100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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  • #12488371  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

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    vielen dank! am interessantesten fand ich immer alec wilders spitze über porters texte: „they seldom risked or indulged in tenderness or vulnerability. even when concerned with emotional stresses, they often managed to keep at a polite distance from true sentiment by means of a gloss, a patina of social poise.“ und genau da sieht er den unterschied zu jenen von lorenz hart.

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    #12488399  | PERMALINK

    vorgarten

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    86

    MEMPHIS UNDERGROUND
    mann, young, emmons, wood, chrisman, cogbill, leech, ayers, coryell, sharrock, vitous, dowd, dowd (4/1969)

    „underground“ ist hier nicht unbedingt die musik anzusiedeln, vielleicht ist das eher eine anspielung auf den underground railway, bei dem der mississippi eine wichtige rolle spielte. ein jahr vor den aufnahmen war martin luther king in memphis ermordet worden, die „battle hymn of the republic“, den closer dieses albums, zitierte er noch am vorabend seines todes. herbie manns undergroud-verbindungen zwischen memphis und new york (er brachte sharrock, coryell, ayers mit) erzählen somit eine weiße solidarität mit der schwarzen bürgerrechtsbewegung, er wagt sich an soul-coverversionen heran und macht daraus 1-akkord-trips, in denen sonny sharrock in irrlichternde cluster ausbrechen darf, während die hausband des american sound studio vor sich hin groovt. sehr schön ist, wie er sich selbst darin bewegt, engagiert, fast übersprudelnd, über sich hinauswachsend. und wären überhaupt die soli nicht so gut, hätte man nur ein eigenartiges album mit instrumentalversionen von groove-hits der zeit. creed taylor ist damals sofort auf den underground railway aufgesprungen, er wollte stanley turrentine mit der gleichen rhythm section, und als das nicht klappt, kam er sofort auf flöte (hubert laws, CRYING SONG). die müde nachahmung war mir nicht bewusst. aber vielleicht war MEMPHIS UNDERGOUND in seiner zeit so frisch und überzeugend, dass man gar nicht anders konnte.

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    #12488453  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Ein verblüffendes Album! Hatte ich schon in frühem Teenageralter entdeckt, irgendwann abgeschrieben, dann via (ich hab ja was mit) Sonny Sharrock wieder hervor geholt… und seither immer wieder mal, und stets mit Freude darüber, wie gut das ist, wie frisch es geblieben ist, wie es immer wieder überrascht.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12488983  | PERMALINK

    vorgarten

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    85



    THE KÖLN CONCERT

    jarrett, eicher, wieland (24.1.1976)

    wenn schon nur ein album von herbie mann, warum dann nicht STONE FLUTE? wenn schon nur ein album von keith jarrett, dann: na, klar. es ist aussichtslos, das kölnkonzert bleibt überall hängen, es geht nicht mehr weg, man wird es nicht los. manchmal nervt es aber gar nicht, vor allem nicht, wenn man es sehr laut hört und aus dem plätschern herausholt. war ich früher perplex, dass es auch nicht den hauch einer dissonanz darauf gibt (zu einem zeitpunkt, als sowohl das amerikanische und das europäische quartett noch existierten), so höre ich heute die radikalität woanders, in den fast hineingetretenen schwingungen der mittleren lagen, die wirklich irgendwann ganz fremd zu dröhnen anfangen, obwohl der quatsch mit dem verstimmten stützflügel mittlerweile endlich widerlegt ist. ein irgendwie unwirkliches event, uneigentlich auch, gezähmter gospel für ein deutsches publikum, in arpeggien zerlegte akkorde (hat er mit dem standard trio aufgegeben), zu tonal für mitt70er jazz, zu gebunden für freie improvisation, zu new age für den klassische-musik-raum. aber eben auch wieder ein beispiel für die offenheit der zeit. ich möchte gerne eine stelle herausschneiden, weil ich da schon was höre, was ich an jarrett eigentlich mag, den zweiten teil von IIa), nach dem gospel, die klaren komplexen akkorde, nicht in arpeggien zerlegt, und der dabei von der pedale rutschende fuß. glanz und tritt.

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    #12489003  | PERMALINK

    dogear

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    gypsy-tail-windEin verblüffendes Album! Hatte ich schon in frühem Teenageralter entdeckt, irgendwann abgeschrieben, dann via (ich hab ja was mit) Sonny Sharrock wieder hervor geholt… und seither immer wieder mal, und stets mit Freude darüber, wie gut das ist, wie frisch es geblieben ist, wie es immer wieder überrascht.

    Geht mir genauso, ich kaufte es bei Erscheinen, wenn ich mich recht erinnere, waren die Preise für LPs gerade auf astronomische 22 Mark geklettert. Ich kannte Mann damals noch nicht, aber mich faszinierte das Cover, besonders das Studiofoto auf der Rückseite. Ich krame das Album ab und zu wieder raus – so frisch wie beim ersten Hören.

    zuletzt geändert von dogear

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    Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
    #12489783  | PERMALINK

    vorgarten

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    84

    THE SERMON!
    smith, burrell, bailey, donaldson, brooks, blakey, coleman, mcfadden, lion, van gelder (25.8.1957/ 25.2.1958)

    „top manual (lead lines): 888000000 drawbar setting, no percussion, C2 vibrato. the leslie is set to single speed (no chorale), and the key click and overdrive from the amp are prominent. bottom manual (walking bass and comping): 838000000 drawbar setting.“ was hier jemand für wiki aufgeschrieben hat, ist fast schon neusachliche poesie. ähnliches könnte man wahrscheinlich für van gelders aufnahmetechnik aufdröseln. eine sache der voreinstellungen.

    die musik, die sich im voreingestellten rahmen ereignet, ist denkbar unspektakulär, ein einfacher blues, ein etwas schnellerer hardbop-groove, eine ballade. smith tritt hier nicht als akrobat auf, nicht als schnellspieler, nicht als höhepunktsucher. eine subtile folge von effekten ertönt aus den voreinstellungen, manches schnarrt mit, einiges verzerrt, in „JOS“ wirft er störakkorde hinein, um einen wechsel in der solofolge einzuleiten. aber alles ist von großer zurückhaltung. im sound schweben zwei unterschiedliche gitarre-drums-tandems mit, blakey shuffelt 20 minuten mit kaum merkbaren verdichtungen, stolpert in der ballade in double time hinein und wieder heraus, donald bailey swingt mit ungewöhnlichen akzenten, aber ebenso gleichförmig. in den vielen soli scheint nicht wichtig, was gespielt wird, es geht um sound und verzahnung mit oder emanzipation von der basis, kleine herausforderungen vielleicht (mcfaddens zu-schnell-spiel, morgans kleine provokationen der drums, brooks dezent modernistische sinnsuche), aber auch unendliche gelassenheit. die eigentlich wichtigen absprachen sind die zwischen verstärker und mikrofonen. leichte schwankungen, kurze übersteuerungen, ganz kurze wege zwischen effekt und ohr. etwas versetzt spielt eine melancholisch-schöne trompete in die nacht und wird dabei vom basspedal angerempelt. keine erschütterung der welt – quintessenz.

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    #12489799  | PERMALINK

    vorgarten

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    83

    THESIS
    giuffre, bley, swallow, taylor, olmstead (7.8./8.8. 1961)

    zweite runde mit diesem trio. der abstraktionsgrad ist geringer, das interplay beweglicher. sehr genau festgelegt scheinen komponierte und freie passagen, immer wieder kommt es zwischendurch zu einer eigenartigen form von swing. schräge vorstellung, falls die geschichten stimmen, dass aufnahmeleiter und produzent all das kühl über sich haben ergehen lassen, ohne einzugreifen, ohne zu stören, ohne sich zu begeistern. dabei ist es ziemlich schön zu hören, wie immer wieder zwei was finden, der dritte zuhört und dann einen neuen impuls gibt. so fließt das dahin. giuffre erzeugt tonlos nur mit luft kleine schlagzeugbecken-illusionen, bley greift mal in die drähte, swallow klopft mal auf holz. ein stück heißt „whirrr“. aber eigentlich ist schon interessanter, was die töne miteinander machen, und sei es im standard „goodbye“. der letzte akzent ist trotzdem ein wischschssch durchs klavierinnere.

