Konzertimpressionen und -rezensionen

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    gypsy-tail-wind
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    Zürich, Opernhaus – 04.02.2020

    Iphigénie en Tauride
    Tragédie en quatre actes von Christoph Willibald Gluck (1714-1787)
    Libretto von Nicolas-François Guillard
    nach der gleichnamigen Tragödie von Claude Guimond de La Touche

    Musikalische Leitung Gianluca Capuano
    Inszenierung Andreas Homoki
    Ausstattung Michael Levine
    Lichtgestaltung Franck Evin
    Choreinstudierung Janko Kastelic
    Dramaturgie Beate Breidenbach

    Iphigénie Cecilia Bartoli
    Oreste, Iphigénies Bruder Stéphane Degout
    Pylade, Orestes Freund Frédéric Antoun
    Thoas, König von Tauris Jean-François Lapointe
    Diane Birgitte Christensen
    Femme Grecque Katia Ledoux
    Die junge Iphigénie Sophie Kapun
    Der junge Oreste Immanuel Otelli

    Orchestra La Scintilla
    Chor der Oper Zürich
    Statistenverein am Opernhaus Zürich

    Grossartige Aufführung gestern an der Oper! Mit Glucks Werk bin ich noch kauf vertraut, aber die Karte hatte ich – wegen Bartoli – schon im Frühling gekauft, als der Vorverkauf anlief. Première war am Sonntag, die Berichte dazu fast schon euphorisch, gross daher meine Vorfreude – und es wurde keine Enttäuschung, eher noch verhielt es sich so, dass das Erlebnis so gut war, dass Worte kaum genügen. Wieder einmal – so häufig kommt das in der Oper mit ihren vielen Variablen ja nicht vor – passte hier alles: Inszenierung,Bühne, Kostüme, Licht, Besetzung, musikalische Gestaltung. Schlicht umwerfend!

    Zur Einordnung von Gluck und der „Iphigénie en Tauride“ gab es im Programmheft ein paar hilfreiche Informationen, vor allem in einem Gespräch mit Homoki, aber auch in einem Text der Dramaturgin Breidenbach. Die Gesangsführung ist auf maximale Verständlichkeit aus (was sich ja bestens in die französische Tradition einordnet), kommt fast völlig ohne Koloraturen, ohne Pyrotechnik aus. Die Rezitative werden vom Orchester begleitet („Recitativo Accompagnato“ ist der Fachbegriff), alles läuft auf das Vermitteln von Emotionen heraus, es braucht entsprechend Stimmen und Darsteller*innen, die das auch zum Fliegen bringen können, die ihre Wirksamkeit aus der Rolle heraus, nicht als Rampensau, erzielen können.

    Die Bühne war schlicht, ein sich verjüngender, rechteckiger schwarzer Raum, in den immer wieder schroffe Risse brachen. Der Chor bewegte sich auf der schiefen Ebene und an den Rissen virtuos, Männer und Frauen stets getrennt. Der Chor übernimmt überhaupt eine tragende Rolle – und einmal mehr war er hervorragend. Die Kostüme waren wie die Bühne in schwarz gehalten, mit Ausnahme der stummen jungen Iphigénie und Oreste sowie der Göttin Diane, die immer wieder (auch Diana zunächst stumm) durch das Stück geistern. Vorne war die Bühne von einem Rechteck aus Licht umrahmt,

    Die Inszenierung vom Intendanten Homoki, der es oft gerne bunt und wuselig mag, war von einer perfekt auf das Stück abgestimmten Strenge, die Bühne leer, das Licht spärlich, die Bewegungen – oft schwarz vor schwarz, die Sängerinnen zogen manchmal Schleier über die Gesichter, was eine gespenstische Stimmung erzeugte: Stimmen aus dem Nichts. Und wenn der Chor in den Rissen verschwand oder sich auf den schiefen Boden legte, wurde er quasi Teil der Kulisse.

    Mit Homoki hat Bartoli noch nie gearbeitet, eine Gluck-Oper hat er auch erst einmal inszeniert – natürlich entsteht eine neue Produktion mit Bartoli in Zusammenarbeit mit ihr, die in Zürich wohl immer noch so etwas wie ihr Stammhaus hat, obwohl sie unter Homokis Ägide bisher nur bei einer Neuproduktion (ebenfalls grossartig, Händels „Alcina„), sonst bloss in Wiederaufnahmen (zuletzt in „La Cenerentola“ mitwirkte.

    Für ihre aktuelle Stimme ist die Oper von Gluck schlicht perfekt. Es war unfassbar, wie sie einen mitleiden machte mit der Figur, wie fesselnd sie die Rolle gestaltete, ja buchstäblich mit Leben füllte. Oft ganz still, mit dieser einmaligen Kraft, die noch im Pianissimo den ganzen Raum zu füllen vermag. Diese Momente gab es bei Händel und anderswo, aber bei Rossini neulich fehlten sie etwas (weil sie im Stück halt nicht vorgesehen sind). Glucks Modernität wurde auch überdeutlich, etwa in der Passage, in der die Bratschen über mehrere Minuten auf demselben Ton „riffen“, der grossen Arie des Oreste, in der er davon singt, wie er nach dem Muttermord allmählich zur Ruhe komme – die Musik aber eine ganz andere Sprache spricht.

    Stéphane Degout und Frédéric Antoun waren für Bartoli ebenbürtige Partner, als das Freundesgespann Oreste und Pylade, deren homoerotisch aufgeladene Freundschaft – inklusiver grosser Duos – die ansonsten im Plot fehlende Liebesbeziehung ersetzt. Beide glänzten in ihren Rollen, stimmlich gefiel mir Antoun wohl eher noch eine Spur besser. Luxuriös auch die Besetzung der Diane mit Birgitte Christensen, die wie gesagt im Laufe des Stückes immer wieder – als fahler weisser Schatten auf der schwarzen Bühne – herumgeistert, stumm, schlafwandlerisch manchmal. Ihr Auftritt als Sängerin ist kurz, aber da Christensen bei knapp der Hälfte der Termine die Titelrolle übernimmt, steht sie bei den anderen Daten als Diane zur Verfügung, die Göttin, die Iphigénie rettete und der diese nun auf Tauris dient. Ihr Part besteht hauptsächlich darin, das geforderte lieto fine, die Erlösung von Oreste und Iphigénie, zustande zu bringen.

    Superb war auch das Orchester, La Scintilla, auf alten Instrumenten, warm im Ton, perfekt mit den Stimmen zusammenklingend, sei es, wenn die Oboe in ein Duett verwickelt wurde oder sei es in den Tutti: die Dynamik aber auch die Tempi, überhaupt die gesamte Ausgestaltung, wie Gianluca Capuano sie erarbeitet hat, waren perfekt. Dass das Stück – wie neulich „Fidelio“ – ohne Pause gegeben wurde, war einmal mehr ein richtiger Entscheid. Die Geschlossenheit der ganzen Produktion liess jedenfalls das Publikum auf Nadeln sitzen, so still und gebannt habe ich es selten erlebt, es gab keinen einzigen Szenen- oder Arienapplaus, auch da nicht, wo Capuano einige Momente innehielt. Dafür warf am Ende jemand einen grossen Strauss Rosen auf die Bühne, die Bartoli während des Applauses an die Solist*innen und die erste Reihe des Chores, aber auch ans Pult der Konzertmeisterin unten im Graben verteilte. Ein Farbfleck zum Ende, der den danach zu meisternden harten Übergang zurück in den Alltag ein wenig überbrückte. Phänomenal!

