Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism, PC & Cancel Culture

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  • #11199153  | PERMALINK

    bullitt

    Registriert seit: 06.01.2003

    Beiträge: 20,633

    gypsy-tail-wind Latent rassistische Denkmuster offenbaren sich z.B. wenn die Antwort auf eie Frage: „Ja alle welche Musik denn so?“ lautet: Rock, Country etc. Gern wird dann ja z.B. Hip Hop bereits ausgeschlossen. Da zeigt sich halt, dass „alle“ mehr oder weniger eurozentristisch gemeint war. Indische oder persische kMusik ist jedenfalls selten mitgemeint.

    Was hat das bitte mit Eurozentrismus zu tun? In Indien oder dem Iran  ist das doch exakt genauso? Wo ist das Problem? Jeder sieht die Welt nun mal zunächst aus der Perspektive seines eigenen Kulturraums vor dem Hintergrund seiner eigenen Sozialisationserlebnisse, das lässt sich wohl kaum vermeiden. Wozu auch? Solange er das nicht mit einer herblassenden oder diskriminierenden Haltung tut, ist das alles mögliche, aber ganz sicher nicht rassistisch – auch nicht latent.

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    #11199173  | PERMALINK

    bullitt

    Registriert seit: 06.01.2003

    Beiträge: 20,633

    Lustig in dem Zusammenhang gerade die groteske Debatte zu dem Thema auf Adeles Insta-Account. Wegen dieses Outfits wird ihr kulturelle Aneignung vorgeworfen. Vornehmlich von weißen Aktivisten. Die Hater werden ihrerseits von einer jamaikanischen Community angegriffen, die sich verbittet, dass Nicht-Jamaikaner für sie als Sprachrohr fungieren und ihre vermeintlichen Befindlichkeiten thematisiert. Kann man sich nicht ausdenken.  :wacko:

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    #11199177  | PERMALINK

    pfingstluemmel
    Darknet Influencer

    Registriert seit: 14.09.2018

    Beiträge: 5,985

    War die nicht mal fett? #bodyshaming

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    Come with uncle and hear all proper! Hear angel trumpets and devil trombones. You are invited.
    #11199213  | PERMALINK

    demon

    Registriert seit: 16.01.2010

    Beiträge: 66,870

    gypsy-tail-wind
    Und aus dem Argument mit den europäischen Instrumenten, die ja von den Afro-Amerikanern genutzt worden seien/werden, wird auch ein Schuh, wenn man weiss, dass es schon im Barock Sklavenorchester gab, die eben genau auf „unserern“ Instrumenten für unsere Vorfahren spielen … diesen als Skaven gehaltenen Musikern nun cultural appropriation vorzuwerfen, wäre auch eher das grobe Modell, nicht?

    Tut ja auch keiner. Mit dem Beispiel „Fela Kuti“, wollte ich ja nur andeuten, dass eine (freiwillige!) „Aneignung“ fremder Kultur keinen Schluss auf eine böswillige oder rücksichtslose Absicht zulässt.

    Interessant ist ja dabei, dass gerade die Szene der „alten Musik“ ganz enorm weiss ist …

    Ja… ???
    Willst du jetzt die „Aneignung“ einer zeitlich fernen Periode unserer Kultur vergleichen mit der Aneignung einer geografisch/ethnisch fernen Kultur? Im ersten Fall gibt’s eben nicht das Problen eines ehemaligen oder aktuellen Herrschaftsverhältnisses, und keine damit verbundenen moralischen Fragen – sondern „nur“ ;-) künsterische. Die sind hier aber ein der Tat ein Minenfeld…

    … eurozentristische Sicht auf Musik …

    „Eurozentristisch“ ist nicht gleich „rassistisch“. Viele Menschen in unserem Kulturkreis hören schlicht und ergreifend nichts bis wenig an „nicht-europäischer“ Musik. Daher haben sie meist wenig Freude daran, wenn ihnen sowas dann doch mal unterkommt. Ist das verwerflich? Rassistisch wird es erst, falls sie darauf mit dem Satz reagieren „das ist sowieso alles Mist/primitiv/nicht ernstzunehmend“ statt mit „damit kann ich nichts anfangen“.

    gypsy-tail-wind
    Latent rassistische Denkmuster offenbaren sich z.B. wenn die Antwort auf eie Frage: „Ja alle welche Musik denn so?“ lautet: Rock, Country etc. […]. Da zeigt sich halt, dass „alle“ mehr oder weniger eurozentristisch gemeint war. Indische oder persische kMusik ist jedenfalls selten mitgemeint.

    Das Wort „alles“ ist hier – wörtlich genommen – zweifellos eine Ungenauigkeit. Aber es würde in diesem Zusammenhang auch kaum in der geschriebenen Sprache benutzt werden, sondern nur in der gesprochenen. Und da weiß der Geprächsparter dann eben, wie es meistens gemeint ist. Da will i.d.R. niemand ausdrücken, dass er indische oder persische Musik für wertlos hält!