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    #12490163  | PERMALINK

    vorgarten

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    82



    THE BRIGHT MISSISSIPPI

    toussaint, piltch, bellerose, byron, payton, ribot, mehldau, redman, henry, killen (19.-22.3.2008)

    eine irritation: eins der jüngsten alben in der liste bildet das älteste material in der liste ab, das natürlich aus der prä-album-zeit stammt. zweite irritation: wie brav das ist, und trotzdem einigen menschen so viel wert, dass sie es hier nennen. ein southern-blues-museum, bei dem der leader eigentlich der einzige ist, der entwicklungen von der quelle aus verkörpert, weshalb er hier fast die poppigste stimme ist. daneben gibt es perfekte mimikry (payton), schöne einfühlung (piltch, bellerose [of jeff parker ETA IVtet fame], mehldau, redman) und spielerische distanzierungen (ribot, byron), aber alles von einer solchen gelassenheit, dass man nicht recht versteht, wo der besondere funke sein soll. vielleicht ein oldjazz-album aus rocker-sicht, vielleicht ein analog-fetisch-album für festplattenfüller, vielleicht ein unangenehmes nationalistisches grammy-album, das im eigenen sumpf stecken bleiben soll. ich gerate an meine grenzen und freue mich schon auf albert ayler.

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    #12490199  | PERMALINK

    vorgarten

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    81

    SPIRITUAL UNITY
    ayler, peacock, murray, stollman, newman (10.7.1964)

    wenn man sowas in seiner pubertät hört, weil man aus bürgerlichem bürgerschreckbegehren wahrgenommen hat, dass man das hören muss, bevor man was anderes hört, das „free“ genannt wird, stellt man sich albert ayler als hünenhaften kraftprotz vor, der in alle richtungen bomben wirft, außer nach oben, zu gott. mir fehlte der schöne umweg, über den diese bombe in new york landete, die europäischen settings, paris, skandinavien, mit schwitzenden blonden jungs, die versuchen, schritt zu halten und standard-harmonien flexibel zu machen, in denen sich dieses saxofon trotzdem selbst isoliert. dazu die helle, klare stimme, „my name is albert ayler“. ein zärtliches abrutschen an der welt. auch hier rutscht was ab, sofort nach dem gospel-thema von „ghosts“, das keinen weiteren ton mehr in sich birgt, sondern erst mal abtauchen muss, in den schlamm, in das dröhnen, lallen, schlucken, einen vorbereich der abgeklärten musikalischen aussage. irdisches wühlen, mit dem kurzschluss zur erleuchtung, eine obdachlose spiritualität. ich habe gerade diese szene nochmal gelesen, das elmo hope trio im baby grand cafe, das aufhört zu spielen, sobald ayler da ist, den flügeldeckel schließt, aber: zuhört. und hier, auf der ersten esp-aufnahme, höre ich das körperliche des ausdrucks, hin und weg vom mikrofon, man spürt das schwanken, das aufstellen auf zehenspitzen, das wegducken. der bass dagegen: instrument, total präsent, perfekt aufgenommen, unfassbare präzision. und das schwimmende schlagzeug dann die luft im raum, auf- und abschwellend. körper, holz und atmosphäre. ich frage mich heute, wo kenny dorham mit seiner null-sterne-downbeat-kritik wie ein depp da steht: warum hat man nach dieser aufnahme nicht vor allem gary peacock auf händen getragen? wie konnte man überhören, dass da jemand mit allen parametern, nach denen ein guter jazzmusiker damals beurteilt wurde, so mühelos mit ayler mitsprechen kann, so souverän jeden impulse mitträgt und so überaus deutlich macht, dass es nicht ums bombenwerfen geht, sondern einen einfachen übersprung, der fest auf zwei beinen landet?

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    #12490229  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Was für ein schöner Text zu Ayler – danke dafür! Mein Weg ging hier tatsächlich über die blonden Jünglinge und die scheue Stimme, was mich auch wirklich nie an einen Hünen glauben liess … der Punkt zu Peacock ist natürlich auch scharf beobachtet. Aber gell, damals fanden die Leute ja auch Ornette Colemans so melodische, oft sangliche Musik unzugänglich und schräg bzw. falsch … wandelnde Hörgewohnheiten und Erwartungen vermutlich.

    Die Gedanken zu Toussaint kann ich alle nachvollziehen. Bei mir lief das Album vor Jahren eine Weile recht häufig, aber den „besondere Funken“ hab ich auch in der Zeit nie gefunden. Allerdings sprach mich das auch durchaus irgendwie an, ich empfinde die Stimmung auch als eine Art Müdigkeit … die vielleicht das unangenehm Nationalistische das ist ja schon eine etwas bricht? Das mit dem Nationalistischen sah ich noch nie, aber auch das finde ich nachvollziehbar – das Album ist ja schon auch eine Art exquisites Objekt fürs Museum, irgendwie die Rokoko-Version von New Orleans-Musik – darüber können auch Ribot oder Byron nicht hinwegtäuschen.

