Enja Records

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    gypsy-tail-wind
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    Michele Rosewoman and Quintessence – Guardians of the Light | Album Nummer 4 von Rosewomans langjähriger Quintessence-Band entstand bei einem Auftritt im Sweet Basil in New York am 19. und 20. März 1999 (David Baker war zur Stelle). Steve Wilson (as, ss), Craig Handy (ts), Kenny Davis (b, elb) und Gene Jackson (d) waren dabei, Rosewoman spielt neben dem Klavier in „West Africa Blue“ auch die gankogui (eine „double bell“ aus Ghana) und ist in „Akomado (for Babaluaye)“ auch als Sängerin zu hören. Sechs Jahre sind seit Album Nr. 3, „Harvest“ (dasjenige, das ich ledier verlegt hab) vergangen, aber es gab nur einen Wechsel: an Handys Stelle war davor Gary Thomas zu hören.

    Es gibt hier neues Material – „Free to Be“ und „Fuzz Junk“ sowie eine Solo-Version von Monks „Ask Me Now“ – aber auch neue Arrangements oder Versionen von bereits eingespielten Stücken: „The Thrill of Real Love“, „Vamp for Ochun“ und „Where It Comes From“ stammen vom ersten „Quintessence“-Album, „Akomado“ vom Zweitling „Contrast High“, Mingus‘ „Weird Nightmare“ und ihr „West Africa Blue“ nahm Rosewoman 1990 im Trio auf („Occasion to Rise“, Somethin‘ Else). Die Mingus-Connection ist dabei stark: Handy und Jackson gehörten beide über längere Zeit zum Musiker-Pool der Mingus Big Band. Die Musik hier tränkt sich aus dieser Tradition: Ellington, Monk, Mingus, aber auch weiterhin starke Latin-Bezüge. Wie der zwei Jahre jüngere David Murray oder der eine knappe Generation ältere Arthur Blythe fand Rosewoman Wege der Traditionspflege, die eine Art evolutionären Approach verfolgten. Im Vergleich zu den Vorgängeralben wirkt das vielleicht weniger „on the edge“, aber auch irgendwie gereift, breit aufgestellt und doch mit klarer Handschrift. So richtig abholen kann mich das Album aber bisher nicht. Mein Favorit auf Enja bleibt bis auf weiteres das erste Album, „Quintessence“.

    David Murry Octet – Octet Plays Trane | Ich hab oben bei der Zählung der Justin Time-Alben von Murray, die Enja übernahm (oder irgendwie mitproduzierte, keine Ahnung) das erste vergessen, das ich noch nicht kenne („Fo Deuk Revue“) – es sind vier und dieses hier, am 30. April und 1. Mai 1999 in den Sound On Sound Studios in New York aufgenommen, ist das letzte. Das Oktett besteht aus Ravi Best und Rasul Siddik (t), Craig Harris (tb), James Spaulding (as, fl), Murray (ts, bcl), D.D. Jackson (p), Jaribu Shahid (b) und Mark Johnson (d). „Giant Steps“, der Opener, dürfte das im Enja-Katalog am häufigsten anzutreffende Coltrane-Stück sein? Neben bzw. vor Murray schon Tommy Flanagan, McCoy Tyner, Maria Schneider, Aki Takase, Franco Ambrosetti und – mir nicht bekannt – die Dave Bargeron/Michel Godard mit ihrem „Tuba Tuba“-Projekt. In „Naima“, dem zweiten Stück, finde ich Murray sehr toll aber das Charisma, das er hier entfaltet, fehlt dem Album anderswo völlig. Es gibt Solo-Reigen zwischen eher dürftigen Arrangements, ein ziemlich tolles Bass/Drums-Gespann immerhin und auch mehrere gute Beiträge von Craig Harris, der aber im Studio hinter dem Vorhang platziert wurde. „India“ öffnet mit Arco-Bass und Spauldings mäandernder Flöte über einen Beat, der von Hand getrommelt klingt ein äussert stimmungsvoller Einstieg, nachdem Murrays einziges Original „The Crossing“ davor nicht sonderlich inspiriert wirkt. Nach über drei Minuten steigt Murray an der Bassklarinette mit dem Thema ein, dazu gestopfte Trompeten, Klaviercluster … der Bass steigt dann auf Pizzicato um, die anderen Bläser bleiben hinter dem Solo präsent. Mein Favorit hier – auch wenn man vergessen hat, einen Schluss dafür zu konzipieren. Danach klingt „Lazy Bird“ mit seinem lieblosen kurzen Tutti wie eine Reprise von „Giant Steps“. Da muss man durch, dreizehn Minuten Solo-Reigen (in dem ich Harris dann nicht überzeugend finde – aber hier ist irgendwie eh alles total lieblos), um zum Closer zu kommen einer fünfzehnminütigen Version vom ersten Satz von „A Love Supreme“, „Acknowledgement“. Hier folgt auf Murrays ersten Passage eine recht freie Kollektivimprovisation, bevor Shahid mit dem berühmten Bass-Ostinato einsetzt und Jackson am Klavier darüber zu solieren beginnt. Danach Murray, Solo-Reigen, Einwürfe der anderen Bläser … und irgendwann ist es zum Glück dann doch noch fertig, lieblos mit einem Fade-Out. Passend zu diesem Album, das echt kein besonders gutes ist. Auch die Überlänge schlägt nicht positiv zu Buche. Ich habe es seit Jahren nicht gehört und bis zum nächsten Mal werden noch einige Hochwasser Europa verwüsten, befürchte ich (gut, die folgen ja auch immer schneller aufeinander – Tempolimit für Hochwasser einführen?)

