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gypsy-tail-wind Zürich, Tonhalle-Maag – 02.05.2019 Rudolf Buchbinder Klavier Zürcher Kammerorchester … Das ZKO trat jedenfalls sehr beweglich und glasklar auf
Ich habe schon für Anfang März Karten für’s ZKO (Programm mit Elgar, Massenet, Schönberg…) Bin ich auch schon gespannt.
Heute war ich mit einer Freundin in der Philharmonie, um endlich noch Karten für die Akamus & Isabell Faust (Bach) im nächsten März zu kaufen. Die Akademie für Alte Musik ist wirklich ein erstaunliches Ensemble, ich gehe so gern dahin… und finde es toll, dass ihre Konzerte auch im Kammermusiksaal der Philharmonie sehr erschwinglich bleiben (35/25/15 € – das findet man immer seltener)
… anschließend hörten wir am Leipziger Platz Musik und sind in die Proben für den „Symphonic Mob“ – Ihr spielt die Musik (mit ca. 1000 Musiker jung und erfahren) gestolpert… bei „Méditation de Thaïs“ spielte Christian Tetzlaff; eine irre Überraschung … es war ja eh‘ schön sonniges Wetter, da haben wir uns dann auch die „Aufführung“ (noch mit Ausschnitten aus den Slawischen Tänzen, Méditation de Thaïs und den Triumphmarsch aus Aida angeschaut und angehört) gleich vorn bei den Geigen… der Chefdirigen vom Deutschen Symphonie Orchester, Robin Ticciati, hatte die vielen Musiker gut im Griff und war über die Resonanz hoch erfreut … das Musikfest ist zwar vorbei, aber irgendwie ist immer noch an vielen Ecken was los…es war auch schön zu erleben, um wieviel freundlicher und nachsichtiger viele Menschen werden, wenn in der Nähe schöne Musik erklingt… gerade von dem Herumgehetze, Geschubse und egoistischem Verhalten habe ich manchmal echt genug — das war so eine richtige Wohltat und zeigt, dass wir doch auch in einer Großstadt umsichtiger sein können.
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WerbungRückblick Saison 2018/19 – Teil 3: Urlaub in Italien
Dann ging es am 31. Mai in den Urlaub, nicht ganz zwei Wochen, für einmal wieder mit ziemlich viel Musik – Karten hatte ich für ein Jazzkonzert in Parma (vor der Casa della Musica sitzt einer der berühmtesten Söhne der Stadt, Arturo Toscanini, auf der Bank), ein klassisches in Bologna und eine Oper in Mailand, doch es kamen noch ein paar weitere kleinere Sachen dazu.
01.06.2019 – Museo del Violino, Cremona – den Auftakt machte bereits am nächsten Tag ein kleines Solorezital im Violinmuseum in Cremona, meinem ersten Halt. Dort werden diverse (modernisierte) Violinen von Stradivari, Guarnieri und Amati aufbewahrt und im kleinen Saal, der Teil des Museums ist, werden sie auch regelmässig vorgeführt. Dabei liegt die Geige schon dort, von einem bewaffneten Wachmann beaufsichtigt, der auch während dem Konzert nur wenige Meter entfernt stehen bleibt.
Am Sonntag spielte – um 12 Uhr mittags – die Geigerin Aurelia Macovei auf der „Clisbee“ (1669) von Stradivari ein buntes Programm. Los ging es mit Bach (Sarabande und Giga aus BWV 1004), dann Corelli (La follia) und Locatelli (Capriccio), schliesslich Ysaÿe (Malinconia, der 2. Satz aus der Sonate Nr. 2) und Kreisler (Rezitativ und Scherzo), Albéniz (Asturias – die eh schon nervig unruhigen Spanier tuschelten ganz aufgeregt), Coregliano (das Thema aus „The Red Violin“) und als Zugabe Piazzolla (Libertango). Der Anfang war etwas holprig, die Intonation schwierig, aber spätestens bei Locatelli hatte Macovei das Instrument im Griff und von da an entwickelte das dreiviertelstündige Konzert sich bestens.
Der Besuch des Museums lohnt auch sonst, es gibt nicht nur weitere Violinen sondern allerlei Saiteninstrumente zu sehen, von den ersten Vorgängern bis hin zu den im Rahmen regelmässiger Instrumentenbauwettbewerbe gebauten Geigen, Bratschen, Celli und Bässe. Und Cremona lohnt auf jeden Fall auch sonst einen kürzeren Besuch.
02.06.2019 – Museo Civico Ala Ponzone, Cremona – Am nächsten Tag, einem Sonntag, gab es 11 Uhr morgens ein Konzert im Museum, direkt gegenüber von wo ich wohnte. Darauf zu achten (auch auf Orgelkonzerte in Kirchen, falls das von Interesse ist) lohnt in Italien immer, war schon das vierte oder fünfte Mal, dass ich so ein Konzert hören konnte (in Mailand, Ferrara, Vicenza und jetzt auch in Cremona). Manchmal, wie in Cremona, ist der Eintritt frei (und das Museum mit seiner Gemälde- und beeindruckenden Instrumentensammlung konnte im Anschluss auch gleich kostenlos besucht werden), manchmal kostet es 10 oder 15€. Es sitzen allerlei Leute aus dem Ort da, von den alten, die gerade mit Knistertüten vom Einkauf kommen bis zur Familie, die ihre jungen Kinder aufgebröselt hat (es gibt sie noch, die gestrickten weissen Socken für kleine Mädchen) oder ihre Teenager-Kids mitschleppt, die auf dem Handy daddeln.
Leonardo Pellegrini an der Violine und Yevheniya Lysohor spielten um 11 Uhr ein schönes Programm. Los ging es mit der vierten Violinsonate von Beethoven (Op. 23), es folgten die dritte von Brahms (Op. 108), Saint-Saëns‘ Introduction et Rondo capriccioso Op. 28, Paganinis Adaption von Schumanns Capriccio Nr. 5 – Agitato, und als Zugabe die „Thaïs“-Meditation von Massenet. Pellegrini kam wohl da und dort an seine Grenzen, doch das Spiel der beiden war so lebendig und gerade die Geige so voller Feuer, dass dies dem Vergnügen wenig Abbruch tat.
04.06.2019 – Auditorium del Carmine, Conservatorio A. Boito, Parma – Die nächste Station war Parma, eine Stadt, die auf jeden Fall einen Besuch lohnt, eigentlich allein schon aus kulinarischen Gründen. Der tagesfüllende Ausflug nach Sabbioneta, eine Planstadt aus der Zeit der Gonzaga, die auf halber Strecke zwischen Parma und Mantua liegt, und die ich bei meinen bisher zwei Aufenthalten in Mantua (Top 5 meiner Urlaubsziele) nicht besucht hatte, war ein weiteres Highlight. An dem Abend des Tages, ich kam wegen eines verspäteten Zuges viel später als geplant zurück, ging es an ein kleines Konzert, das den Titel „Donne in Musica“ trug. Albert Stefani (Violine), Enrico Contini (Violoncello), Emanuela Degli Esposti (Harfe) und Pierluigi Puglisi (Klavier) bestritten das recht kurze Konzert, das um 20:30 in einem in eine ehemalige Kirche eingebauten Saal des Arrigo Boito gewidmeten Konservatoriums stattfand. Von Henriette Renié wurde das Andante aus dem Trio für Harfe, Violine und Violoncello gespielt, danach das Klaviertrio Op. 17 von Clara Wieck. Richtig gut war das nicht, gerade die Geige überzeugte mich nicht so wirklich, im Vergleich mit den beiden an den Tagen davor gehörten, aber egal, wo kriegt man schon Musik von Clara Schumann im Konzert geboten?
Parma ist übrigens auch Geburtsstadt von Arturo Toscanini, in dessen Geburtshaus ein kleines Museum eingerichtet ist, in dem zahlreiche Fotos, Briefe, Hefte mit Zeitungsausrissen usw. ausgestellt werden (unten die Neujahrsgrüsse von Puccini an die Familie Toscanini für das Jahr 1917). Die „Casa della Musica“, in der ich am 5.6. das Konzert von Nils-Petter Molvaer besuchte, umfasst neben dem Toscanini-Haus auch das Opernmuseum und die Casa del Suono direkt gegenüber. Vor dem Haupthaus, in dem das Opernmuseum untergebracht ist, sitzt Toscanini in Bronze auf der Bank (siehe Bild ganz oben).
Die Casa della Musica ist dreiteilig, das Geburtshaus von Toscanini liegt auf der anderen Seite des Flusses (der Parma heisst und einige Kilometer nördlich in den Po fliesst), direkt gegenüber dem Haupthaus (beim verlinkten Jazzbericht gibt es ein Bild aus dem Innenhof) liegt in einer weiteren ehemaligen Kirche die „Casa del suono“, wo es diverse tolle Geräte zu sehen gibt, die bis zu den Anfängen der Tonaufzeichnung und -wiedergabe zurück reichen, hier ein portables Grammophon von Thorens, das Modell „Excelda“ aus den Dreissigern:
Von Parma ging es weiter ins sehr entspannte Modena, das überraschenderweise mit einem hochkarätigeren Museumskomplex aufwarten kann. Die Museen sind im Palazzo dei Musei vereint, die Galleria Estense ist das Highlight, da werden diverse Schätze des Este-Clans gezeigt, auch Schmuck-Instrumente (man konnte ja noch keinen Ferrari kaufen, um zu protzen – auch das ein Produkt aus Modena, das mich allerdings deutlich weniger interessiert), so auch ein Cembalo aus Carrara-Marmor (es sah so aus, als sei es ev. mal funktionstüchtig gewesen, aber es klang wohl … wie Stein):
08.06.2019 – Teatro Auditorium Manzoni, Bologna – In Modena gab es keine Live-Musik, aber das war da auch völlig egal. Fürs Wochenende ging es weiter nach Bologna und dort am Abend ins Abschlusskonzert der Saison des Orchestra Filarmonica di Bologna (OFBO), das unter Leitung seines Dirigenten Hirofumi Yoshida und mit dem Gast Louis Lortié am Klavier ein feines Programm bot. Los ging es mit der Ouvertüre zu Mozart „Così fan tutte“ KV 588, dann folgte Mozarts Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll KV 466. In der zweiten Hälfte folgte Schuberts grosse Sinfonie C-Dur (Nr. 8 nach heutiger Zählung). Lortie spielte einen feinen Mozart, vielleicht da und dort eine Spur zu muskulös, aber doch recht schnörkellos und klar. Das Orchester war mir aber zu gross und zu unbeweglich, auch wenn Yoshida sich alle Mühe gab. Mit Schubert gelang dann aber ein grossartiger Abschluss, eine enorm mitreissende Performance – für mich die bisher erste Gelegenheit, dieses Werk im Konzert zu hören.
In Bologna war ich vom Museo internazionale e biblioteca della musica schwer beeindruckt. Neben Instrumenten und Gemälden umfasst die Sammlung zahlreiche Autographen und frühe Drucke. Gezeigt werden u.a. welche von Mozart, Isaac, Kapsberger, Gorzanis, Willaert, Verdelot, Arcadelt, Frescobaldi, Paisiello, aber auch die Partituren (im Manuskript) zu Verdis „Macbeth“ und Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“. Und auch ein Grammophon-Möbel, das einst Respighi gehört hat, fehlt nicht, gespendet hat es Adriano.
Enorm eindrücklich war in Bologna auch der Besuch der Ausstellung „Anthropocene“ im MAST (Manifattura di Arti, Sperimentazione e Tecnologia). In vielem schloss das dort Gezeigte – eine Art Thesen-Ausstellung, die für die Annahme eintritt, dass das Erdzeitalter des Holozäns beendet und das Anthropozän begonnen hat – an Dinge an, die schon bei der Triennale in Mailand, in der kuratierten Hauptausstellung aber teils auch in den Pavillons/Ausstellungen der teilnehmenden Länder, zur Rede kamen. Hier die Website zum Thema, von den drei, die die zur Ausstellung gemacht haben. Am Abend bot sich dann im Rahmen des Biografilm Festivals die Gelegenheit, den Film „What’s My Name: Muhammad Ali“ von Antoine Fuqua zu sehen, auch das lohnenswert. Unten Seiten aus den „Misse“ von Heinrich Isaac (Venedig, Ottaviano Petrucci, 1506) aus dem Museum in Bologna.