    Rezension der NZZ:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/opernhaus-zuerich-iphigenie-en-tauride-deiner-familie-entkommst-du-im-leben-nicht-ld.1538154
    Und Vorabbericht zur Aufführung und zu Bartoli:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/cecilia-bartoli-und-ihre-zukunftsplaene-starke-frauen-mit-lebenserfahrung-ld.1537486

    Rezension des Tagesanzeigers:
    https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/klassik/schoener-kann-man-ueber-mord-nicht-singen/story/16297596

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    gypsy-tail-wind
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    Zürich, Tonhalle-Maag – 06.02.2020

    Tonhalle-Orchester Zürich
    Rafael Payare
    Leitung
    Vilde Frang Violine

    Béla Bartók Suite aus «Der wunderbare Mandarin» op. 19 Sz 73
    Dmitri Schostakowitsch Violinkonzert Nr. 1 a-Moll op. 99

    Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70

    Ein sehr schönes Konzert gestern – und wenn ich dran denke, dass die THM, die aktuelle Interimshalle, in einem Jahr verlassen (und danach wohl abgerissen) wird, bin ich jetzt schon etwas wehmütig … immerhin wird Vilde Frang in der Saison 2020/21 im Rahmen der Neuen Konzertreihe Zürich gleich noch zweimal in der Tonhalle-Maag zu hören sein, wie ich der vorgestern erhaltenen Programmvorschau entnehmen kann (zweimal mit dem mit dem Kammerorchester Basel, das zweite Mal mit Sol Gabetta/Kristian Bezuidenhout und Giovanni Antonini – ich frage mich gerade, ob das dann auch das Tripelkonzert gibt, für das ich schon diesen Mai nach Luzern fahren werde, hmmm …)

    Frang war auch gestern für mein Empfinden eindeutig die Hauptattraktion, doch los ging es mit Bartóks Suite mit Musik aus „Der wunderbare Mandarin“. Umwerfende Musik, die unter der Leitung des jungen Dirigenten Rafael Payare wuchtig, verspielt, rasant und voller Überraschungen daherkommt, vor allem aber unglaublich farbenreich. Das gross besetzte Orchester (die vordersten beiden Stuhlreihen wurden wieder mal ausgebaut, damit die Bühne etwas vergrössert werden konnte) agierte wachsam und die verschiedenen Solisten lieferten beste Arbeit. Ein Auftakt, der nicht etwa als Überbrückung vom Alltag ins Konzert dient, sondern dem Publikum direkt ins Gesicht sprang – sehr gut!

    Dann ein schneller Umbau (Flügel weggeschoben, Celesta musste bleiben, zweite Harfe hingestellt, ein paar Stühle geruckt, ein paar Violinen weniger für den Rest des Abends) – und Auftritt Vilde Frang. Irgendwie wirkt sie ja fast leblos, wenn sie so bleich und schlaksig auf die Bühne kommt – aber wenn sie dann zu ihrem Instrument greift … der Auftakt ins erste Konzert von Schostakowitsch war nicht kalt sondern emotional mitreissend gestaltet, eine Klage, ein Lied, wunderbar ausgestaltet von Frang. Im zweiten Satz gelang ihr das Ruppige, ja Hässliche vielleicht wirklich nicht so gut, wie die NZZ (heute in der Printausgabe, also vom ersten Abend am Mittwoch, ich entdeckte die Rezension noch am Nachmittag vor dem Konzert, was die Vorfreude gleich nochmal etwas anhob) meinte, liegt ihr das vielleicht wirklich nicht so sehr. Aber Sätze drei und vier sowie die grosse Kadenz gelangen Frang wieder ganz hervorragend. Letztere schien kein Ende nehmen zu wollen, drehte immer nochmal weiter, mit jedem Dreh wurde das Gehörte noch unfassbarer – einmal mehr war es gut, das Werk vor dem Konzert nicht nochmal anzuhören, auch wenn ich gerne vertrauter mit ihm wäre, aber das hat Zeit. Der Kehraus war dann natürlich kein patriotischer Jubel, im Gegenteil kam es mir eher so vor, als wäre der doppelte Boden quasi vor dem Publikum aufgetan worden. Eine Zugabe ziemt sich nicht nach diesem Stück, trotz riesigen Applauses.

    Nach der Pause waren ein paar Plätze leer geblieben, der „venezolanische“ (NZZ) Dvorák war dann aber ziemlich toll – und überhaupt nicht venezolanisch, fand ich. Payare dirigierte die Symphonie auswendig, er hat einen Hang zu grossen, dramatischen Gesten, aber auch eine ganz feine Art, mit der Hand, mit einzelnen Finger, Dinge anzuzeigen. Mit seiner etwas krummen Haltung wirkt er etwas gnomenhaft, es fliesst aber eine grosse und überaus positive Energie aus ihm heraus, die sich auch hier auf das Orchester übertrug, das wachsam agierte und sehr gut spielte. Das blieb bei aller Wucht aber auch immer klangschön und elegant – und gefiel mir sehr. (Ein völlig anderes Erlebnis als die Sechste mit Tomas Netopil, den ich beim Konzert im Frühling enttäuschend fand.)

    Die Rezension der NZZ:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/die-seele-freigespielt-vilde-frang-in-zuerich-ld.1538927

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    #10995601  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Nello Santi ist gestorben – er wird in Zürich fehlen. Vor einem Jahr dirigierte er hier seine letzte Oper, Lucia di Lammermoor und ich hatte mich schon gewundert, dass er in der Saison 2019/20 nicht mehr im Programm stand … sehr schade.

    Immerhin war ich im Frühling 2017 auch dabei, als er L’Elisir d’amore dirigierte, damals noch, wie er es oft tat, mit einem Klavier vor sich, auf dem er gleich das Continuo spielte.

    Der Nachruf in der NZZ:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/nello-santi-der-fruehere-musikdirektor-des-zuercher-opernhauses-ist-tot-ld.1539077

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    #11009891  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Neue Konzertreihe Zürich – Zürich, Tonhalle-Maag – 09.02.2020

    András Schiff Klavier

    Johann Sebastian Bach «Das Wohltemperierte Klavier» Teil II, BWV 870-893

    Ich habe im Bach-Faden schon ein paar Zeilen zu diesem monumentalen Konzert geschrieben. Es ging um 19 Uhr los und dauerte inkl. Pause fast drei Stunden. Zum Auftakt spielte Schiff das C-Dur Präludium, dann richtete er sein Wort an das Publikum (der Saal war voll, es wurden wieder einmal – ist bei den Konzerten von Grigory Sokolov jedes Mal so – zusätzliche Stuhlreihen auf die Bühne hinter den Flügel gestellt). Schiff erzählte ein wenig über das Werk, holte auch etwas aus und äusserte sich zu den Goldberg-Variationen, zum Musikalischen Opfer, spielte deren Hauptmotive am Flügel … im Programmheft findet sich auch sein Text zur ECM-Einspielung des WTC, in dem er sich ebenfalls über die Aufführungspraxis äussert. Dass ein Clavichord nicht für den heutigen Konzertbetrieb taugt, dass das Werk überhaupt eh nicht für letzteren geschrieben wurde, dass mit dem Pedal höchst behutsam umzugehen gelte usw. Die kurze Ansprache zu Beginn des Konzertes war mir aber etwas zu schnell, zu oberflächlich, er hätte gerne ein paar Hinweise oder Andeutungen in die Tiefe machen dürfen statt billiger Lacher abzuholen („man stelle sich vor, Trump würde so ein Motiv schreiben und einen Komponisten beauftragen …“ – obwohl die Herkunft des Motivs der Goldberg-Variationen soweit ich weiss nicht wirklich geklärt ist, aber Schiff, so scheint mir, hat wohl das eine oder andere für sich geklärt und beharrt dann auch darauf – was ja auch vollkommen in Ordnung ist). Aber gut, die Mischung aus Demut und Selbstbewusstsein war irgendwie auch sehr sympathisch, dass da ein denkender Mensch sitzt, wurde schon klar. Weniger klar ist für mich, ob ich diese Gedanken kennen muss, ob nicht das Hören allein reicht (es sagt ja dann doch auch genug über das Denken aus, dünkt mich). Das Konzert widmete er den kürzlich verstorbenen Freunden Peter Schreier und Peter Serkin.

