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Lucky Four – Here we go again, heute ohne polemische Spitzen, denn ich bin an diese Band jetzt wirklich rangekommen … auch wenn ich über den Wechsel am Schlagzeug nach wie vor unschlüssig bin. Lewis bringt eher sowas wie Blackwell rein, aber domestiziert, eingeebnet irgendwie, und immer mit dem vorsichtigen Mindset des Komponisten, ohne Knalltüten-Überraschungen und auch ohne den Wumms von Peterson. Das behutsame Schlagzeug passt gut zu den Stücken, die oft zwischen Kitsch, Melancholie und tiefen Gefühlen einen schmalen Grat finden – und kommt in einem ins Arrangement eingebetteten Solo in Wilbur Morris‘ Mingus-Hommage „Chazz“ dann doch mit ziemlich viel Druck rein, der aber nicht druckvoll wirkt, was vielleicht wiederum mit der (an sich tollen) Produktion zu tun hat? Wilber Morris am Bass ist die zweite neue Personalie – und das ist kein Wechsel, den ich hinterfragen möchte – im Gegenteil: er nähme neben Peterson ja seinen ehemaligen Oktett-Platz ein und ist wie Fred Hopkins ein Bassist, der ich in solchen Inside/Outside-Settings enorm schätze. Morris wirkt gesetzter als Hopkins – aber nicht so wuchtig wie Drummond. Nur Dave Burrell ist von der Januar-Besetzung übrig, aber er ist schon der Schlüsselmusiker der Gruppe und schon im eigenen Opener, dem Latin-Schmuser „Valley Talk“ sehr präsent, bricht dann aber im nachdenklichen „Chazz“ (Murray an der Bassklarinette) völlig aus – und klar ist das phantastisch! Und Lewis, der in diesem Stück schon sehr gut ist, geht auch toll auf ihn ein. In „As I Woke“ ist Morris‘ oft in der hohen Lage gespielter Bass für den Sound prägend, Murray spielt ein ziemlich heftiges Tenorsax-Solo hier, um in „Strollin'“ (Junle Mwangas Basquiat-Hommage) wieder an die Bassklarinette zu wechseln. Hier spielt die Band ein catchy absteigendes Riff, wie es Sonny Clark nicht besser hingekriegt hätte und Lewis trägt einen satten Backbeat bei. Nach weniger als drei Minuten ist das auch schon vorbei und es folgen die zwei längsten Stücke des Albums, „Abel’s Blissed Out Blue“ von Burrell und „Sharing“ von Morris – und das sind auch zwei Highlights hier, nicht nur dank den solistischen Beiträgen und dem Comping von Burrell.
Ein tolles Wiederhören – und ehrlich gesagt etwas überraschendes, weil meine Vorbehalte fast vollständig in sich zusammenfallen. Was bleibt ist nur ein leises Bedauern über die Wahl des Drummers, dessen Spiel ich nach wie vor als etwas zu funktional empfinde. Andererseits ist er vielleicht für das hier gespielte Material dann doch wieder optimal, weil so vieles auf „Lucky Four“ total strukturiert und durcharrangiert klingt, mit süffigen Changes wie bei Popsongs. Und sowas kann Lewis dann halt schon hervorragend, grad weil er ein komponierender Drummer ist. Ich bin unschlüssig …
Aufgenommen wurde das Album am 25. September 1988 in den Münchner Trixi Studios – und der Sound ist im Vergleich zu „Ming’s Samba“ (und überhaupt) exemplarisch schön: warm und mit viel mehr Räumlichkeit. Nur der Bass könnte für meine Ohren auch in der mittleren und hohen Lage etwas resonanter, körperlicher sein.
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