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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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Hal Galper „Inner Journey“ (Mainstream) 1974 …. mit Dave Holland (b) + Bill Goodwin (dr) …. alles was man sich von diesem „Subgenre“ eigentlich wünschen kann aka ein prominent aufgenommer tanzender Bass, hell ziseliertes Schlagzeugzaubern und ein Pianist, welcher Ideenviefalt besitzt, diese aber bei weitem nicht überstrapaziert …. eine jener Scheiben, welche beim aktuellen Wiederhören sehr deutlich an Substanz gewonnen haben …. „on the bubble“ meiner Top20 ….
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The John Wright Trio – South Side Soul | South Side Chicago ist natürlich gemeint, obwohl das Album wie vier weitere in Englewood Cliffs, NJ aufgenommen und bei Prestige erschienen ist. Wright ist einer der Pianisten, die in die „soulful“-Ecke gehören. Soulige Blues-Nummern, träge Gospel-Grooves, dunkel schattierte Stimmungen – das hebt ihn von anderen Pianisten aus der Ecke (Gene Harris, Bobby Timmons, in Chicago Ramsey Lewis …) wiederum ab. LeRoi Jones schreibt zum Einstieg der Liner Notes zum Album allerdings von der Migration nach Chicago zwischen 1910 und 1920, „from the cotton fields of the South to the grey cities of the North“. Um die 60’000 Schwarze seien zugezogen, unter ihnen auch viele „blues singers, guitar strummers, and almost any other kind of musician you could name came up also“. Jones nennt u.a. Blind Lemon Jefferson, Roosevelt Sykes, Chippie Hill, Mamma und Jimmy Yancy, Memphis Slim … fast alle landeten in der South Side, wo etwas ähnliches entstanden sei wie in Harlem. Pianist John Wright kam in Louisville, Kentucky zur Welt, lebte aber die meiste Zeit seines Lebens in Chicago, wie der Bassist Wendell Roberts und der Drummer Walter McCants, zu dessen frühen Gigs auch zwei Jahre mit Ramsey Lewis gehörten. Eine formelle Ausbildung genoss Wright nicht, aber praktisch alle in seiner Familie spielten irgendein Instrument und so wurde er zum Tutoren am Midwestern Conservatory und spielte in und um Chicago mit unterschiedlichen Bands, begleitete auch Besucher wie Gene Ammons. Sieben Originals gibt es zu hören, drei von Wright, eins von Roberts, zwei von einem Armond G. Jackson (anscheinend ein 1917 geborener Drummer aus New Orleans, der in den Vierzigern und Fünfzigern mit vielen Bluesern spielte?), das Titelstück hat Esmond Edwards, der Produzent, sich gekrallt … das Ergebnis ist eine Art musikalischer Gottesdienst, dunkel und soulful, hier wird gepredigt, gechantet, jubiliert. Hätte mir in den ersten Jahren meiner Jazz-Erkundungen wenig gesagt … drum hab ich auch nur das Fresh Sound 2-CD-Set mit vier der fünf Alben (eins mit Quartett mit dem Tenorsaxophonisten Eddy „Cat Eye“ Williams, dafür fehlt „Mr. Soul“, das fünfte Prestige-Album, das ich mir dann mal noch aus Japan holte).