Die letzten zwei Tage verbrachte ich in Mailand, nutzte die Gelegenheit, mir die volle Leonardo da Vinci-Dröhnung zu geben (u.a. Sonderausstellung in einem der Obergeschosse in der Galleria Vittorio Emanuele II („Leonardo3 Museum“), die endlich fertig renovierte Sala delle im Castello sforzesco (mit Video/Ton-Show, in Echt sieht man leider praktisch nichts mehr, das Abendmal ist direkt gut erhalten im Vergleich), zudem ein erster Besuch in der Ambrosiana, die mit einer enorm eindrücklichen Sammlung aufwartet (und auch ein paar Vitrinen mit Manuskripten von Leonardo ausstellte), sowie „Leonardo – La macchina dell’immaginazione“ im Palazzo Reale, wo ich allerdings hauptsächlich wegen der Ausstellung „Ingres e la vita artistica al tempo di Napoleone“ hin bin, die auch wirklich gut war.
10.06.2019 – Teatro alla Scala, Milano – den Tag meiner Ankunft in Mailand verbrachte ich allerdings ruhig. Abends ging es in die Scala, wo Die tote Stadt von Erich Wolfgang Korngold gegeben wurde. Eine beklemmende Oper, die 1920 uraufgeführt worden ist und dieses Jahr zum ersten Mal überhaupt in Italien aufgeführt wurde. Dass das Publikum sich mit anderer als italienischer Oper etwas schwer tut konnte ich in der Scala inzwischen schon mehrfach beobachten (es war dies die fünfte Oper, die ich dort sah, und die sechste Aufführung, da ich zu Kurtágs „Fin de partie“ gleich zweimal hin bin), aber das Orchester hat unter Chaillys Leitung wohl grosse Fortschritte gemacht und kam mit der symphonischen Musik bestens zurecht. Üppige Spätestromantik, die unter der Leitung von Alan Gilbert aus dem Graben erklingt, während Graham Vick eine sehr gute, bildstarke Inszenierung lieferte. Ein Psychodrama entfaltet sich im Laufe des Stückes, das mit grosser Genauigkeit und gutem Timing ein stimmiges Ganzes ergab. Klaus Florian Vogt sang den Paul, der hier nicht als Psychopath sondern als verwirrter, vereinsamter Mensch dargestellt wurde, der vergeblich versucht, seine verstorbene Frau wieder auferstehen zu lassen. Asmik Grigorian, die in Salzburg eine grossartige Salomé sang (Salzburg mag ich mir wohl nicht in echt antun, das Drumherum scheint viel zu übel zu sein, aber im Fernsehen gucke ich gerne mal was, der „Rosenkavalier“ von vor ein paar Jahren und Sellars „La clemenza di Tito“ war natürlich auch grossartig), schien sich als Marietta, das frivole Mädchen, das als Doppelgängerin der toten Ehefrau auftritt, auch an diesen Salzburger Erfolg zu erinnern, doch war ihr Enthüllungstanz hier ein seelischer. Ich war im Vorhinein nicht so wirklich darauf gefasst, dass das ein so toller Abend werden würde – die Scala bietet jedenfalls momentan unter dem gestrauchelten Pereira gerade so interessantes Musiktheater wie nur selten, mit Kurtág, Korngold und dann im November auch noch der Strauss-Rarität „Die ägyptische Helena“ (zu der ich es aber nicht schaffe … für Herbst 2020 ist aber wieder ein Besuch geplant, dann gibt es ein Doppelprogramm mit Schönbergs „Erwartung“ und Nonos „Intolleranza 1960“ – mit Zubin Mehta, den ich überhaupt nicht kenne bisher ).
11.06.2019 – Museo del 900, Milano – Am folgenden Tag gab es den erwähnten Leonardo-Marathon und um 17 Uhr noch eins dieser Museumskonzerte. Die Pianistin Alessandra Garosi spielte im Museo del 900 ein Konzert, das mit einem Stück von Giorgio Gaslini begann, „Piano Felix“ über ein Motiv von Mendelssohn. Weiter gintg es mit „Dal suono al suono“ von Armando Genitlucci, Fabrizio De Rossi Res „Naufragio Bösendorfer“, der „Czerny Prelude“ von Henryk Gorecki, Auszügen aus „Zodiaco“ von Damiano Santini und schliesslich als Zugabe „Greenings“, die Klavier-Solo-Version eines Stückes, das Garosi ursprünglich als Duo mit der Koto-Improvisatorin Kinjin Funatsu erarbeitet hatte. Ein recht spezielles Programm, ausser Gorecki (von dem ich aber noch nie Klaviermusik gehört hatte) war mir nur der auch als Jazzer bekannte Gaslini vertraut. Das war sehr gut gespielt, allerdings war die Lage des kleinen Raumes, direkt neben dem Ausgang der Ausstellungsräume und vor dem Museumsshop, nicht gerade ideal (der Shop immerhin war zu während des Konzertes).
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Hier der guten Ordnung halber noch das komplette Line-Up zu „Die tote Stadt“ von Korngold in der Scala:
Conductor Alan Gilbert
Staging Graham Vick
Sets and costumes Stuart Nunn
Lights Giuseppe Di Iorio
Choreography Ron HowellPaul Klaus Florian Vogt
Marietta Asmik Grigorian
Frank/Fritz Markus Werba
Brigitta Cristina Damian
Juliette Marika Spadafino*
Lucienne Daria Cherniy*
Victorin Sergei Ababkin*
Graf Albert/Gastone Sascha Emanuel Kramer*Student of the Teatro alla Scala Academy
Teatro alla Scala Chorus and Orchestra
Treble Voices Chorus of the Teatro alla Scala Academy--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbayaiza
Schöner Rückblick! Vielen Dank für’s Mitnehmen…Danke für die Rückmeldung! Ich „arbeite“ das gerade endlich alles auf … fehlt mir ja selbst, wenn ich nicht irgendwo nachgucken kann, was ich denn so alles hörte (so genau notiere ich das nicht in meine Agenda).
yaiza
gypsy-tail-wind
und in alter Aufstellung, also zweite Geigen vorne rechts – finde ich sollte man immer so machendie alte Aufstellung gefällt mir auch … die Celli neben den ersten Geigen und dahinter die Bässe – sieht schon toll aus…ich hatte ja gestaunt, dass das US- Youth Orchestra auch in dieser Aufstellung spielte…irgendwo hatte ich gelesen, dass diese in den USA unter „wrong seating“ läuft, aber für Prokowjew 5 passte das auch voll…
Wrong Seating – witzig! Es kann schon sein, dass es z.B. bei neuer Musik nicht gut ist, ich glaube beim Lucerne Festival neulich, als Rattle mit dem LSO Messiaen und Abrahamsen spielte, sassen z.B. die Geigen direkt nebeneinander, dafür sassen rechts an der Bühnenkante nicht die Celli sondern die Bratschen, die quasi mit den Celli den Platz getauscht hatten… das hatte ich auch noch nie gesehen (kann aber sein, dass das die letzte Kombinationsvariante war, die mir noch fehlte … vorausgesetzt natürlich, die ersten Violinen sitzen immer vorne links, dazu sah ich bisher noch keine Alternativen). Herbert Blomstedt, der bald wieder in Zürich auftreten wird (Mitte Dezember, KV 338 und Bruckner 4) spielt z.B. immer in der alten Aufstellung (ich glaube die heisst auch „deutsche“, aber wie das alles genau funktioniert bzw. wie sich das entwickelte, weiss ich nicht).
yaiza
gypsy-tail-wind
Zürich, Tonhalle-Maag – 02.05.2019 Rudolf Buchbinder Klavier Zürcher Kammerorchester … Das ZKO trat jedenfalls sehr beweglich und glasklar aufIch habe schon für Anfang März Karten für’s ZKO (Programm mit Elgar, Massenet, Schönberg…) Bin ich auch schon gespannt.
Da wirst Du wohl ein Programm hören, für das ich keine Karten kaufte … ist wohl dieses Konzert hier?
https://zko.ch/events/zko-on-tour-deutschland-tournee-20-berlin/
Dass Du gerade auch noch Massenets „Thaïs“-Meditation erwähnst, machte mich schmunzeln, siehe Urlaubsbericht, Cremona, die beiden jungen im Duo-Rezital … das Ding mit Hope zu hören muss aber toll sein, ich bin da ganz nostalgisch, die grossen Alten (Michael Rabin vor allem!) haben es mir mit solchen Stücken völlig angetan (schon als ich vor inzwischen knapp 10 Jahren mit Klassiköhren anfing). Ich freue mich derweil darauf, beim Saison-Eröffnungskonzert des ZKO Hope mit dem Mendelssohn-Konzert zu hören, vielleicht am Ende mein liebstes Violinkonzert überhaupt.Meine nächsten Termine (heute in einer Woche geht es in der Oper los) – Isabelle Faust ist ja auch mit dabei, aber die Akademie für Alte Musik würde ich in der Tat auch gerne mal im Konzert hören:
Sa 28.9. – Opernhaus – Janácek: Die Sache Makropoulos (Hrusa)
So 29.9. – Tonhalle-Maag – Pavel Haas Quartet (Schulhoff 1, Dvorák 12, Tschaikowsky 3)
Do 3.10. – Tonhalle-Maag – TOZ, Järvi (Sibelius: Kullervo)
Sa 12.10. – Theater Basel – Nono: Al gran sole carico d’amore (NZZ-Kritik)
Do 17.10. – Tonhalle-Maag – TOZ, Herreweghe, Faust (Beethoven VC, Schumann 2)
Fr 18.10. – Opernhaus – Lachenmann: Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (Hermann, Spuck)
So 20.10. – Stadthaus, Winterthur – Emmanuel Pahud/Eric LeSage (Reinecke, Beethoven, Dutilleux, Prokofiev)
Di 22.10. – Tonhalle-Maag – ZKO, Hope (KV 546, Mendelssohn, Rutter, Tschaikowsky)
So 27.10. – Miller’s (TOZ) – Literatur & Musik (Gubaidulina, Ustwolskaja, Tabakova)TOZ = Tonhalle-Orchester Zürich, auch Veranstalter – und Heimat der MusikerInnen – beim letzten der Termine, bei dem neben Werken der drei genannten Komponistinnen auch Hannelore Hoger aus „Und ich dachte – Abschiedsbriefe von Frauen“ (hg. Sibylle Berg) lesen wird … needless to say, dass ich primär wegen der Musik hingehe …
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht. Ein Genuss, das zu lesen!
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Rückblick Saison 2018/19 – Teil 4
Nach dem Urlaub ging es in Zürich gleich weiter … ich kam ja eben bereits Mitte der zweiten Woche heim, weil ich Ende der Woche noch Karten für zwei Konzerte hatte, die ich nicht verpassen wollte. Abgekürzte bzw. zu kurz geratene Urlaubsreisen wegen Konzerten, die ich ohne viel zu überlegen buche sind leider die letzten zwei Jahre fast schon zur Regel geworden (ich guckte nur auf Überschneidungen mit anderen Konzerten, die Urlaubslücken suche ich erst im Anschluss … das muss ich wieder ändern, für nächstes Jahr ist drum der Juni prophylaktisch mal leer, dass Augustin Hadelich mitten im Monat in Winterthur auftritt und ich nicht da bin, muss ich wohl hinnehmen, so wie ich diesen Juni akzeptieren musste, dass ich leider die Chance verpasste, Isabelle Faust – auch im St. Peter – ein zweites Mal mit dem ganzen Solo-Bach zu hören; das erste Mal, vor einigen Jahren in der Kölner Philharmonie, war absolut grossartig).
