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Die ersten vier Alben erschienen in recht rascher Abfolge 1988 bis 1990, drei Jahre später und nicht unter Murrays Namen sondern als vom David Murray Quartet folgte noch Tenors nach – und da ist der Name nun wirklich Programm: „Equinox“ (John Coltrane) und „Ghosts“ (Albert Ayler) stehen am Anfang, „Chelsea Bridge“ (Ben Webster, komponiert von Billy Strayhorn) und „St. Thomas“ (Sonny Rollins) am Ende. Dazwischen gibt es „Over Time“ von Dave Burrell mit dem Untertitel „A rag dedicated to the tradition of jazz saxophones and adapted from a theme by Punaluu Peter“ (was ein anderes Burrell-Stück ist … oder gibt es da mehr dazu zu wissen?) und „Perfection“, was ein Stück von Ornette Coleman ist – nicht von „Ornette on Tenor“ sondern nur von Murray eingespielt, wie es scheint [schrieb @vorgarten auch schon – hab versucht, die entsprechenden Posts erst zu lesen, wenn meine eigenen fast fertig sind]. Jedenfalls bleibt Murray vollkommen bei sich selbst, egal wen er gerade channelt – und das tut er tatsächlich hier. Wobei bei Ayler weniger Murray als Burrell aufhorchen lässt, mit einem offenen, irgendwie sehr lyrischen Klavier, das auch Cluster und Arpeggien eingebaut kriegt. Ich finde ihn bei diesen ganzen Sessions wirklich besonders, kenne vor allem deutlich ruppigere Sachen aus seiner frühen Zeit („High Won – High Two“, „Echo“, „After Love“, „Only Me“, „Questions/Answers“ im Duo mit Stanley Cowell), hier entdecke ich ihn gerade völlig neu – ohne ihn richtig zu fassen zu kriegen, aber das gehört vielleicht gerade dazu, so quecksilbrig wie sein Spiel oft wirkt. Von seinem Thema hier würden zumindest die Rag-Teile auch bestens ins Repertoire von krawalligen Europäern der Siebziger – Trovesi, Breuker – passen … aber er kriegt all diese irren Brüche hin, ohne dass sie wie Brüche wirken! Das zehnminütige Burrell-Stück wird zu sowas wie dem Kern des Albums. Dann folgt das recht zerklüftete Ornette-Thema, von Hopkins/Peterson ziemlich funky begleitet, während Burrell dazu eher quer steht. Murray ist hier sofort auf 100 und der Beat bricht auf – oder wird so dicht, dass man ihn verlieren kann. Burrell lässt sich nicht bitten, und auch Hopkins kriegt ein Solo, und Peterson grätscht gegen Ende etwas rein … das kürzeste Stück auf dem Album und das heftigste, vielleicht auch eine Art Rückblick, wobei Murray das schon völlig anders angeht, als er es 12 Jahre früher getan hätte – 12 Jahre nur! Irre, was in der Zeit alles passierte im Leben des David Murray! Der Abschluss mit der Ballade von Strayhorn und dem Calypso ist super – da läuft bei Peterson nochmal ordentlich was. Das sind wirklich fünf sehr starke Alben.
Die Favoriten sind nach dem ersten Durchgang „Lovers“ und „Deep River“, also die ersten beiden, und „Spirituals“ wäre heute wohl meine Nummer 3.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deDiese 24 Songs retten jedes Weihnachten
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Werbunghätte ich jetzt nicht gedacht, dass die quartett-aufnahmen so bei dir einschlagen. aber LUCKY FOUR hörst du jetzt aber auch nochmal an, oder? ist ja auch von 1988, es gibt materialüberschneidungen.
ich bin natürlich immer noch in 1991:
a sanctuary within (1991)
mal wieder eine murray-aufnahme für black saint, mal wieder ohne harmonieinstrument, und eine weitere begegnung mit sunny murray und kahil el’zabar (von dem ich ja nie weiß, was ich von ihm halten soll, ich habe vorbehalte, dabei fand ich das duoalbum mit murray ja großartig).