    Nochmal: Wenn mir etwas fremd und unbekannt ist, und ich weder die Zeit noch die intellektuelle Kapazität habe, mich damit auseinanderzusetzen, dann erlaubt das doch nicht den Schluss, dass ich es verachte! Kein Mensch kann sich für ALLES interessieren und von ALLEM eine Ahnung haben!

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    Software ist die ultimative Bürokratie.
    #11199217  | PERMALINK

    go1
    Gang of One

    Registriert seit: 03.11.2004

    Beiträge: 5,625

    go1
    Nein. Aneignung ist beides, und dass manche Weiße schlechten Blues spielen, ist für die Autorin allenfalls Ausdruck von „disrespect“ – diese Leute haben es nicht für nötig gehalten, sich ordentlich in die Materie zu vertiefen.

    “Cultural disrespect” also helps us appreciate good kinds of borrowing. When a person truly tries to study and pay tribute to a different culture, their use of it becomes less objectionable. The most cringeworthy white blues is played by those who least understand it, but when people have truly immersed themselves in another culture and done their research, the results can be moving.

    lathoDas ist das, was ich mit „Herumgemeine“ meine: da sind Geschmacksurteile drin. Diese und diese Band spielt „schlechten“ Bluesrock, hat sich nicht erkennbar zu den Vorbildern geäußert, also steht das Urteil fest: CA! Das ist natürlich dermaßen weich und persönlich geprägt, wie mittlerweile Begriffe wie „Rassismus“ oder „Sexismus“.
    Grundsätzlich finde ich die Idee des Artikels ja gut, „Aneignung“ im Wortsinn als Klauen, Nicht-Bezahlen zu bewerten. Bloß ist das a) ein bereits bekanntes Problem (und in Gesetze verpackt) und b) fällt die Autorin dann eben doch wieder auf „Meinen“ zurück, mein Geschmack als ausreichendes Kriterium für ernstzunehmende Anklagen.

    Das sehe ich eben anders. Gray sagt, dass unter dem Label „cultural appropriation“ (Aneignung von Elementen einer kulturellen Praxis durch Angehörige einer anderen, dominanten Kulturgemeinschaft) eigentlich zwei verschiedene Probleme angesprochen werden: „cultural exploitation“ und „cultural disrespect“, Ausbeutung und Missachtung (oder Respektlosigkeit). An dem Label „cultural appropriation“ liegt mir übrigens nichts, aber diese beiden Aspekte halte ich schon für wichtig.

    1) Das Beispiel für „cultural disrespect“: „Blues? Das ist doch keine Kunst: soundsoviel Takte Tonika, Subdominante, Dominante, das können wir auch“ – das beruht nicht auf Grays individuellem Geschmacksurteil, sondern auf einer Tatsache: Jede komplexe Kunstform braucht Jahre der Übung, um sie zu meistern – und wer in Clarksdale, Mississippi, umgeben von Bluesmusik aufgewachsen ist, hat dabei einen Vorsprung gegenüber Musikern aus Europa oder Asien. Wer meint, sich den Blues mal eben draufschaffen zu können, ist respektlos gegenüber dieser Kunstform und denen, die sie ausüben. Wer sich auskennt mit dem Genre, kann das dem Ergebnis anhören. Noch auffälliger ist es vielleicht beim Hip Hop: Da gibt es sogar Leute, die glauben, Rap sei gar keine Musik. Aber Rappen lernen ist ziemlich schwierig (vor allem, wenn man nicht schon als Kind damit angefangen hat), und wenn Leute, die wenig Ahnung haben, anfangen zu rappen, wirkt das mehr oder weniger peinlich – auf alle, die auch nur halbwegs vertraut sind mit Rappern, die es können (von Rakim bis Jay-Z, oder so). Das ist nicht alles bloß subjektiv (dem einen gefällt es halt, dem anderen nicht). Und es ist respektlos oder eine Missachtung, wenn man die Skills nicht würdigt, die man als Rapper oder Blueser oder was auch immer haben muss, um auf dem jeweiligen Feld gut zu sein – ebenso wie wenn man Klischees oder Stereotype weiterträgt.

    2) Und der andere Aspekt: Ausbeutung ist nicht dasselbe wie Klauen. Klar, es geht beides mal darum, sich die Früchte fremder Arbeit anzueignen. Aber es ist per se nicht verboten, sich an der Arbeit von Musikern zu bereichern, die dabei auf keinen grünen Zweig kommen, auf deren Kosten. Der Gesetzgeber zieht jeweils Grenzen (Plagiate sind nicht erlaubt und Verträge können als „sittenwidrig“ eingestuft werden), aber es bleibt ein weites Feld. Es geht auch um mehr als um individuelle (Geschäfts-)Praktiken, nämlich darum, wie das ganze Geschäftsfeld organisiert ist (und um die Gesellschaftsstruktur).

    One core issue that the “appropriation” idea tries to get at is economic exploitation. In an economic landscape where some groups get rewarded disproportionately to others, the people who make the culture are often not the ones who see the rewards from it, i.e. the problem is not that white men play the blues, it’s that white men who have played the blues have gotten rich from it, while the black people who invented the blues stayed poor. (…) Non-white cultural products have often been repackaged for white audiences, reaping tremendous profits, none of which accrue to those who actually originated the culture… the life stories of early 20th century black musicians are stories of poverty and exploitation by a predatory music industry that lifted their sounds and left them with nothing… we’re talking about a system of cultural production in which people of color produce certain sounds, which are then taken and imitated for profit.

