Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism, PC & Cancel Culture

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  • #12283767  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,872

    latho
    Daraus aber zu konstruieren, linksidentitäres Denken wäre nicht existent und nur eine Erfindung des rechtsidentitären Denkens, ist genauso falsch.

    Zustimmung. (Auch @motoerwolf:) Das ist aber m. E. der Knackpunkt: Auch berechtigte Wokeness-Kritik (im Gegensatz zu genereller Kritik an identitärem Denken) macht sich gerade leider schnell zum Erfüllungsgehilfen der Rechts-Identitären – sei es nur, weil die Größenordnungen und die Gefahren beider Varianten völlig verzerrt werden. Das von @.irrlicht verlinkte Essay ist m.A. n. genau so ein Fall: Das ist keine (zumindest versucht) objektive Kritik an den Problemen von Wokeness, sondern klar konservativ/rechtsidentitär positioniert.

    motoerwolf
    In ähnlicher Form habe ich das x-fach erlebt. Es wird von Azubis sogar versucht, ausbildungsrelevante Themen auf diese Weise zu umgehen, z.B. zu Themen der Sexualität. Und das Thema Religion ist in der Ausbildung ein Eiertanz ohnegleichen geworden. Genau wie alles, was mit interkultureller Pflege zu tun hat. Nicht mal von Menschen, die sich als woke begreifen. Sondern von solchen, die den Mechanismus begriffen haben und nun nutzen. Denn da liegt @.irrlicht völlig richtig. Wokeism ist auch ein Machtmittel.

    Das sehe ich als Case in Point für mich: Nicht Wokeness ist hier das Problem oder das Machtmittel, sondern der identitäre Ansatz.

    Disclaimer: Ich bin mir durchaus der Problematik bewusst, hier möglicherweise in Whataboutism-Bereiche zu geraten.

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    #12283769  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,234

    nicht_vom_forum Diese „Analyse“ ist aber mindestens genauso anti-wissenschaftlich anti-woke, wie sie der Gegenpartei anti-wissenschaftliche Wokeness vorwirft. Es wird munter (und maximal wolkig) postuliert und behauptet, ohne dass eine Widerlegung möglich ist. Das erfüllt nichtmal die Ansprüche an „ordentliche Wissenschaft“ der Empirie bzw. des Positivismus, geschweige denn die seit Popper.

    Für mich sind das ein Stück weit zwei verschiedene Dinge. Dass Wissenschaft als solches ein „soziales Konstrukt“, wie alles andere auch, ist, ist klar und natürlich wirken sich gesellschaftliche Erkenntnisse und Entwicklungen auch auf wissenschaftliche Diskurse aus (schon finanziell). Ich denke gleichzeitig dennoch, dass eine Gesellschaft gar nicht existieren kann, wenn es keinen „Common ground“ gibt. Wenn jeder nach Empfinden definieren darf, was Totschlag, Hasskriminalität und Verleumdung ist, wäre das eine schlechte Entwicklung. Und diese Tendenz sehe ich in der Gruppe eben, ebenso die selektive Beachtung von Wissenschaft, die selektive Akzeptanz von Staat und Recht, Aspekte wie Selbstmedikation und mehr. Internet: Blessing and a curse.

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    #12283775  | PERMALINK

    bullschuetz

    Registriert seit: 16.12.2008

    Beiträge: 2,114

    krautathaus

    irrlicht Die Einlassungen von Voss sind gemäß dem, was ich seit einigen Jahren über Youtube, TikTok, Twitter etc. erlebe, bei vielen Aussagen nämlich durchaus akkurat. Diese Auswüchse existieren ja real.

    Naja, wenn man den Rückschluss der in Social Media aufgeblasenen Kommentare in das alltäglich Leben so eins zu eins übernehmen will? Und genau hier liegt doch der Fehler von Menschen wie Voss: man bauscht eine Wokedabatte auf, die im realen Leben so gar nicht existiert. […] Was hat das denn realistisch mit der Abbildung der Gesellschaft zu tun? Nichts. Und darum frag ich mich in welcher Welt diese Autorin denn lebt. In meiner nicht.

    Diesen Einwand von @krautathaus möchte auch ich unterstreichen.

    Ich frage mich wirklich, ob es irgendwo in Deutschland jenseits der virtuellen Welt die Situation gibt, dass Leute ihre sexuelle Identität wechseln wie die Unterwäsche und Diskurse nur noch wokeness-optimiert geführt werden dürfen.  Soweit ich das überblicken kann, ist das nicht mal in großstädtischen und universitären Szenen so, und die gesellschaftliche Realität in der Breite hat damit sowieso nichts zu tun.