ich bin hier sehr gespannt auf andere meinungen, denn ich habe hier schwierigkeiten. das ist alles sehr schön eigentlich, rumpelig-schwebende texturen von den drums, dann die afrozentrische percussion und ein durchaus selbstbewusster bass (overwater ist in den niederlanden eine große nummer, oder, @redbeansandrice ?). moderner spiritual jazz, durchaus komplex, und murray ist eben murray hier. aber was mir gar nicht gefällt, ist, wie el’zabar da reingesetzt wird (oder sich rein setzt), der immer einen tick zu schnell spielt und dem, was sunny murray da macht, damit ständig aus dem ruder läuft. overwater finde ich auch zu stark vor dem beat. aber wie gesagt, das kann man bestimmt auch als besonders reizvoll hören, als interessante spannung, weil ja eigentlich ansonsten alles passt, der spirit, das programm, die abwechslung… und natürlich könnte man das problem auch bei sunny murray hören, der weder richtig free noch richtig auf dem punkt ist. aber auf der BALLAD FOR THE BLACK MAN am ende ohne el’zabar passt eigentlich alles…
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vorgarten
hätte ich jetzt nicht gedacht, dass die quartett-aufnahmen so bei dir einschlagen. aber LUCKY FOUR hörst du jetzt aber auch nochmal an, oder? ist ja auch von 1988, es gibt materialüberschneidungen.Haha, die bin ich gerade in den noch nicht verräumten Enja-Stapeln am Suchen, aber bisher kamen erst die drei Justin Time-Koproduktionen zum Vorschein … hab’s auf jeden Fall vor, grad auch weil „Ming’s Samba“ läuft und es da ja auch schon einen Tango gibt. Nach der Eingewöhnung könnte ich „Lucky Four“ definitiv weniger kritisch hören als vor ein paar Monaten.
EDIT: gefunden – right in time, denn die kommt als nächstes dran!
EDIT 2: Bin immerhin konsistent und hab die „A-Tisket, A-Tasket“-Verwandtschaft in der Lucky Four-Version von „Abel’s Blissed Blues“ Anfang Mai auch schon gehört
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaSchlussspurt für den Moment – Ming’s Samba erschien 1989 bei Portrait, einem Sublabel von Columbia-Records – wie „Virgin Beauty“ von Ornette Coleman, und dort hatte ich zum Label kurz geschrieben. John Hicks, Ray Drummond und Ed Blackwell sind dabei – und nach en Low-Fi-Aufnahmen von Sun Ra finde ich diese etwas glatte und körperlose digitale Aufnahme (Harvey Goldberg in den CBS Studios, NYC, 20. Juli 1988) grad gar nicht schlimm. Blackwell ist hier der Irrläufer, der vielleicht in mancher Hinsicht den Part von Burrell im anderen Quartett übernimmt, jedenfalls ständig etwas am Laufen hat und für Unvorhergesehenes sorgt. Wie die Band sich mit seinem Nachfolger Idris Muhammad entwickelt (vgl. @vorgarten hier), bin ich gespannt wiederzuhören. Murray spielt einmal mehr irre gut auf, die Band hat durch Hicks und Drummond mehr Wumms – die Rollen sind vielleicht irgendwie vertauscht: Burrell ist im anderen Line-Up der Irrläufer, Peterson bringt – wenn er darf/soll – den Wumms, Hopkins ist zwar kein Feinziselierer, aber die tieftönige Wucht von Drummond ist schon sehr anders. Der Opener ist wirklich eine Art Samba, es gibt also auch hier Latin-Beats, aber sie rollen anders, wuchtiger aus der Mitte heraus – mit fast elf Minuten ist das die längste Nummer des Albums und bietet Platz für Soli auch von Drummond und Blackwell (mit viel cowbell). Auch „Rememberin‘ Fats“, das zweite Stück, stammt von Murray, gleich noch so eine Riff-Nummer und auch wieder über einen teils durchstrukturierten Beat, in dem Bass und Piano ein halbes Tempo suggerieren – finde ich etwas suboptimal programmiert, doch sobald Murray ins Solo übergeht, ist das vergessen – obwohl die Rhythmusgruppe am Beat aus dem Thema festhält, was ja wiederum eine schöne Arrangement-Idee ist, nicht einfach im 4/4 zu solieren. Murray brilliert natürlich – aber bei der Abbildung seines Tons kommt die Aufnahme doch etwas an ihre Grenzen, da fehlt etwas der Glanz. Bei Hicks purzeln die Läufe ineinander, das ist ein völlig anderes Piano als das von Burrell, energiegeladen, drängend, mitreissend.