    Bennie Wallace in Berlin | Um den Tag noch versöhnlich zu enden ein sicherer Wert. 2001 brachte Enja Winckelmann – ich glaub seit dem Weber-Post oben und bis zum Schluss des Durchlaufs kommt nichts mehr von Webers Zweig bzw. dann noch Aldinger mit yellowbird, was ja quasi als Nachfolge von Weber betrachtet werden kann – den Aufritt von Wallace beim Jazzfest Berlin am 6. November 1999 heraus. Die Aufnahme kommt vom SFB, Joe Harley hatte die Finger danach auch wieder im Spiel. Wichtiger als all das technische Zeug ist aber die Band: George Cables (p), Peter Washington (b) und Herlin Riley (d) gehen mit Wallace, wohin es diesen gerade verschlägt. Es geht mit „It Ain’t Necessarily So“ schon umwerfend los, mit „I Loves You Porgy“ folgt eine zweite Ladung Gershwin. Das kantige Original „It Has Happened to Me“ ist auf dem Album „Talk of the Town“ von 1993 zu finden, das mir noch fehlt. Dann folgt eine umwerfende Latin-Version von „It’s Only a Paper Moon“, in die ich mich vor gut 20 Jahren schockverliebte, als ich das Album kurz nach Erscheinen erstmals hörte – auch Cables glänzt hier. Mit der Ballade „Someone to Watch Over Me“ folgt ein drittes Stück vom Gershwin-Programm, bevor zwei Wallce-Originals das Set abschliessen, das schnelle, immer dichter werdende „Thangs“ und als Closer (Zugabe? durfte man das damals beim Jazzfest noch?) das entspannt jumpende „At Lulu White’s“ (erstmals auf „The Art of the Saxophone“ bzw. auf „The Old Songs“ zu finden). Als ganzes ist das ein tolles Set, gut durchdacht im Wechsel von Tempi und Intensitäten, mit einem Saxophonstilisten auf der Höhe seines Könnens, der einen Pianisten an seiner Seite hat, der ihn ganz hervorragend begleitet (wenig erstaunlich, wenn man um Cables Arbeit mit Saxophonisten wie Dexter Gordon oder Art Pepper weiss).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    gypsy-tail-wind
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    Paquito D’Rivera – Habanera | Das nächste Experiment ist in meinen Ohren ein ziemlich gut gelungenes. D’Rivera spielte zwar mit den Beteiligten davor noch nie, mochte die Arbeit von Daniel Schnyder aber sofort – auch sein Spiel am Sopransaxophon. Schnyder agiert hier nicht vornehmlich als Arrangeur sondern als Produzent – für ENJA und das Schweizer Fernsehen, die Sessions fanden im September 1999 im Clinton Studio in New York statt. Franco D’Rivera, der Sohn, übernimmt einige Arrangements, von Stücken des Vaters, von George Gershwin, Duke Ellington und Dizzy Gillespie, zudem steuert Mino Cinelu zwei Takes des „Moon Dance“ bei. Das Material wählten die beiden D’Riveras mit Schnyder und dem Dirigenten Kristjan Järvi aus, der mit seinem Absolute Ensemble (zehn Holz- und Blechbläser, maximal elf, wenn Dave Ballou an der Trompete sie verstärkt, dazu fünf Streicher, Klavier und zwei Schlagzeuger). Die Jazzband besteht neben den auf dem Cover genannten Mino Cinelu (perc) und Kenny Drew Jr. (p) noch aus Michael Formanek (b), Clarence Penn (d) und David Taylor (btb). Die Besetzungen wechseln ständig, sind aber leider nicht einzeln deklariert. Das enja-Logo ist hier durch den Zusatz „NOVA“ ergänzt. Keine Ahnung, ob es das noch öfter gibt.

    D’Riveras „Afro“ – hier gibt es keinen Arrangement-Credit, daher hat das wohl Paquito selbst geschrieben – öffnet mit einer Flöte (Valerie Chermiset) über den Bläsern des Absolute Ensemble, dann steigt Cinelu (vermutlich) zusammen mit dem Fagott (Martin Kuuskmann) mit einem Riff ein. Die Klarinette hier kommt zunächst nur aus dem Ensemble (Vadim Lando), erst nach über zwei Minuten stösst D’Rivera dazu. Ein behutsamer Einstieg, der sofort klar macht, dass hier nicht durch Klassiker geröstet wird mit ein paar netten Backings vom Orchester, sondern dass ein echter Dialog zu erwarten ist. Die „Habanera“ von D’Rivera (arr. Franco D’Rivera) wird dann von den Streichern präsentiert, D’Rivera darüber auch wieder an der Klarinette – das ist ziemlich zarte Musik, Klangschön, unerwartet … und sie findet einen wirklich eigenen Weg durch die brackigen Fahrwasser solcher Jazz-und-Klassik-Produktionen. In „Birks Works“ ist dann zum ersten Mal die Jazzband zu hören, mit Cinelu und ohne Credit fürs Arrangement, daher wohl einfach eine Performance mit einem Lead-Sheet.