    --

    To Hell with Poverty
    #11199223  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

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    redbeansandriceich find das Beispiel mit „ich mag eigentlich alle Musik“ wirklich ziemlich schlecht… wenn ich persoenlich das sage, meine ich damit primaer, dass ich es eigentlich immer gut finde, wenn ich irgendwie hinkomme, und es wird Musik gespielt… Jazz waere am besten, aber von Klassik bis Schlager ist wirklich vieles fuer mich besser als Stille…

    Für mich impliziert „ich mag alle Musik“ eigentlich meistens, dass diese Person überhaupt keinen Stil wirklich mag, sondern bestenfalls alles toleriert. Von Leuten, die sich wirklich für Musik interessieren, gibt’s doch eigentlich als „umfassendste“ Aussage, dass sie verschiedene Stile mögen. Dass solche Personen sich ggf. „alles“ interessiert anhören, wenn es angeboten wird, ist dann ja schon wieder eine andere Aussage.

    ich musste direkt hieran denken… What kind of music do you usually have here? – We got both kinds, we got country and western.
    den Film darf man wahrscheinlich auch nicht mehr gucken….

    Eine ehemalige Mitschülerin, die nach dem Abitur Gesang studierte, teilte mir beim fünfjährigen Jahrgangstreffen während der Unterhaltung mit, sie würde „alles singen: Oper und Lied“…

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    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #11199275  | PERMALINK

    go1
    Gang of One

    Registriert seit: 03.11.2004

    Beiträge: 5,625

    bullschuetz(…) Ich fürchte und glaube nur, dass im CA-Konstrukt eine Wucht steckt, die man ihm nicht erst über zuspitzendes oder unfaires Framing andichten muss. Es kommt mir, Entschuldigung, ein bisschen so vor, als wolltet ihr, @ go1 und @ herr-rossi, mir als CA das verkaufen, was ihr darunter versteht, mir sozusagen eine CA-Edelausgabe im Goldschuber andrehen. Die kaufe ich natürlich jederzeit gerne! Aber ich bin mir nicht sicher, ob dieses exklusive Prachtexemplar außer bei Euch noch sonstwo erhältlich ist oder ob die meisten CA-Vertreter nicht mit einem ziemlich viel groeberen Modell handeln. (…)

    Das war hübsch formuliert. Ich habe aber nicht vor, als „CA-Vertreter“ Karriere zu machen (meist wohl eine ehrenamtliche Tätigkeit). Ich dachte mir nur, bevor alle bloß den jüngsten „Irrsinn“ auf Twitter (oder im Feuilleton) breittreten, weise ich schnell darauf hin, dass es ernsthafte Überlegungen dazu gibt – und nicht nur fehlgeleitete junge Aktivisten in den sozialen Medien, die den Kolonialismus wiedergutmachen wollen, indem sie andere wegen „problematischer“ Fotos bloßstellen…

    --

    To Hell with Poverty
    #11199427  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

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    Zum Thema „Ich höre jede Musik“ = rassistisch: Das hier dürfte der Original-Tweet sein (hoffe ich):

    <p lang=“en“ dir=“ltr“>… followed by the phrase "except rap and country" and all the racist and classist associations tied to it. But the first part of that statement "I like all kinds of music" is colonialist as most folks who make it know little about…https://t.co/RoxO0GHF6y</p>— Jon Silpayamanant (โจนาทาน ศิลปยามานันท์) (@Silpayamanant) August 30, 2020

    Also „colonialist“, irgendwie dem Kolonialismus zugeneigt. Auch nicht besser. Aber gut, war auf Twitter und damit eigentlich nicht ernst zu nehmen (Frage: Geht zu Twitter, weil man ein Großmaul ist oder wird man auf Twitter zum Großmaul?). „I like all kinds of music“ ist strikt genommen unmöglich, denn wie sollte man „alles“ kennen (das tut nun Silpayamanant auch nicht). Oder einfach wischi-waschi, „mich interessiert nicht was ich höre“. Warum so etwas „colonialist“ ist (wenn es Weiße tun), ist daraus überhaupt nicht erschließbar. Für mich eine Fehlleistung, aber gut, ist eben Twitter, das Medium, das nur 140 Zeichen Platz hat (und damit genug für einfache Gedanken).
    Da wir aber gerade dabei sind, wiederhole ich nochmal, was ich vor einiger Zeit hier geschrieben habe: der inflationäre Gebrauch von „Rassismus“ hat das Wort inzwischen völlig entwertet. Da folgen die vermeintlich Progressiven den 70ern, die „Faschismus“ in allen Dingen von Star Wars bis Kleinfamilie, von Strauß bis Brandt fanden und damit dem begriff jede Schärfe (in mehrere Beziehung nahmen).

