Konzertimpressionen und -rezensionen

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  • #12185505  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    @ „gypsy“ : Dank für das Zeitzeugnis …. faszinierend aber vor allem auch sehr traurig …. abgesehen von individuellen gesundheitlichen Zustand haben andere Pianisten bis ins hohe Alter auch live alleine/ohne Noten gespielt – jedoch einfach auch mit der Gabe falsche Noten als Teil Interpretation zu sehen … für lebenslange Perfektionisten de facto eine Niederlage ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
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    #12185643  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    soulpope@ „gypsy“ : Dank für das Zeitzeugnis …. faszinierend aber vor allem auch sehr traurig …. abgesehen von individuellen gesundheitlichen Zustand haben andere Pianisten bis ins hohe Alter auch live alleine/ohne Noten gespielt – jedoch einfach auch mit der Gabe falsche Noten als Teil Interpretation zu sehen … für lebenslange Perfektionisten de facto eine Niederlage ….

    Es war eben gleichermassen Triumph wie Niederlage – oder ein Triumph, der auf diese Art erst durch die Niederlage möglich wird? Das ist jedenfalls gerade das faszinierende an diesen Konzerten. Plural, weil die anderen beiden erwähnten gerade so waren – und für meine Ohren das gestrige das überzeugendste davon.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #152: Enja Records 1971-1973 – 14.05., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12185663  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    gypsy-tail-wind

    soulpope@ „gypsy“ : Dank für das Zeitzeugnis …. faszinierend aber vor allem auch sehr traurig …. abgesehen von individuellen gesundheitlichen Zustand haben andere Pianisten bis ins hohe Alter auch live alleine/ohne Noten gespielt – jedoch einfach auch mit der Gabe falsche Noten als Teil Interpretation zu sehen … für lebenslange Perfektionisten de facto eine Niederlage ….

    Es war eben gleichermassen Triumph wie Niederlage – oder ein Triumph, der auf diese Art erst durch die Niederlage möglich wird? Das ist jedenfalls gerade das faszinierende an diesen Konzerten. Plural, weil die anderen beiden erwähnten gerade so waren – und für meine Ohren das gestrige das überzeugendste davon.

    Es sind natürlich unwiederbringliche Erlebnisse …. btw so-oft ich Maurizio Pollini erlebt habe (4mal falls ich mich korrekt erinnere) waren es eindrucksvolle Aufritte von grosser Präzision und Analytik – aber da war keine Leichtigkeit sondern komplette Kontrolle (und das Eine oder dem Anderen ist für einen Pianisten sicher fordernd) ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12185859  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich habe Pollini halt erst im Alter erlebt … ich hoffe, ich red mir das nicht schön (bin ja bei Pianisten nicht unkritisch, bild‘ ich mir ein) aber ich finde schon, dass die musikalische Ausbeute auch jetzt noch beträchtlich ist. Aber klar, ich beneide alle, die ihn schon vor 20 oder 30 oder mehr Jahren hören konnten. Dabei ist er mir ja nicht mal besonders nah … wie Argerich oder auch sein Kollege Abbado ist er im wörtlichen Sinne „an acquired taste“, also jemand, dessen Spiel ich erst allmählich schätzen lernen musste. Wobei das schneller und umfassender klappte als es bei Argerich und bei Abbado bisher der Fall ist … bei Argerich mag ich glaub ich oft die Person mehr als die Musik – aber letztere erlebe ich demnächst im längst ausverkauften Konzert wieder – im gleichen Rahmen wie schon einmal, also Dutoit am Pult der European Philharmonic of Switzerland (aus dem Mahler Jugendorchester hervorgegangen), dieses Mal spielt sie Schumann, letztes Mal war’s Ravel. Nicht besonders originell, aber sicherlich erneut ein Erlebnis – auch wenn’s bei Dutoit schon etwas Überwindung braucht, all die wüsten Geschichten auszublenden (aka „Schüzenjäger“, wie man beschönigend zu sagen pflegt).