    Dann beginnt das Gershwin-Segment: Franco D’Rivera hat die Drei Préludes für Altsaxophon und Ensemble arrangiert. Bläser und Percussion begleiten D’Rivera – die Musik klingt sehr vertraut und dann doch wieder nicht, weil das ja sonst Stücke für Klavier solo sind. Die Latinisierung funktioniert im „Allegro ben ritmato e deciso“ hervorragend. Im „Andante con moto a poco rubato“ klingt der Choral der Blechbläser (Dave Taylor dürfte hier dabei sein?) eher nach „Porgy & Bess“ und D’Rivera glänzt mit seinem satten Ton. Auch das ein schönes Arrangement und mit über dreieinhalb Minuten das längste der drei Stücke, bevor die Preludes mit dem kurzen Agitato (es ist hier fälschlich wieder als „Allegro ben ritmato e deciso“ beschriftet) beschlossen werden. Hier ist dann Ballous Lead-Trompete zu hören – alles sehr charmant, aber zu kurz, um weit zu tragen. Das ändert sich bei den über zehn Minuten dauernden „Variations on ‚I Got Rhythm‘ and ‚Cuban Overture'“, in denen Schnyder das Arrangement beisteuert. Hier sind die Jazzband und das Ensemble zusammen zu hören und nach dem Rhythm-Thema ist Kenny Drew Jr. dran, soliert über Formanek/Penn mit Einwürfen der Blechbläser. Nach einer Überleitung mit den Streichern und Holzbläsern steht Formanek im Zentrum. Dann leitet ein schnelles Klavier-Riff in den nächsten Teil über: rasendes Klavier mit Rhythmusgruppe und dan steigt das Ensemble dazu ein – und darüber improvisiert D’Rivera bluesig am Altsax – das ist wohl der Cuban Overture-Teil, bevor es am Ende wieder zu „Rhythm“ zurück geht.

    „Alborada y Son“ von D’Rivera (wieder selbst arrangiert, nehme ich an) basiert erneut auf einem Riff des Fagotts, über dem die anderen Bläser ihre Linien spielen und der Komponist an der Klarinette dazustösst. Die zwei Versionen von Cinelus Solostück „Moon Dance“ umrahmen zwei kurze D’Rivera-Kompositionen. „Wapango“ (singende Klarinette über Percussion und Bläser inkl. Bassposaune) und den von Franco arrangierten „Vals venezolano“ (auch hier wieder schöne Klarinette des Leaders, aber über die Streicher), die wiederum um „Caravan“ herum gruppiert sind, mit acht Minuten noch ein längeres Stück mit höherem Jazzanteil: eine Trio-Performnance von Drew Jr., Formanek und Penn (keine Extra-Percussion, glaube ich). Den Abschluss machen dann die Ernesto Lecuona gewidmeten „Leconerias“, einem wunderbaren Klarinettensolo von zwei Minuten Dauer.

    Als Fazit: gelungen, vielleicht da und dort etwas zu verhalten … und etwas mehr Improvisation (vs. brav seine Parts spielen) vom Leader hätte mir auch nicht übel gefallen. Als Ergänzung vom oft unter Hochdruck stehenden Werk D’Riveras aber auf jeden Fall eine feine Sache!

    The World Quintet Featuring the London Mozart Players and Herbert Grönemeyer | Richtig gelesen: Grönemeyer auf Enja. Das World Quintet ist eine Klezmer-Band aus Basel, gegründet 1986 als Duo mit dem Namen Kol Simcha (später auch „Kolsimcha – The World Quintet“) von Josef Bollag und David Klein. Als 2002 dieses u.a. im Abbey Road Studio 1 in London, Studios in Belgien und der Schweiz sowie in der Kirche Boswil aufgenommene Album erschien, bestand die Gruppe aus Michael Heitzler (cl), Ariel Zuckermann (fl), Olivier Truan (p), Daniel Fricker (b) und David Klein (d). Die London Mozart Players werden von David Angus geleitet und sind auf fünf der elf Stücke dabei, Grönemeyer nur auf einem davon (bei dem die Mozart Players nicht angegeben werden, aber zu hören sind): „Trauer“, Musik von David Klein, Text von Selma Meerbaum, einer rumänisch-deutschsprachige Dichterin aus Czernowitz, die 1942 im SS-Arbeitslager Michailowka entkräftet an Fleckfieber starb – mit gerade einmal 18 Jahren. Das ist ein Zufallskauf, der nur selten läuft … ist nicht meine Ecke, aber gefällt mir eigentlich ganz gut. Das meiste Material hat Olivier Truan komponiert – und ich nehme an auch arrangiert: vom Klarinetten/Flöten-Duo „The Chase“ bis zu den ambitionierten Intermezzi #1 und #3 mit dem Orchester. Von Michael Heitzler stammen das jazzige „The Rod“ (auch mit etwas Orchester) und das abschliessende „Lied ohne Worte“, gespielt im Duo mit Truan.

    David Klein Quintet – My Marilyn | Vielleicht hat es schon wer geahnt: David Klein, der Drummer des World Quintet, hat auch ein Album als Tenorsaxophonist auf Enja gemacht, eine Hommage an Marilyn Monroe, die zugleich eine Hommage an seine Mutter ist, die Sängerin Miriam Klein (sie nahm u.a. ein legendäres MPS-Album mit einer hervorragenden Band auf, „Lady Like“). Ich hab davon eine Art Vorzugsausgabe in einer dicken Papphülle, die Präsentation ist überhaupt sehr schön, das Booklet auf dickes Papier gedruckt, darin Fotos von Monroe und diverse Texte, auch einer zu ihrem Jazzbezug (mit dem Foto, das sie mit Ella Fitzgerald zeigt, daneben), zudem Texte von Weggefährt*innen wie Jane Russell („I love your CD“ schreibt sie, „and know Marilyn would have gotten a big kick out of hearing it (Maybe she still does)“. Aufgenommen wurde das Album in den Hard Studios in Winterthur (auch hier keine Daten) mit einer exzellenten Band: Mulgrew Miller (p), Ira Coleman (b) und Marcello Pellitteri (d), sowie auf dem Opener „Kiss“ Jon Otis (perc), auf dem auch Miriam Klein gleich zum ersten Mal zu hören ist. David Klein ist kaum der originellste Saxophonist – aber sein Ton ist sehr schön, er setzt seine Mittel sehr gekonnt ein … und wird von der Rhythmusgruppe stets perfekt begleitet. Es gibt nach dem Opener aus „Niagara“ vier Songs aus „Let’s Make Love“ (weil „My Heart Belongs to Daddy“ – neben „Let’s Make Love“, klar – auch wieder dabei ist: den Text brauch ich hier eigentlich auch wirklich nicht … ich mochte den Song instrumental schon sehr gerne, bevor ich zum ersten Mal die Lyrics hörte – auch hier gefällt mir das Stück rein instrumental sehr gut), dazwischen auch „You’d Be Surprised“ und „She Acts Like a Woman Should“, danach noch „Diamonds Are a Girl’s Best Friends“ und zum Ausklang das Titelstück und „I’m Through with Love“ aus „Some Like It Hot“. Miriam Klein singt fast immer mit, auch auf „Incurably Romantic“, dem ersten der Songs auf „Let’s Make Love“, setzt aber auf dem vierten, „Specialisation“, wieder aus. Das dritte Instrumental ist dann der Closer.

    Composer-Credits hat man aber seltsamerweise trotz der sonst so aufwändigen Produktion vergessen. Beim Edel-Reissue von 2010 stehen sie dann anstelle der Film-Quellen dabei – ansonsten ist die Rückseite wie bei der Originalausgabe von 2001 gestaltet, das Foto mit Ella gibt’s im Booklet noch in gross.

    Darüber, dass Klein inzwischen Autor bei der Weltwoche ist, schweigen wir lieber … ich habe die CD auch lange nicht gehört und brauchte jetzt diesen äusserlichen Anlass, um mich zu überwinden.

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    vorgarten

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    mark helias, the current set (1987)

    interessantes dokument des newyorker jazz ende der 80er, mit berne/robertson in postmoderner avantgardehaltung und osby/eubanks im m-base-anschluss, alle vier gehen danach zu JMT, während der leader enja treu bleibt. auf berne reagiere ich so allergisch wie auf wenig andere spieler im aktuellen jazz, er nervt mich einfach, aber wie helias die alle hier arrangiert, ist ziemlich großartig, und da kann ich über das protzgequietsche hinweghören. (robertson mag ich viel lieber, überhöre ich aber generell oft.) interessanterweise fehlt ein harmonieinstrument, wie ja auch bei dave holland damals oder in dejohnettes special edition. aber es ist viel weniger auf solofreiräume hin konzipiert, sondern auf klangfarben, die sich zwischen den bläsern ergeben. interessant.

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    #12309157  | PERMALINK

    vorgarten

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    mark helias, attack the future (1992)

    bis auf herb robertson sind alle neu: michael moore (klarinette und altsax), ein pianist namens david lopato ist dabei, tom rainey am schlagzeug. weniger bissig, ambitioniert, eine lange suite in der mitte führt nirgendwo hin, gegen ende kommen aber zwei recht einfache, sehr schöne kompositionen (u.a. „beau regard“ vom ed-blackwell-project), für die die band ein kühles feuer entwickelt.

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    #12309161  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Vielen Dank – kenne diese Alben bisher beide nicht (und bestellt sind sie bisher auch nicht) … hab ja auf Monsterposts umgestellt, weil ich dachte, ich sei hier inzwischen ganz allein … was ich bei den Alben, die laufen, wohl auch bin, aber egal, ist ja alles hübsch portioniert mit den Coverbildchen. Der nächste ist in Arbeit, führt von Weilheim via New York nach Südserbien und anderswohin.

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    #12309173  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Uff, grad den erwähnten Monsterpost gelöscht aus versehen … hab ja ständig alles markiert und kopiert, aber das hilft nicht, wenn ich im anderen Tab die URL zu anderen Posts kopiere und das Inhaltsverzeichnis aktualisiere. Shit.

    Nun ja, in kürzester Kürze und besser wieder gestückelt:

    Enders Room – Monolith | Nu-Jazz aus Weilheim, gepflegt langweilig, ein paar Gastaufritte von Rebekka Bakken, neben dem Leader (saxes, clars, p, rhodes, samples, electronics) wirken auch Wolfgang Muthspiel, Roberto di Goia, Joe Locke, Ed Howard, Thomas Stabenow, Patrick Scales, Christian Salfellner, Micha Acher und Markus Acher mit – letzterer Johannes Enders Kollege aus dem Tied + Tickled Trio, da wohl damals als Live-Band erfolgreich war. Sonst wird in den anonymen Liner Notes ein weites Feld aufgespannt von all den Leuten, mit denen Enders in NYC lernte und spielte (Byrd, Byard, Marsalis, Mehldau, Tacuma usw.) zu den Notwist, von Lalo Schifrin über Weather Report zu Steve Reich und Björk. Es gibt hier schöne Sounds und ein paar gute Momente, aber alles in allem langweile ich mich (Steve Williamson oder Courtney Pine hatten ähnlichen Club-Jazz auch schon besser gemacht … aber Enders will ja wohl nochmal was anderes. (Diverse Studios in ungenannten Orten, 2001-2002, von Enders komponiert und produziert – bis auf die Lyrics vom einen Bakken-Auftritt, auf dem sie auch Worte singt, die schrieb sie selbst).

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    #12309179  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Josh Roseman Unit – Treats for the Nightwalker | Auch hier ein weites Feld an Bezügen, genannte und ungenannte. Die New Yorker Downtown-Szene trifft auf Leute aus dem M-Base-Umfeld, Bacharach, Sun Ra, Roland Kirk, Don Cherry, Dub und mehr … das Material stammt beim Zweitling (den Erstling stellte @friedrich vor, vgl. Index im ersten Post hier) bis auf das Orgelintro von Peter Apfelbaum und einen Bacharach-Song („Long Day, Short Night“) vom Leader. Es gibt oft zickige Beats von Billy Kilson, gute Soli von der Band (Apfelbaum, Barney McAll, Ben Monder, Jon Maron, Kilson) und der vielen Gäste (Russell Gunn, Myron Walden, Chris Potter, Jay Rodrigues, Peck Almond, Liberty Ellman, Adam Rogers, Patrice Blanchard, J.T. Lewis, Diego Voglino, Ben Perowsky, Daniel Moreno). Ein Streichquartett mit zwei Celli (Mark Feldman, Mat Maneri, Dana Leong, Rufus Cappadocia) und ein Akkordeon (Josh Camp) sind auch noch dabei … und obwohl das sehr dichte Musik ist, Bandmusik auch, in der die Soli nie zur Hauptattraktion werden, klingt das für meine Ohren recht offen und auch ziemlich transparent. Der Sound ist dunkel und etwas rätselhaft, die Palette an Instrumenten riesig (die Saxer speilen auch Flöten oder Bassklarinette, Apfelbaum nicht nur im Intro auch Orgel und McAll steuert neben Piano und Keys seine „dub tactics“ bei. Auch hier wurde neben zwei Basis-Sessions (vermutlich je mehrtätigig, Chung King Studios mit James Farber im März 2002 und KAMPO Studios mit Kenji Shimoda im September 2002) auch noch bei Perowsky und McAll weiteres aufgenommen … allerdings klingt das ganze so aus einem Guss, dass man diese verschiedenen Layer überhaupt nicht ahnen würde. Dieses Album wurde von Roseman selbst für Enja produziert und von Justin Time übernommen.

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    #12309183  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ekrem & Gypsy Groovz – Rivers of Happiness | Hierzu hatte ich echt viel geschrieben … nach dem mittelschlechten und mittelguten Album oben wieder eins, das ich hie und da wirklich gerne höre. Produziert hat es Ilija Stankovic, der auch lange Liner Notes geschrieben hat, die zahlreiche Einblicke in die Gegend, ihre Traditionen und Geschichte(n) von Krieg und Unterdrückung bieten – aber auch einen etwas verklärenden Tonfall haben. Aufgenommen im Bora Stankovic Theater in Vranje in Serbien sowie im Studio Topaz in Köln im August 2001. Vranje war der einzige Ort in Serbien, in dem nach dem Serbisch-Osmanischen Krieg (1876-78) Muslime bleiben durften – um die vorletzte Jahrhundertwende machten sei wohl noch um die Hälfte der Bevölkerung aus und waren mehrheitlich Roma. Musik der Roma ist es auch, die Ekrem Sajdic mit seiner Band Gypsy Groovz hier bietet. Ein Dutzend Stücke traditionellen Ursprungs hat er arrangiert, auf sieben davon stösst Dusko Goykovich als Stargast dazu. Sonst gibt es neben Sajdic noch zwei Trompete, eine Klarinette, ein Sax, vier Tuben und eine Basstuba sowie drei Drummer, zu denen sich der andere Gast gesellt, Ramesh Shotham auch Chennai. Zwei der Drummer spielen die übliche Brass-Band-Kombi (Bass Drum und Snare), die der dritte und Shotham erweitern die Palette um diverse Becher- und Rahmentrommeln. Die alte Musik, die hier zum Leben erweckt wird, ist Musik, die gespielt wird bei Todesfällen oder wenn es etwas zu feiern gibt. Die Stimmung bleibt auch in den schnellen Stücken melancholisch, ganz so, wie das Album beginnt. Wenn Goykovich mal „A Night in Tunisia“ zitiert, wirkt das überhaupt nicht wie ein Fremdkörper – wie auch seine strahlende Trompete sich gerade so schön in den Sound der Band einfügt, wie Shothams Trommeln es tun.

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    gypsy-tail-wind
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    Myriam Alter – If | „If“ von Miriam Alter ist wieder einmal ein Album, das ebensogut bei ECM hätte erscheinen können (aber nicht mit dem warmen Mischsound, den Joe Ferla am 20. und 21. Juni 2001 im Avatar Studio erzielte). Heimwehmusik mag das sein, aus dem Exil der Sephardim. In Belgien geboren wurde Alter zur klassischen Pianistin ausgebildet, wandte sich dann dem Jazz zu – ist hier aber nur als Komponistin zu hören. Und dennoch ist das ganz klar ihr Album, ihre Musik. Sie schriebt im Booklet:

    Coming from a Judeo-Spanish family (Sephardic Jews), I was raised with all kinds of musics such as Latin, Italian, Oriental, Spanish, South American and classical. As a piano player I was trained in classical music first but later in my life I went into jazz. The time came to write music that truly expresses what I am and where I come from without compromising for any style of fashion.

    Das tut sie hier mit zehn Stücken und der Hilfe von John Ruocco (cl), Dino Saluzzi (band), Kenny Werner (p), Greg Cohen (b) und Joey Baron (d). Es gibt hier zwar eindeutig Improvisation, aber wie viel ist mir nicht immer klar. Die Musiker sind reihum Glücksfälle. Cohen/Baron hatten ihre Zeit mit Masada hinter sich und waren ein eingespieltes Team, Werner gefiel mir noch nie so gut wie hier (okay, so viel kenne ich nicht … sein Enja-Album ist unterwegs), Saluzzi ist klasse, und die warme Klarinette von Ruocco (*1952 in New Haven geboren, seit den Achtzigern Saxophon- und Klarinetten-Lehrer an Musikhochschulen in Belgien und den Niederlanden) die perfekte Ergänzung – kein anderes Blasinstrument hätte hier so gut gepasst. Den Stücken wohnt manchmal etwas Filmisches inne, es sind ruhige aber sehr, sehr schöne Stimmungen, die Alters Stücke aufbauen. Und aus den ihren Titeln lassen sich vier Sätze bilden, wie in roter Farbe beigefügte Kommata und Punkte sowie weitere Zeilenabstände in der Trackliste suggerieren: „Waking up / Home.“, „If / I thin of it, / It’s all there.“ „Children play, / An intrigant melody, / Moving somewhere.“ Und „You should stay / Where you belong.“

    Ich habe das Album noch nicht lange und auch noch nicht oft gehört – es bleibt erstmal in Griffweite, damit sich letzteres ändert. (Auch dieses Album, von Lee Townsend produziert, wurde von Justin Time übernommen.)

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    #12309201  | PERMALINK

    lotterlotta
    Schaffnerlos

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    hier ja auch schon hinreichend vorgestellt, bewusst die ekapa-variante bestellt, das enja cover schreckt mich eher ab….

    lief vorhin bei gesprächen mit meinem besuch nebenher, die beim einstiegstrack gleich mitwippte, gefällt sehr braucht aber noch ein paar spins ohne gespäche, leider ist das vinyl etwas arg wellig, läuft dafür aber recht unauffällig…bin aber nun schon wieder hier…..

    habe da  die amiga ausgabe nachgekauft, ruhte als cassette jahrzehntelang in einer schublade und erfuhr wegen fehlendem equipment auch nicht die gebührende dauerhafte anerkennung. nun ist das geändert, ich frage mich warum ich dieses album nicht schon viel früher auf vinyl nachgekauft habe, kann da nur den kopf über mich selber schütteln, ähnliches gilt für waldrons black glory, wobei mir da  der viel später auf vinyl erschienene zweite teil ungleich besser gefällt, bei der liste aber leider nicht mitmachen darf…

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    Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!  
    #12309221  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Dusko Goykovich – Samba do mar | Goykovichs Alben habe ich die letzten Wochen grossteils ausgelassen … ohne triftigen Grund eigentlich. Das hier schien mir zu passen, um den Bogen zum Jazz zurück zu finden, aber auch weil es ähnlich wie Alters Album eine Art exilantischer Heimwehmusik bietet, und natürlich, weil ich Goykovich gerade auch in völlig anderen Kontext gehört hatte. Hier ist der 1934 im heutigen Bosnien geborene Trompeter mir Ferenc Snétberger (1957 in Ungarn als Kind einer Roma-Familie geboren, kurz vor dem Mauerfall nach Berlin gezogen), Martin Gjakonovsky (1970 in Skobje geboren, sein Vater eine zentrale Figur der Jazzszene Mazedoniens – er zog 1991 nach Köln, um dort weiter zu studieren) und Jarrod Cagwin zu hören (1974 in Iowa geboren, hatte damals als Trommelforscher aber schon die halbe Welt – den afrikanischen Kontinent, die Türkei, den mittleren Osten, Indien, Andalusien – bereist und gehörte zur Band eines anderen Reisenden, Rabih Abou-Khalil). Das Quartett klingt sehr frisch, die akustische Gitarre, der tiefe Bass, die Drums (inkl. Rahmentrommeln, dünkt mich) verbinden sich mit der lyrischen Trompete (oft mit Dämpfer) zu einem luftigen Ganzen. Neben drei Stücken von Goykovich (darunter das Titelstück, mit dem die CD öffnet) gibt es vier von Sergio Mihanovich (Buenos Aires, 1937–2012), zwei von Jobim (Rio de Janeiro, 1927–New York, 1994) und Nr. 5 aus Villa-Lobos‘ (Rio de Janeiro, 1887–1959) Bachianas Brasileiras. Die Jobim-Stücke sind „Chega de Saudade“ und „Insensatez“, gleich an dritter und vierter Stelle zu hören. Von den Enja-Alben von Goykovich dürfte das mein liebstes sein. Gypsy Jazz, Samba, nahöstlich angehauchte Rhythmen und die souveräne Trompete des Leaders (vielleicht so altersweise wie Mariano auf seinem „grünen Album“?) ergeben wirklich einen wundervollen Sound, der völlig integriert wirkt.

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    gypsy-tail-wind
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    Satoko Fujii Orchestra – The Future of the Past | Das ist Musik, die ich auch heute nicht besser verstehe – beim ersten Anlauf seit vielen Jahren. Ich hatte Fujii um den Dreh herum, also vor ca. zwanzig Jahren, mal im Radio gehört, im Duo mit dem Drummer Tatsuya Yoshida beim Jazzfest Berlin (9. November 2003 im Quasimodo) und war sehr fasziniert. Die Big Band (von der ich auch das erste bei Leo erschienene Album habe) bleibt mir aber irgendwie eigenartig fremd. Dabei sind in der Trompetensection neben Ehemann Natsuki Tamura auch Herb Robertson, Steven Bernstein und Laurie Frink, an den Posaunen Curtis Hasselbring, Joey Sellers und Joe Fiedler, die Reeds sind Oscar Noriega und Briggan Krauss (as), Ellery Eskelin und Tony Malaby (ts) sowie Andy Laster (bari), die Rhythmusgruppe besteht neben der Leaderin am Piano aus Stomu Takeishi am Bass und Drummer Aaron Alexander. Vier lange Stücke wurden am 20. September 2001 im Avatar Studio in New York (David Baker) aufgenommen und kamen 2003 bei Enja heraus (in Deutschland und in Japan). Stampfende, zupackende Musik ist das die meiste Zeit, mit intensiven Soli der vielen Bläser (leider gibt es keine Angaben dazu, wer wann zu hören ist) – und wenn es in „Incompleted“ stiller wird, finde ich das einen richtig schönen Moment. Der folgende Aufbau mit einem Posaunensolo ist auch ziemlich toll (Hasselbring vielleicht?). 35 Minuten dauert die erste Hälfte, in der „Pakonya“ und „Incompleted“ von Fujii das kurze „Tatsu Take“ von Tamura umrahmen. Dann folgt mit 25 Minuten das längste Stück, wieder von Fujii „The Future of the Past/Straw Dance“ – da geht es dann schon wieder mit heftigen Bläserfanfaren los, aber dann öffnet sichh die Musik immer wieder, Strukturen brechen auf, bieten Platz für freie Passagen. Das ist spricht mich schon irgendwie an. Ich glaub es ist die rhythmische Ebene, die mich nicht recht packen will – ich kann das alles echt nicht festmachen … vielleicht sollte ich bald mal wieder einen Anlauf nehmen.