    zuletzt geändert von latho

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #11199447  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,979

    go1
    Das war hübsch formuliert. Ich habe aber nicht vor, als „CA-Vertreter“ Karriere zu machen (meist wohl eine ehrenamtliche Tätigkeit).

    go1
    Ich dachte mir nur, bevor alle bloß den jüngsten „Irrsinn“ auf Twitter (oder im Feuilleton) breittreten, weise ich schnell darauf hin, dass es ernsthafte Überlegungen dazu gibt – und nicht nur fehlgeleitete junge Aktivisten in den sozialen Medien, die den Kolonialismus wiedergutmachen wollen, indem sie andere wegen „problematischer“ Fotos bloßstellen…

    Achtung, Großvergleich: Etwa so wie wenn Fritz Haber Giftgas erfindet und sagt „In kleinen Mengen und bei Anwendung durch landwirtschaftlich Experten werden dadurch Schädlinge vernichtet“. Andersherum: wenn man solche, wie ich finde, nicht besonders randscharfen Begriffe in die Welt setzt (oder weiter verbreitet), kann schon mal nachgefragt, ob die Folgen nicht absehbar waren.

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #11199479  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,979

    go1Das sehe ich eben anders. Gray sagt, dass unter dem Label „cultural appropriation“ (Aneignung von Elementen einer kulturellen Praxis durch Angehörige einer anderen, dominanten Kulturgemeinschaft) eigentlich zwei verschiedene Probleme angesprochen werden: „cultural exploitation“ und „cultural disrespect“, Ausbeutung und Missachtung (oder Respektlosigkeit). An dem Label „cultural appropriation“ liegt mir übrigens nichts, aber diese beiden Aspekte halte ich schon für wichtig.
    1) Das Beispiel für „cultural disrespect“: „Blues? Das ist doch keine Kunst: soundsoviel Takte Tonika, Subdominante, Dominante, das können wir auch“ – das beruht nicht auf Grays individuellem Geschmacksurteil, sondern auf einer Tatsache: Jede komplexe Kunstform braucht Jahre der Übung, um sie zu meistern – und wer in Clarksdale, Mississippi, umgeben von Bluesmusik aufgewachsen ist, hat dabei einen Vorsprung gegenüber Musikern aus Europa oder Asien. Wer meint, sich den Blues mal eben draufschaffen zu können, ist respektlos gegenüber dieser Kunstform und denen, die sie ausüben. Wer sich auskennt mit dem Genre, kann das dem Ergebnis anhören. Noch auffälliger ist es vielleicht beim Hip Hop: Da gibt es sogar Leute, die glauben, Rap sei gar keine Musik. Aber Rappen lernen ist ziemlich schwierig (vor allem, wenn man nicht schon als Kind damit angefangen hat), und wenn Leute, die wenig Ahnung haben, anfangen zu rappen, wirkt das mehr oder weniger peinlich – auf alle, die auch nur halbwegs vertraut sind mit Rappern, die es können (von Rakim bis Jay-Z, oder so). Das ist nicht alles bloß subjektiv (dem einen gefällt es halt, dem anderen nicht). Und es ist respektlos oder eine Missachtung, wenn man die Skills nicht würdigt, die man als Rapper oder Blueser oder was auch immer haben muss, um auf dem jeweiligen Feld gut zu sein – ebenso wie wenn man Klischees oder Stereotype weiterträgt.

    Naja, da kommen wir in den Bereich Kunst=Können. Ein Punk-Musiker, der stolz darauf ist, nur vier Akkorde zu kennen, kann demnach keinen Blues spielen (eigentlich auch nichts anderes)? Wann ist ein Stil kopiert, wann nur entlehnt? Und wenn es nur ums „Würdigen“ geht: wie, wann und wie oft muss das passieren? Wir sind dann bei dem einem Beispiel eines Musikers, der auf die Frage nach seiner Musik antwortet „don’t know, don’t care“? Und Grey hat in ihrer Argumentation durchaus Werturteile.

    go1
    2) Und der andere Aspekt: Ausbeutung ist nicht dasselbe wie Klauen. Klar, es geht beides mal darum, sich die Früchte fremder Arbeit anzueignen. Aber es ist per se nicht verboten, sich an der Arbeit von Musikern zu bereichern, die dabei auf keinen grünen Zweig kommen, auf deren Kosten. Der Gesetzgeber zieht jeweils Grenzen (Plagiate sind nicht erlaubt und Verträge können als „sittenwidrig“ eingestuft werden), aber es bleibt ein weites Feld. Es geht auch um mehr als um individuelle (Geschäfts-)Praktiken, nämlich darum, wie das ganze Geschäftsfeld organisiert ist (und um die Gesellschaftsstruktur).

    One core issue that the “appropriation” idea tries to get at is economic exploitation. In an economic landscape where some groups get rewarded disproportionately to others, the people who make the culture are often not the ones who see the rewards from it, i.e. the problem is not that white men play the blues, it’s that white men who have played the blues have gotten rich from it, while the black people who invented the blues stayed poor. (…) Non-white cultural products have often been repackaged for white audiences, reaping tremendous profits, none of which accrue to those who actually originated the culture… the life stories of early 20th century black musicians are stories of poverty and exploitation by a predatory music industry that lifted their sounds and left them with nothing… we’re talking about a system of cultural production in which people of color produce certain sounds, which are then taken and imitated for profit.

