Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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  • #11865433  | PERMALINK

    ewaldsghost

    Registriert seit: 19.07.2016

    Beiträge: 1,593

    nicht_vom_forumIch erwarte nicht, dass dieser Film realistischer sein soll. Ich erwarte, dass man im Jahr 2022 keinen Kinderfilm mitten in den Indianerkriegen spielen lässt, und vielleicht, dass man „Winnetou“ einfach als nicht-aktualisierbar in der Schublade lässt.

    Sowas zu erwarten ist ja dein gutes Recht. Ich würde sowas dagegen nicht erwarten, sondern finde es prinzipiell okay, wenn ein Kinderfilm in einem Abenteuersetting mit Karl May-Indianerfolklore stattfindet. Ja, auch 2022. Dass niemand ernsthaft glaubt (auch Kinder nicht) dass sowas etwas mit der Realität zu tun hätte, ist ja hier wohl Konsens.

    Was ich an der ganzen Sache allerdings mal wieder etwas spooky finde, ist die Eilfertigkeit mit der der Verlag das Buch zurückzieht, mit dem Hinweis man bedauere es Gefühle verletzt zu haben. Warum haben die Verantwortlichen nicht die Eier hinter ihrer Entscheidung das Buch herauszubringen zu stehen? Warum sagen sie nicht, sorry aber wir wollten das Buch/den Film genau so, und wessen Gefühle auch immer davon verletzt werden die/der muss einfach damit klarkommen? Was für Leute sind das eigentlich, deren Gefühle immer wieder verletzt werden?

    Und da sind wir auch bei dem Punkt „Verbot“: Nein, natürlich fordert niemand ein Verbot. Aber durch den medialen Druck, durch reale oder inszenierte shit storms gibt es eben auch keine völlig freie Entscheidung, bzw die Verantwortlichen müssen ganz schön was aushalten um zu ihrer Entscheidung zu stehen.

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    #11865453  | PERMALINK

    wahr

    Registriert seit: 18.04.2004

    Beiträge: 15,224

    lathoIch habe den Film nicht gesehen, ich werde den nicht sehen und habe auch kein Kind an der Hand, das mich dazu zwingen könnte. Ich erwarte von dem Film nichts (man kläre mich auf, wenn der wieder Erwarten ein Meisterwerk sein sollte), ich erwarte überhaupt nichts von Produkten auf denen Winnetou steht, nicht auf Filmen, nicht auf TV-Serien (gibt’s so etwas?), nicht auf Büchern dazu etc, ja, noch nicht mal auf May selber, den ich heute nicht mehr lesen würde. Aber seid ihr wirklich der Meinung, dass die Kritik an den Büchern bzw am Film (meinetwegen dem Trailer) sich nur auf den Film bezieht? Dass „redfacing“ und Verschleierung von „Völkermord“ etc nur für den Film gilt. Dass sich die Kritiker zurückziehen, wenn man sie nach May fragt, „Nee, der ist ok“?