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    friedrich

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    gypsy-tail-wind
    Josh Roseman Unit – Treats for the Nightwalker | Auch hier ein weites Feld an Bezügen, genannte und ungenannte. Die New Yorker Downtown-Szene trifft auf Leute aus dem M-Base-Umfeld, Bacharach, Sun Ra, Roland Kirk, Don Cherry, Dub und mehr … das Material stammt beim Zweitling (den Erstling stellte friedrich vor, vgl. Index im ersten Post hier) bis auf das Orgelintro von Peter Apfelbaum und einen Bacharach-Song („Long Day, Short Night“) vom Leader. Es gibt oft zickige Beats von Billy Kilson, gute Soli von der Band (Apfelbaum, Barney McAll, Ben Monder, Jon Maron, Kilson) und der vielen Gäste (Russell Gunn, Myron Walden, Chris Potter, Jay Rodrigues, Peck Almond, Liberty Ellman, Adam Rogers, Patrice Blanchard, J.T. Lewis, Diego Voglino, Ben Perowsky, Daniel Moreno). Ein Streichquartett mit zwei Celli (Mark Feldman, Mat Maneri, Dana Leong, Rufus Cappadocia) und ein Akkordeon (Josh Camp) sind auch noch dabei … und obwohl das sehr dichte Musik ist, Bandmusik auch, in der die Soli nie zur Hauptattraktion werden, klingt das für meine Ohren recht offen und auch ziemlich transparent. Der Sound ist dunkel und etwas rätselhaft, die Palette an Instrumenten riesig (die Saxer speilen auch Flöten oder Bassklarinette, Apfelbaum nicht nur im Intro auch Orgel und McAll steuert neben Piano und Keys seine „dub tactics“ bei. Auch hier wurde neben zwei Basis-Sessions (vermutlich je mehrtätigig, Chung King Studios mit James Farber im März 2002 und KAMPO Studios mit Kenji Shimoda im September 2002) auch noch bei Perowsky und McAll weiteres aufgenommen … allerdings klingt das ganze so aus einem Guss, dass man diese verschiedenen Layer überhaupt nicht ahnen würde. Dieses Album wurde von Roseman selbst für Enja produziert und von Justin Time übernommen.

    Das liest sich aufregend!

    Ich kenne nur das von dir hier erwähnte Debut von Josh Roseman, auf dem immerhin auch insgesamt 13 Musiker mitwirken und Zutaten unterschiedlichster Herkunft zusammengemixt werden. Wobei das am Ende für mich aber ebenso bunt wie auch stimmig klingt. Und es macht wirklich Spaß, „a lot more meat, a little less bone“! Das von dir beschriebene zweite Album scheint da noch mal eins oder zwei draufzusetzen.

    Die Hörprobe erweckt bei mir den Eindruck, dass Treats For The Nightwalker („Die Freuden des Nachtwanderers“) weniger plakativ, dafür aber umso komplexer ist als das Debut Cherry:

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    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
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    gypsy-tail-wind
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    Bennie Wallace – The Nearnesss of You | Ein Balladenalbum mit ein paar mittelschnellen Stücken von Bennie Wallace, bei dem man wieder mal über das Cover hinwegsehen muss. Es kam als SACD heraus, die einzige mir bekannte solche im Enja-Katalog. Joe Harley hat wieder produziert, Joe Marciano am 23. und 24. Juni 2003 im Systems Two in Brooklyn aufgenommen, im Trio mit Kenny Barron und Eddie Gomez. Ich habe die CD damals nicht gekauft, erst vor knapp eineinhalb Jahren die japanische Ausgabe in die Finger gekriegt (auch von 2004, bei Justin Time gab’s das Album übrigens auch).