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    #12185869  | PERMALINK

    soulpope
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    gypsy-tail-wind Ich habe Pollini halt erst im Alter erlebt … ich hoffe, ich red mir das nicht schön (bin ja bei Pianisten nicht unkritisch, bild‘ ich mir ein) aber ich finde schon, dass die musikalische Ausbeute auch jetzt noch beträchtlich ist. Aber klar, ich beneide alle, die ihn schon vor 20 oder 30 oder mehr Jahren hören konnten. Dabei ist er mir ja nicht mal besonders nah …

    Jedes Konzert zählt besonders …. mich erinnern Deine Impressionen an die letzten Konzerte des langjährigen Altenberg Trios …. der Pianist und Mitbegründer Claus-Cristian Schuster war an Parkinson erkrankt und seine ehrgeizige japanische Frau hat ihn de facto zu diesen Aufritten getrieben …. weniger sein Spiel als diese Umstände waren für mich befremdlich ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12186473  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Bisschen peinlich ist das ja schon: ich entnehme der NZZ gerade, dass die Zugabe die erste Ballade war, und wo ich die auf YT anspiele, stimmt das natürlich auch … kriege das mit dem Zugaben erkennen weiterhin wahnsinnig schlecht hin.

    Christian Wildhagen schreibt, im Chopin davor (also: mit der Zugabe als grosser Ausnahme) sei vieles rein technisch zu unpräzise gewesen, die Musik hätte wie hinter Glas gewirkt, die „Barcarolle“ sei viel zu schwer geraten … kann ich alles nachvollziehen, den Gedanken bei der „Barcarolle“ hatte ich auch, aber beim Stück davor (was immer es war) war ich verzaubert. Am Nono hat Wildhagen nichts zu mäkeln ausser dem Gefecht mit der Notenblätterin, das er natürlich nicht so detailliert beschreibt wie ich – den Schönberg erwähnt er nicht.

    soulpope

    gypsy-tail-wind Ich habe Pollini halt erst im Alter erlebt … ich hoffe, ich red mir das nicht schön (bin ja bei Pianisten nicht unkritisch, bild‘ ich mir ein) aber ich finde schon, dass die musikalische Ausbeute auch jetzt noch beträchtlich ist. Aber klar, ich beneide alle, die ihn schon vor 20 oder 30 oder mehr Jahren hören konnten. Dabei ist er mir ja nicht mal besonders nah …

    Jedes Konzert zählt besonders …. mich erinnern Deine Impressionen an die letzten Konzerte des langjährigen Altenberg Trios …. der Pianist und Mitbegründer Claus-Cristian Schuster war an Parkinson erkrankt und seine ehrgeizige japanische Frau hat ihn de facto zu diesen Aufritten getrieben …. weniger sein Spiel als diese Umstände waren für mich befremdlich ….

    Das klingt fast schon nach Missbrauch – übel! Den Eindruck hatte ich bei Pollini nicht, aber eben: mit dem Abschiedsgedanken drängt sich schon die Frage auf, ob die Ehefrau ihn nicht allmählich dazu bewegen sollte, aufzuhören … schwieriges Thema natürlich.

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    #12186483  | PERMALINK

    soulpope
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    Das mit dem Bühnenabschied – wie Du sagst – ein schwieriges (persönliches) Thema …. ich bin ja bekanntlich sehr interessiert am „indian summer“ zahlreicher Musiker und so ist dieser Grenzgang wiederkehrende Thema ….

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    #12191651  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    https://www.kulturzeitschrift.at/kritiken/die-grosse-kunst-der-leisen-toene/@@texte_mobile

    Hörte dieses Programm (aber mit Beethoven 7 als 2ten Konzertabschnitt) gestern @ Musikverein Wien …. Christiane Karg war bezaubernd mit stimmlich berückender und darstellerisch verführerischer Darbietung (ja, man muss halt nicht halbnackt auf der Bühne stehen um diese Ausstrahlung zu transportieren 👹 ….) …. die Potsdamer unter Antonello Manacorda dabei perfekte Begleiter …. ich hatte Sorgen Beethoven würde danach in den „Konzert Mainstream“ abfallen, was sich als unbegründet erwies …. in einer extrovertierten Lesart wurde ein Feuerwerk abgebrannt (der 🔥Groove🔥 der Bassisten war enorm) …. scheener Konzertabend fürwahr ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12191781  | PERMALINK

    yaiza

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    Danke für Deine Eindrücke  :bye:

    soulpope  …. ich hatte Sorgen Beethoven würde danach in den „Konzert Mainstream“ abfallen, was sich als unbegründet erwies …. in einer extrovertierten Lesart wurde ein Feuerwerk abgebrannt (der 🔥Groove🔥 der Bassisten war enorm) …. scheener Konzertabend fürwahr ….

    es scheint, als ob die #7 z.Zt. (oder allg.?) häufig gespielt wird. In diesem Jahr hörte ich sie live auch in zwei Programmen (jeweils KH-Orch. unter Widmann und Mallwitz). Erst ertappte ich mich beim „schon wieder?“-Denken, aber dann fand ich’s lohnend. Schwer ist wahrscheinlich der richtige Umgang mit den Lautstärkebezeichnungen und Steigerungen… mir wurde es da manchmal zu laut (dazu kommt ja noch die Akustik im Saal). Beim Konzert im Sep. in der Philharmonie mit Joana Mallwitz fand ich es richtig gut.