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Zürich, St. Peter – 13.06.2019
Zürcher Kammerorchester
Fabio Biondi Violine, LeitungWOLFGANG AMADEUS MOZART Sinfonie Nr. 11 D-Dur KV 84
CARLO MONZA Sinfonia D-Dur „La tempesta di mare“
GIOVANNI BATTISTA SAMMARTINI Sinfonia G-Dur für Streicher und B.c.
WOLFGANG AMADEUS MOZART Sinfonie Nr. 10 G-Dur KV 74
ANGELO MARIA SCACCIA Concerto Es-Dur für Violine, Streicher und B.c.
ANTONIO BROSCHI Sinfonia D-Dur
WOLFGANG AMADEUS MOZART Sinfonie Nr. 13 F-Dur KV 112Also, kaum zurück ging es am Donnerstag wieder zum ZKO, zum zweiten Programm mit Barockmusik und einem Gastdirigenten, der auch Violine spielt. Nach Enrico Onofri war nun also Fabio Biondi an der Reihe – und mit ihm wurde das Orchester nochmal lebendiger und agiler als ich es sonst kannte. Zumindest hinterliess mir das Konzert diesen Eindruck. Die Mozart-Symphonien waren beschwingt und mit der Würze von Biondis Interpretation sehr unterhaltsam. Biondi ist aber auch einer der Musiker, die mir in solchem Repertoire (nicht zuletzt mit Vivaldi) einer der liebsten ist. Das Progamm fokussierte auf Mozarts Reise nach Italien, die (mit einer Unterbrechung) drei Jahre dauerte. Im Zentrum stand dabei Mailand – Musik, die Mozart in der Zeit geschrieben hat, Musik aber auch von anderen Komponisten, die MOzart damals hätte gehört haben können. Mozart war Schüler von Sammartini, der als Kapellmeister in Sant’Ambrogio waltete (und der wie die anderen gespielten Komponisten auch Auftritte Mozarts in Mailand erlebte). Im Violinkonzert von Sciacca war Biondi dann auch noch in einem ausgereiften Solo-Part zu hören, nicht nur als Geiger am ersten Pult. Ein wunderbares Konzert, und auch eine Art Konzert, von der ich gerne mehr hätte (eines kam noch, mit La Scintilla und Minasi, s.u.).
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Zürich, Tonhalle-Maag – 14.06.2019
Tonhalle-Orchester Zürich
Kent Nagano Leitung
Yi-Chen Lin 2. Dirigentin (Ives)
Georg Köhler 3. Dirigent (Ives)
Patricia Petibon Sopran
Florian Hoelscher Klavier
Zürcher Sing-Akademie
Michael Alber EinstudierungMATTHIAS PINTSCHER Fünf Orchesterstücke
MAURICE RAVEL „Shéhérazade“, Trois poèmes sur des vers de Tristan Klingsor für Gesang und Orchester
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CHARLES IVES Sinfonie Nr. 4Am Abend drauf gab es ein sehr besonderes Konzert – also fürwahr Grund genug, den Urlaub kürzer zu halten. Die NZZ berichtete nicht, stattdessen gab es vorab einen ausführlichen Probenbericht:
https://www.nzz.ch/feuilleton/kent-nagano-er-sprengt-die-tonhalle-maag-ld.1488480
Die Dramaturgie des Abends verstand ich nicht ganz, jedenfalls fielen die Stücke von Pintscher auch hier wieder etwas ab, um höflich zu bleiben … Petibon im Konzert zu hören war natürlich Pflicht, wo ich denn schon einmal die Chance bekam – und sie enttäuschte nicht, „berückend schön“ sang sie Ravels „Shéhérazade“, ein Werk, dem allerdings ganz wie dem von Pintscher „Ives‘ utopische Kraft fehlt“ (Susanne Kübler, Tagesanzeiger, 15.06.2019, S. 47). Nach der Pause fand sich ein riesiger Apparat auf der Bühne und sonstwo im Saal ein und es erklang unter Naganos fachkundiger Leitung eine enorm beeindruckende Musik, auf die ich überhaut nicht gefasst war. Ich sollte mich wohl unbedingt mal näher mit Ives befassen, kenne da bisher nur Weniges (z.B. die Violinsonaten) und dieses Wenige auch nicht gerade gut. Ein buntes Nebeneinander von Stilen, von Metren und Melodien, eine Art organisiertes Chaos, das in seiner Wirkung aber immens war, und erschlagend. Und auch von der Art, wie es auf Tonträgern eh nicht abgebildet werden kann, das ist klar.—
Luzern, KKL – 18.06.2019
Krystian Zimerman Klavier
JOHANNES BRAHMS
Klaviersonate Nr. 3 f-Moll Op. 5
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FRÉDÉRIC CHOPIN
Scherzo Nr. 1 h-Moll Op. 20
Scherzo Nr. 2 b-Moll Op. 31
Scherzo Nr. 3 cis-Moll Op. 39
Scherzo Nr. 4 E-Dur Op. 54Ein paar Tage später ging ich nach Luzern, leider völlig übermüdet, aber ein Rezital von Krystian Zimerman ist ja, wenn man nicht in „seiner“ Gegend im Süden Deutschlands lebt, wo er anscheinend auch mal incognito auftritt, eine ziemliche Seltenheit, und das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Was ich mit Brahms‘ dritter Klaviersonate anfangen soll, weiss ich noch immer nicht so genau, obwohl ich sie schon öfter und von verschiedenen Interpreten anhörte. Vermutlich komme ich ihr mit Claudio Arrau irgendwann auf die Schliche, ich hoffe es jedenfalls. Nach der Pause spielte Zimerman die vier Scherzi von Chopin, die ich sehr gerne mag, und das war auch ein ziemlicher Leckerbissen. Irgendwann (nach dem dritten, glaube ich?) musste noch sein getunter Flügel repariert werden, es hatte davor im Innern öfter mal zu scheppern begonnen … doch Zimerman liess sich davon nicht aus der Ruhe bringen und musizierte mit höchster Konzentration. Aber Zugaben – wie er sie nach dem gleichen Programm in Berlin spielte – gab es in Luzern dann doch nicht. Vielleicht war die Laune dahin, vielleicht lag es doch am Flügel – am Publikum eher nicht, nehme ich an.
Veranstaltet wurde das Konzert übrigens vom Luzerner Sinfonieorchester, das ich bisher erst als Opernorchester im Luzerner Theater gehört habe. In der kommenden Saison gibt es im Programm des Orchesters ein Saint-Saëns-Festival, zu dem ich ein paar Mal gehen werde. U.a. werden an zwei Abenden alle fünf Klavierkonzerte mit fünf verschiedenen SolistInnnen aufgeführt (es dirigiert Lawrence Foster, die Solo-Parts spiele Arghamanyan, Chamayou, de la Salle, Goerner und Armstrong), dazu gibt es auch noch Kammermusik u.a. wieder mit Lise de la Salle, dem Quatuor Zaïde und anderen. Doch das alles findet erst Ende Mai 2020 statt … bis dahin habe ich das Orchester wohl wieder als Opernorchester erlebt, oder auch nicht – die letzte Saison mit Benedikt von Peter sieht für mich etwas weniger interessant aus, der erste Termin mit einem Programm mit Monteverdi-Madrigalen findet selbstredend ohne das Orchester bzw. mit ein paar Spezialisten statt.
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Zürich, Tonhalle-Maag – 21.06.2019
Tonhalle-Orchester Zürich
Krzysztof Urbanski Leitung
Jean-Yves Thibaudet KlavierLEONARD BERNSTEIN Ouvertüre zu „Candide“
GEORGE GERHSWIN Concerto in F
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WITOLD LUTOSLAWSKI Konzert für OrchesterJean-Yves Thibaudet hatte ich im Herbst 2018 schon bei einem wunderbaren Kammermusik-Abend gehört, Krzysztof Urbanski ist mir durch seine alpha-Releases ein wenig bekannt … die ganze Kombination mit den Werken auf dem Programm schien doch recht vielversprechend (Lutoslawksi hat Urbanski mit dem NDR Sinfonieorchester auch für alpha aufgenommen, ich kann aber nicht behaupten, dass mir die Einspielung oder überhaupt das Werk bisher richtig vertraut sind). Es kam jedenfalls alles viel besser als erwartet … schon in der „Candide“-Ouvertüre mit ihren mir leider (Militärmusik, eine „Candide“-Suite für Blasorchester rauf und runter gespielt, war aber trotz allem musikalisch etwas vom besten in der Zeit, die sicher nicht zu den besten zählt) sehr vertrauten vielen kleinen Motiven tänzelte Urbanski auf dem Pult, dirigierte oft aus dem Handgelenk und mit den Fingern. Das Orchester reagierte sehr gut auf ihn, es wurde lustvoll aber doch fokussiert gespielt. Der Gerswin klang dann erst recht frech, ganz wie Urbanskis Frisur und Thibaudets diesmal eher zurückhaltende elegante punk-angehauchte Garderobe (er trägt wohl u.a. gerne Vivienne Westwood). Die Verbindung von Ernstem und Unterhaltung von Klassik und Jazz, gelang jedenfalls mit dem Gespann Thibaudet/Urbanski ganz hervorrragend (viel besser etwa als Zimerman/Zinman etwas mehr als ein Jahr früher mit Bernsteins „The Age of Anxiety“, von dem Zimerman dann aber mit Rattle eine hervorragende CD herausgebracht hat, sicher einer der Hits des Bernstein-Jahres). Nach der Pause trat dann erstmal der Klarinettist Florian Walser nach vorne und erklärte – mit Musikbeispielen, die er gleich selbst für kleine Instrumentengruppen arrangiert hatte – das folgende Werk von Lutoslawski. Es wurden die Liedmelodien präsentiert, die ins Orchesterwerk eingeflossen sind und so der Volksmusikbezug von Lutoslawskis Konzert für Orchester erläutert. Danach wurde das Ding natürlich auch noch gespielt (Urbanski wie bei Bernstein ohne Partitur, bei Gershwin hatte er eine dabei) – und die Aufführung beeindruckte. Urbanski hat das Werk wohl durch und durch begriffen und es gelang ihm offensichtlich, seine Sicht bei den Proben auf das Orchester zu übertragen und dieses mitzureissen zu einer rundum gelungenen Aufführung, die ein hervorragendes Konzert noch besser machte.
Einmal mehr denkt man danach: warum wird nicht viel häufiger Musik aus dem 20. (und inzwischen dem 21.) Jahrhundert gespielt. Klar, es kommen ein paar Leute weniger, ein paar Leute mehr scharren mit den Füssen und rascheln mit den Programmheften aus pathologischen Gründen, doch ein Lernprozess muss halt manchmal auch ein wenig schmerzen (und gerade die nervigen Übersprungsstörer würden doch solchen altmodischen Idealen eilfertig beipflichten).
Eine Rezension steht auf Seen and Heard International:
https://seenandheard-international.com/2019/06/fine-tonhalle-zurich-performances-of-gershwin-and-lutoslawski-from-urbanski-and-thibaudet/—
Zürich, Tonhalle-Maag – 28.06.2019
Tonhalle-Orchester Zürich
Herbert Blomstedt Leitung
Janine Jansen ViolineJOHANNES BRAHMS
Violinkonzert D-Dur Op. 77
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Sinfonie Nr. 3 F-Dur Op. 90Eine Woche später schloss in der Tonhalle eine sehr vergnügliche Zwischensaison mit einem lieben Gastdirigenten und ein letztes Mal mit der artist in residence, die im Laufe der Saison mehrmals in grossartiger Form zu hören war (im Dezember mit dem Violinkonzert „Einsame Fahrt“ von Anders Eliasson, im Januar bei einem superben Konzert mit Järvi in Mozarts KV 219 und im März in einem feinen Rezital mit dem Pianisten Alexander Gavrylyuk, ihren Saisonstart mit Berg liess ich – im Nachhinein: leider! – aus, weil ich von dem Konzert relativ kurz davor eine fabelhafte Aufführung mit Patricia Kopatchinskaja und Teodor Currentzis beim Tonhalle-Orchester gehört hatte, von der ich ausging, dass sie eh nicht zu toppen ist … aber Jansen würde ich im Nachhinein eine eigene Version auf Augenhöhe absolut zutrauen).