    Zu ungenau, vor allem zu ungenau für das ganze Feld (Gesellschaftsstruktur). Praktisch: Wenn weiße den Blues spielen, sollen Schwarze also etwas vom Kuchen abhaben (wobei ich bezweifele, dass die Übernahme schwarzer Musikstile durch Weiße und dderen Produktion einem Plan oder nur bewussten Absichten folgte). Wie sollte das de facto funktionieren? Dann doch wieder nur Würdigung (Worte statt Kohle)?

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    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #11199689  | PERMALINK

    go1
    Gang of One

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    lathoNaja, da kommen wir in den Bereich Kunst=Können. Ein Punk-Musiker, der stolz darauf ist, nur vier Akkorde zu kennen, kann demnach keinen Blues spielen (eigentlich auch nichts anderes)? Wann ist ein Stil kopiert, wann nur entlehnt? Und wenn es nur ums „Würdigen“ geht: wie, wann und wie oft muss das passieren? (…)

    Solange, bis es sich herumgesprochen hat, was jemand leistet. Von „Kunst = Können“ ist bei mir aber nicht die Rede – es kommt schon darauf an, was jemand anstellt mit seinen Skills. Ohne Skills und Verständnis geht es aber auch nicht. Es ist aber in jedem Genre etwas anderes, was man wissen und können muss, um gut zu sein (auch nichts völlig anderes; vier Akkorde reichen auch für Countrymusik). Wenn Du sagen möchtest „Jeder kann guten Blues spielen“ oder „Was guter Blues ist, liegt allein im Ohr des Hörers“, dann kommen wir nicht zusammen, aber das ist ein Thema für einen anderen Thread (ein schwieriges Thema). Wenn es um Kunst geht, ist vieles subjektiv und individuell, aber nicht alles. Da spielen Traditionen eine Rolle und ein Wissen, das die Musiker – und auch Musiker und Hörer – gemeinsam haben, in verschiedenen Graden.

    lathoPraktisch: Wenn Weiße den Blues spielen, sollen Schwarze also etwas vom Kuchen abhaben (…). Wie sollte das de facto funktionieren?

    Nochmal: Gray spricht (als historisches Beispiel) von „a viciously racist economic landscape that didn’t reward black cultural innovation with black economic success“. Die Frage „Wie hätte das denn anders gehen sollen?“ ist da kein überzeugender Einwand: Die Beschreibung eines Problems wird nicht dadurch widerlegt, dass derjenige, der es beschreibt, keine Lösung parat hat. Es hätte halt eine andere Gesellschaft und eine andere Musikindustrie gebraucht, die nach anderen Prinzipien funktionieren. „There has been a long history of people pushing black creators to the margins while making millions of dollars off their work. If the music business hadn’t been riddled with racism, and if the measure of financial success was “whether a person (of any race) had created something original and good” rather than “whether a white person could copy and repackage an unknown black song for a white audience more concerned with color than content,” there would be no injustice.“

    --

    To Hell with Poverty
    #11199719  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,151

    bullschuetz
    By the way: Die Diskussion hier hat mir geholfen, mein eigenes Unbehagen mit dem CA-Konzept besser zu verstehen.
    Ich glaube, es ist kein Zufall, dass ich mit den meisten Argumenten von @.herr-rossi@.go1 und @.gypsy-tail-wind so d’accord gehen kann: Das sind ja alles wichtige Reflexionen über reale Machtstrukturen in der kulturellen Arena. Critical whiteness im besten Sinne sozusagen, Ausleuchtungen weißer Dominanz, die sich als Toleranz tarnt, alles gedacht von einem linken, gerechtigkeitssensiblen Standpunkt aus. Das finde ich gut, und so gesehen müsste ich das CA-Konzept eigentlich sympathisch finden.
    Umso mehr treibt mich der Eindruck um, wenn ich wahrzunehmen glaube, dass ein im Kern sinnvolles linkes Konzept seinerseits ins Intolerante, auch Sektiererische umzukippen droht. Das macht mich nervös.

    Das mit dem Unbehagen geht mir sehr ähnlich. Ich habe in dieser Diskussion bisher keine Aktien im Spiel (und bin auch über die bissigen Angriffe von @bullitt etwas irritiert – das hat mit Eurozentrismus zu tun, dass … schon mal vom Kolonialismus gehört? Schon mal den Wohlstand des „Westens“ kritisch hinterfragt? Die Ausbeutungsmechanismen, die immer noch weiterlaufen? Klar, ist ja auch bequemer, den Kopf in den Sand zu stecken). In erster Linie bin ich daran interessiert, zuzuhören. Wenn dann die schnellen Handwischbewegungen („Grossmaul“*) kommen, interessiert mich das eher nicht und vertreibt mich aus der Diskussion, weil eben: frustrierend (auch wenn vielleicht in der Sache nicht falsch, aber das kann man ja auch mal ausdiskutieren, weil eben: Unbehagen, keine Aktien im Spiel).