    --

    #12191789  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    yaiza Danke für Deine Eindrücke

    soulpope …. ich hatte Sorgen Beethoven würde danach in den „Konzert Mainstream“ abfallen, was sich als unbegründet erwies …. in einer extrovertierten Lesart wurde ein Feuerwerk abgebrannt (der 🔥Groove🔥 der Bassisten war enorm) …. scheener Konzertabend fürwahr ….

    es scheint, als ob die #7 z.Zt. (oder allg.?) häufig gespielt wird. In diesem Jahr hörte ich sie live auch in zwei Programmen (jeweils KH-Orch. unter Widmann und Mallwitz). Erst ertappte ich mich beim „schon wieder?“-Denken, aber dann fand ich’s lohnend. Schwer ist wahrscheinlich der richtige Umgang mit den Lautstärkebezeichnungen und Steigerungen… mir wurde es da manchmal zu laut. Beim Konzert im Sep. in der Philharmonie mit Joana Mallwitz fand ich es richtig gut.

    Ich kenne halt die Beethoven Sinfonien ganz guad und so würde ich bei Konzerten Alternativen vorziehen …. btw hier war war die fein abgestufte Dynamik gut  hörbar (wir hatten auch tolle Parkettsitzplätze …. und die Akustik des „Goldenen Saales“ schon klasse) und dem Orchester war die Freude an dieser unmittelbaren Lesart förmlich anzusehen ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12195753  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Zürich, Tonhalle – 10.11.2023

    Tonhalle-Orchester Zürich
    Gianandrea Noseda
    Leitung
    Francesco Piemontesi Klavier

    SERGEI RACHMANINOFF
    Klavierkonzert Nr. 4 g-Moll op. 40
    Sinfonie Nr. 1 d-Moll op. 13

    Zürich, Opernhaus – 11.11.2023

    Philharmonia Zürich
    Paavo Järvi Leitung
    Francesco Piemontesi Klavier

    SERGEI RACHMANINOFF
    Rhapsodie über ein Thema von Paganini a-Moll op. 43

    Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 27

    Mit einem Orchestertausch endete letzte Woche der vierteilige Zürcher Rachmaninoff-Zyklus, den Tonhalle und Opernhaus gemeinsam mit ihren Chefdirigenten durchführten, die zum Abschluss die Orchester tauschten. Ich war am Freitag bei zweiten (von zwei) Aufführungen in der Tonhalle unter Gianandrea Noseda und dann am Samstag bei der einzigen im Opernhaus (wie üblich bei den Konzerten), wo Paavo Järvi für einmal die Philharmonia Zürich dirigierte. Solist war beide Male Francesco Piemontesi, den ich so gleich doppelt ein erstes Mal hören konnte. Er ist mit Noseda wohl schon länger vertraut – aber für meine Ohren klappte die Zusammenarbeit mit Järvi sogar noch etwas besser.

    Ich war leider – zu viel um die Ohren, zu viel, was im Kopf herumdreht – etwas zu müde, was vor allem beim vierten Klavierkonzert, dem Einstieg in den ersten Abend, etwas schade war, denn Piemontesi war wahnsinnig gut, er haut das technisch mit einer Lockerheit hinaus, die echt beeindruckend ist, umso mehr aber, als er die technische Basis nutzen kann, um die Stücke zu gestalten. Mit Noseda ging es dabei feuriger zu und her, was auch für die Symphonie gilt, die ohne nennenswerte Pause auf eine völlig irre Zugabe (ich weiss nicht, was es war, eine ältere Dame nebenan fragte mich und meinte, vielleicht Ravel?) folgte – einfach rasch den Flügel beiseite geschoben und weiter ging’s. Das fand ich toll, lag auch drin bei dem Programm. Die erste Symphonie packte mich dann allerdings weniger – auf mich mochte der Funke nicht so richtig überzuspringen, das Feuer, das Noseda mit grossen Gesten entfachte und am Ende viel Applaus erhielt.

    Der zweite Abend – Järvi in der Oper, Bild oben – gefiel mir dann allerdings wahnsinnig gut. Das lag teils am Programm – jetzt mit Pause, die Zweite dauert ja eine knappe Stunde, auch in Järvis zügiger Version – aber auch an der Herangehensweise. Die Variationen gelangen ganz hervorragend, Piemontesi überzeugte noch mehr (und musste dieses Mal gleich zwei Zugaben spielen, ehe das Publikum ihn gehen lassen wollte), es gelang ihm und Järvi, die Variationen einzeln zu gestalten, aber eben auch, den Zyklus als Ganzen aus einem Guss zu präsentieren. Das gefiel mir wirklich gut – und es wurde überdeutlich, dass das Orchester sich neben dem Tonhalle-Orchester wirklich nicht zu verstecken braucht. Nach der Pause dann die zweite Symphonie – und hier passierte etwas, was ich mal wieder nicht erklären kann. Järvi behielt die Zügel zwar fest in der Hand, aber die Musik begann zu atmen, sich in einer Lebendigkeit zu entfalten, die mich sehr berührte. Das war so durchsichtig, so klar – und unglaublich dynamisch, vom leiste gehauchten Pianissimo bis zum Maximum, was der Raum hergibt. Und im direkten Vergleich gefiel mir halt auch wieder wahnsinnig gut, wie Järvi das alles mit kleiner Geste erreichte, mit wenigen Anweisungen, kleinen rhythmischen Akzentuierungen … und wie das Orchester, das ja nicht sein eigenes ist, ihm in jedem Augenblick folgte, wie sich das alles steigerte, immer besser wurde – es war schlicht atemberaubend. Der grosse Höhepunkt also ganz am Ende des vierteiligen Zyklus – umwerfend!

    Teil 1 des Zyklus im Februar bestand aus dem dritten Klavierkonzert und Die Glocken unter Noseda in der Oper mit Yefim Bronfman, von Teil 2 habe ich die Abendkonzerte (mit Yuja Wang in Nr. 2) verpasst und stattdessen nur die dritte Symphonie bei einem der sogenannten Lunchkonzert in der Tonhalle gehört.

    Und was Noseda angeht, freue ich mich auf meinen Abschluss des Zürcher Rings kommenden Samstag – da steht er dann wieder im Graben und wird seine Sache bestimmt wieder hervorragend machen. Dass sein Rachmaninoff-Abend mir weniger zugesagt hat, ist keine Grund, ihn weniger wertzuschätzen. Ich hoffe, ich bin Samstag dann ausgeschlafen… im Mai höre ich den Ring dann innert sieben Tagen (stets ein Tag Pause dazwischen) nochmal, da nehme ich dann vielleicht ein paar Tage frei.

    Basel, Don Bosco – 13.11.2023

    Kammerorchester Basel
    Alina Ibragimova
    Violine
    Kristian Bezuidenhout Hammerklavier und Leitung (Haydn, Mozart)
    Baptiste Lopez Violine und Leitung (Giger)

    JOSEPH HAYDN: Sinfonie Nr. 52 in c-Moll
    WOLFGANG AMADEUS MOZART: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 9 in Es-Dur «Jeunehomme»

    JANNIK GIGER: «Troisième œil» für Kammerorchester [Auftragswerk des Kammerorchester Basel, UA]
    WOLFGANG AMADEUS MOZART: Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 in A-Dur

    Müde war ich auch am Montag, als ich mich – als Ersatz für ein verpasstes Abokonzert des Kammerorchester Basel im Stadtcasino – in die andere Spielstätte, das Don Bosco, eine umgebaute Kirche, begab. Früh auf, vormittags gearbeitet, am Nachmittag in die faszinierende Ausstellung mit Werken von Niko Pirosmani in der Fondation Beyeler und danach zum Konzert. Und zum Glück war ich da!

    Mit Haydn ging es los, Bezuidenhout leitete vom Hammerflügel mit Rücken zum Orchester, hinter sich den Kontrabass, das Fagott und das erste Cello – die Continuogruppe quasi. Das war sehr feinfühlig musiziert, die Besetzung nicht zu gross (4-4-3-2-1), das Ganze beweglich, klar … und das zog sich weiter in KV 271, dem „Jenamy“ oder „Jeunehomme“-Konzert von Mozart, von Bezuidenhout und dem KOB ganz ähnlich gestaltet wie der Haydn, aber vielleicht etwas lebendiger, vor allem atmender, dynamischer. Bezuidenhout ist für meine Ohren einer der ganz grossen Mozartinterpreten – und das auch endlich mal im Konzert erleben zu dürfen, war ein riesiges Glück (wenn ich mich nicht täusche, hatte ich im Konzert bisher keinen Mozart von ihm gehört, viel Beethoven, auch ein Klavierkonzert, ein Rezital mit Sol Gabetta und romantischer Musik, zuletzt das Tripelkonzert in Basel, bei dem er einen modernen Konzertflügel spielte).

    Doch das war noch längst nicht alles. Nach der Pause gab es ein kurzes Intro mit dem Komponisten Jannik Giger (*1985), dessen ca. viertelstündiges neues Werk, das „dritte Auge“, seine dritte Beschäftigung mit einem Chanson von Claude Le Jeune darstellt, das sehr avanciert anmutet in seiner Chromatik – zumindest soweit man das in Gigers Werk erkennen konnte (ich hab noch nicht versucht, die Vorlage zu eruieren, kenne Le Jeune bisher nur oberflächlich). Er fächert das Stück auf, zitiert es, reichert es mit spektralen Obertönen an – das heisst, dass sich so einiges ausserhalb der wohltemperierten Stimmung und überhaupt unserem gelernten Sinn dafür, was „harmonisch“ it, bewegt – und doch immer wieder dahin findet. Geleitet hat dieses Stück Baptiste Lopez vom ersten Pult aus. Giger dazu im Programmheft: „Durch meinen kompositorischen Eingriff soll ein sehr aufgeladenes assoziatives Material entstehen, das seiner Ursprünglichkeit und Aura, seiner Geschichte und Gegenwart beraubt ist. Das Vertraute soll zum Unvertrauten transformieren.“ – Das finde ich sehr treffen beschrieben. (Giger ist unten am rechten Rand zu sehen – hab leider nur unscharfe Fotos hingekriegt, die zwei hier sind noch mit Abstand die besten.)

    Die Krönung folgte jedoch erst: nach dem perfekten Mozart-Klavierkonzert bot Alina Ibragimova zum Ausklang auch noch das perfekte Mozart-Violinkonzert. Eine atemberaubende Aufführung war das – mit Pianissimi, wie man sie von den ganz grossen Sängerinnen kennt, aber wie ich sie in einem instrumentalen Konzert noch nie erlebt habe. Ibragimova hat sich das Konzert förmlich einverleibt, spielte es so frei und so vollständig, als würde sie es gerade erfinden. Das war tatsächlich eine Offenbarung! Danach beglückt in die Nacht … dass die Heimreise fast drei Stunden dauerte, war dann schon ärgerlich (drum gehe ich eigentlich nicht mehr an die Konzerte im Don Bosco, die sind immer eine Spur zu spät zu Ende, als dass ich noch ohne Komplikationen heim komme – wobei die durch verspätete Züge, Baustellen, nicht gewährleistete Anschlusse erst richtig mühsam werden, aber das scheint auf der Strecke um die Zeit halt auch der Normalfall zu sein – ich gehe aber im Januar erneut dorthin, wieder unpassend an einem Dienstag, wenn René Jacobs Händels „Aci, Galatea e Polifemo“ dirigiert).

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    gypsy-tail-wind
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    Der Mozart von Ibragimova spukt mir immer noch im Kopf herum … ich kann das gar nicht gut beschreiben: Sie hat manche Passagen, auch Kadenzen, kurze unbegleitete Passagen, so leise gespielt, dass die Musik fast – aber nur fast! die Kraft der Projektion! – verschwunden wäre … andere, v.a. der teils ja etwas „gfürchige“ Schlusssatz, waren wiederum so heftig, dass das Orchester beinah zu Stampfen anfing (Ibragimova tat das sogar mal, aber im ersten Satz – sie macht aber keinerlei Aufhebens um ihre Person, steht einfach da und spielt, ohne Faxen und Verrenkungen … ich glaub nur Janine Jansen habe ich bisher mit Mozart ähnlich berührend – aber doch vollkommen anders – empfunden, das war mit Tonhalle/Järvi in passend ausgedünnter Form vor vier oder fünf Jahren). Das war wirklich phänomenal … und lässt sich so, in der Dynamik, niemals auf Tonträger überführen.

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    soulpope
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    @ „gypsy“ : Dank für die Impressionen …. welche sich in dieser Form zumeist nur konzertant einstellen können ….

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    gypsy-tail-wind
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    Zürich, Opernhaus – 18.11.2023

    Richard Wagner (1813-1883)
    Götter­dämmerung
    Dritter Tag des Bühnenfestspiels «Der Ring des Nibelungen», Text von Richard Wagner

    Musikalische Leitung Gianandrea Noseda
    Inszenierung Andreas Homoki
    Ausstattung Christian Schmidt
    Künstlerische Mitarbeit Bühnenbild Florian Schaaf
    Video Tieni Burkhalter
    Lichtgestaltung Franck Evin
    Choreinstudierung Ernst Raffelsberger
    Dramaturgie Werner Hintze, Beate Breidenbach

    Siegfried Klaus Florian Vogt
    Gunther Daniel Schmutzhard
    Alberich Christopher Purves
    Hagen David Leigh
    Brünnhilde Camilla Nylund
    Gutrune Lauren Fagan
    Waltraute Sarah Ferede
    Erste Norn Freya Apffelstaedt
    Zweite Norn Lena Sutor-Wernich
    Dritte Norn Giselle Allen
    Woglinde Uliana Alexyuk
    Wellgunde Niamh O’Sullivan
    Floßhilde Siena Licht Miller
    Wotan Wolfram Schneider-Lastin
    Stunt Valentin Lendenmann

    Philharmonia Zürich
    Chor der Oper Zürich
    Statistenverein am Opernhaus Zürich

    Fünfeinhalb Stunden in der Oper? Geht schon, selbst wenn man, wie ich gestern, in der hintersten Ecke einer Loge einen quasi Hör- oder Stehplatz hat. Wenigstens die halbe Zeit bin ich gestanden und hatte so einen ziemlich guten Blick auf die Bühne und auch ein wenig in den Graben.

    Um es vorwegzunehmen: ich war in vielerlei Hinsicht begeistert, auch wenn es schon die eine oder andere Länge – oder eher: Müdigkeitsphase – zu überstehen galt. Das Regiekonzept, bei dem alles Bühnengeschehen aus der Musik heraus entwickelt wird, nichts gedeutet werden soll, kommt beim Abschluss der Tetralogie an seine Grenzen, doch Homoki findet weiterhin für fast alles gute Lösungen – zum Beispiel, dass bei den beiden langen Orchesterzwischenspielen sich schlicht der Vorgang schliesst und der Fokus so ganz auf das splendide Orchester gerichtet wird.

    Überhaupt: Was Gianandrea Noseda da im Graben macht, ist umwerfend. Das hat mich – wie aufgrund der bisherigen drei Teile auch erwartet – wieder vollkommen überzeugt, nachdem ich sein Rachmaninoff-Programm neulich ja nicht so gut wie das von Järvi gefunden hatte (s.o.). Die Philharmonia bietet das volle Programm, von zartesten Pianissimi zu knallenden Fortimissimi, die den Raum buchstäblich füllen. Was die Pianissimi angeht: ich war öfter mal durch nicht lokalisierbares Flüstern irritiert – und hab dann zu Beginn des dritten Aktes endlich gemerkt, dass es die Soufflierbox ist, die ich hören konnte. Ob die etwas lauter war als üblich oder ob ich einfach, weil ein paar Meter näher als meien üblichen Plätze, sie für einmal besser hören konnte, kann ich nicht entscheiden (bei „La rondine“ gab’s keine – oder allenfalls von der Bühnenseite, wer weiss).

    Die Darstellung des Helden als hoffnungsloser Naivling wird in diesem Schlussteil natürlich auf die Spitze getrieben, Klaus-Florian Vogt springt und hüpft in alberner Dreiviertelhose auf der Bühne herum, die wie bei allen vier Teilen als Drehbühne mit einfachen Räumen und ganz in weiss gehalten ist. Die Bilder, die Homoki dabei erzeugt, kann ich als Ganzes weniger gut beurteilen, weil ich halt ab und zu hinsitzen musste und gerade die bei solchen kargen Inszenierungen so wichtige Figurenregie nicht ständig beobachten konnte. Das werde ich im Mai nachholen können, wenn ich den ganzen Ring als Zyklus erneut sehen werde, dann wieder von ganz oben (Zweiter Rang, gestern war ich, drum das Kalauerfoto oben, in einer Loge im ersten Rang), wo ich eh am liebsten bin, und dann ausnahmsweise auch von der ersten Reihe aus, nicht wie üblich von der zweiten oder vierten (wo ich meine beiden bevorzugten Plätze gefunden habe – bzw. vier, links oder rechts, aber die waren für die gestrige Vorstellung alle schon weg, als ich im Frühling gebucht hatte). Und klar, die Figurenführung ist mir auch tatsächlich wichtig, das ist ein Aspekt, der für mich oft den Unterschied zwsichen gut und hervorragend macht.

    Hervorragend war gestern auch die Mehrzahl der Sänger*innen, allen voran nicht Vogt sondern Camilla Nylund. Beide haben sie beim Zürcher Ring über alle Teile ihre Rollendebuts gegeben – und das war im Fall von Nylund wohl noch etwas eindrücklicher, denn im Gegensatz zu Vogt, der seine Rolle richtig schön sang und den doofen Jüngling auch ganz passend verkörperte, brachte Nylund das Haus förmlich zum Erbeben, zum Erzittern, zum Erstarren. Eine unfassbar beeindruckende Performance auch gestern wieder, emotional, aufwühlend. Trotz ihrer Uneinsichtigkeit, als ihre Schwester Waltraute (die starke Sarah Ferede) sie im zweiten Akt zur Vernunft bringen will, ist ihre Brünnhilde das Gefühls-Epizentrum dieser „Götterdämmerung“, die stärkste, ja tragende Gestalt.

    Das Emporkömmlings-Geschwisterpaar Gunther und Gutrune wurde von Daniel Schmutzhard (Rollen- und Hausdebut) und Lauren Fagan ebenfalls sehr gut dargestellt. Etwas Mühe hatte ich gesanglich (aber nicht darstellerisch) mit dem Hagen von David Leigh (noch ein Rollendebut, was auch für die drei Nornen und die drei vom Vorspiel wiederkehrenden Rheinmädchen gilt – letztere auch vom selben Trio gesungen wie im April 2022, als der neue Ring startete). Leigh scheint die Tiefe nicht ganz zu haben – oder er hinterlässt bei mir den Eindruck, weil er viele Vokale fast schon grotesk verfärbt, um nicht zu sagen zersägt (aus dunklen „A“s und „O“s werden helle „E“s). Seine Stimme ist allerdings schon ansprechend. Stark war dagegen der letzte Auftritt von Christopher Purves als seinem Vater Alberich.

    Den Schluss – ich hatte ihn bei den Regie-Einfällen oben noch weggelassen – fand ich ebenfalls gut. Offen, nicht ausgedeutet gewissermassen. Dass ein Stuntman im Flammenanzug über die Bühne rennt, ist vielleicht etwas zu viel. Dass aber Brünnhilde inn ihrem langen (von Nylund grandios gesungenen) Finale erneut auf dem goldenen Liebesbett vom Schluss von „Siegfried“ singt – auf dem dieser, längst tot, auch noch liegt, ist ein toller Einfall. Sonst ist Walhall am Ende leer, und bereits nachdem der Vorhang schon einmal gefallen ist, sitzt Wotan, der schon davor einen stummen Auftritt (natürlich nicht mit Tomasz Konieczny, dem vormaligen Sänger der Rolle) hatte als heimatlos gewordene Wanderer, erneut stumm da, in den Trümmern seines Werkes und sieht auf einer Leinwand in einem Bilderrahmen seine Welt in Flammen aufgehen (das war dann der einzige Video-Einsatz, falls jemand bei den Credits darüber gestolpert ist). Es im Schlussspiel noch ein paar weitere Vorhänge, die Drehbühne und die offenen Räume ein letztes Mal effektiv eingesetzt – und die Musik im Graben glänzend und doch einen Funken Hoffnung versprühend?

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #152: Enja Records 1971-1973 – 14.05., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    22.10.2023 – Zürich, Tonhalle – Neue Konzertreihe Zürich

    European Philharmonic of Switzerland
    Charles Dutoit
    Leitung
    Martha Argerich Klavier

    MAURICE RAVEL «Le tombeau de Couperin»
    ROBERT SCHUMANN Klavierkonzert a-Moll op. 54

    LUDWIG VAN BEETHOVEN Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92
    E: RAVEL «Pavane pour une infante défunte»

    Bevor ich gestern wieder in den Jazz abgetaucht bin, hatte ich am Mittwoch zum zweiten Mal die Gelegenheit, Martha Argerich zu hören – mit demselben (aus dem Gustav-Mahler-Jugendorchester von Abbado hervorgegangenen) Orchester und mit demselben Ex-Mann am Pult wie beim letzten Mal, als sie das Klavierkonzert von Ravel spielte. Beim letzten Mal fand ich das Gebotene nur mittelgut – auch wenn Argerichs messerscharfe Ravel-Interpretation beeindruckte. Dieses Mal passte alles, auch vom Podium und vom Orchester. Nachdem Heinz Holliger mit dem Kammerorchester Basel für mich den „Tombeau de Couperin“ neulich endlich knackte, konnte ich auch diese gross besetzte Version von Dutoit – der auf dieses Repertoire ja spezialisiert ist – sehr geniessen. Die eine oder andere Unsauberkeit da und dort störte nicht wesentlich – und danach war das Orchester aufgewärmt und Argerich trat unter grossem Applaus auf. Seit Wochen ausverkauft, klar … ein wenig merkt man ihr beim Auftritt das Alter inzwischen auch an (dem nochmal fünf oder sechs Jahre älteren Dutoit sieht man’s zwar an, aber sein Auftritt und auch sein Dirigitat sind federnd und locker, als wäre er 20 oder 30 Jahre jünger).

    Schumann also – wuchtig und doch nuanciert, die ganze Bandbreite auslotend, sich mit Dutoit immer wieder mit Blicken verständigend. Dieser schnaubte und brummelte bei manchen Stellen hörbar mit. Ich sass auf meinem Aboplatz in der ersten Reihe, drei oder vier Meter von Argerich, mit Blick auf ihre fliegenden Finger – am Klavier wirkte sie so jung und fit wie eh und je. Das Orchester sass nun auch auf der Stuhlkante, hellwach, ging mit. Das war seit Khatia Buniatishvili mit dem Kammerorchester Basel unter Mario Venzago im Januar 2018 das erste Mal – und ich glaub überhaupt erst das zweite Mal – dass ich das Klavierkonzert von Robert Schumann live hören konnte. Und es war wirklich ein Erlebnis! Die Zugabe – mit amüsanter Pantomime vom Ex-Ehepaar auf der Bühne drumherum (Dutoit vermittelte stumm mit Gesten, Argerich solle sich hinsetzten und noch was spielen, sie zierte sich – Slapstick von erster Güte) – stammte dann glaub ich von Chopin? Stehende Ovationen jedenfalls, ein beglücktes Publikum eine lange Pause, wohl auch, weil diverse Leute den Weg zu Argerich hinter die Bühne suchten – und auch vorgelassen wurden oder zumindest nach hinten gehen konnten.

    Nach der Pause – wegen der überhandnehmenden Müdigkeit dieser Tage hatte ich sogar für einen Moment überlegt, heimzugehen – gab es dann die Siebte von Beethoven, zu der @yaiza neulich kommentierte, dass die derzeit ständig gespielt werde. Für mich war’s wohl auch das vierte oder fünfte Mal im Konzert – und da reicht eh nichts an den Abend mit Blomstedt am Pult des Tonhalle-Orchesters mit der Siebten und Achten heran. Dutoit und sein Orchester spielten die Symphonie wuchtig, oft etwas breit, schon beweglich, aber weit weg von den Sichtweisen, die Erkenntnisse aus der Alte-Musik-Praxis berücksichtigen. Das klang für meine Ohren manchmal etwas gar romantisch – und doch gelang eine in sich vollkommen stimmige Version, die das Publikum erneut von den Sitzen riss. Zu recht, vollkommen zu recht, auch wenn das nicht meine Art ist, Beethoven zu spielen.

    Dann der geniale Coup von Dutoit: nach drei oder vier Abgängen, die Musiker*innen hatten schon auf den Notenpulten genestelt: Achtung, es geht weiter. Er dreht sich kurz um, sagt auf Deutsch, man werde jetzt noch Ravels „Pavane pour une infante défunte“ spielen – er wisse aber nicht, wie der Titel auf Deutsch hiesse – drehte sich um und sofort ging es los. Ein Oberchecker hinter mir, in die ersten Töne hinein: „Antiklimax“. Doch nein, eben gerade nicht! Mit dem immer noch einigermassen konzentrierten Orchester auf nicht allzu verstimmten Instrumenten rundete Dutoit das Konzert damit perfekt an, fand zum Farbenreichtum, den aufgefächerten Klängen vom Einstieg zurück – und lieferte eine zweite vollkommen stimmige Ravel-Interpretation ab. Wunderbar! Da ging ich jedenfalls beglückt in die Kalte Nacht hinaus und bereute auch am nächsten Morgen nicht, dass es später geworden war als geplant.

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