    Du beantwortest dir deine Fragen eigentlich schon selbst: Die Kritikpunkte, die den Franchise betreffen, könnten so sicher zu großen Teilen auch auf Mays Werk selber zutreffen. Eine gewisse Banalität und Holzschnittartigkeit ist ja auch bei seinen Büchern wohl unbestritten. Da ich glaube, dass May ein kluges Köpfchen war, der genau detektierte, was seine Leserschaft vor 100 Jahren hören wollte, glaube ich ebenso, dass er heute seine Bücher so wohl nicht mehr geschrieben hätte. Spekulation natürlich. In der aktuellen Diskussion kommt einiges zusammen, was dann eben die große Beachtung erklärt: Die Vorwürfe in den Social Media; Aufmerksamkeit durch Buch und gleichzeitig Film; der große Widerstand einiger Juroren der Deutschen Film- und Medienbewertung, diesen Kinderquatsch-Aufguss als „Besonders wertvoll“ einzustufen; der Konservatismus der Bayerischen Filmförderung, die banale Geschichte mit der Höchstsumme von 950.000 Euro zu unterstützen. Und natürlich die aktuelle Diskussion um Respekt gegenüber Indigenen, die seit langem die Schnauze voll haben, dass ihre Kulturen und Errungenschaften immer wieder grotesk verstümmelt als Ware in die marktwirtschaftlichen Verwertungen einfließen und ihnen somit entrissen werden. Und zu dieser grotesken Verstümmelung einer existenten Kultur gehört eben auch die Verzerrung durch Mays Märchenfantasie, die sich ja ganz klar auf eine reale Kultur bezieht. Auslöser waren aber die aktuellen Produkte, nicht die Originalbücher. Wie du würde auch ich diese Bücher heute nicht mehr lesen. Und Kindern kann man sicher auch Geschichten über Freundschaft erzählen, ohne ganze Kulturen zu schreddern.

    #11865467  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 6,438

    ewaldsghost

    nicht_vom_forumIch erwarte nicht, dass dieser Film realistischer sein soll. Ich erwarte, dass man im Jahr 2022 keinen Kinderfilm mitten in den Indianerkriegen spielen lässt, und vielleicht, dass man „Winnetou“ einfach als nicht-aktualisierbar in der Schublade lässt.

    Sowas zu erwarten ist ja dein gutes Recht. Ich würde sowas dagegen nicht erwarten, sondern finde es prinzipiell okay, wenn ein Kinderfilm in einem Abenteuersetting mit Karl May-Indianerfolklore stattfindet.

    Als ganz allgemeine Medienkritik frage ich mich allerdings in diesem Fall „Warum?“ und komme bei diesem Projekt nur auf durchsichtigste kommerzielle Gründe. Der Stoff hat ja bis auf die Namen nichts mit Karl May zu tun. Schon einen Kinderfilm, in dem, nur als Gedankenspiel, Winnetous 12jähriger Neffe beim Plot des Ölprinzen mitmischt, fände ich wesentlich weniger ärgerlich. So wie es ist, richtet sich das ganze aber doch primär an die nostalgischen Gefühle der (Groß-)Eltern. Mir wäre jedenfalls nicht aufgefallen, dass „Wilder Westen“ bei Kindern gerade ein Thema ist.
    Da sind wir dann wieder bei Industrieschmodder.

    Ja, auch 2022. Dass niemand ernsthaft glaubt (auch Kinder nicht) dass sowas etwas mit der Realität zu tun hätte, ist ja hier wohl Konsens.

    Da bin ich mir halt nicht so sicher. Ich kenne diverse zeitgenössische Reise-/Erlebnisberichte aus Nordameria und Afrika aus dem 19. Jahrhundert und die sind hinsichtlich der Beschreibungen von Land und Leuten nicht weit von Karl May weg. Was nicht verwundert, waren diese Bücher doch Quellen aus denen sich May freigiebig bedient hat. Ich würde Mays Beschreibung deshalb tatsächlich nicht als „unrealistisch“ bewerten, sondern als massiv verzerrt.

    Was ich an der ganzen Sache allerdings mal wieder etwas spooky finde, ist die Eilfertigkeit mit der der Verlag das Buch zurückzieht, mit dem Hinweis man bedauere es Gefühle verletzt zu haben. Warum haben die Verantwortlichen nicht die Eier hinter ihrer Entscheidung das Buch herauszubringen zu stehen? Warum sagen sie nicht, sorry aber wir wollten das Buch/den Film genau so, und wessen Gefühle auch immer davon verletzt werden die/der muss einfach damit klarkommen? Was für Leute sind das eigentlich, deren Gefühle immer wieder verletzt werden?

    Ja, Zustimmung. Diese ganze Rhetorik von „verletzten Gefühlen“ gefällt mir auch überhaupt nicht – nicht nur in diesem Fall. Das ist ein US-Import, der niemanden voranbringt und notwendige gesellschaftliche Diskussionen ins subjektive verlagert.

    Und da sind wir auch bei dem Punkt „Verbot“: Nein, natürlich fordert niemand ein Verbot. Aber durch den medialen Druck, durch reale oder inszenierte shit storms gibt es eben auch keine völlig freie Entscheidung, bzw die Verantwortlichen müssen ganz schön was aushalten um zu ihrer Entscheidung zu stehen.

    Ja. Zustimmung. Ich finde die Reaktion des Verlags übrigens auch falsch. Man hätte m. E. das ganze Projekt besser gelassen, aber wenn es jetzt nun leider umgesetzt wurde, hätte Ravensburger die Bücher auch verlegen sollen.

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    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #11865469  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Wir werden uns ja zwar nicht in allen Punkten einigen können, aber immerhin scheint die Aufnahme des Begriffs Industrieschmodder in den Forumswortschatz einstimmig beschlossen. Mehrheitsfähig könnte auch die folgende Rezension sein, zumal sie weder bei einem Wokeness-Fachorgan noch bei einem Wokeness-Kritik-Blog erschienen ist, sondern bei …

    TV Spielfilm!

    https://www.google.com/amp/s/amp.tvspielfilm.de/news/filme/der-junge-haeuptling-winnetou-kinderfilm-zieht-karl-may-ins-laecherliche,11004157,ApplicationArticle.html

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    #11865477  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,233

    Der Link ist selbstreferentiell.;)

    https://www.tvspielfilm.de/news/filme/der-junge-haeuptling-winnetou-kinderfilm-zieht-karl-may-ins-laecherliche,11004157,ApplicationArticle.html

    Interessanter Aspekt, der bislang gar nicht vorkam:

    „Eine Sache muss zum Schluss noch erwähnt werden: Die Darstellung des Widersachers Todd Crow ist eine Frechheit. Schauspieler Anatole Taubman macht einen akzeptablen Job, der Vorwurf richtet sich an das Drehbuch. Crow wird als Anführer dargestellt, der sich modebewusst ganz in Schwarz kleidet, Kajal aufträgt und eindeutig eine Queer-Person sein soll. Doch der Film macht sich fortwährend über ihn lustig: Seine Handlanger nennen ihn gar „Tante Crow“, sobald er außer Hörweite ist. Seine Queerness ist sogar Ursache für sein Schurkentum. Suggeriert wird hier: Männer mit vermeintlich „femininen“ Zügen sind Witzfiguren, denen man zudem nicht trauen kann, vor denen man sich in Acht nehmen muss.

    Das ist selbst im Vergleich zu Karl May nur noch rückschrittlich. Der hatte in seinen Romanen einen Charakter etabliert namens Sebastian Melchior Pampel, genannt „Tante Droll“. May beschreibt diese Figur als dicklichen Wildwestler mit hoher Fistelstimme, der sich eigentümliche Frauenkleider anzieht – einfach, weil sie ihm gefallen. Zwar mögen sich andere Figuren über ihn amüsieren, zugleich ist er aber auch ein exzellenter Schütze und eine der mutigsten Personen im Winnetou-Kosmos. May war in dieser Hinsicht eben schon ein paar Schritte weiter.“

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    #11865485  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 6,438

    bullschuetzWir werden uns ja zwar nicht in allen Punkten einigen können, aber immerhin scheint die Aufnahme des Begriffs Industrieschmodder in den Forumswortschatz einstimmig beschlossen. Mehrheitsfähig könnte auch die folgende Rezension sein, zumal sie weder bei einem Wokeness-Fachorgan noch bei einem Wokeness-Kritik-Blog erschienen ist, sondern bei …
    TV Spielfilm!
    https://www.google.com/amp/s/amp.tvspielfilm.de/news/filme/der-junge-haeuptling-winnetou-kinderfilm-zieht-karl-may-ins-laecherliche,11004157,ApplicationArticle.html

