was Klemmer macht passt schon, und die Bands sind prima, Melvin Jackson und Wilbur Campbell stehen durchgehend hinten, damit es ein Quartett wird kommt entweder Jodie Christian oder der super interessante Gitarrist Sam Thomas dazu…


    (Diskussion zu diesem Track aus einem .org bft, jsngry gibt auch einen ganz kurzen Ueberblick ueber die Diskografie: „People tend to forget (as easily they should) that Klemmer was once more or less an „energy“ player at root, especially once he moved to L.A. & got into that whole West Coast Avant/Don Ellis/Studio/Electric scene (of which there was one, quiet-ish as it’s been kept). Anything up to and including Constant Throb is worth picking up for a few bucks in a cutout bin, and anything between that and Touch is worth borrowing from somebody to listen to once or twice. After that, you’re on your own.“ ich bin jetzt gerade bei Constant Throb und find es durchaus interessant)

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    #12059159  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Das ist auch das einzige Klemmer-Album, das ich im Regal habe (gab’s in der LPR-Serie). Länger nicht angehört, aber erinnere ich tatsächlich als ganz gut!

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    #12060787  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Meine nächste Runde mit Sonny Rollins ist „Don’t Ask“, aufgenommen an vier aufeinanderfolgenden Tagen im Mai 1979 in den Fantasy-Studios in Berkeley, natürlich wieder von Orrin Keepnews produziert … es gibt zwei Duette mit Larry Coryell an der akustischen Gitarre (12-saitig in seinem eigenen Stück „The File“, 6-saitig in „My Ideal“), mit „Harlem Boys“ einen Opener, der zwar einerseits nach klassischem Rollins klingt, andererseits aber vielleicht sowas die das Rollins-Äquivalent der Hancock’schen Entgleisungen derselben Zeit darstellt – obwohl gar keine Keyboards oder so zum Einsatz kommen, Mark Soskin spielt hier (wie meist) Klavier, Coryell setzt sogar aus (sonst spielt er in der Band elektrische Gitarre), Jerome Harris ist am E-Bass dabei, Al Foster und Bill Summers an Drums und Percussion. Nach dm ersten Duo („The File“, wirkt etwas richtungslos) folgt „Disko Monk“: zwei Spuren Rollins am Tenor (Sopran ist längst wieder raus, dafür packt er später noch ein Lyricon aus) und am Klavier zu Beginn auch Rollins; Soskin spielt hier auch E-Piano, Clavinet und die Streicher am Synthesizer. Das wirkt für mein Empfinden alles ziemlich abgedroschen, Coryell nun ja … Gitarrenmasturbatorik ist doch ein stehender Begriff? … Soskin legt ein paar Akkorde und perlt manchmal ein wenig, Harris funkt ganz ordentlich, Foster spielt simple Disco-Beats, Summers klopft auf die Kuhglocke dazu … und doch klingt Rollins darüber dann wieder ziemlich super – erstaunlich! Das zweite Duo mit Coryell („My Ideal“) öffnet die zweite Hälfte und ist ziemlich gut, auch wenn Coryell sich wieder nur so halb im Griff hat. Im folgenden Titelstück ist das leider auch wieder so … so irre Läufe, dass alles auseinanderfliegt – und wenn Soskin dazu noch dicht „compt“, dazu die Percussion – uff, das ist eine Big Band, die in einen kleinen Fahrstuhl gezwängt wurde und jeder spielt ein andere Stück, einfach in derselben Tonart. Aber auch hier: Rollins kommt unbeschadet durch. Das kann man vom Pentatonik-Geklöppel-Ding namens „Tai-Chi“ mit dem Lyricon (und zum zweiten Mal ohne Coryell) nun wirklich nicht behaupten … aber am Ende gibt es nochmal einen lockeren Closer – auch das wieder ein Stück vom Leaders, der bis auf die beiden Duos mit Coryell alles Material selbst beitrug. Hier spielt Soskin mal ein ganz gutes Solo – und Coryell hält sich zumindest lange genug im Hintergrund. Sein eigenes Solo geht auch ganz gut los – ein überaus versöhnlicher Closer also. Als ganzes finde ich das recht verwirrend, denn bei aller Buntheit und bei all den seltsamen Dingen und kleineren Entgleisungen ist das eben doch nicht einfach ein schlechtes oder schwaches Album. Ein gutes auch nicht, wirklich nicht – aber anhören lässt sich’s eben doch ganz gut, und der Leader funktioniert auch in diesem seltsamen Rahmen hervorragend.