    Mit einem über neun Minuten langen „Come Rain or Come Shine“ setzt das Trio den Ton, danach folgen Songs wie „Willow Weep for Me“, „Crazy He Calls Me“, „Why Was I Born“, „I’m Old Fashioned“, „Some Other Spring“ und natürlich das Titelstück von Hoagy Carmichael. Wallace lässt sein Saxophon manchmal kurz schnauben und fauchen, aber das bleibt alles im Mood. Sehr interessant finde ich, nach dem Gershwin-Album und dem Mitschnitt aus Berlin, wie anders Barron hier unterwegs ist: zugleich zurückhaltender und präsenter, lyrischer, verspielter, offener – und gerade deshalb immer am richtigen Ort. Da merkt man wohl seine Erfahrung mit Stan Getz – ein vollkommen anders gearteter Stilist als Wallace, aber eben auch ein Balladenspezialist. Gomez hat in diesem Setting viel Platz, es gibt auch Passagen ohne oder mit sehr wenig Klavier und da ist der Bass auch mal rasant unterwegs, etwa im Intro von „I’m Old Fashioned“ – aber auch ihm gelingt es, nie aufdringlich zu werden, stets der Sache zu dienen (dabei mag der Mix helfen, der den Bass nicht wie so oft in den Vordergrund drückt – gerade bei Gomez ist es ja eher selten, dass sein Bass so aufgenommen wird, dass er mehr gefühlt als gehört wird). Überraschend gut – und mir selbst ein Rätsel, warum ich es damals nicht kaufte. Vermutlich, weil kein Drummer dabei ist … aber aus heutiger Sicht macht es das gerade ungewöhnlich. Allerdings war Wallace bis und mit 2004 so präsent, dass ich nicht auf Idee kommen konnte, dass das hier sein letztes Studio-Album bleiben sollte (er kam im November 1946 zur Welt, war also noch nicht mal 60, als sein letztes Album entstand … keine Ahnung, was die Gründe für den Rückzug sind).

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    gypsy-tail-wind
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    Enders Room – Human Radio | Ein paar Jahre später zog ich nach „Monolith“ auch noch dieses 2004 erschienene Album von Johannes Enders‘ Projekt Enders Room aus der Grabbelkiste. Abgesehen von einem Stück, das er mit Rebekka Bakken gemeinsam komponiert, stammt wieder alle Musik von Enders, bei den Lyrics halfen je einmal Bakken („So Ro“) und Joo Kraus mit (sein Rap in „Self Observatory“, den er gleich selbst an der Trompete begleitet). Bakken, Roberto Di Gioia (p, elb) und Thomas Stabenow (b) sind die Basis-Band, Ed Howard spielt auch wieder auf einem Stück den Bass, an den Drums wechseln sich Wolfgang Haffner und Andy Haberl ab, Saam Schlammiger ist im tollen Opener an Tombak und Dohol dabei. Enders selbst spielt Tenorsax, Bassklarinette, Flöte, Rhodes und Synthesizer und zeichnet für programming und electronics verantwortlich. Die Aufnahmen entstanden 2003–2004 im Endless Music Studio und dem Realistic Music Studio, gemäss Discogs in Weilheim bzw. München.

    Mit „Euphrat“ gibt es einen sehr tollen Opener, eine Art Nu-Jazz-Variante von Coltranes „India“ vielleicht, mit dem Leader an der Bassklarinette. In „So Ro“ singt Bakken dann zum ersten Mal – auf Norwegisch, nehme ich an. Danach bin ich mal drin, mal wieder raus … alles in allem spricht mich das Album aber ein ganzes Stück mehr an als der Erstling. Auch hier erhebt sich hie und da Enders‘ solides Tenorsaxophon aus den Soundscapes – und weiss mit seinem tollen Ton zu überzeugen. Und in „June“ spielt er ein Solo, das wie ein zusätzlich gefiltertes Varitone klingt. Ich schrieb oben „filmisch“ zu „If“ – das passt wohl auch für Enders Room. Nach diesem Album war ich dann aber raus, die Grabbelkisten boten ab den mittleren Nullern kaum noch Jazz (weil es nichts mehr gab, was aus dem fast nicht mehr existenten Sortiment fallen konnte) und das zeitraubende Wühlen lohnte irgendwann nicht mehr … solche Zufallskäufe (wie auch das Roseman-Album einer war) fanden danach längere Zeit nicht mehr statt, erst als ich regelmässig bei Discogs einzukaufen begann, gab es mit dem, was ich da „Beifang“ zu nennen pflege, wieder ähnliche halbgeplante Käufe.

    PS: weil ich grad das Sommerprogramm vom bird’s eye in Basel geöffnet habe die Tage und überlege, ausser zu Melissa Aldana noch wohinzugehen: vom 15. bis 17. August spielt Johannes Enders da drei Gigs: es gibt Sonny Rollins-Hommage mit Henning Sieverts und Jorge Rossy, ein Orgeltrio mit Renato Chicco und Rossy sowie eine Pharoah Sanders-Hommage mit Joris Teepe und Gene Calderazzo. Wär das in Zürich, würd ich wohl vorbeischauen (dann tät’s aber auch nicht 14 sondern 45 pro Abend kosten …)

    Von den damals trendigen Sängerinnen aus Skandinavien hatte Enja auch Cæcilie Norby und Susi Hyldgaard am Start – von denen ich allerdings überhaupt nichts kenne. Efrat Alony aus Israel, Elisabeth Kontomanou aus Lyon oder Céline Rudolph aus Berlin sind weitere Sängerinnen mit Enja-Alben aus der Mitte der Nullerjahre – und auch sie kenne ich alle nicht. Ebensowenig die aus Kanada stammende Melissa Walker, deren drei Alben auf Enja da schon durch waren, oder die in Bayern beheimatete Jenny Evans, die auch schon ab den späten Neunzigern für Winckelmann aufnahm … da gibt es ein ganzes Vocal-Jazz-Cluster, und da sollte dann Kevin Mahogany nicht unerwähnt bleiben, der schon 1993 bei Enja debütiert hatte und dessen Namen man in den Neunzigern oft hören konnte (ich hab da nie wirklich Zugang gefunden, aber auch nicht hartnäckig gesucht – wie beim neun Jahr jüngeren Kurt Elling, der damals parallel bei Blue Note unterwegs war).

    Überhaupt, wenn ich in der Zeit durch den Katalog scrolle, kenne ich sehr vieles nicht … gezielte Empfehlungen wären schön, z. B. auch von Ferenc Snétberger, falls das etwas besonders lohnt.

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