    Dein Link bleibt bei mir im Adblocker hängen. Hier ohne google:
    https://m.tvspielfilm.de/news/filme/der-junge-haeuptling-winnetou-kinderfilm-zieht-karl-may-ins-laecherliche,11004157,ApplicationArticle.html

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    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #11865519  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 6,438

    Mal als Frage in die Runde: Wie kommt es eigentlich, dass zumindest nach meiner Wahrnehmung, die ausuferndsten Diskussionen zum Thema „Kunst und Wokeness“ sich immer um derartig schlechte oder zumindest belanglose Produkte drehen? Wir diskutieren jetzt schon wieder seitenlang über einen Film, bei dem der größte Konsens der Beteiligten ist, dass er nicht gut ist.

    Gibt es nicht wenigstens hin und wieder mal einen Fall, an dem man wirklich mal über das Spannungsfeld zwischen künstlerischer Qualität und wokem Zeitgeist diskutieren könnte? Es muss doch irgendwo auch noch, ich sag mal „Konservative“ geben, die was interessantes zu sagen haben.

    --

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #11865539  | PERMALINK

    pheebee
    den ganzen Tag unter Wasser und Spaß dabei

    Registriert seit: 20.09.2011

    Beiträge: 35,359

    nicht_vom_forumMal als Frage in die Runde: Wie kommt es eigentlich, dass zumindest nach meiner Wahrnehmung, die ausuferndsten Diskussionen zum Thema „Kunst und Wokeness“ sich immer um derartig schlechte oder zumindest belanglose Produkte drehen? Wir diskutieren jetzt schon wieder seitenlang über einen Film, bei dem der größte Konsens der Beteiligten ist, dass er nicht gut ist.

    Ich lese das jetzt auch tagelang mit und -offen gesagt- lag mir diese Frage schon die ganze Zeit quer.
    Ein bedeutungsloser Kinderfilm, zudem noch ein dem Vernehmen nach sehr schlechter, wird ohne Ende aufgebauscht und ich sehe da auch nicht wirklich einen Fortschritt.

    --

    Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better. Samuel Beckett - 'Cos music is for listening and not to stored away in a bloody cupboard.
    #11865551  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    @nicht_vom_forum

    Darüber muss ich nachdenken.

    Spontan fällt mir nur die Kunstdebatte zu Dana Schutz und ihrer Verarbeitung der Emmett-Till-Fotografien ein (war am Anfang dieses Threads ein Thema). Dieser Streit gibt aus meiner Sicht eher Anlass, die identitätspolitischen Überdrehungen der sogenannten Wokeness-Bewegung zu kritisieren. Aber das war bei uns nur eine Debatte in einer ganz kleinen Nische. Und dort, sollte man denken, gehört eine so elaborierte Debatte um angemessene künstlerische Strategien bei der Darstellung historischer Leid- und Verbrechen-Abgründe auch hin.

    Aufgeregt wird es tatsächlich zuverlässig dann, wenn es um Sachen wie Layla oder Winnetou geht. Da kann dann eben jede/r mitreden, und der Streit lässt sich auch griffig zusammenfassen: „Jetzt darf man nicht mal mehr saufen und grölen!“ Bzw: „Jetzt nehmen die uns auch noch unseren Kindheitshelden weg!“

    --

    #11865553  | PERMALINK

    bullitt

    Registriert seit: 06.01.2003

    Beiträge: 20,757

    nicht_vom_forum
    Wer hat denn dann die „Deutungshoheit“? Den Betroffenen sprichst Du sie gerade ab und dass sich Nicht-Betroffene eine kritische Meinung zu irgendwas erlauben, führt ja schon den gesamten Thread zu entrüsteten Reaktionen wegen zu viel „Wokeness“. Dafür, dass die Wokeness-Kritik so viel Wert auf Meinungsfreiheit legt, ist das ein reichlich schmaler Korridor.