    Was ich erlebe, wenn ich mich in eher klein- und mittelstädtisch geprägten Gegenden bewege, ist – um es mal woke auszudrücken – eine weiterhin völlig intakte Hegemonie des heteronormativen Paradigmas einschließlich förmlicher Eheschließung und Zeugung zweier Kinder, kombiniert mit freundlicher Indifferenz gegenüber den paar Schwulen/Lesben, die man (oft auch nur vom Hörensagen) so kennt, und völliger Ignoranz gegenüber all den anderen, komplizierteren Optionen,  die in LGBTIQ enthalten sind.

    Manche Debatten, die in ein paar kleinen Blasen wahnsinnig erhitzt diskutiert werden, sind für die riesengroße Mehrheit im Alltag überhaupt kein Ding, weil die intuitiv  mehrheitsfähige Antwort doch eh so schneckenfett auf der Hand liegt: „Im Prinzip gibt es zwei Geschlechter, aber ganz eindeutig ist das halt nicht immer.“

    Kurzum: Sowohl Wokeness-Verteufler als auch Wokeness-Propagandisten haben da miteinander einen Riesenballon aufgeblasen, den die meisten Leute bloß fern und klein am Himmel vorbeischweben sehen.

    --

    #12283777  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,872

    irrlicht[…] Dass Wissenschaft als solches ein „soziales Konstrukt“, […]
    http://forum.rollingstone.de/?p=12283769

    All dem würde ich zustimmen. Das ist aber weder Inhalt noch Tenor noch Stoßrichtung des Schwarz-Essays.

    Edit: Das ist auch nicht verwunderlich. „Florian Schwarz“ (Pseudonym) gehört anscheinend ins deutsche TERF-Umfeld: https://hpd.de/autor/florian-schwarz-20686

    --

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #12283943  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,959

    bullschuetz
    […]
    Manche Debatten, die in ein paar kleinen Blasen wahnsinnig erhitzt diskutiert werden, sind für die riesengroße Mehrheit im Alltag überhaupt kein Ding, weil die intuitiv mehrheitsfähige Antwort doch eh so schneckenfett auf der Hand liegt: „Im Prinzip gibt es zwei Geschlechter, aber ganz eindeutig ist das halt nicht immer.“
    Kurzum: Sowohl Wokeness-Verteufler als auch Wokeness-Propagandisten haben da miteinander einen Riesenballon aufgeblasen, den die meisten Leute bloß fern und klein am Himmel vorbeischweben sehen.

    Die große Mehrheit in Deutschland steht in der Mitte, ist ausgewogen, menschenfreundlich, leicht konservativ, dazu gibt es Umfragen in mehreren europäischen Ländern (für Deutschland kann man sich mal dies hier durchlesen, das ist sehr erhellend). Von daher sind diese identitären Gruppen jeweils rechts und links am Rand Anomalien. Was aber nicht heißt, dass sie keinen Einfluss haben können (vor allem, wenn die Positionen, vor allen von den Medien, in die Welt geblasen werden). Und irgendwie muss man sich als Bürger des Landes dazu stellen. Was schwierig ist, wenn es nicht unbedingt einfach ist, Informationen im Internet-Wald zu sammeln: „Grüne Umweltministerin schreibt diesmal Afrika etwas vor und wird mit 20.000 Elefanten bedroht!!!“. Auch so eine Schote, die in die Welt geblasen wurde, natürlich stimmt nichts daran. Also: Schwäche der Mitte, Schwäche der Demokratie, Geburtsschmerzen der ankommenden „Neuen Zeit“? Eher eine Krise der Medien, eher ein Problem der Medienkompetenz (auch bei den Medien selber). Was nicht heißt, dass man diese Ränder nicht ernst nehmen sollte (besonders den rechten).

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #12283945  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,959

    nicht_vom_forum</cite
    All dem würde ich zustimmen. Das ist aber weder Inhalt noch Tenor noch Stoßrichtung des Schwarz-Essays.
    Edit: Das ist auch nicht verwunderlich. „Florian Schwarz“ (Pseudonym) gehört anscheinend ins deutsche TERF-Umfeld: https://hpd.de/autor/florian-schwarz-20686

    Wegen dieses Artikels hier? Ich würde mich als durchaus transfreundlich bezeichnen und kann in dem Artikel nichts lesen, was transphob wäre. Es geht eher gegen den diese transhumanistische Entkörperung und deren Wiederhall in Gesetzen. Das ist für mich legitime Kritik.

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #12283963  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,872

    latho

    nicht_vom_forum
    Edit: Das ist auch nicht verwunderlich. „Florian Schwarz“ (Pseudonym) gehört anscheinend ins deutsche TERF-Umfeld: https://hpd.de/autor/florian-schwarz-20686

    Wegen dieses Artikels hier? Ich würde mich als durchaus transfreundlich bezeichnen und kann in dem Artikel nichts lesen, was transphob wäre. Es geht eher gegen den diese transhumanistische Entkörperung und deren Wiederhall in Gesetzen. Das ist für mich legitime Kritik.

    Natürlich ist das legitime Kritik – ich muss sie ja nicht teilen. ;-)
    „Transhumanistische Entkörperung“ ist das eine Extrem, „Biologismus“ das andere. Wenn es um (Grund-)Rechte geht, finde ich letzteres das größere Problem – jedenfalls zurzeit.