    Als Fussnote dazu noch die Quartett-Version von „Disco Monk“ vom Pori Jazz Festival, die auf der vierten und letzten „Road Shows“ zu hören ist (der früheste Track auf den vier CDs):

    Rollins (ts), Soskin (p), Harris (elb), Foster (d), 13. Juli 1979, Riihiketo Schhoo, Pori. Und das ist völlig anders – und sehr toll!

    Die Studio-Fassung:

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    #12062295  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Love at First Sight – ich hab hier, Ende der Siebziger, für eine kurze wieder fast keine Lücken (das Album der Milestone-All-Stars mit Ron Carter und McCoy Tyner fehlt mir allerdings). Für dieses Album wurden im Mai 1980 erneut vier aufeinanderfolgende Tage in den Fantasy-Studios in Berkeley gebucht – und danach „additional recording“ von Tony May in den Aura Sound Studios und von Eddie Bill Harris (ohne Ort, beide ohne Zeitangaben). Im Opener „Little Lu“ gibt’s wieder den souveränen Calypso-Rollins mit leicht kratzigem Ton und einen Stanley Clarke, der sich zu Beginn etwas zurückhält aber im Lauf des Stückes von „fast wie Kontrabass“ zu recht offensiv gespieltem E-Bass findet. George Duke sitzt an den Tasten, Al Foster und Bill Summers kümmern sich ums Schlagwerk. Auf dem zweiten Stück gibt es erneut das Lyricon (und dann auch noch etwas Tenor im Hintergrund – ob das diese „additional recordings“ sind?) – wofür einem Dallas Smith gedankt wird (Rollins kriegte dessen Instrument geliehen). Das Stück klingt aber recht wie ein Fremdkörper, vor allem weil danach „Strode Rode“ folgt – ein Remake des Stückes, das schon 1956 für „Saxophone Colossus“ aufgenommen wurde. Mit den Congas und dem E-Piano klingt das aber sehr anders – auch wenn Clarke hier meist schnörkellosen Walking-Bass spielt.

    Auf Seite 2 gibt’s zum Einstieg eine grosse Rollins-Balladenshow über „The Very Thought of You“ (Clarke am elektrischen Upright, Duke nach dem Opener zum zweiten und letzten mal am akustischen Klavier), dann folgt Dukes „Caress“ wieder mit elektrischen Instrumenten und nervigem Triangel (?) nebst viel anderem Getrommel und später ein Bass-Solo mit Plasticsound und Betonung auf der bassGITARRE (darunter eine weitere Bass-Spur). Danach steigt Rollins wieder ein – und spielt halt doch wieder ein unverwechselbares und ziemlich langes Solo, bei dem er sich erstaunlich viel Zeit lässt. Das Stück ist ja eigentlich gleich noch eine Ballade, aber halt eine Popballade für die Lounge, in der all die distinguierten Smooth-Jazz-Radio-Hörer abhängen (gab es in den Kreisen Frauen? schwer vorstellbar irgendwie). Wäre das nicht von Sonny Rollins, hätte ich das bestimmt nie im Leben angehört – aber so ist das eben. Den Ausklang macht ein Duo von Rollins und Clarke, „Double Feature“, in dem Clarke seine typische Bass-Spielweise (ich hab in den Neunzigern mal ein paar seiner eigenen Alben – so Zeug, das eigentlich nur E-Bassisten hören – gehört, erinnert mich sofort wieder daran) recht geschickt einsetzt, während Rollins rifft … eine kleine Blues-Impro halt – und für meine Ohren ein durchaus versöhnlicher Ausklang.

    Berge werden hier echt keine versetzt, mehr experimentiert als auf dem Vorgänger auch nicht – da fehlt mir ja wie gesagt ein wenig was, wo das wohl losgeht („Nucleus“, „The Way I Feel“, „Island Lady“, „Easy Living“)? Ich komme nochmal auf die Bemerkung von @vorgarten zur Pause, die Rollins gleich die ganzen frühen Siebziger hindurch hätte verlängern können … frag mich halt, ob die späten Siebziger (und hier 1980, eigentlich ja das letzte Jahr der Siebziger ;-) ) wirklich besser sind? Für meine Ohren wohl eher nicht. (Vielleicht ist es nicht fair, auf so einer möglicherweise nur rasch dahingeworfenen Bemerkung zu beharren, aber mich nimmt die Überlegung dahinter halt shcon wunder¨)