    *) mag auf den betreffenden Tweet zutreffen, aber was Silpayamanant so alles an Links zusammengetragen hat, finde ich enorm lohnend und möchte den Sachen auch in Ruhe nachgehen.

    redbeansandrice
    ich find das Beispiel mit „ich mag eigentlich alle Musik“ wirklich ziemlich schlecht… wenn ich persoenlich das sage, meine ich damit primaer, dass ich es eigentlich immer gut finde, wenn ich irgendwie hinkomme, und es wird Musik gespielt… Jazz waere am besten, aber von Klassik bis Schlager ist wirklich vieles fuer mich besser als Stille… und da kann es jetzt natuerlich sein, dass es da draussen irgendeine Kultur gibt, deren mir unbekannte Musik in meinen Ohren so graesslich klingt, dass ich sie nun wirklich nicht hoeren will… aber ich find es voellig akzeptabel, wenn man das nicht explizit dazusagt, waere ja auch nicht besonders nett, und vielleicht braucht man ja auch einen Moment um reinzukommen…
    dazu kommt, dass es ja immer einen Kontext gibt, und dass man in der normalen Sprache (anders als etwa in der Mathematik) nicht immer alle Qualifikationen und Einschraenkungen explizit macht… wenn ich nach Hause fahre, und meine Mutter fragt, was ich gerne essen will, dann kann es gut sein, dass ich „ich find alles lecker“ sage… und da ist dann implizit mit drin, dass ich damit die Sachen meine, die es zu Hause normalerweise so zu essen gibt, dass ich nicht nochmal explizit alles aufliste, was mir zu Hause nicht schmeckt (weiss sie eh – und wenn ich den Heringsauflauf von 1996 nochmal auspacke, freut sie sich auch nicht), und ja, ich erwaehne auch nicht explizit die Kuechen aller Kulturen, die uns beiden fremd sind… ukrainischen Weisswurstpudding wird es schon nicht geben… und wenn doch, dann ist es halt so… Kommunikation ist auch nie perfekt, im Alltag ist „alles“ beinah nie woertlich gemeint…
    das heisst nicht, dass man nicht vor rassistischen Denkmustern auf der Hut sein sollte, dass „ich mag alle Arten von Musik“ auch mal ausschliessend sein kann … man kann eigentlich fuer jeden Satz eine Situation konstruieren, in der er voellig unangemessen ist…

    Der Relativmus des letzten Satzes im Zitat führt uns natürlich keine Centimeter weiter, aber egal. Ich dachte auc nicht an Leute, die keinen Bezug zu Musik haben oder tatsächlich, wie Du es bist, für sehr vieles offen. Es gibt ordentlich Leute, die z.B. Klassik, Rock aller Spielarten, Blues, Jazz, Elektro usw. hören, aber z.B. Hip Hop (und gerne auch Country) als Schund und Schrott diffamieren. Und die meinen, mit ihren Interessen eben „alles“ abgedeckt zu haben. Und @latho hat ja das Begriffsdurcheinander in den Punkten, die ich referierte, aufgelöst (danke – war kein bewusster Fehler, ich hatte schlichtweg keine Zeit, das alles nochmal in Ruhe zu lesen bzw. überhaupt zu suchen), aber ich denke halt trotzdem, dass da unerkannte Denkmuster mit Dünkel und Überlegenheitskomplexen dahinter stecken können. Das Beispiel von @nicht_vom_forum ist ja sehr passend:

    nicht_vom_forum
    Eine ehemalige Mitschülerin, die nach dem Abitur Gesang studierte, teilte mir beim fünfjährigen Jahrgangstreffen während der Unterhaltung mit, sie würde „alles singen: Oper und Lied“…

    demon

    gypsy-tail-wind
    Und aus dem Argument mit den europäischen Instrumenten, die ja von den Afro-Amerikanern genutzt worden seien/werden, wird auch ein Schuh, wenn man weiss, dass es schon im Barock Sklavenorchester gab, die eben genau auf „unseren“ Instrumenten für unsere Vorfahren spielen … diesen als Skaven gehaltenen Musikern nun cultural appropriation vorzuwerfen, wäre auch eher das grobe Modell, nicht?

    Tut ja auch keiner. Mit dem Beispiel „Fela Kuti“, wollte ich ja nur andeuten, dass eine (freiwillige!) „Aneignung“ fremder Kultur keinen Schluss auf eine böswillige oder rücksichtslose Absicht zulässt.