Brahms und Blomstedt also, und gleich nochmal die dritte Symphonie, die ich im Frühling schon in Winterthur mit Zehetmair gehört habe. Bei Blomstedt klang das alles weicher und voller, weniger schroff, aber auch ähnlich klar und transparent wie bei Zehetmair. Es wurde sorgfältig musiziert, klug, mit grosser Wärme. Im Violinkonzert auch von Jansen, die im so vertrauten Werk (ich hörte es wohl zum dritten Mal im Konzert: Frank Peter Zimemrmann mit dem Tonhalle-Orchester unter David Zinman und zuletzt im Mai 2018 mit dem COE unter Antonio Pappano und Lisa Batiashvili) unendlichen Reichtum zu offenbaren schien. Wie Jansen die Einzelteile zusammenfügte, das Werk quasi in Echtzeit erst zusammenzusetzen schien – und dabei dennoch die grossen Bögen immer souverän im Blick hatte, war unglaublich eindrücklich.
Blomstedt, der wenig später 92 Jahre alt wurde (ich hörte im Sommer am Schalter der Tonhalle, er plane bereits seinen Auftritt zu seinem 100. Geburtstag – wäre natürlich wunderbar, wenn er und wir das erleben dürften, der Mann wirkt ja immer noch frisch und auch körperlich ziemlich fit), erwies sich als Geistesverwandter, auch er einer, der sich feinfühlig in die Musik hineinhört und dennoch als Interpret einen klaren Ansatz zum Vorschein treten lässt. Da passte einfach alles – wie schon gegen Ende der Saison 2016/17, noch in der alten Tonhalle mit den Sinfonien Nr. 7 und 8 von Beethoven und zuletzt im Juni 2018 beim Abschlusskonzert der Tonhalle-Saison 2017/18 mit Julia Fischer im Mendelssohn-Konzert – eine hohe Messlatte für Daniel Hope, doch mit dem ZKO wird das eh ganz anders! – und Mahlers erster Symphonie, und auch das ein grosser Abend).
So hoffe ich denn, ganz wider jede Vernunft, dass ich ihn noch viele Saisons jährlich mit dem Tonhalle-Orchester werden hören können.
Hier eine Rezension von Seen and Heard International:
https://seenandheard-international.com/2019/06/blomstedts-beautiful-brahms-at-tonhalle-zurich/—
4. La Scintilla-Konzert, Zürich, Opernhaus – 01.07.2019
Orchestra La Scintilla
Riccardo Minasi Leitung, ViolineARCANGELO CORELLI Concerto grosso F-Dur Op. 6/9
GIUSEPPE VALENTINI Concerto grosso a-Moll Op. 7/11 für vier Violinen
PIETRO ANTONIO LOCATELLI Concerto grosso D-Dur Op. 1/5
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GIOVANNI BATTISTA PERGOLSEI Sinfonia für Streicher F-Dur
GAETANO ZAVATERI Concerto grosso G-Dur Op. 1/1
GIUSEPPE ANTONIO BRESCANIELLO Sinfonia F-Dur Op. 1/5
ANTONIO VIVALDI Concerto für vier Violinen F-Dur Op. 3/7 RV 567Als „Giro d’Italia“ war das letzte der vier Konzerte überschrieben, das Riccardo Minasi mit dem HIP-Ensemble des Opernhauses spielte. Barockmusik auf alten Instrumenten mit einem guten Leiter/Solisten? Nichts wie hin! Die Reise führte von Rom (Corelli) nach Florenz (Valentini) und Bergamo (Locatelli) und im zweiten Teil von Neapel (Pergolesi) über Bologna (Zavateri, Brescaniello) nach Venedig (Vivaldi, klar). Es wurde nachvollziehbar, wie Corelli (geboren 1653) und seine Nachfolger (der jüngste von ihnen ist Pergolesi mit Jahrgang 1710, zwanzig Jahre nach den beiden Bolognesi) die Orchestermusik formten – natürlich aus dem Geist der kleinen Formation und mit viel solistischen Einsätzen, bei denen auch diverse Orchestermitglieder glänzten. Ganz so mitreissend wie bei Fabio Biondi gelang das alles in allem wohl nicht, was aber auch mit dem übergrossen Raum zu tun haben mag. Die Musiker stehen bei diesen Konzerten im vordersten Bereich der Bühne, die mit einem Vorhang verschlossen wird und auf dem hochgefahrenen Orchestergraben (was den Blick erschwert und frühe Kartenkäufe in der vordersten Reihe erwünscht macht, denn sitzt man in der zweiten oder dritten Reihe – ich gehe auch bei Konzerten nie ins Parkett, trotz Einheitspreis – ist der Winkel schlecht und man sieht mehr von den Hinterköpfen der Vordersitzer als von der Bühne …
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Noch war die Saison nicht zu Ende – das Opernhaus hat sich angewöhnt, den Betrieb jeweils noch ein paar Tage länger laufen zu lassen, als die Tonhalle (die Sommerpausen dauern hier in der Regel fast drei volle Monate: Juli, August und September). Ich nutzte das und ging in zwei Wiederaufnahmen und eine Neuproduktion, doch dazu – und zu den vier Konzerten am Lucerne Festival Ende August und Anfang September – komme ich dann morgen!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaRückblick Saison 2018/19 – Teil 5: Summer at the Opera
Der Abschluss der Saison ging wie erwähnt in der Oper über die Bühne – für drei Aufführungen hatte ich noch Karten, alle schon mehr als ein Jahr davor gekauft, und eigentlich alle wegen jeweils einer Sängerin: Regula Mühlemann als Susanna, Anja Harteros als Donna Leonora und Everlyn Herlitzius als Elektra. Dass beim Figaro Ottavio Dantone, bei der Elektra Simone Young am Pult standen, schmälerte die Vorfreude natürlich auch nicht – dass bei ersterem aber nicht La Scitilla sondern die Philharmonia zum Einsatz kam vielleicht eine Spur, doch das war unbegründet, denn die MusikerInnen sind inzwischen alle getrimmt auf gutes, durchsichtiges Spiel bei alter, älterer Musik (wenn Barock gespielt wird, kommt wohl immer La Scintilla zum Einsatz, bei Mozart gibt es beides), und wenn ein Mann wie Dantone am Pult steht, klappt das auch sehr gut.
Viel kann ich zu diesen Inszenierungen nicht mehr schreiben, alle lohnten aus der einen oder anderen Perspektive sehr, auch wenn Mozart und auch Verdi keineswegs rundum gelungen waren, wenn man vom Ziel, Musiktheater zu machen, ausgeht.
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Zürich, Opernhaus – 03.07.2019–
Le nozze di Figaro
Opera buffa in vier Akten von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Libretto von Lorenzo da Ponte, nach der Komödie «La folle Journée ou Le Mariage de Figaro», von Pierre Augustin Caron de BeaumarchaisMusikalische Leitung Ottavio Dantone
Inszenierung Sven-Eric Bechtolf
Bühnenbild Rolf Glittenberg
Kostüme Marianne Glittenberg
Lichtgestaltung Jürgen Hoffmann
Choreinstudierung Janko KastelicIl Conte di Almaviva John Chest
La Contessa Golda Schultz
Susanna Regula Mühlemann
Figaro Alexander Miminoshvili
Cherubino Samantha Hankey
Marcellina Liliana Nikiteanu
Bartolo Michael Hauenstein
Basilio Martin Zysset
Barbarina Yuliia Zasimova
Don Curzio Leonardo Sánchez
Antonio Valeriy MurgaPhilharmonia Zürich
Zusatzchor des Opernhauses Zürich
Continuo – Hammerklavier Caspar Dechmann
Continuo – Cello Claudius HerrmannSven-Eric Bechtolf ist für mich nach wie vor irgendwo zwischen rotem Tuch und gepflegter Langweile angesiedelt, warum der Mann überall angeheuert wird, begreife ich beim besten Willen nicht … aber eben: Regula Mühlemann als Susanna, das konnte ich einfach nicht verpassen. Ich verfolge ihren Weg inzwischen schon seit ein paar Jahren, habe sie als hervorragende Juliette (Gounod) in Luzern gesehen und gehört, und auch schon zweimal im Konzert (Links finden sich bei den Zeilen über „Roméo et Juliette“), und dann eben auch noch als Echo bei Strauss in Mailand. In der kommenden Saison klappt es wohl nicht, aber die gute ist ja noch jung und hat hoffentlich noch viele Jahre als Sängerin vor sich. Sie sang eine schnörkellose, liebenswürdige Susanna, wenig Vibrato, grosse Klarheit, viel Wärme – die Stärke ihrer Stimme halt. Mit Golda Schultz war eine weitere aus Südafrika stammende Sängerin in der Rolle der Gräfin zu hören – sie sang phänomenal, das ganze Spektrum von Pianissimo bis zu den intensivsten Passagen mühelos meisternd, und dabei – wie Mühlemann – trotz der dämlichen Inszenierung berührend. John Chest als rauher Graf war auch sehr okay, auch wenn die Figur, aber es war der befreit agierende Alexander Miminoshvili in der Titelrolle, der die Herzen des Publikums gewann. Er schien in seiner Rolle förmlich aufzugehen (und das ganze Slapstick-Brimborium, das aufgefahren wurde, hinderte ihn nicht im geringsten). Schlechte Inszenierung, ausgezeichnet gesungen und wunderbar gespielt – aber mit geschlossenen Augen geniessen macht im Theater halt auch wenig Sinn.
Hier eine ausführliche Besprechung dieser Wiederaufnahme (die Premiere lief 2007), der ich mich anschliessen kann:
https://bachtrack.com/de_DE/kritik-nozze-di-figaro-bechtolf-dantone-chest-miminoshvili-schulz-oper-zuerich-juli-2019Zwei weitere Meinungen (Review und Kommentar drunter) hier:
https://seenandheard-international.com/2019/06/less-than-sure-footed-zurich-revives-its-2016-le-nozze-di-figaro/—
Zürich, Opernhaus – 07.07.2019
La forza del destino
Melodramma in vier Akten von Giuseppe Verdi (1813-1901)
Libretto von Francesco Maria Piave nach einem Drama von Angel de SaavedraMusikalische Leitung Fabio Luisi
Inszenierung Andreas Homoki
Bühnenbild Hartmut Meyer
Kostüme Mechthild Seipel
Lichtgestaltung Franck Evin
Choreographische Mitarbeit Kinsun Chan
Choreinstudierung Janko Kastelic
Dramaturgie Kathrin BrunnerDonna Leonora Anja Harteros
Don Carlo di Vargas George Petean
Don Alvaro Yonghoon Lee
Preziosilla Elena Maximova
Il Marchese di Calatrava, Padre Guardiano Wenwei Zhang
Fra Melitone Renato Girolami
Mastro Trabuco Jamez McCorklePhilharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Zusatzchor des Opernhauses Zürich
SoprAlti der Oper ZürichVerdi gehört wohl zur Oper Zürich so sehr wie zu jedem Haus in Italien – und so war es das Leitungsteam Andreas Homoki (Intendant) und Fabio Luisi (musikalischer Direktor), das sich Ende der Saison 2017/18 um die Neuinszenierung von „La forza del destino“ kümmerte. Bei der Premiere wirkte eine andere Besetzung mit, die wohl in den Hauptrollen eher schwächer besetzt war (siehe NZZ-Kritik unten), dafür waren J’Nai Bridges (Preziosilla) und Christof Fischesser (Marchese di Calatrava/Padre Guardiano) nicht dabei. Harteros aber war einmal mehr phänomenal und berührend – auch sie beherrscht natürlich die Kunst des Leisen. Eine grossartige Sängerin, die ich bei jeder Gelegenheit hören gehe (die nächste ist wohl im Mai 2020, wenn sie in der Tonhalle unter Janowski die „Vier letzten Lieder“ singen wird, mit Orchesterliedern von Strauss hörte ich sie vor ein paar Jahren schon einmal in der alten Tonhalle). Die Inszenierung war am Ende wohl recht schlüssig, das schwierige Stück kam jedenfalls halbweg aus einem Guss daher, die Buffonnade der Nebenfiguren bot einen Kontrapunkt, der die Haupthandlung hervortreten liess … doch, das passte bei aller Bonbon-Buntheit schon irgendwie ganz gut. Und Chor und Orchester waren super – Verdi ist wie gesagt home turf.