    Dann fing Schiff wieder von vorne an, das Präludium C-Dur erklang also zum zweiten Mal, und nun galt es ernst. Schiffs Instrument ist eine spezielle Anfertigung des neuen Bösendorfers 280VC in Pyramiden Mahagoni, ein Instrument, dass so farbig schimmerte, wie die Musik, die Schiff diesem entlockte (hier gibt es Fotos und mehr aus Luzern vor ein paar Jahren, und hier ein Bild, auf dem das ganze Instrument zu sehen ist). Das Faszinosum dabei war, dass er kaum zu gestalten, zu interpretieren schien: wenig Agogik, wenig „Emotion“ – all das formt sich unter Schiffs Händen aus der Musik Bachs selbst. Es machte den Anschein, als sässe er bloss da und gebe quasi die Noten ein.

    Der enorme Reichtum der Musik bei gleichzeitig völlig Transparenz war das andere scheinbare Paradox der Aufführung. Schiff setzte das Pedal sehr zurückhaltend ein – gemäss seiner Erläuterung (im Programmheft bzw. CD-Booklet glaub ich, nicht Teil seines kurzen Vortrages) dient es nur dazu, je nach Raumklang die Töne ein wenig zu verstärken, niemals dient es dazu, ein Legato zu erzwingen oder zu einem Verwischen der Töne. Das, so wurde mir auch bei der kleinen „Nachbearbeitung“ zuhause klar, aus der sich ja eine kurze Diskussion im Bach-Thread ergab, hat wohl damit zu tun, dass Schiff die Vorgehensweise der historischen Aufführungspraxis kennt und soweit für ihn sinnvoll/passend auf dem modernen Instrument berücksichtigt. Er spielt also ziemlich viele Verzierungen, auch scheint dieser neue Bösendorfer-Flügel zumindest in der Ausführung für Schiff und unter dessen Händen einen sehr obertonreichen Klang zu bieten. So war ich denn wenig erstaunt, dass die in der verlinkten Diskussion erwähnten Aufnahmen von Gould und Gulda viel weiter weg von Schiff sind als die Einspielung von Schornsheim am Cembalo (zu Christophe Rousset griff ich in der Zwischenzeit dann auch noch, seine Aufnahme gefällt mir eventuell nochmal etwas besser; von Pierre Hantaï gibt es ja leider nur das erste Buch, aber er hat ja noch etwas Zeit).

    Unter dem Strich ein fesselndes, aber auch ein Kräftezehrendes Unterfangen – und ein enorm faszinierendes Erlebnis, dieses ganze Ding im Konzert zu hören und in so exzellenter Qualität obendrein. Die idealtypische Sichtweise auf Bach ist das für mich zwar eher nicht (entsprechend kommt die ECM-Box auch nicht auf meinen Einkaufszettel), aber was Schiff bot war in sich stimmig (auch ganz ohne seine Worte davor). Er scheint eine klare Vorstellung zu haben, wie er das Werk umsetzen will, und tut das dann auch so, und dem allein gebührt schon grösster Respekt.

    Nachtrag: die Rezension der NZZ, die ich anderswo schon verlinkt hatte:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/mit-leichtem-schritt-ins-tiefste-mysterium-andras-schiff-spielt-in-zuerich-das-wohltemperierte-klavier-ld.1539804

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    #11009981  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Opernhaus Zürich – 12.02.2020

    Wozzeck
    Oper in drei Akten (15 Szenen) von Alban Berg (1885-1935)
    nach Georg Büchners «Woyzeck»

    Musikalische Leitung Hartmut Haenchen
    Inszenierung Andreas Homoki
    Ausstattung Michael Levine
    Kostümmitarbeit Meta Bronski
    Lichtgestaltung Franck Evin
    Choreinstudierung Janko Kastelic
    Dramaturgie Kathrin Brunner

    Wozzeck Christian Gerhaher
    Tambourmajor Daniel Brenna
    Andres Iain Milne
    Hauptmann Wolfgang Ablinger-Sperrhacke
    Doktor Jens Larsen
    1. Handwerksbursch Pavel Daniluk
    2. Handwerksbursch Cheyne Davidson
    Der Narr Martin Zysset
    Marie Gun-Brit Barkmin
    Margret Irène Friedli
    Mariens Knabe Braulio Camarena
    Ein Bursche Tae-Jin Park

    Philharmonia Zürich
    Chor der Oper Zürich
    Kinderchor der Oper Zürich
    Statistenverein am Opernhaus Zürich

    Am Mittwoch bin ich dann auch noch in den „Wozzeck“ – mitten in einer höllischen Woche und entsprechend ging ich ziemlich auf dem Zahnfleisch. Die Karte hatte ich mir sofort gesichtert, als der Vorverkauf für die Saison losging. Die erste Aufführung fiel nämlich auf jene Saison 2015/16, in der ich gegen Ende hin mir das Besuchen der Oper erst gerade wieder angewöhnte (los ging es mit einer unvergessenen Aufführung von Pelléas et Mélisande). Ich wusste also seit Juni oder so, dass ich „Wozzeck“ auf der Bühne sehen würde – und hörte die längst vorliegenden Aufnahmen nicht an, um den Abend wirklich zur Erstbegegnung werden zu lassen. Leider nicht unter optimalen Umständen, aber auch so ein schwer beeindruckendes Erlebnis.

    Als Stück ist das Ding schon einmal enorm faszinierend, die Verdichtung, das Drama, die musikalische Umsetzung dieses doch eigentlich kaum aufführbaren Werkes (den Film von Herzog finde ich fürchterlich, müsste ihn aber vielleicht wieder einmal anschauen) – in Bergs Fassung ist das alles völlig bezwingend, und die Umsetzung, die Homoki wählte, eine Guckkastenbühne für ein Figurentheater, passt für mich ebenfalls perfekt. Gerhahers Wozzeck bewegt sich darauf, darin (die Bühne vervielfacht sich gegen hinten und gerät gegen Ende hin aus den Fugen (siehe Bild unten) quasi als einziger Mensch zwischen den Schablonen/Typen um ihn herum. Nur Marie wird streckenweise auch als fühlendes, verletzliches, nachdenkendes Wesen spürbar. Der Hauptmann, der Tambourmajor, der Doktor sind Spielfiguren in dieser Anordnung, durch die wir mit Wozzecks Augen gehen: Es ist ja seine Welt, die gegen Ende hin endgültig ins Wanken kommt, davor macht er den Clown, macht gute Miene zum bösen Spiel, verliert aber schon mehrmals fast den Boden unter den Füssen, bedrängt vom Chor – da werden die verschiedenen „Bilderrahmen“ stellenweise virtuos bespielt, die Darsteller klettern von einer Ebene auf die nächste hinab, Wozzeck spürt die Bedrohung natürlich schon lange vor dem tragischen Ende.