Stan Tracey Trio – The 1959 Sessions | Das mit dem Verfeinern des Hörens ist in der Tat oft faszinierend bei solchen Projekten. Dass hier Monk stärker also in aller Regel Pate stand, hätte ich allerdings auch so bemerkt, aber für viele Feinheiten wird das Ohr tatsächlich gut geeicht, wenn man sich einem Thema so widmet, wie wir es gerade tun. Stan Tracey macht schon 1959 einiges richtig – auf diesen Aufnahmen, die erst 2022 erschienen sind, als die Bänder gefunden wurden, ist das zu hören. Acht kurze Stücke mit Kenny Napper am Bass, die ersten vier (allesamt Standards) mit Tony Crombie, die zweite Hälfte mit Phil Seamen am Schlagzeug (vier Originals). Rhythmisch ist das alles schon noch etwas steif – der Durchbruch für Tracey und damit vielleicht den englischen Jazz überhaupt folgte ja erst ein halbes Jahrzehnt später mit „Under Milk Wood“ (daneben gab es schon Tubby Hayes, klar, und die Einwanderer aus der Karibik – aber die Begleiter von Hayes waren in den früheren Jahren ja auch noch nicht auf dem Level … Crombie, Napper und Seamen gehören alle zu ihnen). In den Balladen, etwa dem Original „Little Girl Sadly“, ist eher Ellington die Referenz. Die Aufnahmen entstanden am 5. und 8. Juni 1959 in den Decca-Studios. Ein kleines Detail aus den Liner Notes (Alyn Shipton): „I wondered whether, by the time he made these 1959 sessions, Stan thought of himself as one of the pianists on the London scene of the time who had consciously led the move towards playing bebop? But his answer was somewhat typically self-deprecating: ‚Not really, I just went along with what was happening. That music was part of the scene, so that’s what I played.“ – Das Level des Klavierspiels ist schon bemerkenswert: mit Elementen von Ellington, Monk und Powell hat Tracey bereits zu dem Zeitpunkt einen ziemlich eigenen Stil gefunden. Und ein wenig Vibraphon spielt er hier auch noch. Er hatte das Instrument ab 1956 ab und zu gespielt, hier tut er es in „Street of Themes“, einem Thema über „Street of Dreams“ von Victor Young – wie Victor Feldman im Trio ohne Klavierbegleitung, was schon auch ziemlich toll ist – wenngleich off topic hier. Ein Schwenker zurück in die Fünfziger, der durchaus lohnenswert ist.

Daniel Humair, René Urtreger, Pierre Michelot – Hum ! | In Paris war um die Zeit schon mehr los, was daran liegt, dass nach dem zweiten Weltkrieg jazzmässig echt viel los war an der Seine (und vielleicht auch daran, dass die Gewerkschaften weniger protektionistisch waren?). Im September 1960 wird jedenfalls das Trio HUM – Daniel Humair (d), René Urtreger (p) und Pierre Michelot (b) – im Club Saint-Germain live mitschnitten und ein Album erscheint 1982 auf Véga (und 1982 wieder auf Carlyne, dem Label der Schweder von Urtreger, für das das Trio 1979 ein zweites Album eingespielt hat). „Just One of Those Things“ ist der Opener und das ist eng verzahnt, rasant, Humair spielt so super wie Michelot, der Drummer höchst lebendig, mit Besen so souverän wie mit Sticks, der Bassist mit unerschütterlichem Beat … und darüber dann René Urtreger, der ja schon längst mit den Besten mithalten konnte (vgl. sein Debutalbum, von dem wir es hier schon hatten). „Bye Bye Blackbird“ folgt als zweites, dann die Ballade „Ah Moore“ von Al Cohn und „Monsieuur de …“ von Urtreger. Teil 2 öffnet mit Monks „Well, You Needn’t“, gefolgt vom Michelot-Feature „Laura“ und zwei weiteren Jazz-Tunes, „Airegin“ und „C.T.A.“ – letzteres eine Erinnerung daran, dass auch Jimmy Heath in den Fünfzigern mal in Paris war. Das alles ist sehr souverän, bewegt sich zwischen Powell und Garland (die Block-Akkorde in „Blackbird“ kommen eher von da als von Shearing, dünkt mich), zwischen Monk und Jamal (im Monk-Stück – wobei im direkten Vergleich auffällt, dass Urtreger mit dem Monk-Einfluss ganz andere Wege geht als Tracey: bei diesem sind es Ecken, Kanten, es werden Haken geschlagen – während Urtreger das alles irgendwie sublimiert und in die Linien einbaut, die seine rechte Hand spielt).