    Warum? Weil ich jemandem die Deutungshoheit verweigere, spreche ihm ja nicht seine Meinung ab. Nur möchte ich natürlich schon auch meinen Senf dazu geben, wenn jemand meint, popkulturelle Erzeugnisse vom Markt brüllen zu müssen, ohne sich damit auseinanderzusetzen. Wie gesagt, Winnetou  hat in Deutschland eine 130 Jahre alte Rezeptionsgeschichte, in der auch der aktuelle Film zu sehen ist. Und das ist völlig legitim. Ein positives Zerrbild wäre allemal eine bessere und hier vielleicht einmalige Voraussetzung gewesen, als als ein negatives, um bei dem Thema in einen Dialog zu treten. Stattdessen ereifert man sich mit dem standardisierten Furor über ein gefundenes Fressen und erweist dem eigentlichen Anliegen einen Bärendienst.

    Und nochmal im Gebetsmühlen-Modus: Es geht bei der ganzen Diskussion nicht um Karl May und seine Bücher! Es geht um einen Film aus diesem Jahr.

    Nein. Vielleicht solltest du dich mit deinen Links zunächst selbst beschäftigen. In dem Interview, auf das ich mich bezog und was von  dir gepostet wurde, geht es sehr wohl ganz generell um Winnetou, und die Frage, unter welchen Umständen der Stoff denn heute noch aufführbar wäre. Antwort: „Gar nicht.“ Und das ist ja keine Einzelmeinung aus diesem Interview. Du willst ihn ja auch „in der Schublade lassen“.

    bullschuetz @bullitt Ich habe mir jetzt das Interview mit Tyrone White angehört und finde Deine Kritik daran, gelinde gesagt, maßlos. … Eines dieser Argumente lautet, in meinen eigenen Worten wiedergegeben: „Uns selber war es in den USA bis zum American Indian Religious Freedom Act von 1978 tatsächlich verboten, unsere kulturellen Traditionen zu leben, wir wurden mit unserer spirituellen Kultur wirklich gecancelt – und ihr veräppelt unsere Traditionen mit Eurem Winnetou-Mumpitz und regt Euch dann auch noch drüber auf, wenn uns das nicht passt!“

    Kontextualisierung und Medienkompetenz mögen ja in solchen Diskussionen als störend wahrgenommen werden, aber ich frage mich schon, wie viel man ausblenden kann, ums sich so ein Narrativ zurechtzubiegen. Dieser Totschlagargumentation folgend, verbietet sich ja jegliche künstlerische Auseinandersetzung mi dem Thema, die je von „Weißen“ zu Unterhaltungszwecken gemacht wurde. Gerade Winnetou hat in seiner Zeit mit seinen Mitteln über Jahrzehnte mit gigantischem Erfolg dafür gesorgt, hierzulande auf das Unrecht, das nordamerikanischen Ureinwohnern zugestoßen ist, aufmerksam zu machen. Das war nie Spott, sondern Glorifizierung in Reinformat. Wozu diesen Aspekt völlig ausblenden, anstatt darauf aufzubauen? Wozu auf Teufel komm raus die US-amerikanischen ethnischen Konflikte hier etablieren und zum Maßstab machen, wo man doch eigentlich eine viele bessere Ausgangsposition hat?

    Dass der Typ angepisst ist, finde ich supernachvollziehbar.

    Meine persönliche Erfahrung bei zahlreichen Touren mit Navajo-Guides in Arizona und Utah ist, dass sie den ausgeprägten Indianer-Spleen der Deutschen durch Winnetou erstaunlich gut kennen, damit natürlich gut Geld verdienen, sich aber auch auch ehrlich über die Wertschätzung und das Interesse freuen. Dass sich Deutsche auffallend oft für das Apachen-Setting interessieren, während andere Touristen nur ihren Foto-Spot abklappern wollen, wird da durchaus immer wieder positiv registriert und eigenständig ins Spiel gebracht. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, da selbst von Winnetou anzufangen. Nie war bisher jemand auch nur im Ansatz angepisst.