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    #12490275  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windMein Weg ging hier tatsächlich über die blonden Jünglinge und die scheue Stimme, was mich auch wirklich nie an einen Hünen glauben liess … der Punkt zu Peacock ist natürlich auch scharf beobachtet. Aber gell, damals fanden die Leute ja auch Ornette Colemans so melodische, oft sangliche Musik unzugänglich und schräg bzw. falsch … wandelnde Hörgewohnheiten und Erwartungen vermutlich.

    wäre ich damals mit „summertime“ aus copenhagen bei ayler eingestiegen, hätte ich mich sofort verliebt. aber ich bin den empfehlungen gefolgt, mir im jazz erstmal die alben anzuschaffen, auf denen angeblich was revolutionäres passieren sollte. bei coleman war das dann natürlich FREE JAZZ, vermutlich das coleman-album, das ich heute am seltensten höre. diese sanften ausstiege aus den formen, die man kennt, sind eigentlich viel bessere einstiege, und da passiert ja nichts weniger revolutionäres. aber da natürlich die alben „that shook the world“ hier alle wieder auftauchen, ist es spannend, sie mal wiederzuhören.

    gypsy-tail-windDie Gedanken zu Toussaint kann ich alle nachvollziehen. Bei mir lief das Album vor Jahren eine Weile recht häufig, aber den „besondere Funken“ hab ich auch in der Zeit nie gefunden. Allerdings sprach mich das auch durchaus irgendwie an, ich empfinde die Stimmung auch als eine Art Müdigkeit … die vielleicht das unangenehm Nationalistische das ist ja schon eine etwas bricht? Das mit dem Nationalistischen sah ich noch nie, aber auch das finde ich nachvollziehbar – das Album ist ja schon auch eine Art exquisites Objekt fürs Museum, irgendwie die Rokoko-Version von New Orleans-Musik – darüber können auch Ribot oder Byron nicht hinwegtäuschen.

    müdigkeit…interessanter gedanke. das nationalistische ist vielleicht ein bisschen weit hergeholt (war ja auch als frage formuliert), es gibt in den USA eher dieses retro-ding, die feier des guten alten zeugs, was aber ja nie darüber hinwegtäuscht, dass dieses zeug total hybrid und vielgestaltig ist. das hört man auch bei toussaint, und da geht es auch voll in ordnung, dass ribot und byron dazu eingeladen werden. ich finde das alles total sympathisch, aber, eben, ziemlich brav.

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    #12490283  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Bei Ayler war’s die Plattenhändlerin des legendären Jazz-Plattenladens der Stadt (Nina’s Jazz & Blues), die mich auf die richtige Spur brachte … ich glaub „Summertime“ lief dort mal, als ich rein kam und ich hab dann mal meinen ganzen Mut zusammengenommen und später danach gefragt und sie hat mir ein bisschen was zu Ayler und dem Album erzählt. Gekauft hab ich’s dann erst etwas später, weil ich mein kleines Budget damals fast immer schon verplant hatte, bevor ich in den Plattenladen bin …

    Ornette hat heute vor 66 Jahren „The Shape of Jazz to Come“ aufgenommen. Das und „Change of the Century“ waren dort mein Einstieg, später noch „Free Jazz“ (fand ich lange recht unzugänglich, aber auch irgendwie langweilig, so ein ständiges gleichmässiges Gedudel wie bei einer Dixie-Kapelle) und von da ging es dann direkt zur Atlantic-Box – und da war ich dann endgültig verliebt in das Quartett (in allen Variationen, Higgins oder Blackwell und auch mit Garrison und LaFaro und dem Boss am Tenorsax), und „Free Jazz“ konnte ich mit der Zeit auch mehr schätzen.

    Ist wohl schon so, dass der Einstieg über die „harten Brocken“ nicht immer der beste ist … „Machine Gun“ bei Brötzmann oder „One Too Many Salty Swift and Not Goodbye“ bei Cecil Taylor hätte bei mir als Einstieg beides bestimmt gar nicht funktioniert (bei Ayler war’s der Brown Bag-LP-Twofer mit dem Transition-Album plus „Love for Sale“, bei Brötzmann war es glaub ich „The Rat Dried Dog“, das Duo-Album mit Hamid Drake, und dann ein Radio-Mitschnitt von Sonore, dem Sax/Reeds-Trio mit Gustafsson und Vandermark – aber bei Brötzmann hatte ich es nicht eilig, so richtig entdeckt habe ich den erst in den Zehnerjahren, 2011 das Chicago Tentet im Konzert, dann 2016 die Reise nach Warschau … davor schon mal ein Gig mit Pliakas/Wertmüller glaub ich?).