Ich höre das Album aus dem 3-CD-Set, das 1999 mit einer dritten Aufnahme des Trios aus demselben Jahr bei Sketch erschienen ist. Unten zudem ein Foto von Urtreger und seiner Schwester Jeanne de Mirbeck mit Miles Davis, 1957 im Club Saint-Germain.

Und die drei Gallier auf einem Foto von 1959 aus dem Sketch-Booklet:

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
Chris Anderson Trio – My Romance | Das erste von zwei frühen Trio-Alben, die ich auf einer Fresh Sound-CD habe, wurde im Oktober 1960 in Chicago für Vee Jay aufgenommen und erschien erst mit grosser Verspätung. Bill Lee und Art Taylor sind dabei und das Ergebnis ziemlich einzigartig. Anderson ist daran interessiert, harmonisch eigene Wege zu gehen, klingt oft wie eine virtuose Ausprägung von arranger’s piano, bezieht wohl gerade so viel von Ellington wie von all den Grössen des Jazz-Pianos. Seine Standards-Interpretation sind – auf komplett andere Weise – so eigenwillig wie jene von Herbie Nichols oder Elmo Hope. 1960 hat Herbie Hancock bei Anderson gelernt und später zu Protokoll gegeben, dass dieser „a whole other facet of tools of expression and harmonies“ gefunden habe „that I hand’t heard in Bill Evans“. Eine Parallelgeschichte des Jazzpianos, die hier hätte ihren Ursprung nehmen können, aber hier auch schon wieder geendet hat, mal abgesehen von Anderson eigenen späteren Aufnahmen, die ja leider alles andere als zahlreich sind. Er drückt Stücken mit „So in Love“ (Andrew Hill!) oder „You Stepped Out of a Dream“ seinen Stempel auf, spielt gleich drei Stücke von Richard Rodgers – vor direkt vor „My Romance“ auch „A Fellow Needs a Girl“ und „I Could Write a Book“, und danach als Closer eine tolle, lange Solo-Version von „Love Letters“. Nur gerade „Monica“ von Bill Lee ist ein Original. Das ist schon ein wenig gewöhnungsbedürftig, auch weil Anderson – an der Oberfläche eine Parallele zu Nichols, aber mehr auch nicht – gern in der Höhe spielt. Aber vor allem ist das ganz tolle Musik!
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The John Wright Trio – Nice ’n‘ Tasty | Im November 1960 war Wright wieder im Studio von Rudy Van Gelder. Für sein zweites Prestige-Album stellte man ihm Wendell Marshall und J.C. Heard zur Seite. Als Opener ist eine funky Hard Bop-Nummer von Cannonball Adderley zu hören, „Things Are Getting Better“, bevor es mit „The Very Thought of You“ ins Balladenterritorium geht. Der Sound ist luxuriös, Goldregen im Herbst. Durch die Erweiterung um Standards und die mit allen Wassern gewaschenen Sidemen klingt das alles etwas anders, eine Spur weniger funky schon, aber gleichzeitig ermöglicht der Rahmen Wright auch, neue Facetten seines Spiels zu präsentieren.