    Mir fehlt die Motivation, mich im Detail mit dem Artikel (und diesem: https://hpd.de/artikel/des-professors-nebelkerzen-21836) auseinanderzusetzen. Erstens, weil man dann schnell bei so unappetitlichen Themen wie britischer Innenpolitik ist, zweitens, weil eine Diskussion über Formulierungen, darüber, wo der Text nur scheinbar objektiv ist und darüber, wer was als Dogwhistle interpretiert, zu nichts führt. Trotzdem drei Beipiele:
    Zu J.K.Rowling schreibt er

    Sie hat auf Twitter abgelehnt, für biologische Frauen den Begriff „Menschen, die menstruieren“ zu akzeptieren, damit Transsexuelle sich ohne Einschränkung als Frau bezeichnen können.

    Das ist schlicht falsch. Es ging damals darum, dass auch manche Transmänner Zugang zu Hygieneprodukten brauchen, nicht darum, einen anderen Begriff für „Frau“ einzuführen (https://twitter.com/jk_rowling/status/1269382518362509313, https://www.devex.com/news/sponsored/opinion-creating-a-more-equal-post-covid-19-world-for-people-who-menstruate-97312). In dem Artikel steht sogar explizit: „An estimated 1.8 billion girls, women, and gender non-binary persons menstruate […]“. Das

    Doch wenn jede und jeder sich selbst als das eine oder andere definieren darf, aber niemand mehr klar sagen kann, was gemeint ist – dann haben wir ein Problem. Denn dann wird das „Geschlecht“ beliebig. Die Begriffe Frau und Mann verlieren ihre Bedeutung. Die Kategorien lösen sich letztlich auf.

    übertreibt m. A. n. massiv, welche Auswirkungen das neue Gesetz haben wird (Es geht schließlich primär um die Möglichkeit für eine kleine Minderheit, Ausweisdokumente einfacher zu ändern) und das

    Es wäre schön, wenn es die einfache Lösung gäbe, die das Gesetz vortäuscht, um die Diskriminierung von Transsexuellen zu beenden.

    verzerrt die Position der Befürworter und stellt sie, mindestens, als extrem naiv dar. Niemand hat behauptet, dass die neue Gesetzgebung „die Diskriminierung von Transsexuellen beendet“.

    zuletzt geändert von nicht_vom_forum

    --

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #12284649  | PERMALINK

    themagneticfield

    Registriert seit: 25.04.2003

    Beiträge: 33,922

    Ich glaube unser aller Argumentation der realen Welt,  beruht zu sehr auf den eigenen mehr oder weniger eingeschränkten Kosmos. Ich merke bei meinen Kindern tatsächlich wie sehr diese Themen eine Rolle spielen und immer mehr ins alltägliche Leben einziehen. Da wird aus der Band- Kollegin Emilia plötzlich Andrew, die Schwester eines Freundes ist erst mal zwei Jahre ein Junge und dann doch wieder ein Mädchen, die Messdiener-Kollegin ist noch in der Findungsphase usw. Das alles ist nicht die Regel, aber bei weitem auch nicht mehr die Ausnahme. Und das wohlgemerkt nicht in einer Universitätsstadt, sondern im 1200 Einwohner Kaff. Deshalb glaube ich nicht, dass man diese strikte Trennung Online Phänomen versus Real Life auf Dauer so aufrecht erhalten kann. Meine Welt/mein Umfeld ist das auch nicht (aber ich bin ja auch ein alter weißer Mann), aber ich glaube in der aufwachsenden Generation wird es eine immer größere Rolle spielen.

    --

    "Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!
    #12284941  | PERMALINK

    jackofh

    Registriert seit: 27.06.2011

    Beiträge: 3,575

    irrlicht
    Meine Position dazu hat Liu hier sehr gut beschrieben, ich glaube, es geht sehr viel mehr um grundsätzliche Gruppendynamiken, Anpassungen und Selbstbeschneidungen, die es formal in jeder Peer gibt. Übrigens aber auch hier eher ein Beweis, dass die Konzepte und Thesen sehr wohl breit, auch in der taz, diskutiert werden.

    Danke für die erhellenden Beiträge hier. Beim Nachlesen der Diskussion der letzten Tage ist mir auch das Interview von Liu positiv aufgefallen, besonders ihre Aussagen zur PMC (schönster Satz: „Es gibt keine liberale Sprache der Solidarität“). Aber, aber einen fetten Minuspunkt muss ich auch verteilen: Siegfried Kracauer war kein Würstchen, liebe taz!

    --

    #12284987  | PERMALINK

    bullschuetz

    Registriert seit: 16.12.2008

    Beiträge: 2,114

    irrlicht Meine Position dazu hat Liu hier sehr gut beschrieben

    Das gefällt mir auch!

    --

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