    Die Road Band war 1980 immer noch das Quartett mit Mark Soskin (p), Jerome Harris (elb) und Al Foster (d) – und auf „Road Shows Vol. 1“ gibt es zwei Stücke aus Europa, „Easy Living“ vom Jazz Jamboree in Warschau (23. Oktober) und „Blossom“ vom Jazz Festival in Umea zwei Tage später, beide über 10 Minuten lang. „Blossom“ ist gemäss den Liner Notes ein Stück, das lange niemand identifizieren konnte – bis Rollins es als ein Original erkannte. Ein Spiel mit Latin-Rhythmen und Stop-Time … und nach kurze Soli von Soskin und Harris gibt es ein fabelhaftes achtminütiges Solo von Rollins. Und klar: das ist viel mehr mein Ding als Keepnews mit Rollins im Studio gemacht hat (die Dorn-Frage stellt sich hier wirklich ein wenig, wobei Dorn um 1980 mit den Experimenten bereits durch war – vielleicht war Roland Kirks Tod war da ein Einschnitt? Jedenfalls sind die Produktions-Credits bei Discogs um den Dreh herum recht spärlich und keine solchen Alben dabei, wie jene, von denen wir’s oben hatten).

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    #12062331  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind
    da fehlt mir ja wie gesagt ein wenig was, wo das wohl losgeht („Nucleus“, „The Way I Feel“, „Island Lady“, „Easy Living“)? Ich komme nochmal auf die Bemerkung von @.vorgarten zur Pause, die Rollins gleich die ganzen frühen Siebziger hindurch hätte verlängern können … frag mich halt, ob die späten Siebziger (und hier 1980, eigentlich ja das letzte Jahr der Siebziger ) wirklich besser sind? Für meine Ohren wohl eher nicht. (Vielleicht ist es nicht fair, auf so einer möglicherweise nur rasch dahingeworfenen Bemerkung zu beharren, aber mich nimmt die Überlegung dahinter halt shcon wunder¨)

    hatte ich ja längst revidiert, weil für mich die band mit masuo/mtume/cranshaw/lee ja eine echte bereicherung (zumindest eine eigene position) im früh70erjazz darstellt. aber hier fangen die fragen tatsächlich an:

    sonny rollins, nucleus (1975)

    gleiches label, gleicher produzent, völlig anderer eindruck. müde funk-nummern, schläfrig getrommelt von eddie moore, die ‚anderen‘ soli kommen von funkgitarristen, im hintergrund wabert george dukes streicher-synth. was ich schon nicht verstehe: wieso spielt ausgerechnet der typ, der früher harmonieinstrumente aus seinen bands geworfen hat, so ein zeug, dass ihn fest zwischen den akkorden einzwängt? so recht wacht er auch nicht auf, selbst wenn es jazziger wird oder die unvermeindliche ballade im alten stil kommt („my reverie“) – und auch mit dem zweiten saxer, henderson-epigone maupin (?), ensteht kein battle, höchstens ein formales gespräch.

    ich frage mich, wie ich das hören würden, wenn ich 1975 angefangen hätte, jazz zu hören… mit „newkleus“ kommt noch eine ziemlich gute nummer, in der mtume sich schon als künftiger popproduzent empfiehlt, aber hier stört, eben, das saxofon.

    edit. ok, auf „cosmet“ gibt es doch noch ein battle, bei dem maupin ziemlich aufdreht. ist das traditionalistischste stück, könnte auch (ohne gitarre und e-bass) aus den 50ern sein und leitet sinnvoll zur aufgebrezelten version von „my reverie“ über. als würde sich der alte rollins aus den kommerziellen formen herausschälen und etwas alten glanz aufschimmern lassen, bevor er den nächsten ansatz wählt, um sich in seiner zeit zurechtzufinden.

    zuletzt geändert von vorgarten

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    #12062359  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Die Revision hatte ich ja schon mitgekriegt – aber hab mich halt gefragt, ob hinter der Aussage doch noch was steckt, was vielleicht dennoch interessant zu diskutieren wäre … aber egal, dann streiche ich das jetzt aus dem Gedächtnis ;-)

    Und gell, wo ich die Zeilen zu „Nucleus“ lese, es ist schon faszinierend, wie irgendwie doch immer wieder gute Dinge dabei sind … ich mag von den Alben, die ich die letzten Tage hörte echt keins richtig schlechtreden und stelle mir vor, dass es mit meinen Lücken ähnlich ist (aber noch mehr kaufen mag ich dann doch wieder nicht). Irgendwie schafft es Rollins halt doch immer wieder, trotz all der Widerstände, die er sich – ich versteh’s auch nicht! – ins Studio geholt hat.

