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nicht_vom_forum
Wer hat denn dann die „Deutungshoheit“? Den Betroffenen sprichst Du sie gerade ab und dass sich Nicht-Betroffene eine kritische Meinung zu irgendwas erlauben, führt ja schon den gesamten Thread zu entrüsteten Reaktionen wegen zu viel „Wokeness“. Dafür, dass die Wokeness-Kritik so viel Wert auf Meinungsfreiheit legt, ist das ein reichlich schmaler Korridor.
Warum? Weil ich jemandem die Deutungshoheit verweigere, spreche ihm ja nicht seine Meinung ab. Nur möchte ich natürlich schon auch meinen Senf dazu geben, wenn jemand meint, popkulturelle Erzeugnisse vom Markt brüllen zu müssen, ohne sich damit auseinanderzusetzen. Wie gesagt, Winnetou hat in Deutschland eine 130 Jahre alte Rezeptionsgeschichte, in der auch der aktuelle Film zu sehen ist. Und das ist völlig legitim. Ein positives Zerrbild wäre allemal eine bessere und hier vielleicht einmalige Voraussetzung gewesen, als als ein negatives, um bei dem Thema in einen Dialog zu treten. Stattdessen ereifert man sich mit dem standardisierten Furor über ein gefundenes Fressen und erweist dem eigentlichen Anliegen einen Bärendienst.
Und nochmal im Gebetsmühlen-Modus: Es geht bei der ganzen Diskussion nicht um Karl May und seine Bücher! Es geht um einen Film aus diesem Jahr.
Nein. Vielleicht solltest du dich mit deinen Links zunächst selbst beschäftigen. In dem Interview, auf das ich mich bezog und was von dir gepostet wurde, geht es sehr wohl ganz generell um Winnetou, und die Frage, unter welchen Umständen der Stoff denn heute noch aufführbar wäre. Antwort: „Gar nicht.“ Und das ist ja keine Einzelmeinung aus diesem Interview. Du willst ihn ja auch „in der Schublade lassen“.
bullschuetz @bullitt Ich habe mir jetzt das Interview mit Tyrone White angehört und finde Deine Kritik daran, gelinde gesagt, maßlos. … Eines dieser Argumente lautet, in meinen eigenen Worten wiedergegeben: „Uns selber war es in den USA bis zum American Indian Religious Freedom Act von 1978 tatsächlich verboten, unsere kulturellen Traditionen zu leben, wir wurden mit unserer spirituellen Kultur wirklich gecancelt – und ihr veräppelt unsere Traditionen mit Eurem Winnetou-Mumpitz und regt Euch dann auch noch drüber auf, wenn uns das nicht passt!“
Kontextualisierung und Medienkompetenz mögen ja in solchen Diskussionen als störend wahrgenommen werden, aber ich frage mich schon, wie viel man ausblenden kann, ums sich so ein Narrativ zurechtzubiegen. Dieser Totschlagargumentation folgend, verbietet sich ja jegliche künstlerische Auseinandersetzung mi dem Thema, die je von „Weißen“ zu Unterhaltungszwecken gemacht wurde. Gerade Winnetou hat in seiner Zeit mit seinen Mitteln über Jahrzehnte mit gigantischem Erfolg dafür gesorgt, hierzulande auf das Unrecht, das nordamerikanischen Ureinwohnern zugestoßen ist, aufmerksam zu machen. Das war nie Spott, sondern Glorifizierung in Reinformat. Wozu diesen Aspekt völlig ausblenden, anstatt darauf aufzubauen? Wozu auf Teufel komm raus die US-amerikanischen ethnischen Konflikte hier etablieren und zum Maßstab machen, wo man doch eigentlich eine viele bessere Ausgangsposition hat?
Dass der Typ angepisst ist, finde ich supernachvollziehbar.
Meine persönliche Erfahrung bei zahlreichen Touren mit Navajo-Guides in Arizona und Utah ist, dass sie den ausgeprägten Indianer-Spleen der Deutschen durch Winnetou erstaunlich gut kennen, damit natürlich gut Geld verdienen, sich aber auch auch ehrlich über die Wertschätzung und das Interesse freuen. Dass sich Deutsche auffallend oft für das Apachen-Setting interessieren, während andere Touristen nur ihren Foto-Spot abklappern wollen, wird da durchaus immer wieder positiv registriert und eigenständig ins Spiel gebracht. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, da selbst von Winnetou anzufangen. Nie war bisher jemand auch nur im Ansatz angepisst.
Ich finde, es hilft echt nicht weiter, jeden, der einen in der eigenen „Ich darf alles“-Selbstgefälligkeit zu erschüttern wagt, als Opfer-Olympioniken zu schmähen.
Finde ich auch nicht. Es ist aber White selbst, der am Ende den vergleich zu „Orientalen“ zieht, und im übertragenen Sinne bitteschön genauso schlecht behandelt werden möchte wie die.
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