Die zweite Hälfte beginnt mit der kurzen Ballade „Nowhere Everafter“ – eine klassische Murray-Balladenperformance mit üppigem, bis ins kleinste Detail gestalteten Ton – , wie das folgende „Spooning“ von Butch Morris komponiert. Letzteres ist eine Art Tango-Romp – und ehrlich? Hier wünschte ich mir die andere Band am Werk. Blackwell trommelt zwar tolle Sachen zusammen, aber sie passen nicht, es fehlt auch Hicks und Drummond die nötige Eleganz. Der Closer ist dann Murrays „Walter’s Waltz (For Walter P. Murray)“, den Vater – und da kriegen wir doch mal wieder die Bassklarinette, die er um den Dreh herum recht selten auspackt. Das gefällt mir sehr gut – aber als ganzes packt mich das Album nicht so recht. Es fehlt im Vergleich mit den fünf Vorgänger-Alben schon etwas der Knalltüteneffekt, die irren Akkorde vom Klavier, das flexible Zusammenspiel (obwohl es davon in den letzten zwei Minuten des Albums nochmal etwas gibt) … „Ming’s Samba“ wirkt ein ganzes Stück konventioneller. Kann natürlich damit zu tun haben, dass das Major-Label-Produktion ist.
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PS: Weil’s hier einen kurzen Linertext (nur ein Abschnitt nach dem eigentlichen Text von Carlos Figueroa) von „ABARAKA“ gibt: die Dichterin Hettie Jones, Barakas erste Ehefrau, ist vor ein paar Tagen gestorben. Hilton Ahls hat vor zehn Jahren in seinem Nachruf auf Amiri Baraka mehr über sie, seine Ersatzmutter, geschrieben als über ihn.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaLucky Four – Here we go again, heute ohne polemische Spitzen, denn ich bin an diese Band jetzt wirklich rangekommen … auch wenn ich über den Wechsel am Schlagzeug nach wie vor unschlüssig bin. Lewis bringt eher sowas wie Blackwell rein, aber domestiziert, eingeebnet irgendwie, und immer mit dem vorsichtigen Mindset des Komponisten, ohne Knalltüten-Überraschungen und auch ohne den Wumms von Peterson. Das behutsame Schlagzeug passt gut zu den Stücken, die oft zwischen Kitsch, Melancholie und tiefen Gefühlen einen schmalen Grat finden – und kommt in einem ins Arrangement eingebetteten Solo in Wilbur Morris‘ Mingus-Hommage „Chazz“ dann doch mit ziemlich viel Druck rein, der aber nicht druckvoll wirkt, was vielleicht wiederum mit der (an sich tollen) Produktion zu tun hat? Wilber Morris am Bass ist die zweite neue Personalie – und das ist kein Wechsel, den ich hinterfragen möchte – im Gegenteil: er nähme neben Peterson ja seinen ehemaligen Oktett-Platz ein und ist wie Fred Hopkins ein Bassist, der ich in solchen Inside/Outside-Settings enorm schätze. Morris wirkt gesetzter als Hopkins – aber nicht so wuchtig wie Drummond. Nur Dave Burrell ist von der Januar-Besetzung übrig, aber er ist schon der Schlüsselmusiker der Gruppe und schon im eigenen Opener, dem Latin-Schmuser „Valley Talk“ sehr präsent, bricht dann aber im nachdenklichen „Chazz“ (Murray an der Bassklarinette) völlig aus – und klar ist das phantastisch! Und Lewis, der in diesem Stück schon sehr gut ist, geht auch toll auf ihn ein. In „As I Woke“ ist Morris‘ oft in der hohen Lage gespielter Bass für den Sound prägend, Murray spielt ein ziemlich heftiges Tenorsax-Solo hier, um in „Strollin'“ (Junle Mwangas Basquiat-Hommage) wieder an die Bassklarinette zu wechseln. Hier spielt die Band ein catchy absteigendes Riff, wie es Sonny Clark nicht besser hingekriegt hätte und Lewis trägt einen satten Backbeat bei. Nach weniger als drei Minuten ist das auch schon vorbei und es folgen die zwei längsten Stücke des Albums, „Abel’s Blissed Out Blue“ von Burrell und „Sharing“ von Morris – und das sind auch zwei Highlights hier, nicht nur dank den solistischen Beiträgen und dem Comping von Burrell.