    Ein interessanter Aspekt ist vielleicht die Frage nach dem bzw. den Produzent*innen: mein nächster Post ist schon zu zwei Dritteln fertig und ab da („No Problem“, 1982) ist eben nicht mehr Orrin Keepnews der Produzent, sondern stets „Sonny and Lucille Rollins“. Und bergauf geht es wirklich, auch wenn zu Beginn noch einiges von den Siebzigern mitgeschleppt wird. Witzig irgendwie: sind die Siebziger doch im Jazz immer für eine Überraschung gut, nichts scheint undenkbar … aber Rollins verliert sich da ein wenig, findet dann ausgerechnet in den Achtzigern, in denen die Orthodoxie das Zepter übernimmt, wieder zu Form – und das, wo er doch einer der grossen Freigeister im Jazz ist (und auf das Umfeld bestimmt immer gepfiffen hat). Die Frage nach Keepnews‘ Rolle wäre halt schon interessant, aber der Herr war im Alter ja in erster Linie an Selbstbeweihräucherung interessiert (auch das ein Gegensatz zu Dorn: auch bei ihm war „ich“ wohl das häufigsten Wort, aber Selbstironie und kritische Distanz waren ihm halt echt nicht fremd … die flapsigen Kommentare, die er für die Innenseiten der hässlichen 32Jazz-CD-Hüllen schrieb geben oft kleine Einblicke in sein eigenwilliges Denken … drum bleibt halt die „was wäre wenn“-Frage für mich schon interessant).

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    #12062381  | PERMALINK

    soulpope
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    gypsy-tail-wind …. es ist schon faszinierend, wie irgendwie doch immer wieder gute Dinge dabei sind … ich mag von den Alben, die ich die letzten Tage hörte echt keins richtig schlechtreden und stelle mir vor, dass es mit meinen Lücken ähnlich ist (aber noch mehr kaufen mag ich dann doch wieder nicht). Irgendwie schafft es Rollins halt doch immer wieder, trotz all der Widerstände, die er sich – ich versteh’s auch nicht! – ins Studio geholt hat…..

    Ich bewundere Deine/eure Ausdauer beim durcharbeiten dieser Aufnahmen, Respekt …. ähnliche Aufnahmen wären – wenn nicht die Marke Rollins sichtbar gemacht würde – versunken bzw womöglich gar nicht entstanden …. und dass Du noch vorhandene Lücken nicht mehr schliessen magst (und dies als  Musikliebhaber/Sammler welcher zu einzelnen Musikern sprichwörtlich alles kaufst) ist eine bezeichnende Aussage ….

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    #12062391  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ach was, Herbie Hancock hat bei Columbia viel schlechtere Musik herausbringen können (mit viel grösserem Budget) – und von all den Fusion-Leuten, die dann in den Smooth Jazz rüberrutschten oder einfach ihr Ding in immer formelhafterer Weise durchzogen (Corea, di Meola …) müssen wir gar nicht erst reden. Da hebt sich Rollins für meine Ohren schon weiterhin ab. Und ich find’s halt auch interessant als Gegenentwurf zu, sagen wir, um beim Instrument zu bleiben, einem Sonny Stitt oder einem Clifford Jordan. Stitt war ein Bebopper, aber er machte ein paar der heissesten Orgeljazz-Alben (nicht nur, aber auch das Varitone-Album aus der Left Bank Jazz Society, ich müsste es hier im Forum auch alle paar Monate mal erwähnen ;-) ), Clifford Jordan flirtete kurz mit der Avantgarde (lustigerweise erst kurz nach der Mingus-Band von 1964), danach gab’s weiter Hard Bop (oder ist das dann Post Bop? die Begriffe sind mir da nie ganz klar), der fand dann (bei beiden) bei Muse oder anderen kleineren Labeln statt (Bee Hive bei Jordan), die quasi die Dürrestrecke für Bebop überbrückten (Xanadu wäre da noch zu nennen, und bei Muse muss man immer auch gleich hervorheben, dass deren Katalog viel breiter war als der von einem orthodoxen Label wie Bee Hive oder in Europa Criss Cross). Rollins – oder sein Produzent? – war da schon viel offener, auch wenn es offensichtlich nie so ganz sein Ding war (zumindest ab Mitte der Siebziger nicht mehr).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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