    Gerhaher war darstellerisch und sängerisch überragend, er hätte die Aufführung wohl auch getragen, wenn er das hätte allein tun müssen. Doch zum Glück war das nicht der Fall, denn Gun-Brit Barkmins Marie war ebenfalls beeindruckend, und die Riege der Nebendarsteller ebenso überzeugend. Gerhaher, Barkmin aber auch Ablinger-Sperrhacke (der Hauptmann) waren schon 2015 dabei. Erstmals im Graben in Zürich stand Hartmut Haenchen, der das Geschehen jederzeit im Griff hatte – und die Musik wohl deutlich schwungvoller anging als Luisi bei der ersten Aufführung: im Voraus hiess es, das ohne Pause durchgespielte Stück (alles andere wäre aber auch ein Frevel!) dauere ca. 1:35 Stunden, das wurde dann nach der ersten von nur vier Vorstellungen der Wiederaufnahme (ich war in der zweiten) um satte zehn Minuten nach unten korrigiert.

    Ganz abgesehen davon, dass ich mich auch mit Büchner wieder einmal befassen sollte, werde ich hoffentlich bald mal tiefer in die Welt von Berg und seinem „Wozzeck“ eintauchen – ich staunte beim Nachschauen selbst, dass neben Kegel und Abbado (in der „Alban Berg Collection“ der Deutschen Grammmophon) auch Mitroulos da ist (NYPhil, 1951 auf Columbia, bei mir in der NYPhil 175th Anniversary Edition, die viele Dinge enthält, die schon im Regal stehen, aber eben auch einige weitere, bei denen das nicht der Fall ist … und der Preis hatte vor einiger Zeit mal mehr als gepasst).

    Hier eine der Rezensionen, die mich damals bereuen liessen, keine Aufführung gesehen zu haben (Jens F. Laurson für Forbes):
    https://www.forbes.com/sites/jenslaurson/2015/09/22/wozzeck-opens-zurich-opera-season-with-uncommon-resounding-success/

    Die NZZ war seinerzeit nicht überzeugt:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/buehne/ach-mensch-du-elende-kreatur-1.18613061

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    #11010227  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

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    Danke für Deinen Bericht – ich greife nur das Offensichtliche heraus, bei dem ich Zweifel habe. Vermutlich stochere ich nur herum. But.

    gypsy-tail-wind dieses doch eigentlich kaum aufführbaren Werkes (den Film von Herzog finde ich fürchterlich, müsste ihn aber vielleicht wieder einmal anschauen)

    Seit wann gilt der „Wozzeck“ oder der „Woyzeck“ als unaufführbar? Das ist seit jeher ein Topos der Gleichzeitigen ohne Phantasie, bisher immer widerlegt worden. Die Skizzenfolge ist nicht geklärt, das ist alles. Und da es Skizzen sind, darf jeder sich entscheiden, der die Sache ernst nimmt. Es gibt da auch eine gute Interpretation von Hridlicka.

    […] eine Guckkastenbühne für ein Figurentheater […]

    Gerhahers Wozzeck bewegt sich darauf, darin […] quasi als einziger Mensch zwischen den Schablonen/Typen um ihn herum. Nur Marie wird streckenweise auch als fühlendes, verletzliches, nachdenkendes Wesen spürbar.

    Der Hauptmann, der Tambourmajor, der Doktor sind Spielfiguren in dieser Anordnung, durch die wir mit Wozzecks Augen gehen: Es ist ja seine Welt, die gegen Ende hin endgültig ins Wanken kommt, davor macht er den Clown, macht gute Miene zum bösen Spiel, verliert aber schon mehrmals fast den Boden unter den Füssen […]

    Da bin ich mir nicht so sicher. Wenn die Guckkastenbühne gewählt wird, dann ist auch Woyzeck ein Teil von ihr, und kein drauf- oder hinguckender Teil, sondern völlig absorbiert. Wie bei Büchner. Dass er keine Miene zum bösen Spiel macht, nicht machen kann, ist exakt das, was Herzog mit Kinski herausgestellt hat. Woyzeck ist kein „Held“, ist gerade nicht das Individuum gegen die anderen. Er versteht nicht. Er weiß überhaupt nicht, was andere sind – ohne Gewalt. Psychologisch also Introjektion. Der Hauptmann, der Tambourmajor, der Doktor sind gerade nicht Spielfiguren, sondern Aggressoren, Projektoren. Wer aber, wie Woyzeck, keine Aggression in deren Sinn kennt, wird sprachlos. Und dann kommt, in der gedanklichen Linie, – Schwenk, nicht Schwank – Mahler: Ich hab‘ ein glühend Messer. Ich halte Woyzeck für keinen Clown, vielleicht hätte er dann länger gelebt, wäre er es gewesen. Büchner – und Berg – haben für Clowns nur als Gegenfiguren etwas im Sinn, besonders deutlich in der „Lulu“ bei Berg.

    Statt Clown  hat Büchner den kleinen idiotischen Jungen. Da ist der hinskizzierte Widerstand, von außen hingepinselt, erratisch, man kann nicht alles auf einmal sagen, die völlig andere Stimme, die nichts weiß, aber da ist. Das ist die Gegenfigur, die Woyzeck brauchte. Obwohl er lieber Marie hätte. Sie ist sehr schwierig mit Worten und in ihren Handlungen, na ja. Und von Büchner nicht sehr gut bedacht, da hatte Berg mehr Anteilnahme, da hast Du recht. Aber wenn sie nur schweigt, weil sie lieber handelt? Es wird nicht aufzulösen sein.

    Das alles hat gar nichts mit Gerhaher usw. zu tun, wie auch. Es ist ein schwieriges Werk. Danke also noch einmal für Deinen Bericht!

    --

    #11010351  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Danke für Deinen Kommentar und Deine Richtigstellungen @clasjaz. Dass auch die Figur des Wozzeck und der Marie im Guckkasten gefangen blieben – und uns, die Betrachtenden, daher bald nichts mehr angehen, nicht mehr berühren – ist ja der Kernpunkt der Kritik der NZZ. Ich kann das zwar intellektuell nachvollziehen – aber es fällt nicht mit meinem Empfinden bei der Aufführung zusammen, wo Gerhahers Figur, ihr Schicksal, vielleicht gerade wegen ihrem Mangel an Mitteln, auf die ihr angetane Gewalt überhaupt zu reagieren, durchaus berührte. Solche Formeln sind aber auch immer nur Floskeln (wie jene von der Nichtaufführbarkeit – die habe ich wohl irgendwo aufgeschnappt, finde sie aber angesichts des ungeheuren Textes nicht abwegig … und eben: in meiner Erinnerung, es ist aber wohl 15 Jahre her, vielleicht noch länger, funktioniert eben auch der Herzog-Film überhaupt nicht, eine Bühnenaufführung des Textes würde ich mir wohl eher nicht ansehen wollen, aber wer weiss, vielleicht kommt das Ding irgendwie schon zum Fliegen? Ich bin ja kein Regisseur, zum Glück). Es geht da ja nicht um Mitleid, vielleicht zieht einen das Werk auch nicht herein (einen unglaublichen Sog erzeugt es nichtsdestotrotz, dafür sorgt ja Berg mit seiner mitreissenden, unglaublich vielschichtigen Musik) – das Ergebnis war am Ende jedenfalls Erschütterung.