Ein tolles Wiederhören – und ehrlich gesagt etwas überraschendes, weil meine Vorbehalte fast vollständig in sich zusammenfallen. Was bleibt ist nur ein leises Bedauern über die Wahl des Drummers, dessen Spiel ich nach wie vor als etwas zu funktional empfinde. Andererseits ist er vielleicht für das hier gespielte Material dann doch wieder optimal, weil so vieles auf „Lucky Four“ total strukturiert und durcharrangiert klingt, mit süffigen Changes wie bei Popsongs. Und sowas kann Lewis dann halt schon hervorragend, grad weil er ein komponierender Drummer ist. Ich bin unschlüssig …
Aufgenommen wurde das Album am 25. September 1988 in den Münchner Trixi Studios – und der Sound ist im Vergleich zu „Ming’s Samba“ (und überhaupt) exemplarisch schön: warm und mit viel mehr Räumlichkeit. Nur der Bass könnte für meine Ohren auch in der mittleren und hohen Lage etwas resonanter, körperlicher sein.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbainteressant, mir gefällt lewis ja etwas besser als peterson, weil ich peterson 1988 noch zu vorsichtig finde. und lewis finde ich sehr druckvoll, das krachende schlussolo zu „abe’s blissed out blues“ spricht da ja für sich, der ist ganz schön on fire bei dieser session. aber so hört man das eben manchmal verschieden.
black & black (1991)
zwei 1991er sessions habe ich noch, beide für bob thieles red-baron-label, der dort einen neuen sidekick installiert hat (als arrangeur und komponist), den veteranen glenn osser, in den 1910ern geboren, songwriter, orchestrierer, mit bigband- und tv-hintergrund. er hat hier mit thiele zusammen zwei ganz hübsche songs geschrieben, eine pseudo-bossa mit jazzharmonik, und eine ballade auf blues-basis. dazu kommen zu beginn noch ein pseudo-calypso mit jazzharmonik und ein simples bluesriff von anderen komponisten. die zusammengestellte band hat es in sich, auf diesen vier stücken ist sie ein quartett, und murray kommt nach jones, blackwell, higgins, graves, murray mit einem weiteren veteranen zusammen, nämlich roy haynes (rashied ali kommt ja irgendwann auch noch).
das ist eine gepflegte mainstream-musik der heißeren sorte, und man kann lange darüber nachdenken, warum sie nie zu irgendwelchen höhepunkten findet oder finden will. für murray sind haynes, santi debriano und kirk lightsey irgendwie zu busy im engen korsett der vorlagen. man versteht gleich, warum das mit idris muhammad z.b. besser funktioniert. lightsey mag ich eh nicht so gern, der macht zu viel und nichts davon ist wirklich interessant, er kann sein inside-playing nie so dramatisieren wir z.b. hicks, ihm fehlt aber auch so ein frischer gedanke wie z.b. einfach mal innezuhalten und raum zu geben. nur in der ballade gelingt ihm etwas, und er fährt sie auch in fast epischer breite nach hause.
dann aber kommt stück nummer fünf, marcus belgrave kommt dazu, und alles fällt in die richtige spur: freie improvisation, hellwache begleitung, roy haynes knippst seinen berühmten freien swing an, selbst lightsey denkt um die ecke. natürlich wollte thiele kein album nur mit solchen spontanen momenten haben – aber ich bin heilfroh, dass das am ende noch kommt.
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vorgarten
interessant, mir gefällt lewis ja etwas besser als peterson, weil ich peterson 1988 noch zu vorsichtig finde. und lewis finde ich sehr druckvoll, das krachende schlussolo zu „abe’s blissed out blues“ spricht da ja für sich, der ist ganz schön on fire bei dieser session. aber so hört man das eben manchmal verschieden.Ja, ist wohl so mit dem verschieden Hören … kann natürlich mit der Ausgabe (hast Du eine LP?) oder sonst was zu tun haben. Vorsichtig, wie ich oben schreibe, ist für Lewis vielleicht das falsche Wort: umsichtig, weitsichtig im Sinn von vorausblickend – nicht einfach spielend (nicht mit dem Flow gehend, was ich beim Line-Up mit Hopkins/Peterson sehr stark empfinde) sondern alles, was kommen könnte, schon antizipierend, quasi ein schlagzeugspielender Schachspieler – so nehme ich ihn wahr (nicht nur hier). Und so ganz geknackt habe ich ihn nach wie vor nicht, trotz Woody Shaw, Enja (je dreimal Kenny Barron und John Stubblefield und ein Leader-Album … auf dem einen von Woody Shaw ist er ja nicht dabei).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbateresa brewer, softly i swing (1991)
hier konnte ich dann doch nicht widerstehen, denn wo kann man sonst mal david murray den lester young geben hören für eine sängerin. teresa brewer, einer der größten us-popstars der 50er (country, r&b und jazz), war bob thieles ehefrau, und hier erfüllt er ihr den wunsch, ein jazzballadenalbum aufzunehmen, vielleicht ein geburtstagsgeschenk zum 60. wie man sieht, ist die begleitband nicht von schlechten eltern, der sound ist auch super, überhaupt werden um 1990 herum ältere jazzsängerinnen ja wieder beliebter, also beste voraussetzungen.
brewers intonation ist perfekt, ein bisschen auf der mädchenhaften seite, selbstbewusst altmodisch. sie möchte an die gute alte zeit vor der britischen invasion erinnern, die lebenserfahrung ist dabei zweitrangig, die songs werden nicht neu interpretiert, die band ist nur zur begleitung da und darf sich nicht dehnen oder strecken. wenn das das ziel war: sehr gelungen. brewer und murray passen nicht gut zusammen, aber es macht ihm hörbar spaß, mit verzierungen, trillern, warmem ton ein paar perfekte solominiaturen abzugeben, kenny barron macht es ihm nach, und manchmal sind sie so gut („misty“, „don’t blame me“), dass man denkt, sie würden gerne noch 2 minuten dranhängen und im nächsten chorus etwas ausprobieren. aber es glitzert so ganz schön. ich denke dabei natürlich: warum gab es keinen auftritt von murray bei den alten kämpferinnen wie lincoln, lee, merrill. warum hat vor allem niemand daran gedacht, ihn mal mit jimmy scott zusammenzubringen, das wäre ein ganz anderer zugang zum sentimentalen fach. aber das ist ja müßig als gedankenspiel.
ich kannte teresa brewer vorher als eine der wenigen interpretinnen von alec wilders „goodbye john“. auf youtube finde ich sie vor allem in den country- und r&b-sachen gut, da ist die stimme angerauter, das selbstbewusstsein herausfordernder. aber ich denke, sie war immer eher ein all-american girl, etwas spießig, eine harte arbeiterin, der glamour nicht so wichtig war. sehr schön sind ihre auftritte in der muppet show, bei ihrem kurzen schaukel-auftritt mit sweetums musste ich gerade sehr lachen:
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Meine neuste Murray-CD, gestern eingetroffen, ist Daybreak, am 30. März 1989 im Morning Star Studio in Springhouse, PA, aufgenommen – wie es scheint das dritte Duo-Album nach dem auf DIW mit John Hicks (ich kenne es nicht, @vorgarten hat hier zwei Sätze dazu geschrieben) und dem auf Enja mit Aki Takase, das mir zwar in Behelfsversion vorliegt, aber irgendwie hab ich das schon im Enja-Faden ausgelassen und jetzt bin ich auch schon über ein halbes Dutzend Alben weiter … nunja, ein anderes Mal. Der Anstoss zum Album kam von Sam Charters, dem Produzenten und Liner Notes-Autor: er habe Burrell gefragt, mit wem er ein Duo-Album machen möchte und die erste Antwort war: David Murray. „We think a lot alike about things when we play“, wird er zitiert. Mit Dave Burrell spielt Murray vier längere Stücke, drei von Burrell und eines („Sketch #1“, hier kommt die Bassklarinette zum Einsatz) von Murray. Mir gefällt das vom ersten Eindruck her gut – funktioniert allerdings völlig anders als mit Rhythmusgruppe, die zwei sind manchmal auf ihren üblichen Pfaden unterwegs, können sich aber wie es scheint stets lesen, beenden manchmal Phrasen des anderen, gewähren Raum oder nehmen ihn sich. Das längste Stück, „Blue Hour“, beruht auf einem langen Gedicht von Burrells Frau, Monika Larson, und es klingt wirklich danach, als würde Murray Verse rezitieren, von Burrell recht sparsam begleitet, immer wieder im Unisono – das erzeugt fast kammermusikalische Stimmung, und ist damit nochmal völlig anders als auch der Rest des vorliegenden Albums. Alles in allem wirkt das sehr frei, auch ohne die ganz grossen Ausbrüche … die braucht es vielleicht in dem Rahmen auch gar nicht?