    Das Toussaint-Album ist schon sehr schön, aber brav finde ich es auch … und das hat auch nicht mit fehlenden Ausbrüchen zu tun (im Gegenteil, da finde ich das subkutane Gegenarbeiten von Ribot und Byron die viel bessere Idee) sondern für mein Empfinden wirklich mit dem Gesamtgefüge. Da ist *alles* zu brav: die Arrangements, die Phrasierung, das überperfekte Zusammenspiel … und vielleicht leuchtete mir auch deshalb – bisschen viel mimicry und so, Selbstzelebration fürs Feuilleton – die Frage nach dem nationalistischen Unterton irgendwie ein.

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    #12490287  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    Beiträge: 56,509

    Sicherlich eine Scheideweg, den genialen Komponisten, Arrangeur und „Big Easy“ Mastermind Allen Tousssaint als Musiker in den Vordergrund zu rücken …. eigenständig bleibt das Album, indem hier keine Coverversionen im eigentlichen Sinn, sondern neue Skizzen alter Gemälde entworfen werden …. dass dabei trotzdem keine (offensichtlichen) Abenteuer entstehen, mag eine Schwäche dieses Albums sein, für eine gediegene Hommage an das Lebenswerk des Künstlers vor breiterem Publikum reicht es allemal ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12490367  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 4,180

    soulpopeSicherlich eine Scheideweg, den genialen Komponisten, Arrangeur und „Big Easy“ Mastermind Allen Tousssaint als Musiker in den Vordergrund zu rücken …. eigenständig bleibt das Album, indem hier keine Coverversionen im eigentlichen Sinn, sondern neue Skizzen alter Gemälde entworfen werden …. dass dabei trotzdem keine (offensichtlichen) Abenteuer entstehen, mag eine Schwäche dieses Albums sein, für eine gediegene Hommage an das Lebenswerk des Künstlers vor breiterem Publikum reicht es allemal ….

    Sehe das relativ ähnlich, ich vermute Toussaint kannte vor allem die Stücke gut (Django Reinhardt, Monk, Strayhorn/Ellington u. Leonard Feather!). Es ist ja nicht so, dass „moderner“ Jazz nicht in New Orleans gehört wurde. Dr. John z.B. konnte mit Miles Davis was anfangen und war (später) mit Art Blakey (und Bill Evans?) befreundet(?). Obwohl der Drummer auf diesem Toussaint Album hier und da etwas an Sonny Greer erinnert.  Toussaint kannte sicherlich nicht nur eine Version von „St. James Infirmary“, aber ganz bestimmt die Versionen von Snooks Eaglin und von Earl Hines. Ausgerechnet beim Stück von Jelly Roll Morton spielte Brad Mehldau Piano! Auf dem anderen Toussaint Album gibt es noch ein Stück von Bill Evans (und Stücke von Strayhorn, Mancini, Earl Hines, Ellington, Professor Longhair, Louis Moreau Gottschalk, Earl King). Beim Stück „Bright Mississippi“ höre ich etwas „Lee Dorsey“ raus, weniger Monk sicherlich. Der Track klingt tatsächlich etwas nach Earl Hines, Monk, New Orleans und Blue Note (Sidney Bechet, Lee Morris, Sam Jones, Blue Mitchell?). „Solitude“ am Ende vom Album könnte man mir (vielleicht sogar) als Kenny Burrell verkaufen.

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    #12490373  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,343

    Jeff Parker hat den Drummer von Solomon Burke angeheuert? Und der spielte auch noch mit Allen Toussaint? Schon eine coole Sache …
    Es gab ja noch ein Second Helping mit einer Frisell-Band (inkl. Charles Lloyd, Rhiannon Giddens und Van Dyke Parks) und ich weiss grad gar nicht, ob ich das nicht ev. etwas besser finde? Die Bezüge aufzudröseln macht die Sache für mich am Ende allerdings nicht interessanter oder besser …

    Die „Danza“ von Gottschalk ist auch auf dem zweiten Album zu finden, „American Tunes“. Hier die Einspielung von Philip Martins toller Gottschalk-Gesamteinspielung:

    Und dazu Toussaint (mit Van Dyke Parks als Schatten am zweiten Klavier):

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