    Meine Anspielung galt nicht der Erwähnung von Fela Kuti, sie verwies auf die Klammer im Statement von @reino („Außerdem ist ja auch die Musik der amerikanischen POC ohne den Einfluß aus Europa nicht denkbar (und sei es nur durch die Wahl der Instrumente).“), das eben die historische Dimension vollkommen ausser Acht lässt bzw. nachträglich Dinge auf den Kopf stellt, weil schon deren Vorfahren diese Instrumente zu bedienen wussten, nachdem sie auf den Galeeren verschleppt worden waren … das gängige Erklärungsmuster „Rhythmen aus Afrika, Instrumente aus Europa“, und damit dann ca. 1900 oder etwas früher bei den Frühformen von Jazz und Blues (Kreolen in New Orleans usw.) ansetzen: das reicht mir einfach nicht. Das geht alles viel weiter zurück, und es gibt in Lateinamerika diverse andere, ebenfalls ältere Vermischungen (Santería z.B.). Es gibt z.B. auch eine spezifisch lateinamerikanische Barockmusik, die in den spanisch beherrschten Gebieten aufblühte (auch da sind wunderbare Entdeckungen zu machen) – wer die wohl damals aufführte? (Ich weiss es nicht, vermutlich gibt es auch bereits Forschung dazu, die ich aber nicht kenne … wie gesagt: ich lese, höre zu, versuche, das eine oder andere zu verarbeiten … und ich empfinde es so, dass allein das mir schon sehr viel gibt: Stoff zum Nachdenken, um eigene Gewissheiten zu hinterfragen usw. – und mich dünkt, dass dies möglicherweise das Gebot der Stunde ist, ich hoffe jedenfalls, dass wir nicht in 20 oder 30 Jahren auf die 10er und 20er zurück blicken als „die Epoche, in der sich das rechtspopulistische Modell allmählich durchsetzte“ – ich mag ein hoffnungsloser Romantiker sein in der Hinsicht, aber ich hoffe ich noch, dass Denken hilft).

    demon

    gypsy-tail-wind
    Interessant ist ja dabei, dass gerade die Szene der „alten Musik“ ganz enorm weiss ist …

    Ja… ???

    Willst du jetzt die „Aneignung“ einer zeitlich fernen Periode unserer Kultur vergleichen mit der Aneignung einer geografisch/ethnisch fernen Kultur? Im ersten Fall gibt’s eben nicht das Problem eines ehemaligen oder aktuellen Herrschaftsverhältnisses, und keine damit verbundenen moralischen Fragen – sondern „nur“ künstlerische. Die sind hier aber ein der Tat ein Minenfeld…

    Es geht doch nicht um die zeitliche Ferne – es geht darum, dass die klassische Musik schon im Barock und danach in der Klassik mit Mitteln der Ausbeutung entstanden ist – und ergo darauf in der Form, wie sie im heutigen Konzertleben noch am relevantesten ist, basiert. Und es wäre wichtig und richtig, das in der Aufführungstradition zu reflektieren.

    Lies z.B. mal den Wikipedia-Eintrag über den Chevalier de Saint-Georges und besonders die Begegnung mit Mozart:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Chevalier_de_Saint-Georges
    Wer wird da wohl wen beeinflusst haben? Und wie präsent ist Saint-Georges in der Konzertwelt? Klar geht es da nicht nur um „Auslöschung“ oder was weiss ich, es spielen ganz viele Faktoren rein … und

    Und: ja! Eben. Dabei ist doch die Klassikwelt an sich global. Musiker*innen aus China und Korea feiern riesige Erfolge, auch für Opernsänger*innen aus Südafrika oder Dirigent*innen aus Lateinamerika ist inzwischen in ein paar Nischen an den wichtigsten Häusern etwas Platz gemacht worden – aber der Blick auf die Materie hat sich dadurch bisher nur wenig verändert.

    Und in der Welt der alten Musik scheint das eben noch viel eklatanter zu sein. Dabei wird eben dort gerade die Musik gespielt, die der Sklaven-Investor Händel komponierte (fabelhafte Musik, keine Frage!).

    Aber gut, dieser Punkt ist sicher in der Welt der „klassischen Musik“ (also der europäischen klassischen Musik) von viel grösserer Bedeutung als in anderen Gebieten – diese Feld ist aber eines, das mich seit 10 Jahren sehr stark beschäftigt und ergo beschäftigt mich eben auch diese Debatte – ich gehe zwar immer wieder ins Konzert, habe aber (analog zur ganzen Cultural Appropriation-Sache) diverse Fragezeichen dabei: schon seit Anbeginn bzw. seit bevor ich überhaupt zum Konzertgänger wurde: Elitenkultur, viel zu hoch angesetzte Schwelle, aussterbender Nachwuchs ob dem schieren Unwillen, der aktuellen Geldsäcke-Generation, daran etwas zu ändern, zudem scheint mir nach wie vor, dass von den anwesenden Geldsäcken viele gar nicht begreifen, was da jeweils passiert (Eventitis, die dann aber – wenn’s Technoparaden oder Volksfeste betrifft – gerne denunziert wird … ist halt, einmal mehr, die elitenexklusive Eventitis, die ist halt nicht so schlimm), und jetzt halt eben auch noch das Wissen um die dunkleren Flecke in der Vorgeschichte.

    demon
    Kein Mensch kann sich für ALLES interessieren und von ALLEM eine Ahnung haben!