Trivia: Gazell wurde wohl 1949 in Schweden gegründet, 1960 an Sonet verkauft (1956 ebenfalls in Schweden gegründet), aber die Marke überlebte; einen Gazell Club in Stockholm gab es auch noch, aber da ich steige nicht durch (der englische Wiki-Eintrag besteht teils aus unvollständigen Sätzen und ins leere laufenden Demonstrativpronomen – vermutlich ist es besser, sich den schwedischen Eintrag übersetzen zu lassen … ich weiss nicht, ob der Link funktionier). Bei Sonet arbeitete Charters (1929-2015) ab den Siebzigern oder so, als er in den Jahren des Vietnamkriegs von den USA nach Schweden zog. Er produzierte auch Blues, Zydeco, Afrikanisches usw., schrieb auch Lyrik und Romane. 1991 oder 1993 landete der Sonet-Katalog bei Universal, 2004 gab’s mal einen „batch“ Jazz-Reissues aus dem Sonet-Katalog bei Universal, auch wieder von Charters produziert. Dass auf dem Booklet der CD von 1989 steht „David Murray appears by courtesy of Epic Portrait Records“ ist wol ein Treppenwitz … da kam es ja nach „Ming’s Samba“ zu keinem weiteren Album mehr.
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ich denke dabei natürlich: warum gab es keinen auftritt von murray bei den alten kämpferinnen wie lincoln, lee, merrill. warum hat vor allem niemand daran gedacht, ihn mal mit jimmy scott zusammenzubringen, das wäre ein ganz anderer zugang zum sentimentalen fach. aber das ist ja müßig als gedankenspiel.Gehört der Gedanke zusammen zu der Frage, die ich mir wegen ebenbürtiger Bläser an seiner Seite stelle? Ist Murray vielleicht einfach nicht der Typ für solche Kollaborationen auf Augenhöhe, ausser ausnahmsweise mal mit vertrauten Leuten (Burrell, Hicks), die aber weiterhin auch eine Begleit-Funktion einnehmen? (Milford Graves ist ja noch ein Duo-Partner … gibt es weitere?)
sehr schön sind ihre auftritte in der muppet show, bei ihrem kurzen schaukel-auftritt mit sweetums musste ich gerade sehr lachen:
Toll, danke!
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.dejohnette, el’zabar, donal fox, dazu noch das battle mit marsalis… (auf A SANCTUARY WITHIN gibt es ein duett mit sunny murray). gibt bestimmt noch mehr.
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Ja, aber alles nicht, was ich meine. Newton noch am ehesten… Ein ganzes Album mit, keine Ahnung, jemandem wie Oliver Lake, Henry Threadgill, Arthur Blythe…. oder eben Abbey Lincoln… das würde ich schon anders einstufen. WSQ klar – aber das ist ein Kollektiv, finde ich nochmal was anderes. Vielleicht irre ich damit ja auch, ist alles eher als Frage gedacht.
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Murray ist hier jedenfalls echt kein Kaufgrund – zwei eher lärmige Soli am Tenorsax, die den Sound des Fo’tet etwas aufmischen (was Lacy durchaus auch tut, aber weniger entschieden). Das Album lohnt aber auch so.
Irgendwann muss ich mich endlich mal mit Frank Lacy beschäftigen – der steht ja bei @vorgarten auch hoch im Kurs. Mir ist er live nur mit der Mingus Big Band begegnet (um bei der Live-Aufnahme des Albums aus dem Moods dabei gewesen zu sein, bin ich ein paar Jahre zu jung), aber ist natürlich als Sideman auf einigen weiteren geschätzten Alben dabei … und bei der späteren Murray Big Band auf DIW taucht er auch wieder auf.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-wind
Ja, aber alles nicht, was ich meine. Newton noch am ehesten… Ein ganzes Album mit, keine Ahnung, jemandem wie Oliver Lake, Henry Threadgill, Arthur Blythe…. oder eben Abbey Lincoln… das würde ich schon anders einstufen. WSQ klar – aber das ist ein Kollektiv, finde ich nochmal was anderes. Vielleicht irre ich damit ja auch, ist alles eher als Frage gedacht.Der Closer von „Black & Black“ ist noch so ein Einzelstück. Marcus Belgrave spielt phänomenal auf – da macht man (Thiele, Sugiyama oder ein findiger bystander) doch nachher sofort ein ganzes Album … und warum nicht gleich mal wieder eind ohne Piano? Reggie Workman und Andrew Cyrille dazu, zum Beispiel?
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Schlagwörter: David Murray, Tenorsax
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