Joe Goldberg holt in den Liner Notes sehr weit aus, um zu schreiben, was John Wright alles nicht sei und wird dabei heftig polemisch. Die Musik der Schwarzen Kirchen sei gerade „the most pervasive influence in contemporary American popular music“ und „’soul‘, or ‚funk‘, is the jazz shorthand for the music of the sanctified church“. Im Rhythm and Blues (und daher im Rock’n’Roll), ja selbst im Country and Western, habe die Musik der Schwarzen sich durchgesetzt, mit neuen Etikett „rockabilly“ und Elvis Presley – und weil sich das alles noch nicht im „theatre“ niedergeschlagen habe, „it is possible to find current hit tunes done in the gospel or country manner by people as far from the tradition as Eydie Gorme“. Das alles sei auch eine Reaktion auf „the pallid music of the west coast“ gewesen und selbst innert Kürze zu einem „commercial gimmick“ geworden sei. Die „Helden“ dieser „solemn days of jazz-as-art-and-oh-yes-roots-Lord“ (Hentoff, zitiert von Goldberg) seien meist Pianisten gewesen, und viel von dieser „soul music sounds as though it was written and performed by musicians with no greater acquaintance with gospels than can be acquired by a few hearings of Horace Silver’s ‚The Preacher'“. Und so würden sie alle ähnlich klingen, modernisierte Versionen von Gospel-Stücken schreiben und nicht bemerken, dass die Musik durch diese Modernisierung viel von ihrem Charme verliere. Dabei würden sie „mannerisms of Red Garland, Erroll Garner and Ahmad Jamal“ einstreuen und einen banalen „sentimentality-with-block-chords“ Zugriff pflegen. Und dann nennt Goldberg auch tatsächlich einen Namen: „The most representative of these is undoubtedly Les McCann, who has the bad taste to make mockery of the same music he exploits by shouting ‚Amen‘ after solos, and opens sets by saying things like ‚Once again I would like to welcome you to the East Side Baptist Church of Hollywood.'“ – Auch Victor Feldman kriegt sein Fett weg: er sei in Adderleys Band gerade so effektiv gewesen wie sein Vorgänger Bobby Timmons, aber sein Stil „had quickly disintegrated into a convention, as easily grasped by the professional musician as the cha-cha.“ Und als Gipfel dann noch die deutsche Ingenieurskunst: „Now that it has become a matter of supposedly emotional music being achieved solely through technique, perhaps we will find in a year or so, if the trend persists, that the Germans have learned how to manufacture funky piano players out of old airplane parts.“
Krass. Ob man sich über solche Liner Notes freuen kann, auch wenn nach zwei Drittel solcher Polemik noch ein Drittel des Lobes über einen folgt? Und klar, ich müsste das hier alles nicht ausgraben, aber ich finde es einen faszinierenden Einblick in ein Scharmützel, das ja lange Zeit nachwehte: Gene Harris – und Les McCann – werden bis heute von der Jazz-Polizei oft nicht ernst genommen: Ramsey Lewis sicher, Bobby Timmons vielleicht auch nicht. Und selbst Ahmad Jamal blieb nicht immer verschont.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbamist, chis anderson hatte ich nicht mehr auf dem schirm, weil die frühen alben nur digital besitze. mal schauen, ob ich die nochmal herauskrame.

evans, gómez, morell, the tokyo concert (1973)
was macht eigentlich bill evans? sein trio hat er mit marty morell wieder stabil gekriegt, einen neuen labelvertrag (fantasy), er ist in japan unterwegs, wo ihn alle feiern, er spielt ohne druck und ist für seine verhältnisse zum hippie geworden (zeitzeugen berichten von auftritten in einem pinkfarbenen hemd!). und das hört man der musik an, vom material bis zum entspannten zugang. die harmonien sind weicher, offener geworden, morell ist ein eleganter drummer, der nichts dekonstruiert, aber immer wieder mal anzieht, und der bassist nutzt den raum ohne verbissenheit. „my romance“ klingt plötzlich wie auf links gedreht. toll auch sein neues „t.t.t.“, das das zwölftonschema zum tanzen bringt, dabei natürlich nur vordergründig einfach ist. schöner kurzbesuch.
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zeitlin, marsh, graves, expansion (1973)
und dr. zeitlin treibt es weiterhin wild. in den credits steht: piano, electric piano, clavinet, organ, melodica, synthesizer [arp], electronics, idiophone [african thumb pianos], tambourine. wenn das zählte, muss ich auch die ganzen studioalben der necks noch hören. ein wilder ritt, bei dem sich die begleiter nicht abhängen lassen. aufgenommen in berkeley, da ist natürlich der wind für sowas. ich find das schon super, aber es gibt eigentlich kaum momente, in denen ich wirklich aufhorche. die geste reicht. im kern ist das schon ein akustisches jazzpianotrio, aber die erweiterungen wirken so, als sei die basis den musikern mittlerweile etwas peinlich.
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Schlagwörter: Jazz, Piano, Piano Trio
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