    Es wäre doch schön und ein guter Anfang, wenn das ALLE mal einsehen würden :yes:

    Da sind jetzt gefühlt nur die Hälfte der Gedanken drin, die ich gerne äussern möchte, aber mehr schaffe ich gerade echt nicht mehr … hoffe, ich konnte das eine oder andere etwas verdeutlichen.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    gypsy-tail-wind
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    latho(wobei ich bezweifele, dass die Übernahme schwarzer Musikstile durch Weiße und deren Produktion einem Plan oder nur bewussten Absichten folgte)

    Das muss ich noch sacken lassen … keine „bewussten Absichten“? Echt jetzt? Was denn sonst? Zufall? Unfall? Nachahmung aus reiner Verehrung? Erklär es mir!

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    #11199761  | PERMALINK

    latho
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    gypsy-tail-wind
    […]
    Wenn dann die schnellen Handwischbewegungen („Grossmaul“*) kommen, interessiert mich das eher nicht und vertreibt mich aus der Diskussion, weil eben: frustrierend (auch wenn vielleicht in der Sache nicht falsch, aber das kann man ja auch mal ausdiskutieren, weil eben: Unbehagen, keine Aktien im Spiel).
    […]

    Das bezog sich auf Twitter, also nicht spezifisch auf Jon Silpayamanant und beleibe nicht auf dich. Diente nur zur Illustration, dass ich auf Twitter als Argumentationsplattform nicht viel gebe (da sind mir zB Foren lieber). Silpayamanants Argumentation (sofern ich sie erkennen kann) bleibt mir trotzdem fremd und unklar.

    gypsy-tail-wind
    Das muss ich noch sacken lassen … keine „bewussten Absichten“? Echt jetzt? Was denn sonst? Zufall? Unfall? Nachahmung aus reiner Verehrung? Erklär es mir!

    Beispiel: Glaubst du, dass Elvis und seine Produzenten, zB Phillips da saßen und sich dachten, „hmm, welchen erfolgreichen Song eines schwarzen Künstlers nehmen wir denn jetzt, um ordentlich Kohle zu verdienen, in dem wir keine Tantiemen zahlen?“ Das funktionierte doch ganz anders, vor allem bei Phillips, der ja auch schwarze Künstler förderte. Zumal Elvis mit der „schwarz beeinflussten“ Musik durchaus seine Probleme hatte. Erst nach der Army galt er im weißen Amerika als stubenrein. „Unbewusster Klau“ ist eine Projektion Nachgeborener. Klar gab es das auch, dass man sich dachte, „billig, weil die Schwarzen bezahlen wir einfach nicht“, aber es ging ja um ganze Musikstile, die „geraubt“ wurden. Und das sehe ich nicht.
    Nochmal: Mir ist der Begriff CA zu allgemein, projeziert „rassische“ Verhaltensweisen (bei den Weißen) und ist sowieso schon benannt. Ein Modebegriff, wenn man so will, den zukünftige Generationen nicht mehr verwenden werden (auch wenn das Problem des Tantiemenbetrugs oder des Nichtwissens um musikalische Zusammenhänge weiterhin bestehen werden).

    (Diese „Zitierfunktion“ macht mich wahnsinnig)

    zuletzt geändert von latho

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #11199785  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,979

    go1
    Solange, bis es sich herumgesprochen hat, was jemand leistet. Von „Kunst = Können“ ist bei mir aber nicht die Rede – es kommt schon darauf an, was jemand anstellt mit seinen Skills. Ohne Skills und Verständnis geht es aber auch nicht. Es ist aber in jedem Genre etwas anderes, was man wissen und können muss, um gut zu sein (auch nichts völlig anderes; vier Akkorde reichen auch für Countrymusik).

    Es sind nur drei, dafür braucht man aber noch die Wahrheit.

    go1
    Wenn Du sagen möchtest „Jeder kann guten Blues spielen“ oder „Was guter Blues ist, liegt allein im Ohr des Hörers“, dann kommen wir nicht zusammen, aber das ist ein Thema für einen anderen Thread (ein schwieriges Thema). Wenn es um Kunst geht, ist vieles subjektiv und individuell, aber nicht alles. Da spielen Traditionen eine Rolle und ein Wissen, das die Musiker – und auch Musiker und Hörer – gemeinsam haben, in verschiedenen Graden.

    Genau, schwieriges Thema. Und wie willst du das anders als individuell lösen?

    Nochmal: Gray spricht (als historisches Beispiel) von „a viciously racist economic landscape that didn’t reward black cultural innovation with black economic success“. Die Frage „Wie hätte das denn anders gehen sollen?“ ist da kein überzeugender Einwand: Die Beschreibung eines Problems wird nicht dadurch widerlegt, dass derjenige, der es beschreibt, keine Lösung parat hat. Es hätte halt eine andere Gesellschaft und eine andere Musikindustrie gebraucht, die nach anderen Prinzipien funktionieren. „There has been a long history of people pushing black creators to the margins while making millions of dollars off their work. If the music business hadn’t been riddled with racism, and if the measure of financial success was “whether a person (of any race) had created something original and good” rather than “whether a white person could copy and repackage an unknown black song for a white audience more concerned with color than content,” there would be no injustice.“

    Naja, wenn mal die progressive Farbenlehre raus nimmt (Berry Gordy, Suge Knight) ist das dann ein sehr altes Problem: die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen – und die benötigt auch keine neuen Bezeichnungen.

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    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
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