    Ich finde, es hilft echt nicht weiter, jeden, der einen in der eigenen „Ich darf alles“-Selbstgefälligkeit zu erschüttern wagt, als Opfer-Olympioniken zu schmähen.

    Finde ich auch nicht. Es ist aber White selbst, der am Ende den vergleich zu „Orientalen“ zieht, und im übertragenen Sinne bitteschön genauso schlecht behandelt werden möchte wie die.

    --

    #11865573  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    bullitt Meine persönliche Erfahrung bei zahlreichen Touren mit Navajo-Guides in Arizona und Utah ist, dass sie den ausgeprägten Indianer-Spleen der Deutschen durch Winnetou erstaunlich gut kennen, damit natürlich gut Geld verdienen, sich aber auch auch ehrlich über die Wertschätzung und das Interesse freuen. Dass sich Deutsche auffallend oft für das Apachen-Setting interessieren, während andere Touristen nur ihren Foto-Spot abklappern wollen, wird da durchaus immer wieder positiv registriert und eigenständig ins Spiel gebracht. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, da selbst von Winnetou anzufangen. Nie war bisher jemand auch nur im Ansatz angepisst.

    Danke, das ist eine interessante Beobachtung! Ich bin ja selber auch über Karl May zu Dee Brown gekommen. Das im Interview mit Tyrone White zu vertiefen, wäre spannend.

    --

    #11865577  | PERMALINK

    bullitt

    Registriert seit: 06.01.2003

    Beiträge: 20,757

    bullschuetz
    Danke, das ist eine interessante Beobachtung! Ich bin ja selber auch über Karl May zu Dee Brown gekommen. Das im Interview mit Tyrone White zu vertiefen, wäre spannend.

    Vielleicht sollten wir diesem  Tyrone White auch einfach nicht zu viel Raum geben. Er ist weder eine Instanz noch ein Sprachrohr für irgendwen, und das ist auch gut so.

    --

    #11865609  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 6,438

    bullittWarum? Weil ich jemandem die Deutungshoheit verweigere, spreche ihm ja nicht seine Meinung ab. Nur möchte ich natürlich schon auch meinen Senf dazu geben, wenn jemand meint, popkulturelle Erzeugnisse vom Markt brüllen zu müssen, ohne sich damit auseinanderzusetzen.

    Den Begriff „Deutungshoheit“ hast Du doch ins Spiel gebracht. Für mich war das eine ganz normale Meinungsäußerung. Und ob „popkulturelle Erzeugnisse vom Markt brüllen“ die richtige Beschreibung für ein Deutschlandfunk-Interview am frühen Donnerstagnachmittag ist, würde ich auch mal offen lassen.

    --

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    #11865631  | PERMALINK

    clau
    Coffee Bar Cat

    Registriert seit: 18.03.2005

    Beiträge: 92,237

    nicht_vom_forum
    Gibt es nicht wenigstens hin und wieder mal einen Fall, an dem man wirklich mal über das Spannungsfeld zwischen künstlerischer Qualität und wokem Zeitgeist diskutieren könnte? Es muss doch irgendwo auch noch, ich sag mal „Konservative“ geben, die was interessantes zu sagen haben.

    Tja, gute Frage. Wäre möglicherweise der Kommentar in der Frankfurter Rundschau zu „Brown Sugar“ eine Diskussionsgrundlage?

    Klick!

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    How does it feel to be one of the beautiful people?
    #11865637  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Stimmt, ein interessanter Fall. Aber ich bin fürs Erste zu erschöpft, um gleich wieder fahrlässig in die nächste Debatte zu stolpern. 😉 Ich werde mitlesen.

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