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    #11017633  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Luzern, Luzerner Theater – 16.02.2020

    Dschungel
    Brass-Oper von Manuel Renggli nach der gleichnamigen Geschichte von Michael Fehr

    Musikalische Leitung: Michael Bach
    Inszenierung: Tom Ryser
    Bühne: Sipho Mabona
    Mitarbeit Bühne: Simon Sramek
    Kostüme: Birgit Künzler
    Licht: Clemens Gorzella
    Choreinstudierung: Mark Daver
    Dramaturgie: Rebekka Meyer

    Diana Schnürpel Atlanta
    Rebecca Krynski Cox Raja / 1.Affe
    Sarah Alexandra Hudarew Samreh / 2. Affe
    Jason Cox Sohn des roten Baron
    Vuyani Mlinde Der rote Baron
    Hubert Wild Gefiederter Mensch / Ein Hund
    Nina Langensand Brahma
    Walter Sigi Arnold Erzähler

    Chor des LT
    Brassband Bürgermusik Luzern

    Letzten Sonntag ging ich in die Matinée in Luzern (13:30 ging es los), wo an dem Tag gleich zweimal das neue Stück von Manuel Renggli gegeben wurde. Es handelt sich dabei um die Adaption/Vertonung einer Geschichte von Michael Fehr, der aus der Spoken Word-Szene kommt, aber auch schon ein paar Bücher veröffentlicht hat („Simeliberg“ ist ein beeindruckendes Buch, Rezension der NZZ). Die Spoken Word-Ebene spielt in „Dschungel“ über die Figur des Erzählers ein wenig herein, manchmal gibt es Passagen, denen man diesen Hintergrund anzuhören scheint, Wiederholungen, gesprochene Sprache – mehr davon hätte mir durchaus gefallen.

    Die Story ist einfach und doch nicht aufzuschlüsseln, die Coming-of-Age-Geschichte des verwahrlosten Mädchens Brahma, das bei einer alkoholkranken Mutter aufwächst – und Hunger hat. Auf der Strasse schlägt es dem Sohn des roten Barons ein paar Pillen aus der Hand und verschlingt sie gierig. Und was von hier an passiert, hat einen nie geklärten Status: reale Handlung, Traum, Trip – oder von allem ein wenig? Raja muss vor der Gang Jugendlicher fliehen, dabei helfen ihr ein paar Ratten, dann übernimmt die Schlange Atlanta, die das Mädchen in den titelgebendenen Dschungel führt, zunächst zu einem Rudel von Hunden. Der Dschungel ist dabei das Gegebenbild zur grauen Stadt mit den gehetzten Menschen, eine Zone, in der alles möglich scheint. In der Höhle, in der Raja schliesslich landet (da lebt auch der gefiederte Mensch, der vom Fliegen träumt, von den Vögeln aber nicht anerkannt wird, weil er einst ein paar von ihnen verzehrt hat), versteckt aber auch der Rote Baron sein Gut – die roten Pillen. Irgendwann taucht er dort auf und entführt Raja. Im weissen Rolls Royce ein ca. einen Meter breites weisses Leintuch, das horizontal über die Bühne gezogen wird – und nein, das artet nie in Klamauk aus! – fährt man durch den Dschungel, bis die Leibwächterin den Baron erschiesst, Raja zur Flucht verhilft, mit einer Pistole und einer Tasche voller Geld. Ein Ende, ein Anfang?

    Das mag alles recht wirr klingen, wirkte aber in der Aufführung stimmig. Raja wurde von einer Schauspielerin verkörpert, ebenso der Sprecher, die anderen Rollen grossteils gesungen. Die DarstellerInnen der Hunde und Ratten und der Chor hatten dabei auch einige choreographierte Tanzauftritte. Musikalisch gefiel mir das Stück im grossen Ganzen ebenfalls, die Brass Band sass im nur mittig geöffneten Graben und musste sich wohl auch so öfter etwas zurückhalten – es wurde hie und da auch sehr laut, die Gesangsstimmen waren aber zum Glück unverstärkt. Das einzige, was mir leider nicht gefiel, war die rhythmische Ebene. Diese ewigen, steifen, binären Beats, in denen kein Atem, kein Groove steckt – das Elend der Blasmusik in nahezu exemplarischer Ausgestaltung (wenngleich auf überaus ansprechendem Niveau). Aber das tat dem Vergnügen am Ende wenig Abbruch – es erinnerte mich halt an meine eigene einstige nicht ganz freiwillige Betätigung in ähnlichem Umfeld (auf durchaus weniger ansprechendem Niveau, in der Musik unserer glorreichen Armee). Inszenierung, Bühne, Ensemble – alles sehr gut.

    Zürich, Opernhaus – 4. Philharmonisches Konzert – 23.02.2020

    Philharmonia Zürich
    Dirigent Fabio Luisi
    Klavier Beatrice Rana

    Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58

    Claude Debussy La Mer
    Maurice Ravel La Valse

    Gestern ging ich dann wieder zur Matinée, diesmal vor der Haustür und um 11:15. Beatrice Rana spielte das fabelhafte vierte Klavierkonzert von Beethoven (im Juli spielt sie Nr. 2, letzte Saison schon Nr. 1 und Nr. 3, vermutlich kommt sie im Herbst mit Nr. 5 noch einmal vorbei?), was der Hauptgrund für mich war, hinzugehen. Das Haus war von ein paar Hörplätzen abgesehen ausverkauft (ein paar Sitze blieben leider leer, das ist ja nicht so selten – und leider nimmt ja auch niemand Karten zurück, um sie doch noch zu füllen), und das Konzert erwies sich dem Umstand denn auch als würdig.

    Unter Ranas Händen klang das Konzert frisch, lyrisch aber auch zupackend, sehr klar und durchsichtig, auch wo der Klavierpart mal wuchtiger wurde nie hart. Auch die virtuosesten Passagen des Soloparts wirkten leicht – und in der Leichtigkeit, mit der Rana das alles spielte, die Kadenz, den Schlusssatz, manchmal kaum zu glauben. Luisi und das Orchester begleiteten äusserst wach, der Dialog bzw. Widerstreit im mittleren Satz gelang wunderbar. Das Orchester glänzte danach in vergrösserter Besetzung (auf 16 Celli brachten sie es nicht, aber immerhin auf die Hälfte davon, im Graben sind sie nie so gross besetzt) auch bei Debussy und Ravel noch einmal. Ich habe es ja schon oft im Graben gehört, aber noch nie bei einem symphonischen Konzert (die Konzerte, die ich in der Oper besuchte, waren bisher entweder Liederabende oder Konzerte von La Scintilla, dem Haus-Ensemlbe, das auf alten Instrumenten spielt).

    Muss mir wohl überlegen, ob ich im Juli zum Konzert mit dem zweiten Klavierkonzert von Beethoven (und Bruckner 7) gehen soll … auch wieder mit Chefdirigent Luisi am Pult. Bruckner kann ich mir aber in der Oper irgendwie nicht so richtig vorstellen (und die Siebte hörte ich vor ein paar Jahren mit Luisis Vor-Vorgänger Welser-Möst am Pult des Tonhalle-Orchesters, was umwerfend war).

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    Neue Konzertreihe Zürich – Zürich, Tonhalle-Maag – 02.03.2020

    Emmanuel Tjeknavorian Violine
    Maximilian Kromer Klavier

    Franz Schubert Violinsonate A-Dur op. post. 162 D 574 «Grand Duo»
    Albert Dietrich, Robert Schumann, Johannes Brahms «FAE-Sonate» für Violine und Klavier

    Olivier Messiaen «Louange à l’immortalité de Jésus» aus «Quatuor pour la fin du temps»
    Gabriel Fauré Violinsonate Nr. 1 A-Dur op. 13
    Karol Szymanowski Nocturne und Tarantella op. 28
    Zugabe: Fritz Kreisler Liebesleid

    Trotz Coronavirus finden hier Konzerte noch statt (Grossanlässe mit 1000 oder mehr Anwesenden sind verboten, die Tonhalle-Maag hat maximal ca. 1200 Plätze, d.h. ausverkaufen dürfen sie sie nicht) – gestern war der Saal wohl knapp halbvoll, es hätte zum Konzert für Abonnenten der Reihe auch Freikarten gegeben, wohl weil Tjekanvorian ja noch kein Name ist, der die Leute in Scharen anzieht. Dem Plan, den Saal mit Freikarten vollzukriegen, machte das Virus wohl einen Strich durch die Rechnung (auch meine alten Leute, für die ich Karten organisiert hatte, bevorzugten es, unter den Umständen zuhause zu bleiben). Tjekanvorian hatte ich letztes Jahr mal bei einer öffentlichten Probe in der Scala so halb mitgekriegt (klick), ansonsten waren die beiden für mich auch völlig unbekannt.

    Aber gut, ich ging hin, war todmüde und daher streckenweise nur mässig aufmerksam – aber das war am Ende wohl auch in Ordnung, denn was geboten wurde, war wunderbar gespielte gute Musik, aber es gab keine grossen Überraschungen. Den Schubert nahmen die zwei mit Schwung, schlank aber nicht zügig, sie kosteten manche Momente richtig aus, in Tjekanvorians Händen wurde Schubert denn auch wirklich zum frühen Romantiker, und Kromer entpuppte sich als besten geeigeneter Partner, wenngleich in der Tongestaltung deutlich weniger schlank und klar. Die „F-A-E“-Sonate wurde von Schumann (Sätze II und IV), seinem Schüler Albert Dietrich (Satz I) sowie von Brahms (Satz III) als Geschenk und Überraschung für den Geiger Joseph Joachim geschrieben – dessen Motto lautete: „frei aber einsam“. Joachim hat u.a. das Violinkonzert von Brahms sowie das erste von Bruch uraufgeführt und als dreizehnjähriger mit seinem Förderer Mendelssohn am Pult das davor längere Zeit vergessene Konzert Beethovens aufgeführt.

    Mich dünkt nun durchaus, dass Tjeknavorian sich in diesen grossen Konztext stellt – sei es in Sachen Repertoire oder auch in Sachen musikalische Gestaltung. Das war schon ein klassisches Virtuosenkonzert mit geschicktem Aufbau und einem Steigerungslauf zum Ende hin. In der „F-A-E“-Sonate ging es also hochromantisch weiter, das Vibrato wurde breiter, was aber nichts an Tjeknavorians Konzentration auf die Linie änderte, sein Ton blieb biegsam und warm, wurde nie scharf.

    Im Programm war Messiaen als Abschluss der ersten Konzerthälfte geführt – was wohl besser gepasst hätte … oder gerade auch nicht. Um dies richtigzustellen wandte sich Tjeknavorian erstmals ans Publikum, später sprach er auch vor der Zugabe ein paar Worte, aber auf die Werke ging er dabei explizit nicht ein, „the music speaks for itself“.

    Es ging nach der Pause also mit dem letzten Satz aus Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“ weiter. Ob das nun als Gebet (im Sinne Messiaens) oder eher als eine Meditation (im Sinne Rousseaus) verstanden wird, spielt am Ende wohl keine so grosse Rolle – das Stück entwickelt einen unglaublichen Sog, das repetivie Klaviermuster, die wenigen Töne, aus denen ein karges aber doch unglaublich eindrückliches Werk sich auftürmt – faszinierend! Und eben doch auch wieder gut, dass dieser Satz nicht als Coda an die erste Konzerthälfte angepappt wurde sondern hier allein stehen durfte. Leider hatte ich bisher nie die Möglichkeit, das Werk als ganzes im Konzert zu hören (bei der kürzlichen oder baldigen Aufführung durch MusikerInnen des Tonhalle-Orchester hatte oder habe ich leider eine Terminkollision).

    Faurés erste Sonate habe ich – ganz wie die „F-A-E“ – erst selten angehört, sie gefiel im Konzert sehr, es gab dazu im Programmheft auch einen interessanten Text, der in wenigen Sätzen die verspätete Entwicklung der französischen Kammermusik (im heutigen Sinn) umreisst. Wie so oft schärft auch oberflächliches Hintergrundwissen das Gehör ein wenig, und so fand ich die Fauré-Sonate – auch in der Nachbarschaft von Messiaen – also eben doch geschickt programmiert. Faurés Sonate scheint sich sowohl an der Klassik wie an der Romantik zu orientieren, ist im Gestus, in der Sprache dann aber sehr klar und weist auch über die im ersten Teil des Konzertes gehörte Musik hinaus. Musste ich im ersten Teil bei Schubert an Szymon Golberg denken, so im zweiten bei Fauré an Christian Ferras, obwohl Tjekjnavorians Ton schlanker klang, manchmfal fast etwas dünn, aber auch dabei immer klangschön.

    Den Abschluss machte dann Szymanowskis virtuoses Op. 28, hier bewies Tjeknavorian dann noch einmal und abschliessend seine technische Könnerschaft – und diese geht keinesfalls auf Kosten des Musikalischen, da stimmt die Balance. Das Scherzo der „F-A-E“-Sonate hatte ich im Konzert schon einmal gehört, als Zugabe mit Julia Fischer/Yulianna Avdeeva, wo die erste Konzerthälfte mit Szymanowskis „Mythes“ endete. Diese Mythen sind wohl nochmal einiges bekloppter und faszinierender als die Nocturne und die anschliessende, immer schneller drehende Tarantella, aber es ging auch gestern ordenltich zur Sache, Tjekanvorian spielte wie zuvor längere Passagen ohne Blick in die Noten (den Brahms-Satz der „F-A-E“ spielte er z.B. ganz auswendig und das tat auch gut, dahin sollte er auch beim Rest kommen, fand ich. Bei Szymanowski spielte er ebenfalls ziemlich befreit auf, der Ton wurde jetzt auch mal dünn, heftig, der Bogen hüpfte, die Pizzicati klangen so hart, dass ich Angst um die Saiten bekam … der Applaus war auch in der halbvollen Tonhalle gross.

    Als Zugabe hatten sie etwas aus Wien dabei – ein Witzbold meinte auf die Ankündigung hin: „na, geh!“, und Tjeknavorian fragte, ob es Einwände gebe – kündigte dann aber Fritz Kreislers „Liebesleid“ an, das er in einer elegant-fliessenden Fassung spielte, ohne je dick aufzutragen, selbst ein ganz feines Portamento fügte er mühelos ein … was mir dabei auffiel ist, dass Tjeknavorian den Bogen im gesamten Stück nie von den Saiten nahm. Ein nachdenklicher und sehr schöner Ausklang eines rundum gelungenen Konzertes. Wie @soulpope gestern auf meine Nachfrage hin drüben schon schrieb, ist Tjeknavorian noch kein grosser Meister, aber mit noch nicht einmal ganz 25 bleibt ihm hoffentlich noch viel Zeit, sich weiterzuentwickeln. Wenn er wieder mit einem so ansprechenden wie dem gestrigen Programm auftaucht, gehe ich jedenfalls auch gerne wieder hin.

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    soulpope
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    gypsy-tail-windNeue Konzertreihe Zürich – Zürich, Tonhalle-Maag – 02.03.2020 Emmanuel Tjeknavorian Violine Maximilian Kromer Klavier Franz Schubert Violinsonate A-Dur op. post. 162 D 574 «Grand Duo» Albert Dietrich, Robert Schumann, Johannes Brahms «FAE-Sonate» für Violine und Klavier — Olivier Messiaen «Louange à l’immortalité de Jésus» aus «Quatuor pour la fin du temps» Gabriel Fauré Violinsonate Nr. 1 A-Dur op. 13 Karol Szymanowski Nocturne und Tarantella op. 28 Zugabe: Fritz Kreisler  …. Wie @soulpope gestern auf meine Nachfrage hin drüben schon schrieb, ist Tjeknavorian noch kein grosser Meister, aber mit noch nicht einmal ganz 25 bleibt ihm hoffentlich noch viel Zeit, sich weiterzuentwickeln. Wenn er wieder mit einem so ansprechenden wie dem gestrigen Programm auftaucht, gehe ich jedenfalls auch gerne wieder hin.

    Schöner Bericht, danke …. wie gesagt ein interessanter Musiker, welcher seine Weg geht wird (wohin dieser auch immer führen mag) …. natürlich sind Musiker wie er nahe der Perfektion ausgebildet, haben auf ihre Lebensjahre gezählt schon viele Konzerterfahrungen und ein tlws verblüffendes Repertoire – aber es geht natürlich auch um Geschichte, Erfahrungen (auch partielles Scheitern) und das widerspricht dem Wahn (auch) dieser Industrie, welche immer jüngere „Wundermusiker“ benötigt bzw produziert (in doppeltem Sinn) …. bei ihm jedoch sicherlich Freude auf ein zukünftiges Wiederhören und dann schau ma weiter …..

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    Was mir durch den Kopf ging gestern, war das Konzert, das ich im letzten Juni in Cremona gehört habe – das zweite im Bericht hier:
    http://forum.rollingstone.de/foren/topic/konzertimpressionen-und-rezensionen/page/16/#post-10889419
    Die beiden sind wohl auf dem Weg noch ein Stück weniger weit – das machte es einerseits teils einfach etwas schwächer (wenn, wie ich schrieb, Pellegrini an seine Grenzen kam, bei Avdeeva drohte das wohl auch, trat aber wegen ihrer höchste Konzentration beim Spielen nicht ein), aber irgendwie eben auch etwas spannender weil (noch) offener. Dort lief das Programm mit Paganini/Schumann und Massenet, am Ende voll aufs alte Virtuosenkonzert hinaus, aber in den jungen Händen fand ich das gerade interessant, weil klar war, dass die beiden noch nicht am Punkt sind, an dem sie die ganze Geschichte dabei haben und sich da reinschreiben – was ich bei Tjeknavorian durchaus so empfand, und was mich aber auch wiederum beeindruckte – da ist dann eben schon eine grosse Reife da. Aber ja, schaun mer mal :-)

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    soulpope
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    gypsy-tail-windWas mir durch den Kopf ging gestern, war das Konzert, das ich im letzten Juni in Cremona gehört habe – das zweite im Bericht hier: http://forum.rollingstone.de/foren/topic/konzertimpressionen-und-rezensionen/page/16/#post-10889419 Die beiden sind wohl auf dem Weg noch ein Stück weniger weit – das machte es einerseits teils einfach etwas schwächer (wenn, wie ich schrieb, Pellegrini an seine Grenzen kam, bei Avdeeva drohte das wohl auch, trat aber wegen ihrer höchste Konzentration beim Spielen nicht ein), aber irgendwie eben auch etwas spannender weil (noch) offener. Dort lief das Programm mit Paganini/Schumann und Massenet, am Ende voll aufs alte Virtuosenkonzert hinaus, aber in den jungen Händen fand ich das gerade interessant, weil klar war, dass die beiden noch nicht am Punkt sind, an dem sie die ganze Geschichte dabei haben und sich da reinschreiben – was ich bei Tjeknavorian durchaus so empfand, und was mich aber auch wiederum beeindruckte – da ist dann eben schon eine grosse Reife da. Aber ja, schaun mer mal

    Es ist eigentlich eine sehr schönes Musikerleben, junge Musiker bei dren Werdegang mitzubegleiten …. das kostet natürlich Zeit und schliesst das Streben bei jedem Konzertbesuch das „Nonplusultrale“ zu erhören zwingend aus …. hier in Wien bereits seit einigen Jahren in den Konzertreihen a la „Rising Stars“ angeboten – aber natürlich via zahlloser „semi-öffentlicher“ Konzertveranstaltungen auch …. carpe diem halt ….

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    gypsy-tail-wind
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    Winterthur, Stadthaus – 04.03.2020

    Musikkollegium Winterthur
    Thomas Zehetmair
    Leitung
    Emmanuel Pahud Flöte (Artist in Resonance 2019/20)

    Johannes Maria Staud „Terra pinguis“ (für Arthur) für Kammerorchester (2019), Schweizer Erstaufführung
    Carl Nielsen Konzert für Flöte und Orchester
    E: Nielsen Børnene spiller (Children Are Playing)

    Jean Sibelius
    Sinfonie Nr. 5 Es-Dur, op. 82

    Gestern war ich beim Musikkollegium Winterthur – noch einmal mit Emmanuel Pahud, den ich bereits in zwei Kammermusikkonzerten in der ersten Saisonhälfte gesehen habe. Gestern nun also mit Orchester, geleitet vom Chefdirigenten Thomas Zehetmair. Ich ging schon zur Einführung, in deren Rahmen Johannes Maria Staud ein paar Worte über die Inspiration zu seinem neuen Stück sagte – es wurde neulich schon in München uraufgeführt, war aber eine gemeinsame Auftragsarbeit auch für das Musikkollegium. Staud lehnte sich zum zweiten mal an die barocke Alchemie des Universalgelehrten Johann Joachim Brecher (1635–1682). Dieser definierte drei Eigenschaften der Erde, die „jeweils für einen anderen Zustand von Materie stehen: Während die «terra vitrescibile» (die «glasartige Erde») das Prinzip der Schmelzbarkeit von Substanz repräsentiert, zeigt die «terra fluida» auf deren feine Flüssigkeit sowie Flüchtigkeit; die «terra pinguis» (die «fettige Erde») entspricht deren öliger Beschaffenheit.“ (Lion Gallusser, der auch die Einführung machte, im Programmheft). Die „terra pinguis“ beschreibt auch den Zustand der Erde nach ihrer Verbrennung, die Asche. Dazu weiters Staud selbst aus dem Programmheft: „Einige Grundelemente der passenderweise im Hochsommer entstandenen Komposition ‹verändern› fortwährend ihre Form, verklumpen, spalten sich ab oder verschmelzen zu neuen Gebilden, andere wiederum oxidieren, verbrennen oder verdampfen und lassen reizvolle Rückstände, ‹musikalische Asche› zurück.“

    Stauds Stück dauerte etwa 13 Minuten und wurde in kleiner Besetzung gespielt, das Orchester wuchs danach für jedes Werk weiter. Es gab zehn Bläser (die Quintettbesetzung in Doppelung, inkl. Alt-/Bassflöte, Englischhorn, Bassklarinette) und etwa 20 Streicher, die ihre Instrumente teils mit besonderen Spielweisen traktierten, auch mal die Stimme einzusetzen hatten, für die Bläser gab es obendrein eim paar solistische Ausbrüche zu bewältigen, etwa eine rasende Fagottpassage, bei der ich mich fragte, ob das alles notiert ist (soweit ich den Geigen am ersten Pult in die Noten blicken konnte, verwendete Staud konventionelle Notation). Das Stück gefiel mir gut, es war für die Zuhörerschaft wohl wesentlich weniger anspruchsvoll (es gab denn auch kein Genörgel) als für das Orchester, das auf der Stuhlkante sass und mit höchster Konzentration spielte, passenderweise mit Rahel Cunz als Konzertmeisterin – sie ist in Sachen Neue Musik wohl eine der erfahrensten Geiger*innen in und um Zürich. Zehetmair dirigierte präzise und unaufgeregt, obwohl er zu grossen Bewegungen neigt.

    Danach Auftritt Pahud, der Mann, der bis dahin die Bude füllte. Gestern war das wohl coronabedingt nicht der Fall, aber es waren doch ordentlich Leute da. Von Nielsen kannte ich bisher bloss das Violin- und das Klarinettenkonzert, letzteres das zweite und letzte von seinem Unterfangen, für die Mitglieder eines ihn begeisternden Bläserquintetts jeweils ein Konzert zu komponieren. Pahud war jedenfalls einmal mehr souverän und vertrat den Fall enorm überzeugend. Die Tonsprache Nielsens spricht mich ziemlich an, ich muss da auf jeden Fall weitermachen (die Aufnahmen von Blomstedt warren eh längst)! Pahud war über den Applaus wie es schien mehr als bloss routiniert-erfreut, meinte, er hätte gar nicht gewusst, dass Nielsen noch so beliebt sein könne. Klar war das kokett, aber der Flötenlehrerinnenschülerinnen- und Buntewollringelpulliträgerinnenanteil im Publikum war im Gegensatz zu den zwei Kammermusikkonzerten gestern gering, die Leute kamen wohl wirklich eher wegen des Programmes als wegen dem charmanten Emmanuel (der ja teils auch Schweizer Wurzeln hat – und wenn einer so gross/gut ist, zieht das natürlich zusätzlich). Konsequenterweise spielte er als Zugabe denn ein kleines Stück für Flöte solo aus Nielsens Feder.

    Nach der Pause folgte dann die fünfte Symphonie von Sibelius – oder: wie man aus einer Viertelidee eine halbe Stunde Musik macht. Ich bleibe bei Sibelius zwiegespalten, die Aufführung war allerdings fein, engagiert gespielt, hochdynamisch, ja mitreissend. Neben Nielsen, der ja u.a. im Zwiegespräch der Flöte mit der Bassposaune kurz vor Ende launigen Humor zeigt, wirkte Sibelius aber fast beängstigend ernst. Der Zwiespalt hat vermutlich auch mit der Machart zu tun, dem Unterschwelligen (geh scheissen, Wagner! ;-) ), das vorbereitet, beeinflusst, auf das Unterbewusstsein abzielt. Dennoch ein feiner Abschluss eines sehr guten Konzertes!

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    yaiza

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    Konzerthaus Berlin, 2. März 2020

    Zürcher Kammerorchester   (Tournee des ZKO zur CD „Belle Époque“)

    Daniel Hope (Leitung und Violine), Simon Crawford-Philips (Klavier)

    Elgar Intr.+Allegro für Streichquartett und -orch.; Schönberg Notturno; Sinding Adagio aus Suite im Alten Stil; Massenet Méditation de Thaïs; Strauss Morgen! (Singstimme von Daria Zappa Matesic/Violine gespielt); Elgar Chanson du Matin

    -Pause-

    Chausson Konzert für Violine, Klavier und Streichquartett

    Das Konzert war komplett anders als ich gedacht hatte, aber dennoch interessant. Trotz Corona lief alles ganz normal und bis auf einige freie Plätze war der Große Saal des Konzerthauses schon gut besetzt. Ich saß auf einem meiner Lieblingsplätze, im 1. Rang re. mit seitlichem Blick auf Orchester und Solisten. Die Notenpulte verrieten schon, dass die meisten Orchestermitglieder im Stehen musizieren werden. Das hat immer etwas besonderes und erlebte ich zuletzt bei der Akademie für Alte Musik (selbstverständlich) im Juni und beim Portugiesischen Jugendorchester (mit u.a. exzellent gespielter Beethoven 7).  Daniel Hope ist im Konzerthaus kein Unbekannter, er tritt hier in einem Gesprächsformat auf. Das sah ich mir im Sep. auch an (mit Vikingur Olafsson als Gast), aber das hatte ich gar nicht mehr im Hinterkopf. So war ich dann überrascht als sich Daniel Hope nach dem Einstieg mit Elgar verbeugte  und das Mikrofon nahm. Zuerst bedankte er sich, dass das Publikum so zahlreich erschien, stellte die Stimmführer des ZKO vor (die das Streichquartett bildeten) und leitete in die Moderation des Abends über. Schnell war klar, dass er auch als Musikvermittler unterwegs war und das bedeutete dann auch, dass der erste Teil zerschnitten werden würde. Die nächsten ausgewählten Stücke  (s.o.) waren recht kurz, fand ich fesselnd gespielt, aber da das ZKO immer mit großer Geste endete, folgte immer wieder langer Applaus, bevor es mit den Erklärungen weiterging. Hope setzte die Komponisten interessant ins Verhältnis, die Anekdoten waren auch gut ausgewählt und Berlin wurde auch immer wieder eingebunden… Nachdem Sinding (mit ihm war auf der Europareise auch Norwegen vertreten) vorgestellt wurde, kamen auch gleich die Infos zu Massenet, so dass es ein längeres Spiel des Orchesters gab und „Méditation“  aus der Oper Thaïs aus der Ruhe heraus begann. Mir hätte ein Spiel ohne Unterbrechungen besser gefallen, aber das ließ sich aus dem Programm nicht herauslesen. Im zweiten Teil kam im Konzert für Violine, Klavier und Streichquartett von Ernest Chausson das Orchester auch endlich richtig gut zur Geltung. Als ich im Juni reservierte, war auch noch nicht klar, dass es ein Programm zu einer CD sein wird. Ich hatte sowieso mal vor, mich mehr  mit der Musik dieser Zeit zu beschäftigen, daher wählte ich dieses Konzert. Daniel Hope sprach viel von Nostalgie und Wehmut. Er kam sowohl von der Moderation als auch mit Violine in so einen schwelgerischen Ton. Ich habe da eben auch die Dekadenz im Kopf…  aber das werde ich dann für mich nach und nach ergründen. Alles in allem war das aber ein schöner Einstieg, um mal mehr darüber zu lesen und davon zu hören und so hatte ich mir das dann auch vorgestellt.  

    --

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    soulpope
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    gypsy-tail-wind Winterthur, Stadthaus – 04.03.2020 Musikkollegium Winterthur Thomas Zehetmair Leitung <b> …. </b> Jean Sibelius Sinfonie Nr. 5 Es-Dur, op. 82 …. Nach der Pause folgte dann die fünfte Symphonie von Sibelius – oder: wie man aus einer Viertelidee eine halbe Stunde Musik macht. Ich bleibe bei Sibelius zwiegespalten, die Aufführung war allerdings fein, engagiert gespielt, hochdynamisch, ja mitreissend. Neben Nielsen, der ja u.a. im Zwiegespräch der Flöte mit der Bassposaune kurz vor Ende launigen Humor zeigt, wirkte Sibelius aber fast beängstigend ernst. Der Zwiespalt hat vermutlich auch mit der Machart zu tun, dem Unterschwelligen (geh scheissen, Wagner! ), das vorbereitet, beeinflusst, auf das Unterbewusstsein abzielt. Dennoch ein feiner Abschluss eines sehr guten Konzertes!

    Durchaus überraschende Assoziationen ….

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