Hier die Rezension der NZZ zur Premiere in der Saison 2017/18:
https://www.nzz.ch/feuilleton/la-forza-del-destino-von-giuseppe-verdi-im-opernhaus-zuerich-ld.1389441Ach ja, ein PS: die Oper lief am Sonntagnachmittag, 14 Uhr – mitten im Zürifäscht (ja, heisst offiziell so), einer der grössten Volksverdummungsaktionen des Landes, immerhin nur dreijährlich durchgeführt, das volle Programm mit komplett abgesperrter Innenstadt, Fress- und Saufbuden überall, Achterbahnen usw., aber auch – mitten während der Oper – Flugshows mit diversen Flugzeugen und Helikoptern … erstaunlicherweise hörte man nur ein paar wenige Male und auch recht leise die Flugzeuge, wenn sie im Sturzflug das Tempo drosselten, mehr oder weniger über dem Dach der Oper (auf dem angrenzenden Platz war der wohl schlimmste Teil des Spektakels inkl. so ein „freier Fall“-Ding, kreischende Leute galore … panem et circenses, ça me fait vomir.
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Zürich, Opernhaus – 11.07.2019
Elektra
Tragödie in einem Aufzug von Richard Strauss (1864-1949)
Libretto von Hugo von Hofmannsthal nach seiner gleichnamigen Tragödie, nach der Tragödie von SophoklesMusikalische Leitung Simone Young
Inszenierung Martin Kušej
Bühnenbild Rolf Glittenberg
Kostüme Heidi Hackl
Lichtgestaltung Jürgen Hoffmann
Choreinstudierung Janko Kastelic
Dramaturgie Regula Rapp, Ronny DietrichKlytämnestra Waltraud Meier
Elektra Evelyn Herlitzius
Chrysothemis Tamara Wilson
Aegisth Michael Laurenz
Orest Christof Fischesser
Der Pfleger des Orest Alexander Kiechle
Die Aufseherin Marion Ammann
1. Magd Judith Schmid
2. Magd Deniz Uzun
3. Magd Irène Friedli
4. Magd Hamida Kristoffersen
5. Magd Natalia Tanasii
Die Vertraute Justyna Bluj
Die Schleppträgerin Yuliia Zasimova
Ein junger Diener Iain Milne
Ein alter Diener Richard WalshePhilharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus ZürichIn den letzten Wochen der alten Saison lief auch noch eine Neuproduktion von „Nabucco“, die mich aber wenig wunder nahm (auch wieder Homoki/Luisi – die NZZ berichtete). In den letzten Tagen lief aber auch eine Wiederaufnahme der Produktion von „Elektra“ aus der Saison 2003/04. Da ich ab den späten Neunzigern während 15 Jahren nicht mehr in die Oper ging, ermöglicht das, erfreuliche Dinge nachholen zu können, und wenn für eine Wiederaufnahme eine so feine Besetzung angeheuert wird, ist das erst recht eine Freude. Evelyn Herlitzius sang die „Elektra“ 2013 in Aix in einer phänomenalen Produktion von (Regie: Patrice Chéreau) – dass ich die Gelegenheit nicht verpassen konnte, sie in Echt zu hören, war klar. Tamara Wilson mag an alte Zeiten erinnern (die Diva muss dick sein) – aber ihr Gesang war unglaublich berührend, ein perfekter Gegenpol zur brennenden, zweifelnden, zerstörerischen Elektra. Mit Fischesser war zudem ein perfekter Orest am Start, und mit Waltraud Meier auch eine hervorragende Klytämnestra. Simone Young hatte das Orchester im Griff, die Dynamik wurde ausgeschöpft, die Musik von Strauss ausgelotet … ein überragender Abschluss!
Hier ein längerer Bericht:
https://seenandheard-international.com/2019/07/electrifying-elektra-at-zurich-opera/--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaLucerne Festival 2019
Immerhin vier mal schaffte ich es dieses Jahr ans Lucerne Festival. Einen ganzen Tag mit mehreren Konzerten oder eine Verbindung mit dem Jazzfestival Willisau stand dieses Mal nicht an, so fuhr ich halt ein wenig Zug – was seine Tücken haben kann …
Fast hatte ich den Start des Vorverkaufs verpasst und musste für einen nur mittelmässigen Platz beim letzten Konzert von Bernard Haitink ziemlich tief in die Tasche greifen (ein paar Stunden nur war ich zu spät, aber das Konzert war bald ausverkauft). Ein viertes und letztes Konzert ergab sich erst recht kurzfristig, als ich begriff, dass Montag vor zwei Wochen ein (lokaler) Feiertag war und ich also auch am Montagabend problemlos ins Konzert gehen kann (in Zürich mache ich das öfter, aber mit der Reise nach Luzern und der Heimfahrt danach wird es manchmal halt schon sehr spät).
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Lucerne Festival, KKL, Luzern – 20.08.2019
Chamber Orchestra of Europe
Bernard Haitink Leitung
Anna Lucia Richter SopranFRANZ SCHUBERT Sinfonie Nr. 5 B-Dur D 485 (1816)
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GUSTAV MAHLER Sinfonie Nr. 4 G-Dur (1899-1901)Das erste von Haitinks beiden Konzerten beim Festival fand schon wenige Tage nach dessen Beginn statt, auch das unter der Woche, aber ich musste natürlich zu beiden (obwohl ich Mahlers Vierte im Herbst davor schon mit Lahav Shani am Pult des Tonhalle-Orchsters und Lisa Larsson gehört hatte), und obwohl ich bei Schubert, mal von der grossen C-Dur abgesehen (siehe oben, Bologna im Juni 2019), meist unsicher bin (wenn nicht gerade Heinz Holliger zur Sache geht, für Holligers Schubert-Feyer im März 2020 in Basel habe ich schon eine Karte).
Aber gut, es ging unglaublich zart los, Haitink und das COE boten eine zurückgenommene, unendlich leise aber umso fesselndere Version der fünften Sinfonie Schuberts. Die Präzision, das kammermusikalische Zusammen, der kompakte Klangkörper, der natürlich auch satt und rund und laut klingen konnte – das war einfach nur unfassbar schön. Völlig verzaubert wankte ich in die Pause hinaus und bestellte einen Espresso, in der Hoffnung, bei Mahler nicht sanft zu entschlummern. Doch da bestand keine Gefahr, denn auch diese Aufführung war unglaublich fesselnd, ja geradezu magisch. Anna Lucia Richter (deren Schubert-Album „Heimweh“ vom letzten Jahr mir enorm gefällt) war superb, die (nur relativ) kleine Besetzung tat dem Werk gut, doch das Orchester wirkte in der Tat fast wie ein anderes und die Aufführung von Mahlers Vierter war unfassbar gut – hier gibt es eine ausführliche Rezension des Konzertes, die zu Mahler auch die Worte findet, an denen es mir – auch wegen mangelnder Vertrautheit mit der Vierten, mit Mahler überhaupt – fehlt:
https://seenandheard-international.com/2019/08/one-final-mahler-from-haitink-in-his-second-to-last-lucerne-concert/—
Lucerne Festival, KKL, Luzern – 25.08.2019
Igor Levit Klavier
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Klavierosnate Fis-Dur Op. 78 (1809)
Klaviersonatate Es-Dur Op. 7 (1796/97)
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Klaviersonate E-Dur Op. 14 Nr. 1 (1798)
Klaviersonate G-Dur Op. 14 Nr. 2 (1798)
Klaviersonate Es-Dur Op. 81a „Les Adieux“ (1809/10)Der zweite Besuch fand am Sonntag statt, an dem in Zug – auf halber Strecke also – auch das Eidgenössische Schwingfest stattfand, der wohl unförmigste Auswuchs der Flucht in die Märchen der erfundenen Traditionen, die in der städtischen Schweiz seit einigen Jahren so blüht. Der Zug also ziemlich gut gefüllt bis sich das Publikum der Konzertbesucher von den Heimatfans trennen durfte … doch dann blieb der Zug stehen bzw. rollte nur noch im Schritttempo dahin, und einige Kilometer vor Luzern folgte die Durchsage, dass der Zug ausfalle und man bitte auf den nächsten warten soll, der erst mit einiger Verspätung kam – was dazu geführt hätte, dass man in Luzern unter normalen Umständen erst nach der ersten Sonate in den Saal gelassen worden wäre. Doch ein paar Leute riefen wohl beim Festival und in der Tat: man wartete auf die Dutzenden Leute aus Zürich (ohne die das KKL eh gar nicht stattfinden könnte, seien wir ehrlich), und so begann Levits Konzert mit einer Viertelstunde Verspätung.
Auf dem Programm dieses zweiten Konzertes im Rahmen seines vollständigen Beethoven-Zyklus‘ in Luzern 2019/20 und 2020/21 stand eine Mischung von Sonaten, die für den privaten aber auch den öffentlichen Raum komponiert wurden: Opp. 7 und 14 widmete Beethoven zwei verschiedenen Schülerinnen, Op. 78 hingegen ist deutlich anspruchsvoller, während Op. 81a seinem Gönner und Klavierschüler Erzherzog Rudolph gewidmet ist, der sich mit seiner Familie 1809 aus dem belagerten Wien zurückziehen musste. (Das erste Konzert von Levit wäre am Abend nach dem ersten Haitink-Konzert gewesen, das lag schlicht nicht auch noch drin.)
Levits Darbietungen mögen nicht immer völlig schlüssig sein, doch sie scheinen mir stets interessant und halten da und dort auch eine Überraschung bereit. Mal scheint er mit der Lupe hinzuschauen, quasi ein Zoom in die Musik hinein zu bieten, dann nimmt er diese mit höchster Konzentration auseinander, zerlegt sie in seine Einzelteile. Darob geht hie und da wohl der Blick aufs Ganze ein wenig verloren oder die Tempi sind nicht mehr perfekt gewählt – aber dennoch: total faszinierend! Er entlockt dem Flügel auch eine breite Palette an Farben, die dem Reichtum von Beethovens Musik durchaus angemessen ist. Als Zugabe spielte er dann „Guernica“ von Paul Dessau, natürlich nicht, ohne ein paar Worte an das Publikum zu richten.
In der NZZ erschien eine Doppelrezension zu den beiden Rezitalen:
https://www.nzz.ch/feuilleton/lucerne-festival-existenzielle-erfahrung-die-zu-toenen-wird-ld.1504273Nach dem Konzert ging noch ins ebenfalls im KKL beheimatete Kunstmuseum Luzern und guckte die Jubiläumsschau Turner: Das Meer und die Alpen sowie die aktuelle Sammlungsschau an (die Räume sind recht klein, auch die Bestände der Sammlung werden laufend neu sortiert/präsentiert). Turner kam ich dadurch nicht unbedingt näher, dass die Sammlungsschau aber gerade einen Fokus auf die Schweiz um 1800 legte, als die Fake-Traditionen mitten in ihrem Entstehen waren, Herrschaften sich und ihre Angetrauten in Tracht portraitieren liessen, dass es sogar auch ein Gemälde eines Schwingfestes (auf einer schlichten Alpwiese, ohne Heineken-Stand, wie die das bloss überlebt haben?) gab, war natürlich besonders passend, denn im Zug zurück sass ich bald wieder unter Leuten, die vorzeitig vom Schwingfest heim fuhren und natürlich nur ein Gesprächsthema hatten (es sei denn, sie daddelten auf ihrem Handy und waren zu blöd, sich um ihre Kinder zu kümmern) (panem et circenses II).
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Lucerne Festival, KKL, Luzern – 06.09.2019
Wiener Philharmoniker
Bernard Haitink Leitung
Emanuel Ax KlavierLUDWIG VAN BEETHOVEN Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur Op. 58 (1805/06)
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ANTON BRUCKNER Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107 (1881-83) (ed. Nowak)An diesem Freitag (das ist auch mein freier Tag, mach das regelmässige Konzertgehen wesentlich einfacher!) fand ich dann doch noch etwas, was ich vor dem Konzert machen konnte. Im Rahmen des Festivals führte das Luzerner Theater Ruedi Häusermanns Tonhalle: Eine musiktheatralische Selbstbehauptung wieder auf, ein Stück, das zuerst im Rahmen der Münchener Biennale für Neues Musiktheater (Ko-Produktion mit dem Festival Rümlingen und der KlangKunstBühne der Universität der Künste Berlin) aufgeführt worden war. Ein äusserst heiteres Stück, das den Kulturbetrieb und seine Auswüchse auf die Schippe nimmt, aufgeführt in der kleinen „Tonhalle“, die unter dem riesigen Vordach des KKL installiert wurde und für knapp 20 Leute Platz bietet (siehe Foto).
Nach einer längere Pause ging es dann ins Konzert, draussen standen Leute, die Karten suchten, doch eben: seit Wochen oder Monaten schon war das letzte Konzert von Bernard Haitink ausverkauft. Ganz oben der Blick von meinem teuren aber nicht so suprigen Platz (weil drunter die Scheinwerfer hängen, die heizen und die Luft flirren machen).
Los ging es mit Beethovens viertem Klavierkonzert. Eigentlich war dafür Murray Perahia angekündigt, doch der sagte ab und wurde von Emanuel Ax ersetzt. Die Aufführung wirkte eher professionell als leidenschaftlich, etwas kühl, etwas viel Routine. Doch zur Sache ging es dann bei Bruckner, dessen Siebte Haitink mit geschlossener Partitur auf dem Pult dirigierte, stets die grossen Bögen im Blick, aber dennoch auch mit einem unglaublichen Gespür für Details, für den Aufbau der Klänge, das Miteinander der Stimmen. Der Streicherklang der Wiener Philharmoniker war in der Tat unglaublich schön, wurde dem Ruf also absolut gerecht. Das Orchester sah ich zum ersten Mal im Konzert – ich machte mich drüben ja lustig darüber, dass nach wie vor fast keine Frauen mitwirkten, zwei an Blasinstrumenten waren es und fünf oder sechs bei den – vornehmlich oder ausschliesslich – zweiten Violinen (die hier übrigens nebeneinander sassen, auf der anderen Seite an der Bühnenkante eben die Bratschen, die Celli dahinter, wenn mich nicht alles täuscht). Toll aber auch die Blechbläser, die Wagner-Tuben und das ganze Brimborium – herzhaft gespielt, aber auch stets mit dem richtigen Gefühl dafür, wie viel es leiden mochte. Wie schon bei Mahler und auch bei Schubert beim Konzert davor ein unfassbar tolles Erlebnis.
Andere, berufenere, haben ausführlicher berichtet:
http://www.peterhagmann.com/?p=2339
https://www.nzz.ch/feuilleton/bernard-haitink-beendet-am-lucerne-festival-seine-grosse-karriere-ld.1506703
https://seenandheard-international.com/2019/09/lucerne-sees-the-final-farewell-from-bernard-haitink-after-65-extraordinary-years-of-conducting/—
Lucerne Festival, KKL, Luzern – 09.09.2019
London Symphony Orchestra
Simon Rattle Leitung
Barbara Hannigan SopranHANS ABRAHAMSEN let me tell you (2012/13)
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OLIVIER MESSIAEN Éclairs sur l’Au-Delà … (1987-91)Das war noch nicht das Ende – denn wie gesagt, der 9.9. hier ein Feiertag (den gibt es immer Anfang September, es wird
aufvon Knaben geschossen, drumherum ist Kirmes – da sind wir wieder: panem et circenses III. Also ging es noch einmal nach Luzern, und zwar zum LSO mit Simon Rattle – die Kombination hörte ich in der Tonhalle mit der Neunten von Mahler in einem unglaublich guten Konzert, über das ich hier wohl nicht schrieb, und letzten Sommer war ich in Luzern, als Rattle Stockhausen und ebenfalls schon Messiaen dirigierte).Hannigan und Messaien waren die Anziehungspunkte für mich. Hannigan hatte ich in der Tonhalle einst in Doppelrolle gesehen – gut gesungen, mittelmässig dirigiert bzw. ohne klare Sicht auf die gebotenen Werke, so dünkte es mich damals. Doch ihre CDs der letzten Jahre finde ich ausnehmen super, auch die mit „let me tell you“, dem Ophelia-Werk, das Hans Abrahamsen ihr auf den Leib komponiert hat. Unglaublich die Reichweite ihrer Stimme, die Beherrschung in den höchsten Lagen, und auch in den leisesten Schattierungen. Der Liedzyklus war verzaubernd, ja fast schon magisch, und darin eine angemessen Fortsetzung der Erlebnisse mit Haitink in den Wochen und Tagen davor. Neben mir sass ein Herr, der mich in der Pause ansprach, er erzählte, seine Frau betreue Hannigan (ich weiss nicht, ob nur in Luzern oder auf der ganzen Tour, er sprach jedenfalls englisch), und man sei der Meinung, das soeben sei die beste Aufführung des Werkes überhaupt gewesen.
Nach der Pause folgte ein grosser Brocken Messiaen, da war die Bühne dann auch wirklich voll (siehe Bild). Rattle gelang es einmal mehr, das Ding so zu wuppen, als sei es ein längst im Repertoire verankertes Stück, als gäbe es nichts Normaleres. Ich war auch an diesem Abend mal wieder zu müde (frei hin oder her), doch in beiden Konzerthälften sass ich fasziniert und hellwach da. Am Ende war ich völlig geplättet, das LSO bot zwei unglaublich gute Performances, auch in der riesigen Besetzung bei Messaien schien es oft, als sässe da eine kleine, eingeschworene Gruppe, die bis zum Atmen alles gemeinsam und in vollstem Verständnis tue. Rattle scheint die Musik Messaiens, dessen letztes, überkragendes Monumentalstück voller Vogelstimmen und ungewöhnlich besetzter Teile, fast schon zu bewohnen. Phänomenal!
Hier eine Besprechung desselben Programmes, zwei Tage später in Berlin:
https://seenandheard-international.com/2019/09/simon-rattle-brings-the-lso-to-berlin-with-a-magnificent-programme-of-abrahamsen-and-messiaen/—
Fazit: ich werde das Lucerne Festival auch künftig im Auge behalten … die Distanz ist in Ordnung für ein paar Besuche und die Preise, wenn man früh genug dran ist, sind auch nicht allzu übel (aber unter einem doch etwas niedrigen nächsten Balkon sitzen, wie bei Hannigan/Rattle, möchte ich doch lieber nicht mehr, das war akustisch nicht gerade von Vorteil … besser seitlich auf den Galerien, wie ich es bei Levit und dem zweiten Haitink-Konzert tat, oder halt ganz zuoberst auf der Tribüne im vierten Rang, wie bei Haintinks erstem Konzert).
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Da wirst Du wohl ein Programm hören, für das ich keine Karten kaufte … ist wohl dieses Konzert hier? https://zko.ch/events/zko-on-tour-deutschland-tournee-20-berlin/ Dass Du gerade auch noch Massenets „Thaïs“-Meditation erwähnst, machte mich schmunzeln, siehe Urlaubsbericht, Cremona, die beiden jungen im Duo-Rezital … das Ding mit Hope zu hören muss aber toll sein, ich bin da ganz nostalgisch, die grossen Alten (Michael Rabin vor allem!) haben es mir mit solchen Stücken völlig angetan (schon als ich vor inzwischen knapp 10 Jahren mit Klassiköhren anfing). Ich freue mich derweil darauf, beim Saison-Eröffnungskonzert des ZKO Hope mit dem Mendelssohn-Konzert zu hören, vielleicht am Ende mein liebstes Violinkonzert überhaupt.
habe es leider noch nicht geschafft, Deinen Rückblick weiter zu lesen… zum ZKO: ja, das ist das Konzert… einen kleinen Vorgeschmack zu Daniel Hope hatte ich Anfang Sep. mit seinem Format hope@9pm, in welchem er als Gastgeber fungiert und die Salonkultur aufleben lassen möchte… Anfang Sep. war aber der Pianist Vikingur Olafsson zu Gast und es war in der Tat auch musikalisch ein sehr schöner Abend. Die drei (Daniel Hope, Jacques Ammon als Begleiter am Klavier und Olafsson, ua. die beiden Pianisten auch vierhändig) boten sehr feine musikalische Einlagen.
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Gleich geht es zu meinem ersten Konzert in der neuen Tonhalle-Saison (Soirée = 5 Uhr nachmittags):
KAMMERMUSIK-SOIREE MIT DEM PAVEL HAAS QUARTET
Pavel Haas Quartet
Veronika Jarůšková Violine
Marek Zwiebel Violine
Jiří Kabát Viola
Peter Jarůšek VioloncelloErwin Schulhoff Streichquartett Nr. 1
Antonín Dvořák Streichquartett Nr. 12 F-Dur op. 96 „Amerikanisches“
Pjotr I. Tschaikowsky Streichquartett Nr. 3 es-Moll op. 30Freue mich sehr!
Die Orchester-Saison mit Paavo Järvi startet Mi/Do/Fr mit Pärt und Sibelius‘ „Kullervo“ … ich bin Do dort.
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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gypsy-tail-windGleich geht es zu meinem ersten Konzert in der neuen Tonhalle-Saison (Soirée = 5 Uhr nachmittags): KAMMERMUSIK-SOIREE MIT DEM PAVEL HAAS QUARTET Pavel Haas Quartet Veronika Jarůšková Violine Marek Zwiebel Violine Jiří Kabát Viola Peter Jarůšek Violoncello Erwin Schulhoff Streichquartett Nr. 1 Antonín Dvořák Streichquartett Nr. 12 F-Dur op. 96 „Amerikanisches“ Pjotr I. Tschaikowsky Streichquartett Nr. 3 es-Moll op. 30 Freue mich sehr!
Looks good …. enjoy …
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Die NZZ zum Antritt von Paavo Järvi in der Tonhalle – heute Abend geht es los, ich höre mir das Programm morgen an:
https://www.nzz.ch/feuilleton/einstand-paavo-jaervi-beim-tonhalle-orchester-zuerich-da-lacht-die-sphinx-ld.1512356Den Artikel zu den jüngsten Turbulenzen beim ZKO (der Geschäftsführer, der das Orchester neu positionierte und Daniel Hope holte, ist nach 11 Jahren nun doch raus, zunächst gab es widersprüchliche/unklare Aussagen) kann man nur noch mit Login abrufen:
https://nzzas.nzz.ch/kultur/zuercher-kammerorchester-es-stand-im-winter-am-abgrund-ld.1511554--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaKaum hat die Saison begonnen, hinke ich schon wieder hinterher … Pavel Haas Quartet, „Die Sache Makropulos“, Järvis Antritt in der Tonhelle mit „Kullervo“ und zuletzt Nonos „Al gran sole carico d’amore“ in Basel … aber hier schon mal, für jene, die Interesse haben, die noch bis Anfang November verfügbare Aufzeichnung des Antrittskonzertes von Järvi:
https://tonhalle-orchester.ch/news/eroeffnungskonzert-live-auf-mezzo-tv/
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaSaisonauftakt 2019/20 (Teil 2)
Es ist schon fast wieder einen Monat her, dass es los ging, und ich war so beschäftigt, dass ich schon wieder keine Zeit fand, ein paar Zeilen zu schreiben … das möchte ich in aller Kürze nachholen. Teil 1 habe ich im Opern-Thread versenkt:
http://forum.rollingstone.de/foren/topic/die-wunderbare-welt-der-oper/page/29/#post-10909869
Zürich, Tonhalle-Maag – 29.09.2019Pavel Haas Quartet
Veronika Jarůšková Violine
Marek Zwiebel Violine
Jiří Kabát Viola
Peter Jarůšek VioloncelloErwin Schulhoff Streichquartett Nr. 1
Antonín Dvořák Streichquartett Nr. 12 F-Dur op. 96 „Amerikanisches“
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Pjotr I. Tschaikowsky Streichquartett Nr. 3 es-Moll op. 30Dass die Jaruseks das Pavel Haas Quartett – von dem ich die bereits etwas älteren Aufnahmen des Namenspatrons und von Leos Janáceks beiden Streichquartetten sehr schätze – inzwischen zur Familienaffäre umgebaut hatten und ausser der Primgeigerin von der einstigen Besetzung niemand mehr an Bord ist, war mir im Vorfeld nicht bewusst … man lies ja hie und da, wieviele Jahre gute Streichquartette bräuchten, um zusammenzuwachsen, dass sie überhaupt erst nach 20 Jahren oder so auf die Höhe des gemeinsamen Könnens gelangen könnten usw. Wie dem auch sei, das Konzert war dennoch super – die tschechische Doppelfortsetzung des Vorabends in der ersten Konzerthälfte passte zudem hervorragend. Schulhoffs Quartett ist rhythmisch wohl noch pulsierender als die Musik von Janácek. Nach einem feurigen Presto folgt ein Allegretto con moto mit „grotesker Melancholie“, ein tänzerisches Allegro giocoso, zum Abschluss dann aber Andante, das eine fast meditative Stimmung verbreitet. Ein wunderbares Werk, das ich natürlich nicht kannte, in einer überzeugenden Aufführung. Dvorák wirkte dann fast etwas zahm – das Werk stammt natürlich auch aus einer anderen Zeit als Janácek oder Schulhoff. Doch mit seinen Melodien, seinen sanglichen, teils fast choralartigen Passagen – und darunter einmal mehr teils sehr lebendigen Rhythmen – war es dennoch alles andere als eine Fehlbesetzung nach Schulhoff und ebenfalls ein grosser Genuss.
Nach der Pause folgte das dritte und letzte Quartett von Tschaikovsky – auch das mir bisher unbekannt. Hier nun herrschte alle nur denkbare Erdenschwere, mir schien es fast ausweglos, und wenn der Schlusssatz im Programmheft als „tänzerischer Kehraus“ beschrieben wird, in dem „überschwänglicher Optimismus in jubelndem Es-Dur“ zu hören ist – das kam bei mir irgendwie nicht mehr an, mich erschlug das Ding beinah in seiner Schwere, seiner ja, Depressitivät … von Melancholie zu reden schiene mir jedenfalls verharmlosend. Aber wie gesagt, ich kenne das Ding nicht, habe also bisher auch keine Vergleichsmöglichkeiten. Jedenfalls fand ich die Aufführung einmal mehr äusserst überzeugend. Schade, wie fast immer bei Kammermusik, dass das Publikumsinteresse so gering war – denn was gibt es schöneres? Rezensionen des Konzertes erschienen soweit ich sehen kann denn auch keine.
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Zürich, Tonhalle-Maag – 03.10.2019Tonhalle-Orchester Zürich
Paavo Järvi Chefdirigent und Music Director
Johanna Rusanen Sopran
Ville Rusanen Bariton
Estnischer Nationaler Männerchor RAM
Mikk Üleoja Einstudierung
Zürcher Sing-Akademie
Florian Helgath EinstudierungArvo Pärt „Wenn Bach Bienen gezüchtet hätte …“ (Uraufführung der Neufassung) für Klavier, Bläserquintett, Streichorchester und Schlagzeug
Jean Sibelius „Kullervo“ op. 7 für Singstimmen, Männerchor und OrchesterDie Woche drauf ging dann auch die Saison des Tonhalle-Orchesters los – der langersehnte Antritt des neuen Steuermanns Paavo Järvi, der gleich zum Auftakt einen Markstein setzte und mit der Lockerheit und Souveränität dessen auftrat, der nichts beweisen muss. Das ist ja erstaunlich genug, doch wer sich seinen Leistungsausweis anschaut, etwa in Bremen oder Paris, und wer bei seinen Konzerten letzte Saison mit dem Tonhalle-Orchester dabei war, verstand, weshalb das so war.
Am Eröffnungskonzert am Vorabend waren sein Vater Neeme und auch Pärt im Publikum anwesend. Letzterer hatte seine neue (dritte, glaube ich) Fassung seines „B-A-C-H“ Stückes nicht etwa im Auftrag sondern als Geschenk an das Orchester zum Start mit Järvi erstellt. Ein eher belangloser, zudem überaus kurzer Auftakt (5-6 Minuten), in dem das Orchester ein wenig summen darf wie ein Bienenstock, bevor dann im zweiten Teil barocke Anklänge zu hören sind. Eine hübsche aber kleine Prélude war das, die in der Tat sofort ins Hintertreffen geriet, als das Hauptwerk des Abends begann.
Sibelius‘ Kullervo ist eine Mischung aus Symphonie, sinfonischer Dichtung Oper und Kantate, ein stellenweise wilder Ritte (es gibt z.B. eine längere Orchesterpassage in insistierend pochendem 5/4-Takt). Die Geschichte von Kullervo, der seine Schwester verführt, dies nachher erkennt, ist dem finnischen Nationalepos „Kalevala“ entnommen. Dass Johanna und Ville Rusanen Bruder und Schwester sind, passte denn auch perfekt zur Darbietung. Sie sang die Rolle mit opernhafter Stimme, hell und kraftvoll, ihr Bruder umgarnte sie mit seinem beweglichen, wohlklingenden Bariton. Die Leistung des Estnischesn Nationalen Männerchores RAM, verstärkt durch die Männer Zürcher Sing-Akademie, beeindruckte. Järvi behielt stets den Überblick, wippte elegant mit der Musik mit, gab präzise Anweisungen, die das Orchester aufgriff. Dieses war mit grossem Enthusiasmus dabei und lieferte bei seiner ersten Aufführung des seltsamen Werks eine reife Leistung ab. Das ist nun keine Musik, die ich zuhause regelmässig hören würde – aber im Konzert war das schon sehr beeindruckend.
Natürlich gab es unzählige Kritiken, wie bei einem solchen Anlass üblich – ein paar davon:
http://www.peterhagmann.com/?p=2379
https://www.nzz.ch/feuilleton/paavo-jaervi-antrittskonzert-in-zuerich-wilder-inzest-im-hohen-norden-ld.1513155
https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/klassik/wenn-der-bruder-mit-der-schwester/story/30082561
https://seenandheard-international.com/2019/10/new-chief-conductor-paavo-jarvi-opens-new-zurich-season-with-stirring-kullervo-at-tonhalle/Die Tonhalle hat auf der Website ein Pressedossier erstellt:
https://www.tonhalle-orchester.ch/news/start-von-paavo-jaervi-in-den-medien/Und wie schon erwähnt, kann man das Eröffnungskonzert auch noch eine Weile (bis am 3.11.) online anschauen:
https://www.tonhalle-orchester.ch/news/eroeffnungskonzert-live-auf-mezzo-tv/--
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Zürich, Tonhalle-Maag – 17.10.2019
Tonhalle-Orchester Zürich
Philippe Herreweghe Leitung
Isabelle Faust ViolineLudwig van Beethoven Violinkonzert D-Dur op. 61
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Robert Schumann Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61Letzte Woche bereits das zweite Konzert mit dem Tonhalle-Orchester, das ich in mein Wahl-Abo aufgenommen hatte: Isabelle Faust habe ich schon mehrmals im Konzert erlebt, Philippe Herreweghe dafür bisher noch gar nie. Das Programm bot natürlich Repertoire, aber mit den beiden versprach es doch, spannend zu werden – und so war es denn auch. Ich sass wie meist in der ersten Reihe, nicht ganz am Mittelgang und damit direkt vor der Nase von Faust (und in der zweiten Konzerthälfte an der Seite des Konzertmeisters). Die Herangehensweise bei Beethoven war ungewöhnlich, da wurde kein monumentales Titanenwerk gespielt sondern oft fast kammermusikalisch zusammengewirkt (was mich an das Konzert mit Janine Jansen und Paavo Järvi mit einem Mozart-Konzert im Januar erinnerte). Doch bei Herreweghe klang das Orchester wohl wärmer und auf andere Art wenig, nicht unbedingt schlank, aber doch sehr kompakt. Immer wieder wurde es fast bis zum Verschwinden leise, von meinem Platz aus hörte ich auch mehrmals das Geräusch, wenn Faust die Finger vom Griffbrett entfernte … da wurde stellenweise, so schien es, fast schon gemeinsam geatmet. Faust spielte – so erfuhr ich in der Konzerteinführung – die Kadenz, die Wolfgang Schneiderhan basierend auf der Kadenz schrieb, die Beethoven für seine Klavierfassung des Violinkonzertes komponiert hat. Schneiderhan hat sie angepasst, Faust hat wohl weitere eigene Anpassungen vorgenommen (zu hören ist sie auf Schneiderhans 1962er DG-Aufnahme mit den Berlinern unter Jochum). Diese Kadenz klang auf jeden Fall ungewöhnlich, ich habe die Schneiderhan-Aufnahme noch nicht hervorgekramt, will das aber die nächsten Tage mal machen. Ich fand Faust insgesamt sehr faszinierend, im kleinen, in vielen Passagen überraschend, wie ruppig, wie direkt, aber doch auch wie zart und präzise sie spielte. Manchmal schienen mir aber vor lauter Fokus auf die Details die grossen Bögen etwas zu sehr in den Hintergrund zu treten. Als Zugabe spielte sie ein kurzes Stück, das zeitgenössisch klang (frühestens 60er oder 70er), aber leider habe ich keine Ahnung, was für ein Stück das war.
Nach der Pause folgte dann Schumann, und ich fand diese Symphonie in der Herreweghe/TOZ-Fassung wirklich super. Auch hier wieder ein sehr atmendes, lebendiges Musizieren, eine Leichtigkeit und Wärme, die auch etwas Bescheidenes hatte – so als täte man gerade etwas vom Leichtesten auf der Welt. Ganz präzis (wie Järvi es einforderte und wie es beim verlinkten Konzert mit Jansen auch gelang) war das selten, aber das spielte keine so grosse Rolle, denn es schien hier für mich alles zu stimmen. Auch die Schumann-Symphonien, mit denen ich erst partiell warm wurde, muss ich mir bald wieder vorknöpfen (Holliger, und wohl Gardiner als Ergänzung … oder auch Szell oder Karajan).
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Zürich, Opernhaus – 18.10.2019
Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
Musik mit Bildern von Helmut Lachenmann (*1935)Schweizerische Erstaufführung
Choreografie und Inszenierung Christian Spuck
Musikalische Leitung Matthias Hermann
Bühnenbild Rufus Didwiszus
Kostüme Emma Ryott
Lichtgestaltung Martin Gebhardt
Video-Design Tieni Burkhalter
Choreinstudierung Raphael Immoos
Dramaturgie Claus Spahn, Michael KüsterSprecher Helmut Lachenmann
Sopran 1 Alina Adamski
Sopran 2 Yuko Kakuta
Erstes Klavier Yukiko Sugawara
Zweites Klavier Tomoko Hemmi
Shō Mayumi MiyataBallett Zürich
Junior Ballett
Philharmonia Zürich
Basler MadrigalistenLetzten Freitag ging es – Ritsch! – dann ins nach Nono erwwart/erhoffte zweite grosse zeitgenössische Highlight – und so eines war das auch. Dass Lachenmanns mir davor unbekanntes, auf Andersens finsterem Märchen beruhendes Stück, das keine Oper ist (und im Gegensatz zu Nono auch nicht wie eine Oper inszeniert werden kann), als Ballett aufgeführt werden sollte, hatte ich im Vorfeld gar nicht so richtig realisiert. Aber dann trudelten Probenberichte ein, ein Gespräch mit Spuck, das die Neugierde nur noch wachsen liess (eine Karte hatte ich längst, die Vorstellungen sind – das ist beim Zürcher Ballett wohl die Regel – alle ausverkauft). Spuck machte daraus denn auch kein Handlungsballett sondern versuchte, Bilder zu finden, die die Musik umsetzen, kommentieren, ergänzen. Das Mädchen war meist doppelt (und in der Regel synchron – eine einmal leicht versetzt getanzte Passage war wohl eine Ungenauigkeit?) vorhanden, manchmal aber auch sechsfach, die Bühne war in ein Halbdunkel getaucht, das die Kälte von Lachenmanns Musik – in der das Klirren, das Knirschen, die schneidende Kälte des Winters förmlich greifbar scheint – wiederspiegelte.
Dass Lachenmann selbst den Text von Leonardo sprach, allein auf der Bühne und als einzige Begleit“musik“ für ein paar MitgliederInnen des Balletts, diese Szene, die wie ein Innehalten vor dem bittere Ende wirkt, eine Art retardierendes Moment, war natürlich auch schön. Hier, wo ausser dieser Stimme nichts zu hören war, der Geräuschteppich des gross besetzten, teils in den vordersten Logen und in den seitlichen obersten Reihen verteilten Orchesters für einmal verstummte, wurde deutlich, wie der Umgang mit dem Text – und wohl auch jener mit musikalischen Fragmenten, Versatzstücken funktioniert: alles wird zerlegt, teils bis hin zu einzelnen Phonemen, die wiederum so stark rhythmisiert werden, dass höchstens die Hälfte des Gesprochenen als sinnhafte Sprache erkenntlich wird. Als Chor traten die Basler Madrigalisten auf, die einen phänomenalen Job machten. Dasselbe gilt für das Orchester unter der kundigen Leitung von Matthias Hermann, der stets den Überblick bewahrte. Wie die Tänzerinnen und Tänzer das alles memorisieren konnten, ist mir ein Rätsel, anscheinend wurde die komplette Partitur mit Taktnummern versehen und so, Takt für Takt, die ganze Choreographie einstudiert, in der nichts fehlt, vom Solo über den Pas-de-deux (auch der gerne wieder vervielfacht) bis hin zu grossen Gruppenszenen. Die zwei Sopransängerinnen sassen zeitweise auf der Bühne, meist am Rand, aber auch mal zu zweit vorn in der Mitte, auch die Sho-Spielerin gegen Ende trat auf der Bühne auf, der Chor war hinegen in die Logen und den zweiten Rang verteilt (ein paar Sängerinnnen und Sänger direkt hinter/über mir – ich hatte zum Glück einen Platz, von dem aus ich auch in den Graben gucken konnte und den Dirigenten sah – wenn ich weiter mittig sitze, fehlt mir das immer in der Oper, auch in Basel bei Nono übrigens, wo das leider gar nicht möglich ist).
Ein eisiger, schier nicht enden wollender Totentanz, der mich völlig in seinen Bann zog. Allein die Musik hätte mir wohl auch schon genügt, aber die Umsetzung scheint mir – als völligem Tanzlaien – doch sehr gelungen zu sein. Leider habe ich wohl vor Monaten die beiden Einspielungen des Werks (Kairos und ECM) hervorgekramt und an einem so blöden Ort hingelegt, dass ich sie bisher noch nicht wiederfinden konnte – im Voraus wollte ich das Werk nicht anhören, jetzt aber würde ich es umso lieber Wiederhören. Doch das ist natürlich auch Musik, die ihre Zeit braucht, denn sie ist von solcher Reichhaltigkeit, dass mir schien, man können sie unmöglich in einem Mal durchdringen – und so hatte ich auch, bei aller Stimmigkeit des zweistündigen Abends (ohne Pause) manchmal das Bedürfnis, die Augen zu schliessen und einfach nur all den unerwarteten Klängen zu lauschen, die auch einen unglaublichen Sog entwickeln. Grossartig!
Die Rezensionen der Tagespresse (andere fand ich bisher nicht):
https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/klassik/mit-hoerenden-augen-und-sehenden-ohren/story/18451595
https://www.nzz.ch/feuilleton/helmut-lachenmanns-maedchen-mit-den-schwefelhoelzern-am-opernhaus-zuerich-ld.1515094?reduced=true
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Winterthur, Stadthaus – 20.10.2019Emmanuel Pahud Flöte
Eric Le Sage KlavierCarl Reinecke Sonate für Flöte und Klavier h-Moll, op. 167 „Undine“
Ludwig van Beethoven Serenade für Flöte und Klavier D-Dur, op. 41
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Henri Dutilleux Sonatine für Flöte und Klavier
Sergej Prokofieff Sonate für Flöte und Klavier Nr. 2 D-Dur, op. 94
Zugabe: Gabriel Fauré Fantaisie für Flöte und Klavier, op. 79Auch für das Musikkollegium in Winterthur, das von Thomas Zehetmair geleitet wird, habe ich mir für die Saison 2019/20 ein kleines Wahlabo zusammengestellt (letzte Saison gab es nur zwei Konzerte, zu denen ich es schaffte, ab dreien gibt es ein Wahlabo und damit eine Ermässigung). Los ging es am späten Sonntagnachmittag mit einem Duo von Emmanuel Pahud, hauptberuflich Solo-Flötist der Berliner Philharmoniker, geboren in Genf, und in der laufenden Saison „Artist in Resonance“, wie das in Winterthur heisst.
Los ging es sehr beschwingt mit einer Sonate des mir bisher völlig unbekannten Carl Reinecke, inspiriert von Friedrich de la Motte Fouqués 1811 erschienener Erzählung „Undine“. Dann folgte Beethovens eigene Bearbeitung seiner Serenade Op. 25 für Flöte, Violine und Viola. Pahud und Le Sage spielten das beherzt, Pahud mit sehr grossem Reichtum, was die Tongestaltung betrifft, von stechender Klarheit bis hin zu fast vokalisierten Momenten. Beide Stücke waren von der Art, dass manche Dame im Publikum gar entzückt in die Pause ging … und mir kam das alles etwas gar harmlos vor.
Das änderte sich nach der Pause, als die einsätzige, etwa zwölfminütige Sonatine von Dutilleux erklang. Später vom Komponisten als Gebrauchsmusik halbwegs abgelehnt war das Stück doch ein schöner Kontrast zur Romantik bzw. Klassik davor. Und noch besser wurde es dann mit der grossen zweiten Flötensonate (von der David Oistrakh, man versteht es sofort, um eine Version für Violine bat). Wie hier zwei der Hauptstränge von Prokofiev, das Klassische und das Moderne, den zeitgemässen Ausdruck suchende, zusammenfinden, wie hinter der doch recht freundlichen Fassade Abgründe lauern, die da durch eine leise Dissonanz, dort durch einen kleinen Bruch angetönt werden, das fand ich in dieser Darbietung sehr beeindruckend.
Mich dünkte auch, dass die Schattierungskunst von Eric Le Sage am Flügel in der zweiten Konzerthälfte stärker zum Vorschein kam, aber das mag an meiner eigenen Vorliebe oder Achtsamkeit liegen. Das Publikum war für Kammermusikverhältnisse recht zahlreich erschienen und dankte den Künstlern mit grossem Applaus. Es folgte dann als Zugabe noch Faurés wunderbare Fantaisie, die von der Stimmung her wieder den Bogen zum ersten Konzertteil schloss – wobei ich mich schon fragte, wieviel von den dunkleren Seiten der Musik Prokofievs auch wirklich angekommen sind … egal, das Konzert gefiel, und auch da gibt es Anfang November noch einen Nachfolge-Termin, den ich in der Auflistung unten vergass: Pahud spielt dann mit Streichern des Musikkollegiums die ersten zwei Flötenquartette von Mozart, dazwischen ein Solostück von Elliott Carter und danach eine Bearbeitung von Dvoráks „amerikanischem“ Streichquartett Nr. 12 (siehe oben, Pavel Haas Quartet) für Flötenquartett (also Flöte, Violine, Viola und Cello). Das ist dann im Gegensatz zum günstigen Konzert von letztem Sonntag (Einheitspreis, unnumerierte Plätze) gratis, es gibt aber Platzreservationen für ein paar Franken, was ich sicherheitshalber mal genutzt habe …
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Weiter geht es heute Abend mit dem Saisonauftakt des Zürcher Kammerorchesters. Daniel Hope spielt das Mendelssohn-Konzert, davor gibt es KV 546, in der zweiten Hälfte Rutters Suite für Streichorchester und die Streicherserenade von Tschaikovsky.
Tschaikovsky kommt diese Saison auch in der Tonhalle zu seinen Ehren: die sechs Symphonien werden aufgeführt und auch gleich eingespielt. Das ausgewachsene Konzert mit Nr. 4 (und Martin Fröst, der das Klarinettenkonzert von Copeland spielt) lasse ich aus, habe aber vor ein paar Tagen für das Feierabendkonzert (nur Tschaiko 4) übermorgen eine Karte gekauft, um die sechs doch alle zu hören (Nr. 4 hörte ich vor ein paar Jahren mal mit Dutoit und konnte bisher nicht wahnsinnig viel damit anfangen – Fröst höre ich dann im Dezember noch in einem Kammermusik-Programm).
Am Sonntag gibt es dann eine Matinee mit Tonhalle-Musikerinnen und Kammermusik von Gubaidulina, Ustwolskaja und Tabakova sowie einer Lesung von Hannelore Hoger, und nächste Woche dann das erste grosse Tschaikosky-Konzert mit Nr. 6, einer ersten Begegnung mit Musik des diesjährigen „creative chair“ Erkki-Sven Tüür sowie Pekka Kuusisto als Solist in konzertanten Werken von Sibelius (nicht das Violinkonzert).
Und Anfang November gehe ich an ein Gesprächskonzert mit Lachenmann in der Studiobühne der Oper, sowie am folgenden Tag wohl ans Lachenmann-Symposium an der Hochschule für angewandte Künste sowie abends ans Konzert des Studierendenorchester mit je einem Werk von Lachenmann und von Morton Feldman.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbayaizaIn Berlin ist die Kremer-Hommage in vollem Gange… das Rezital gestern mit Martha Argerich und Gidon Kremer (3 Duos und die Sonate für Violine solo #1) war ganz wunderbar… Bin immer noch beeindruckt. Zwei Abende zuvor spielte er mit dem Konzerthausorchester unter der Leitung von David Zinman das „Offertorium“ – ich habe ihn am Sa. gesehen und saß ganz nah am Podium – Gänsehautvorstellung. Das „Offertorium“ werde ich noch eine Weile „in der Erinnerung hören“ – eine CD ist da gerade gar nicht nötig :D
Ich hole das mal hier rüber … das „in Erinnerung hören“ kenne ich – tue es gerade mit Lachenmann … d.h. selbst wenn ich die CDs fände, ich würde sie wohl frühestens in ein paar Wochen anhören.
Um die Konzerte mit Kremer beneide ich Dich gerade sehr, „Offertorium“ natürlich ganz besonders – da werde ich halt mit Konserven Vorlieb nehmen müssen, aber ich kann über’s Angebot ja wahrlich nicht klagen (ein Konzert vergass ich oben auch noch, das editiere ich wohl nachher noch in den jüngsten Post herein).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: Kammermusik, Klassik, klassische Musik, Konzertberichte, Lied, Oper
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