Antwort auf: Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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nicht_vom_forum

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ewaldsghost

nicht_vom_forumIch erwarte nicht, dass dieser Film realistischer sein soll. Ich erwarte, dass man im Jahr 2022 keinen Kinderfilm mitten in den Indianerkriegen spielen lässt, und vielleicht, dass man „Winnetou“ einfach als nicht-aktualisierbar in der Schublade lässt.

Sowas zu erwarten ist ja dein gutes Recht. Ich würde sowas dagegen nicht erwarten, sondern finde es prinzipiell okay, wenn ein Kinderfilm in einem Abenteuersetting mit Karl May-Indianerfolklore stattfindet.

Als ganz allgemeine Medienkritik frage ich mich allerdings in diesem Fall „Warum?“ und komme bei diesem Projekt nur auf durchsichtigste kommerzielle Gründe. Der Stoff hat ja bis auf die Namen nichts mit Karl May zu tun. Schon einen Kinderfilm, in dem, nur als Gedankenspiel, Winnetous 12jähriger Neffe beim Plot des Ölprinzen mitmischt, fände ich wesentlich weniger ärgerlich. So wie es ist, richtet sich das ganze aber doch primär an die nostalgischen Gefühle der (Groß-)Eltern. Mir wäre jedenfalls nicht aufgefallen, dass „Wilder Westen“ bei Kindern gerade ein Thema ist.
Da sind wir dann wieder bei Industrieschmodder.

Ja, auch 2022. Dass niemand ernsthaft glaubt (auch Kinder nicht) dass sowas etwas mit der Realität zu tun hätte, ist ja hier wohl Konsens.

Da bin ich mir halt nicht so sicher. Ich kenne diverse zeitgenössische Reise-/Erlebnisberichte aus Nordameria und Afrika aus dem 19. Jahrhundert und die sind hinsichtlich der Beschreibungen von Land und Leuten nicht weit von Karl May weg. Was nicht verwundert, waren diese Bücher doch Quellen aus denen sich May freigiebig bedient hat. Ich würde Mays Beschreibung deshalb tatsächlich nicht als „unrealistisch“ bewerten, sondern als massiv verzerrt.

Was ich an der ganzen Sache allerdings mal wieder etwas spooky finde, ist die Eilfertigkeit mit der der Verlag das Buch zurückzieht, mit dem Hinweis man bedauere es Gefühle verletzt zu haben. Warum haben die Verantwortlichen nicht die Eier hinter ihrer Entscheidung das Buch herauszubringen zu stehen? Warum sagen sie nicht, sorry aber wir wollten das Buch/den Film genau so, und wessen Gefühle auch immer davon verletzt werden die/der muss einfach damit klarkommen? Was für Leute sind das eigentlich, deren Gefühle immer wieder verletzt werden?

Ja, Zustimmung. Diese ganze Rhetorik von „verletzten Gefühlen“ gefällt mir auch überhaupt nicht – nicht nur in diesem Fall. Das ist ein US-Import, der niemanden voranbringt und notwendige gesellschaftliche Diskussionen ins subjektive verlagert.

Und da sind wir auch bei dem Punkt „Verbot“: Nein, natürlich fordert niemand ein Verbot. Aber durch den medialen Druck, durch reale oder inszenierte shit storms gibt es eben auch keine völlig freie Entscheidung, bzw die Verantwortlichen müssen ganz schön was aushalten um zu ihrer Entscheidung zu stehen.

Ja. Zustimmung. Ich finde die Reaktion des Verlags übrigens auch falsch. Man hätte m. E. das ganze Projekt besser gelassen, aber wenn es jetzt nun leider umgesetzt wurde, hätte Ravensburger die Bücher auch verlegen sollen.

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Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick