Konzertimpressionen und -rezensionen

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  • #12024827  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    PS: Ein dicker „Oeuvres“-Band von Bouvier ist bestellt – würde mich ja nicht wundern, wenn @clasjaz wissend vorbeischaut?

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #12025367  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

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    @gypsy-tail-wind Ja, ich lese schon mit, so gut es geht, wenn es die Zeit erlaubt, und auch zum Schreiben komme ich gerade nicht. (Das wird sich bestimmt wieder ändern, zumindest drüben im Hörthread, denn die Sonaten-CD mit Kopatchinskaja und Say liegt schon bereit – und die Bruckner-Box sowie eine Sofronitzky-Box – endlich! – müssten bald geliefert werden.) Also aber auch von mir ein Globaldank für Deine ausführlichen Rezensionen – und die der anderen hier! Die letzten Einträge habe ich aber noch vor mir …

    Ja, und Bouvier kenne ich überhaupt nicht, falls Du das meintest.

    :bye:

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    #12025431  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    @clasjaz Ja, an Bouvier hatte ich gedacht. Ich bin gespannt darauf, in den Texten zu blättern.

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    #12029869  | PERMALINK

    yaiza

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    Beiträge: 5,406

    vielen Dank auch von mir für Deine Impressionen.

    gypsy-tail-wind <b>… </b>Dann – Nagano hielt die Arme oben, eine Cellistin schlich raus, die zwei noch fehlenden Schlagzeuger kamen herein – ging es mit Hosokawa weiter, einem kurzen Schlagzeugstück aus der Oper „Stilles Meer“, gewidmet den Opfern des Tsunami und der nachfolgenden Nuklearkatastrophe vom 3. November 2011. Die Oper war ein Auftragswerk der Staatsoper Hamburg und basiert auf einer Bearbeitung des Nô-Stückes „Sumidagawa“, das schon Benjamin Britten in „Curlew River“ verwendet hatte. Hosokawa: „Meine Musik entsteht in tiefem Einklang mit der Natur und soll dazu anregen, einmal mehr zu reflektieren, dass die Menschheit die elementare Kraft der Natur gleichermassen respektiert wie fürchtet, und wie sie beim Versuch, die Natur zu kontrollieren und zu dominieren, diese letztendlich zerstört“ (aus dem Programmheft, für das er den Text zu seinem Stück selbst verfasste und dabei recht weit ausholt). Das Stück war prägnant, mit immer wieder neu gesetzten Hauptrhythmen und sich dazwischen, darüber, drumherum einschiebenden Ergänzungen an unterschiedlichen grossen und kleinen Trommeln, was immer wieder zu interessanten polyrhythmischen Effekten führte – für meine Ohren sehr ansprechend, sehr greifbar, fast konkret…

    am 2. März 23 hörte ich im Radio die UA eines Violinkonzerts von Hosokawa (komp. 2022) mit den Berliner Philharmonikern unter Paavo Järvi. Solist und Widmungsträger war Daishin Kashimoto, Konzertmeister *  Das VK trägt den Titel „Prayer“. Die Violine (Schamane, Mensch) begehrt darin gegen das Orchester (Natur, Kosmos) auf. Es kommt aus der Stille und versinkt zum Schluss auch wieder in Stille.

    *als Konzertmeisterin an jenem Abend zum ersten Mal Vineta Sareika-Völkner (spielte viele Jahre im Artemis Quartett, das wohl z.Zt. pausiert).  Im Feb. 23 machte die Nachricht, dass sie sich diese Position erspielte, auch gleich die Runde in diversen Medien, da sie bei den Berliner Philharmonikern die erste Frau auf dieser Position ist.

    Vor dem VK wurde der Abend mit Messiaen – Les Offrandes oubliées eröffnet. Nach der Pause dann Beethoven – 3. Sinfonie.

     

    --

    #12031977  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,069

    Oh, das klingt nach einem superben Järvi-Programm! Bei ihm klingt Beethoven ja immer sehr frisch, finde ich! Und Messiaen hat er in Zürich ja auch gemacht und sogar eingespielt.

    Und 2023 zum ersten Mal eine Frau als Konzertmeisterin … schon krass! Ich zähle bei fast jedem Orchesterkonzert durch (wenn ich einen guten Blick habe) – zuletzt vorgestern beim Philharmonia Orchestra, wo zwar bei den Bässen und im Blech kaum Frauen zu sehen waren (Kontrabässe, Trompeten und Posaunen: keine; Horn eine von 5; Pauke auch ein Mann), dafür war das Holz immer schon 1/1 und in den restlichen Streichern überwogen die Frauen, was am Ende fast eine ausgeglichene Bilanz gab (bei der Maximalbesetzung für Sibelius – 16-14-11-10-8, wenn ich richtig zählte – sah ich die neu dazugekommene hinterste Reihe der Geigen nicht vollständig).

    Mir leuchtet Hosokawas „Programm“ (es ist immer dasselbe, die Natur, die Geste – und der Gedanke, dass die musikalische Äusserung eben nur der sichtbare bzw. hörbare Teil eines grösseren, einer Geste, einer Bewegung, eines Handgriffes ist … dieser letzte Punkt kam in einer Doku über Wayne Shorter, den kürzlich verstorbenen Jazzsaxophonisten, ebenfalls zum Vorschein – und klar, Shorter war seit den Sechzigern oder frühen Siebzigern Buddhist … wobei Hosokawa sich auf den Shintoismus bezieht, aber da scheint es sehr deutliche Parallel zu geben).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12032129  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Basel, Stadtcasino – 29.03.2023 – Und immer siegt die Liebe

    WOLFGANG AMADEUS MOZART: Così fan tutte KV 588 (halbszenisch)

    Kammerorchester Basel
    Giovanni Antonini
    Leitung
    Salomé Im Hof Regie

    Julia Lezhneva Fiordiligi
    Emőke Baráth Dorabella
    Alasdair Kent Ferrando
    Tommaso Barea Guglielmo
    Konstantin Wolff Don Alfonso
    Sandrine Piau Despina
    Basler Madrigalisten

    Wie offenbar generell in Basel diese Saison war auch „Così fan tutte“ schon Wochen im Voraus ausverkauft (es blieben allerdings ein paar Dutzend Plätze leer – die Covid-Geisterplätze nenne ich sie im Stillen und hoffe, die Betroffenen sind nicht alle gestorben, denn Aboplätze können weitergereicht bzw. gegen einen Platz in einem anderen Konzert getauscht werden – was mir auch noch nicht bekannt war, als ich im Herbst selbst krank war und Igor Levit verpasst habe). Ich war wahnsinnig müde und hatte bis 15 Uhr gearbeitet, danach offizieller Urlaubsbeginn, eine halbe Stunde hinlegen und dann schon bald los auf den Zug.

    Was es da zu hören gab, war dann aber so wunderbar und so auf den Punkt musiziert und gesungen, dass die Lebensgeister schnell wieder aufgeweckt waren. Die Regie war simpel: es gab hinter der Bühne – wo auch die Madrigalisten für ihre wenigen Auftritte sich aufstellten – ein paar noch stärker erhöhte Podeste, als das für Pauken oder Blech sonst üblich ist. Dort und vor dem Orchester bewegten sich die sechs Solist*innen, nach dem Einstieg mit den drei Herren in der Regel in Paaren, Ferrando und Guglielmo auf der einen Fiordiligi und Dorabella auf der anderen Seite und das gleiche dann in allen Konstellationen. Bewegung brachten vor allem die Auf- und Abgänge von Don Alfonso und besonders von Despina. Sandrine Piau sang letztere so schön, wie ich das noch nie erlebt habe: Sie verzichtete auf all die masslosen Übertreibungen, das buchstäblich hässliche Singen, das auf allen mir bekannten klassischen Aufnahmen so ausgeprägt zu hören ist (Gequäke nenn ich es), liess die Rolle aber durch ihr komödiantisches Talent gerade so komisch wirken, wie es ja durchaus nötig ist. Überragend fand ich Julia Lezhneva als Fiordiligi – fast sechs Jahre sind vergangen, seitdem ich sie im Konzert gehört habe, auch bereits mit dem Kammerorchester Basel. In den wenigen Zeilen zu damals steht das zwar nicht, aber vermutlich irgendwo im Hörfaden vergraben: Ich hatte früher (am stärksten bei der CD „Alleluja“, die schon 2012 mit Il Giardino Armonico/Antonini aufgenommen wurde) vermehrt den Eindruck, dass sie nur Silben aneinanderreihe, keine Worte singe, dass sie Konsonanten zugunsten des Flusses ihrer wahnsinnig schönen Stimme und ihrer wirklich perfekten Koloraturen fast ganz weglasse. Nichts davon bei Mozart – das war umwerfend gesungen, mit einer enormen Breite an Farben und einem grossen Spektrum an Dynamik. Nicht nur sie, auch Baráth glänzten auch mit beeindruckenden Pianissimo-Passagen, die den Raum dennoch mühelos füllten.

    Die mir bisher nicht näher bekannten Männer, Alasdair Kent und Tommaso Barea sowie Konstantin Wolff, den ich schon da und dort gehört habe (z.B. als Bass-Solist in der Reuss-Einspielung von Martins „Golgotha“ auf Harmonia Mundi), waren den drei Sängerinnen ebenbürtig. Drei Wochen Proben gingen den Auftritten voran (es folgten Auftritte in der Luxemburger Philharmonie, im Pariser Théâtre de Champs-Élysées und der Elbphilharmonie), Antonini und das KOB sind ein inzwischen wirklich bestens eingespieltes Team – und das war alles wunderbar musiziert, kam für meine Ohren ohne die extremen Zuspitzungen aus, mit denen Antonini sonst gerne mal operiert (aber nicht bei Mozart, soweit ich das bisher kenne – z.B. 2018 „Idomeneo“ am Opernhaus Zürich). Im Gegenteil: da wurde wirklich für die Kammer – eine grosse halt, aber das Stadtcasino Basel ist wirklich recht intim – gespielt und das war die grosse Stärke dieser wunderbaren Aufführung: die enge Verzahntheit nicht nur der Stimmen in den zahlreichen Duetten, Terzetten usw. sonder eben auch die Verzahntheit mit der Musik kam aufs Schönste zum Tragen – viel besser, als das bei einer klassischen Aufführung mit Graben und Bühnenbild möglich gewesen wäre, dünkt mich (ganz wie der „Tito“ neulich in der Tonhalle). Wahnsinnig schön und ein grandioser Auftakt in die Ferien. Dass es nach Mitternacht wurde, bis ich zuhause war, spielte da auch keine Rolle mehr.

    Zürich, Tonhalle – 30.03.2023 – Lunchkonzert

    Tonhalle-Orchester Zürich
    Paavo Järvi
    Leitung

    SERGEJ RACHMANINOW: Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 44

    Am nächsten Tag bin ich recht kurzentschlossen um 12:15 ins Lunchkonzert in die Tonhalle – die Kurzfassung des zweiten von vier Konzertes des Rachmaninov-Zyklus, den Tonhalle und Opernhaus gemeinsam durchführen (Teil 1 fand in der Oper statt). Zum Abendkonzert konnte ich wegen der anderen Veranstaltungen, für die ich Karten hatte (siehe oben und unten) – es gab auch nur zwei, nicht wie meist bei den Orchesterkonzerten des Tonhalle-Orchesters drei Aufführungen (Mi/Do statt Mi-Fr oder Do-Sa) und auch die Konzerte waren schon über Wochen ausverkauft. Am Abend erklang in der ersten Konzerthälfte Hosokawas „Meditation to the victims of Tsunami (3.11.)“ gefolgt von Yuja Wang mit dem Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 18. Im Lunchkonzert (das Orchester für einmal nicht in Schwarz bzw. im Frack) gab es die dritte Symphonie, die am Abend nach der Pause auf dem Programm stand.

    Das ist nun kein Werk, zu dem ich bisher überhaupt einen Zugang hätte – ich weiss nicht einmal, ob ich es davor schon einmal gehört habe (vermutlich schon, Concertgebouw/Ashkenazy hatte ich früh in meinen Klassikerkundungen gekauft, aber d.h. dann wohl auch seit 2011 oder so nicht mehr angehört). Jedenfalls fand ich das eine feine Aufführung, eine überzeugende Aufführung des Orchesters unter seinem Chefdirigenten, den ich nach wie vor sehr schätze am Pult des Tonhalle-Orchesters. Ein massiges Werk, das lautstärkemässig manchmal hart an die Schmerzgrenze ging (nach ein paar Sekunden, als es erstmals richtig laut wurde, kreischte ein überraschtes Kind im Publikum laut auf). Sicher keine Musik, die ich allzu oft hören muss (Aufnahmen wird es vermutlich wegen der Anlage der vier Konzertprogramme – Teile 3 und 4 folgen nach der Sommerpause – auch keine geben, denn für die kommenden Konzerte werden ja noch die Orchester getauscht: Järvi leitet die Philharmonia im Opernhaus, Noseda das Tonhalle-Orchester). Aber im Konzert fand ich das schon ziemlich gut. (Ich höre beim Tippen aus der Tube die 1967er-Einspielung aus Philadelphia mit Ormandy.)

    Winterthur, Stadthaus – 30.03.2023

    Musikkollegium Winterthur
    Roberto González-Monjas
    Leitung
    Joyce DiDonato Mezzosopran

    RICHARD STRAUSS: Ouvertüre und Tanzszene aus der Oper „Ariadne auf Naxos“, op. 60
    HECTOR BERLIOZ: „Les nuits d’été“ op. 7

    JEAN SIBELIUS: Valse triste, op. 44/1
    FRANCIS POULENC: Sinfonietta

    Lange geplant war für Donnerstagabend dann der zweite und letzte Besuch diese Saison in Winterthur beim Musikkollegium Winterthur: da trat Joyce DiDonato auf, mit Berlioz‘ „Les Nuits d’été“, zu denen es nach Winterthur auch eine Verbindung gibt: „ein wackerer Mann, Herr Rieter-Biedermann in Winterthur“ hat nämlich, so berichtete im Mai 1856 die Niederrheinischen Musik-Zeitung, dort einen Verlag gegründet und als erste Veröffentlichung eine deutschsprachige Version der „Nuits d’été“ herausgebracht.

    DiDonato hatte ich im Konzert bisher verpasst – sie ist aber auch ein sehr seltener Gast hier, soweit ich weiss. In Winterthur war sie zum ersten Mal, gab eine Masterclass, führte Mi/Do das obige Programm auf und sang – kurzfristig eingeschoben und für mich leider nicht drin am Sonntag davor noch die „Winterreise“ (da war ich ja schon in der Hosokawa/Bouvier-Matinée und mochte angesichts der um sich greifenden Erschöpfung nicht noch eine Doppelbuchung wagen.

    Das Konzert ging beschwingt los mit einer Folge von Melodien aus Strauss‘ „Ariadne auf Naxos“, die 1912 in der ersten Fassung gefloppt war, worauf er eine kleine Konzertsuite zusammenstellte, um wenigstens ein paar seiner Tanzmelodien zu retten. Dann Auftritt DiDonato, stimmgewaltig, den Raum sofort füllend mit ihrem warmen, grossen Stimme aber auch mit ihrer schieren Präsenz. DiDonato wirkte dabei völlig geerdet, als tue sie bloss, was ihr am allerleichtesten falle. Die perfekte Illusion also und eine durch und durch umwerfende Aufführung der mir noch nicht allzu vertrauten Orchesterlieder.

    Das war auch auch das Highlight des Abends, fand ich. Nicht dass mit dem Rest des Programmes, dem Orchester oder dem Dirigenten etwas falsch gewesen wäre. Da sprang auf mich einfach kein Funke über, selbst wenn es ein Hochgenuss war, die „Sinfonietta“ von Poulenc mal live hören zu können. Roberto González-Monjas, der aktuelle Chefdirigent des Musikkollegiums ist sehr grosser Geste unterwegs – und wohl wirklich sehr viel unterwegs, denn er ist auch Principal Guest Conductor des Belgian National Orchestra sowie Chefdirigent und künstlerischer Berater der Dalasinfoniettan und wie seit Ende März bekannt ab 2024/25 auch Chefdirigent des Mozarteums Salzburg. Dem Musikkollegium wie auch dem Orquesta Sinfónica de Galicia bleibe er treu … im Musikkollegium war er bis zur Übernahme des Chefdirigentenpostens (2021/22) acht Saisons lang Konzertmeister (zu 50%) und als solchen habe ich ihn auch schon erlebt (auch unter seinem Vorgänger Thomas Zehetmair, glaube ich – ans Pult wechselnde Geiger haben in Winterthur damit schon fast Tradition). Konzertmeister war er auch u.a. bei der Academia di Santa Cecilia, dem Philharmonie Orchestra (das ich ja vorgestern hörte, mehr dazu dann im nächsten Post), dem RSO Berlin, der Camerata Salzburg usw. – Jahrgang 1988 und schon wahnsinnig viel gemacht. Jedenfalls war das ein lohnender Konzertbesuch – wegen Poulenc und vor allem wegen DiDonato. Hier gibt es momentan (vermutlich nicht lange) ein paar Impressionen von den Proben.

    In zwei Wochen höre ich das Musikkollegium wieder, bei seinem jährlichen Gastspiel im Opernhaus Zürich, dieses Mal mit Donizettis Komödie „Viva la mamma“, geleitet von Adrian Kelly.

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    gypsy-tail-wind
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    Locarno, Collegiata di Sant Antonio Abate – 02.04.2023

    Livio Vanoni Orgel

    BACH: Präludium und Fuge f-Moll BWV 534
    BACH: Choral „O Mensch, bewein‘ dein‘ Sünde gross“ BWV 622
    MENDELSSOHN: Sonate Nr. 2
    RHEINBERGER: Kantilene
    BACH: Partita c-Moll über den Choral „O Gott, du frommer Gott“ BWV 767 (Choral und Variationen)
    FRANCK: Sortie f-Moll
    GUILMANT: Mélodie
    BACH: „O Lamm Gottes, unschuldig“ BWV 618
    BACH: Präludium und Fuge a-Moll BWV 543

    Kaum angekommen ging es in eine Kirche, die nur fünf Minuten von der Unterkunft liegt, in der ich mich schon zum zweiten Mal aufhalte – im beschaulichen Locarno, von wo aus aber andere Orte (besonders Lugano, wenn es um Ausstellungen oder Konzerte geht) normalerweise in weniger als einer halben Stunde zu erreichen sind.

    In der Kirche um die Ecke fand das erste Konzert der neuen Saison der „Amici dell’Organo del Locarnese“ statt. Ich war natürlich nach der Reise und dem Bezug der Wohnung nicht bei bester Aufmerksamkeit, aber das war ein feines Konzert, dass richtig gut programmiert war. Die zwei moderneren Stücke – Rheinberger und Guilmant – lockerten die Strenge von Bach, Mendelssohn und besonders von Franck auf, dass Francks geometrische Härte direkt vor Guilmant stand, war wahrlich perfekt. Das Stück von Rheinberger erinnerte fast ein wenig an frühe elektrische Orgeln – Fats Waller, „roller rink“-Assoziationen, schlechte Stummfilmbegleitung vom Sound her – aber musikalisch natürlich ordentlich gehaltvoll. So könnten Ferien jedes Mal beginnen.

     

    LAC, Lugano – 03.04.2023

    Philharmonia Orchestra
    Santtu-Matias Rouvali Leitung
    Julian Rachlin Violine

    BEETHOVEN: Overture „Leonore“ Nr. 3 Op. 72a
    MENDELSSOHN: Violinkonzert e-Moll Op. 64

    SIBELIUS: Symphonie Nr. 5 Es-Dur Op. 82

    Am Tag darauf ging es zum ersten Mal nach Lugano – nur fürs Konzert am Abend mit dem Philharmonia Orchestra und einem Dirigenten und einem Solisten, die ich beide überhaupt nicht kannte. Was für ein tolles Orchester! Für Sibelius spielte es in riesiger Besetzung auf (59 Streicher, 16-14-11-10-8, soweit ich sehen konnnte – die hinterste Reihe der Violinen konnte ich nur teilweise sehen). Los ging es mit einem hervorragenden Beethoven, sehr frisch und lebendig, klar durchhörbar – und vielleicht wurde das revolutionäre Element gerade weil das so schön schlank gespielt war umso deutlicher spürbar. Das Konzert von Mendelssohn fand ich dann ein wenig seltsam, mit viel und sehr dickem Vibrato, immer wieder einzelnen „schluchzenden“ Zwischentönen (keine Portamenti, eher kurz Vorschläge, von denen aus der eigentliche Ton dann angesteuert wurde). Die Phrasierung und Betonung von Rachlin führte dazu, dass manche Passagen anders klangen, weil andere Töne hervorgehoben wurde – schlecht fand ich das nicht, eher anregend aber durchaus auch irritierend und am Ende in sich stimmig, aber einfach nicht die Version für mich. Das Zusammenspiel mit dem Orchester war sehr gut, dessen Dynamik wie bei Beethoven überzeugend, obwohl die Solo-Violine ein paar male fast „verschluckt“ wurde. Rachlin spielte dann eine herausragende Zugabe, mit ähnlichem Vibrato, aber dieses Mal passte das total. Ich habe leider keine Ahnung, was für ein Stück das gewesen ist, tippe auf etwas spätest-romantisches (Kreisler vielleicht?) – sehr virtuos und mit östlichem (romani?) Einschlag. Der Sibelius nach der Pause war dann massiv – ganz anders als die Kammerorchester-Aufführung in Winterthur mit halb so vielen Streichern. Doch auch hier: das Orchester und Rouvali überzeugten jeden Augenblick. Den zweiten Satz fand ich besonders interessant, mit seinen Streicher-Pizzzicati und den dahinter oft sehr lang gehaltenen Liegetönen. Und wenn dann die Bässe ihre Bögen auf die Saiten prasseln liessen … Eine seltsame Symphonie mit einer Ausrede von Schluss – aber hervorragend gespielt und unterm Strich ein stimmiges Konzert eines hervorragenden Orchesters.

     

    Teatro di Minusio – Oratorio San Giovanni Bosco – 05.04.2023 – I Mercoldì Pianistici di Elisarion

    Michele Santaniello Klavier

    HAYDN: Klaviersonate B-Dur Hob: XVI:52
    LISZT: Venezia e Napoli. Supplément aus Années de pèlerinage II: Tarantella (S 162/3)

    Andrea Jermini Klavier

    SCHUMANN: Kreisleriana Op. 16

    Das nächste Konzert war dann wieder ein „kleines“: eine Klavierreihe in Minusio, bei der von Ende März bis Anfang Mai sechs mittwöchliche Konzerte mit Pianisten und einer Pianistin stattfinden. Fast alle Konzerte werden im „Oratorio San Giovanni Bosco“ abgehalten, in dem es einen hübschen Theatersaal gibt, der ein wenig wie ein Kino wirkt – und der sich kurz vor Beginn doch noch einigermassen füllte. An diesem zweiten Abend der Reihe traten zwei junge, befreundete Pianisten auf, die beide in Lugano studieren. In der ersten Hälfte spielte der 2002 in Avellino geborene Michele Santaniello die letzte Klaviersonate von Haydn, trocken und schnell, minimaler Pedaleinsatz, irgendwie flacher Anschlag, man hörte immer wieder das Aufprallen der Finger auf den Tasten – ich musste an Glenn Gould denken. Für Liszt ging es dann in die vollen – ein starker Kontrast und für mich immer noch faszinierend, solche Werke im Konzert zu hören (die Sonate habe ich schon zweimal gehört, sonst aber kaum etwas dieser Art, auch noch nicht allzu viel Chopin oder anderes romantisches Virtuosenrepertoire). Eine Pause gab es nicht, nur einen kurzen Unterbruch, bevor der zwei Jahre ältere Andrea Jermini aus Lugano mit Schumanns Kreisleriana folgte. Und klar: bei dem Repertoire (das im Voraus nicht bekannt war, nur die drei Namen der Komponisten waren der Website des Veranstalters zu entnehmen) stellt sich die Frage, ob man sowas von solchen Nachwuchsmusikern hören mag, oder doch lieber zuhause bleibt und sich auf die bewährten Aufnahmen verlässt. Mich zieht es ja oft raus, in Zürich aber kaum an ein solches Konzert, weil das Angebot einfach zu gross ist … aber gelohnt hat es sich alleweil fand ich, weil halt auch bei einer nicht perfekten Interpretation klar wird, wie gross diese Musik ist, wie reich, wie tief. Die zwei spielten zum Ausklang – wie ich erwartet/gehofft hatte – zwei vierhändige Stücke, zuerst eines, bei dem ich auf Mozart tippe (oder Schubert?), dann als zweites den Jazz-Standard „All of Me“, bei dem sie mehrfach den Platz wechselten und offensichtlich Spass dabei hatten – was auch schön rüberkam. Die in Santaniellos Ansage beschworene Freundschaft der beiden wurde durch die Zugaben untermauert und das Konzert schön abgerundet. Und so dynamisch waren die zwei Jungs, dass ich es nicht mal geschafft habe, ein scharfes Foto zu knipsen …

     

    Chiesa Collegiata, Bellinzona – 07.04.2023 – Concerto del Venerdì Santo

    OSI e Coro della Radiotelevisione svizzera
    Diego Fasolis
    Leitung
    Minji Kim Sopran
    Gabriella Sborgi Contralto
    Alessandro Fisher Tenor
    Marco Bussi Bass
    Mirco Palazzi Bass

    DONIZETTI: Requiem (in memoriam di Vincenzo Bellini)

    In der Zwischenzeit hatte ich endlich das Baptisterium in Riva San Vitale gesehen, eine phantastische Ausstellung zum (Spät-)Werk von Hedi Mertens in Lugano, einen dreistündigen Spaziergang gemacht, wie er erst jetzt, sechs Monate später, erstmals wieder drin lag (ich habe den Booster vor zwei Wochen im Verdacht, der gab wohl nochmal richtig Schub, es geht mir jedenfalls seither nochmal deutlich besser). Am Karfreitag liess ich es daher ruhig angehen, füllte nochmal den Kühlschrank (der allerheiligste Tag der Protestanten ist hier ein ganz normaler Arbeitstag, die Läden schliessen nicht mal früher) und fuhr dann abends mit dem Zug nach Bellinzona.

    Dort gab es in einer sehr schönen, grossen Kirche das traditionelle Karfreitagskonzert mit dem RTSI-Chor – das dreissigste unter Diego Fasolis, der 1993 dessen Leitung übernommen hat. Dank dieses Konzertes hörte ich auch diesen Urlaub noch das Orchestra della Svizzera Italiana (das eben kein Radioorchester mehr ist, wie ich neulich schon geschrieben hatte, es verfügt aber über zwei Spielstätten, ist neben dem wunderbaren Saal im LAC auch weiterhin im Radiostudio – ebenfalls in Lugano – daheim). Das Requiem von Donizetti kannte ich natürlich nicht. Geschrieben hat Donizetti es aus Anlass des plötzlichen Todes des Rivalen Vicenzo Bellini, es blieb zwar unvollendet, dauert aber auch so um die 70 Minuten – und benötigt ein Solistenquintett mit zwei Bässen. Diese und auch der Tenor haben mir sehr überzeugt, die Frauen kamen weniger oft zum Einsatz, waren aber ebenfalls gut. Die Akustik war allgemein recht schwierig, Fasolis hatte sie aber meistens im Griff. Manchmal gingen die Solist*innen etwas unter, die Austarierung mit dem Chor und Orchester stelle ich mir auch bei guter Akustik schon schwer genug vor. Jedenfalls beeindruckte mich die Aufführung sehr, obwohl ich eine halbe Stunde brauchte, um richtig reinzukommen. Ein wunderbares Werk, von dem es nur wenige Aufnahmen gibt (die von Bernstein, die im englischen Wiki-Eintrag zu finden ist, ist ein Fake – da will sich offensichtlich jemand mit einem Scherz verewigen), was das Erlebnis noch etwas spezieller machte. Es würde auch niemanden wundern, wenn Verdi sich davon (oder von einem anderen, verschollenen Donizetti-Requiem?) inspirieren hätte lassen – denn das nahezu opernhafte in einigen Solo-Arien (besonders eine langen, wunderschönen für den Tenor, die Alessandro Fisher wahnsinnig schön gesungen hat) ist auch hier schon da. Ich brauche davon unbedingt eine Aufnahme – die Übertragung im Radio habe ich natürlich verpasst und nachhörbar ist das leider nicht (ich gehe auch davon aus, dass der Ausgleich zwischen Solist*innen, Chor und Orchester da deutlich besser gelang als im Innern der Kirche). Als ich in Locarno wieder aus dem Zug stieg, war ich nicht der einzige, der von da kam – und ich schnappte an der Bushaltestelle beim Bahnhof ein paar sehr glückliche Kommentare und Bemerkungen auf.

     

     Teatrostudio, LAC, Lugano – 09.04.2023 – EarlyNightModern

    Trio Projekt:
    Johanna Vargas Sopran
    Marcus Weiss Alt-, Sopran und Baritonsaxophon
    Uli Fussenegger Kontrabass

    NADIR VASSENA: luce migrante (2002) quasi un madrigale su una poesia di Fabio Pusterla per soprano, sassofono e contrabbasso
    KLAUS LANG: cantica christinae. III – a summer wish (2020)
    BEAT FURRER: In Mia Vita da Vuolp (2019) per sassofono baritono e soprano su testi di Leta Semadeni
    KATHARINA ROSENBERGER: The Future Is a Broken Record (2021) con testi di Katharina Rosenberger, Patrick Klingenschmitt e Rozalie Hirs

    Ostersamstag ging ich morgens zum Frisör (ein Jahr später mit viel zu viel Zeug, das in die Augen piekste – wie nervig!) und ins Museum hier in Locarno – eine grosse Schau von Xanti Schawinsky fand ich klasse (klick): Bauhaus, wo er zu Gropius‘ Kreis gehörte und in der Band Saxophon spielte), 1933 nach Italien, 1936 weiter in die USA ans Black Mountain College, nach dem Krieg wieder in Europa und ab 1961 immer wieder im Tessin, 1979 starb er in Locarno. Die Museen hier können, wie ich seit meiner Pandemieferien im Tessin (das sind schon die vierten) viele feine Ausstellung abseits der ausgetretenen Pfade veranstalten, in denen es stets Bezüge zur Gegend gibt – das ist natürlich toll und lädt wirklich zum Entdecken ein (Hedi Mertens ist natürlich auch so ein Fall – und heute ging ich nach Giornico, um La Congiunta zu sehen, die Betonhülle, die Peter Märkli dort für Eisenplastiken von Hans Josephsohn errichtet hat – auch Josephsohns Werk habe ich vor einn oder zwei Jahren dank einer grossen Ausstellung in Lugano richtig kennengelernt).

    Am Sonntag ging es dann abends wieder ans Konzert – und davor noch in ein Museum, das nicht nur auf Ostern eine neue Ausstellung mit Frauenportraits des Thailänders Attasit Pokpong eröffnet sondern seit meinem ersten Besuch vor einem Jahr oder so auch gleich noch die Sammlungspräsentation umgestellt hat, das Museo delle Culture in Lugano. Um 19 Uhr ging es dann ins Konzert der Reihe „EarlyNightModern“, das von einem ziemlich illustren Trio bestritten wurde. Johanna Vargas ist Mitglied der Neuen Vocalsolisten Stuttgart, Marcus Weiss seit Jahrzehnten schon wohl DER Saxophonist in der Neuen Musik – nur Fussenegger ist mir nicht so ein Begriff, aber seine Credits können sich ebenfalls mehr als sehen lassen: er gehörte zum Freiburger Barockorchester und dem Concentus Musicus Wien, bevor er sich ab 1987 mit dem Klangforum Wien auf Neue Musik zu spezialisieren begann.

    Das Charisma steuerte Vargas bei, mit einer unglaublichen Präsenz und einer beeindruckenden Stimme. Wenn ich die Ansagen richtig verstanden habe, war nicht nur das Werk von Nadir Vassena, der anwesend war, ganz neu sondern auch die Wrke von Lang und Rosenberger zumindest dem Trio noch nicht bekannt. Angekündigt waren im Voraus nämlich zwei Werke von Furrer mit Titeln und dazu „neue für das Trio komponierte Werke“ von den drei anderen. Weil diese drei es in sich hatten, flog das älteste, „lotófagos I“ (2006 oder 2007 für Fussenegger komponiert) von Furrer, mit dem das Konzert hätte anfangen sollen, aus dem Programm. Stattdessen ging es mit Vassena los (ich tippe auf Uraufführung), dann folgte das Stück von Lang, eine Pause gab es trotz der Sternchen im Programmheft an dieser Stelle nicht, stattdessen folgten Furrers „In Mia Vita da Vuolp“ (2019 für Weiss komponiert) und zum Ausklang das Stück von Rosenberger. Weiss spielte in den Stücken von Vassena und Rosenberger Altsax, bei Furrer natürlich Barisax, bei Lang die meiste Zeit Sopran-, zwischendurch aber auch mal kurz Altsax. Was mir bei allen Werken aufgefallen ist: die Angst (darf man das so sagen?) den Kontrabass und das Saxophon konventionell klingen zu lassen. Bei der Stimme gibt es diese Scheu nicht: da gibt es arienhafte Passagen, Vibrato, Virtuos-Melodiöses, das direkt neben dem Gekeuche, Gestotter, Geflüster der erweiterten Techniken steht. Dem Kontrabass war kein wirklich resonanter Ton vergönnt – und wenn das Barisax mitten im fünfteiligen Zyklus von Furrer auf wunderbare Texte der Bündner Dichterin Leta Semadeni plötzlich einen tiefen, lauten Ton ausstösst, reagiert das Publikum nahezu geschockt ob der Wirkung. Auch Vassenas Stück ist fünfteilig – und gefiel mir wie das von Furrer sehr, sehr gut. Es ist ja nicht so, dass etwas Wesentliches Fehlen würde ohne die konventionellen Spieltechniken – es fällt einfach auf, dass die Stimme bei solchen Stücken gerne anders behandelt wird als die Instrumente. Und ich empfinde es schon ein wenig als eine freiwillige Selbstbeschränkung, wenn gerade die Körperlichkeit der letzteren nur teilweise genutzt wird. Das Stück von Lang empfand ich etwas konventioneller – was auch mit der englischen Sprache zu tun haben mag, aber auch mit der lineareren Komponierweise (so kam es mir zumindest vor). Bei Rosenberger kam dann bei Vargas ein Pedal zum Einsatz, mit dem sei wohl eine Art Oktavverdoppelung erzeugen konnte. Sie sprach die halbe Zeit, politische Texte aus dem aktuellen Diskurs über Klima usw., dafür kam auch ein Mikrophon zum Einsatz, wenn der erwähnte Effekt nicht genutzt wurde. Sobald Vargas zur Gesangsstimme überging, hielt sie das Mikrophon weit weg bzw. unten. Für längere Passagen fiel sie dann in eine Sprechgesang, der leider sehr steif wirkte – also extrem deutlich auf die Schläge akzentuiert und ganz ohne die Lässigkeit, die das hätte entwickeln können – ohne deshalb an (Ein-)Dringlichkeit einzubüssen. Ein faszinierendes Konzert – das mich auch sehr anstrengte, weil da so viele ungewohnte Klänge zu hören waren (Neue Musik und Free Jazz – das anstrengste, was man überhaupt hören kann ;-) )

     

    Chiesa del Collegio Papio, Ascona – 10.04.2023 – Gioioso concerto di Pasqua

    Giuliano Carmignola Violine
    Els Biesemans Klavier

    MOZART: Sonate für Violine und Klavier Nr. 18 C-Dur KV 301
    SCHUBERT: Sonatine für Violine und Klavier D-Dur Op. posth. 137/1
    MOZART: Sonate für Violine und Klavier Nr. 28 Es-Dur KV 380
    BEETHOVEN: Sonate für Violine und Klavier Nr. 8 C-Dur Op. 30/3

    Das Osterprogramm war damit aber noch nicht vorbei. Am Montag gab es in Ascona wieder in einer Kirche ein Konzert von Giuliano Carmignola mit der in Zürich wirkenden belgischen Organistin und Pianistin Els Biesemans, die sich als Spezialistin für historische Instrumente einen Namen gemacht hat. Ich habe es bisher zu keinem einzigen Auftritt in Zürich geschafft, aber neulich die aktuelle CD mit Toccaten von Hans Georg Nägeli sowie Werken von Clementi und Beethoven gekauft (und im Hörfaden hier auch ein paar Zeilen dazu geschrieben, wenn mich nicht alles täuscht?). Carmignola kenne ich etwas besser, aber auch bloss von CDs. Vom Programm waren im Vorfeld auch hier nur die drei Namen der Komponisten bekannt, die weiteren Details wurden auch wieder erst vor Ort mit einem kleinen Programmheft bekanntgemacht. Auf je eine Mozartsonate folgte eine von Schubert bzw. als Höhe- und Schlusspunkt eine von Beethoven. Das war wunderbar musiziert (und von den „Freunden der Alten Musik“ aus Zürich offeriert – es gab nicht mal eine Kollekte wie beim Orgelrezital von Livio Vanoni) und auch sehr lehrreich. Mich beeindruckte besonders die Präsenz, der Ton von Carmignola unmittelbar. Die Projektionskraft, die sein Sipel auch dann hatte, wenn er ganz leise spielte – die wunderbare Klangmischung mit dem alten Erard-Flügel, den Biesemans spielte … und dazu die Möglichkeit, die Entfaltung der Sonate für Klavier und Violine zur Violinsonate zu verfolgen – und wie Beethovens relativ frühe achte Sonate eben doch moderner wirkte als die unfairerweise postum zur „Sonatine“ verkleinerte von Schubert: wie Zwischen Mozart und Beethoven die Emanzipation der Violine stattfindet, wie auch zwischen KV 301 und KV 380 schon einiges an Entwicklung geschehen ist. Wenn bei Mozart das Zwiegespräch eins ist, das oft in der Imitation, der Wiederholung besteht, des Wechsels von fast gleichen oder sehr ähnlichen Phrasen, die vom Klavier vorgegeben werden, so ist bei Beethoven findet bei Beethoven ein echter Dialog statt, in dem sich die beiden Instrumente auf Augenhöhe begegnen. Bei Schubert ist das ähnlich, doch ist der Gestus ein anderer – als seien die Sonaten für kleinere Räume, für einen intimeren Rahmen geschaffen (was sie dennoch nicht zu „Sonatinen“ macht).

    Und das war’s für den Moment. Ein grösseres Konzert in Lugano (und davor die aktuelle Ausstellung „Werner Bischof Unseen Colour“ – beides im LAC) habe ich noch vor mir, mit dem Orchestra Mozart unter Daniele Gatti (Wagner und Brahms) – aber dazu dann im nächsten Post, denn das ist am Donnerstagabend und Freitag fahre ich wieder heim. Und klar: obwohl ich erst Dienstag wieder arbeiten muss (kommender Montag ist in Zürich ein lokaler halber Feiertag, den ich ganztags frei habe), fahre ich schon am Freitag heim, weil ich am Samstag und Sonntag in Zürich wieder Programm habe – die Ferien gehen also mit viel Musik daheim zu Ende, ganz wie sie schon angefangen hatten (vgl. letzter Post).

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    #12037291  | PERMALINK

    soulpope
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    @ „gypsy“ : Dank für die Berichte ….

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    #12037855  | PERMALINK

    yaiza

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    gypsy-tail-wind Locarno, Collegiata di Sant Antonio Abate – 02.04.2023 Livio Vanoni Orgel BACH: Präludium und Fuge f-Moll BWV 534 BACH: Choral „O Mensch, bewein‘ dein‘ Sünde gross“ BWV 622 MENDELSSOHN: Sonate Nr. 2 RHEINBERGER: Kantilene BACH: Partita c-Moll über den Choral „O Gott, du frommer Gott“ BWV 767 (Choral und Variationen) FRANCK: Sortie f-Moll GUILMANT: Mélodie BACH: „O Lamm Gottes, unschuldig“ BWV 618 BACH: Präludium und Fuge a-Moll BWV 543     ….  aber das war ein feines Konzert, dass richtig gut programmiert war

    ja, das schaut auf jeden Fall interessant aus

    Bin auch wieder zurück von einem Familientreff, das leider aus traurigem Anlass stattfand, aber für einige enge Verwandte noch mit einem Dresden-Besuch weiterging, der ganz gut tat. Wir haben dann doch mehr gesehen und erlaufen, als wir vorher dachten… und in die Frauenkirche ging es auch:

    So, 9. April 2023, 21.00 Frauenkirche Dresden

    Bach und die Frühklassik
    Johann Sebastian Bach (1685–1750): Fantasie G-Dur, BWV 572
    Johann Gottfried Müthel (1728–1788): Fantasie Nr. 4, Es-Dur
    Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788): Sonate F-Dur, Wq 70-3
    Johann Sebastian Bach: »Christ ist erstanden« BWV 627
    Christian Heinrich Rinck (1770–1846): Flötenkonzert F-Dur, op. 55

    Orgel: Mari Fukumoto
    (lehrt auch an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und ist lt. Programmheft „Hauptvertreterin der vakanten Organist*innenstelle an der Frauenkirche Dresden“)
    Veranstalter: Stiftung Frauenkirche Dresden

    Ursprünglich war ein ganz anderes Programm geplant (JSB/ u.a. Choralbearbeitungen & Johann Joachim Quantz/ Hornkonzert), aber irgendwann „verschwand“ der Hornist aus der Ankündigung und dann änderte sich nochmal das Programm, das ich ebenfalls als abwechslungsreich zusammengestellt empfand und auch hier stach die Strenge von Johann Sebastian Bach heraus. Aus der Trauersituation heraus kam mir die Orgel manchmal natürlich sehr nah, aber es war auch beeindruckend wie verschieden sie von „mächtig“ bis „ganz fein“ oder bei Rinck auch mal „amüsant“ klingen kann.

    @gypsy-tail-wind: Du hörtest ja sogar eine Mendelssohn-Sonate; ich werde sie nach dem Erlebnis mit der Sonate von C.P.E. Bach auch mal wieder hören…

    --

    #12037981  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Tut mir leid @yaiza.

    Orgelmusik ist bei mir zuhause ja nur selten auf dem Programm (zuletzt die von Franck), aber grad da,wo Italienisch gesprochen wird, gibt es oft schöne Gelegenheiten für solche Konzerte. Von Mendelssohn kannte ich glaub ich noch überhaupt nichts… da muss ich mich eher endlich mal an die Box mit den gesamten Klavierwerken machen.

    --

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    #12038133  | PERMALINK

    yaiza

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    Vielen Dank.  :bye:

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    #12040921  | PERMALINK

    Anonym
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    Gestern war ich im Konzerthaus Berlin und es spielten:

    Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
    Vladimir Jurowski Dirigent
    Yefim Bronfman Klavier

    Ludwig van Beethoven Ouvertüre zu Collins Trauerspiel „Coriolan“ c-Moll op. 62
    Jelena Firssowa Konzert für Klavier und Orchester (Deutsche Erstaufführung)
    Pause
    Dmitri Schostakowitsch Sinfonie Nr. 4 c-Moll op. 43

    Programmheft: https://www.rsb-online.de/programm/programm-15-04-16-04-jurowski/

    Jelena Firssowas neue Komposotion war prima!

    Ich weiß iwie nicht, was ich von Schosta’s 4ter halten soll…

    Radioübertragung bei Deutschlandfunk, Mitschnitte vom Konzert am 15.04. werden am 23.04.2023, 21.05 Uhr in der Konzertdokumentation der Woche ausgestrahlt.

    --

    #12041203  | PERMALINK

    yaiza

    Registriert seit: 01.01.2019

    Beiträge: 5,406

    plattensammlerGestern war ich im Konzerthaus Berlin und es spielten: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Vladimir Jurowski Dirigent Yefim Bronfman Klavier Ludwig van Beethoven Ouvertüre zu Collins Trauerspiel „Coriolan“ c-Moll op. 62 Jelena Firssowa Konzert für Klavier und Orchester (Deutsche Erstaufführung) Pause Dmitri Schostakowitsch Sinfonie Nr. 4 c-Moll op. 43 Programmheft: https://www.rsb-online.de/programm/programm-15-04-16-04-jurowski/ Jelena Firssowas neue Komposotion war prima!

    Ich war gestern auch in diesem Konzert, allerdings nur bis zur Pause. Für Schostakowitsch 4, mit teils lauten Passagen, fühlte ich mich nicht bereit; habe aber noch ein intensives Konzerterlebnis mit DSO/Andris Poga in der Philharmonie im April ’22 in Erinnerung. Das Klavierkonzert von Jelena Firssowa wollte ich mir nicht entgehen lassen und die Aussicht, Yefim Bronfman live wieder zu hören,  zog mich auf jeden Fall auch ins Konzert. Vom Thema her ging es ja um Leben und dass es auch mal ein Ende haben wird; das Ticken der Lebensuhr sehr deutlich. Ich fand vieles im Konzert interessant; vor allem auch dass es gar nicht so ernst wurde und dass es vom Gesamteindruck hell blieb. Mir gefiel es ebenfalls. Yefim Bronfman spielte auch so klar und fein – sehr beeindruckend.

    --

    #12041245  | PERMALINK

    soulpope
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    yaiza

    plattensammlerGestern war ich im Konzerthaus Berlin und es spielten: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Vladimir Jurowski Dirigent Yefim Bronfman Klavier Ludwig van Beethoven Ouvertüre zu Collins Trauerspiel „Coriolan“ c-Moll op. 62 Jelena Firssowa Konzert für Klavier und Orchester (Deutsche Erstaufführung) Pause Dmitri Schostakowitsch Sinfonie Nr. 4 c-Moll op. 43 Programmheft: https://www.rsb-online.de/programm/programm-15-04-16-04-jurowski/ Jelena Firssowas neue Komposotion war prima!

    Ich war gestern auch in diesem Konzert, allerdings nur bis zur Pause. Für Schostakowitsch 4, mit teils lauten Passagen, fühlte ich mich nicht bereit; habe aber noch ein intensives Konzerterlebnis mit DSO/Andris Poga in der Philharmonie im April ’22 in Erinnerung. Das Klavierkonzert von Jelena Firssowa wollte ich mir nicht entgehen lassen und die Aussicht, Yefim Bronfman live wieder zu hören, zog mich auf jeden Fall auch ins Konzert. Vom Thema her ging es ja um Leben und dass es auch mal ein Ende haben wird; das Ticken der Lebensuhr sehr deutlich. Ich fand vieles im Konzert interessant; vor allem auch dass es gar nicht so ernst wurde und dass es vom Gesamteindruck hell blieb. Mir gefiel es ebenfalls. Yefim Bronfman spielte auch so klar und fein – sehr beeindruckend.

    Dank für eure Eindrücke …. Jelena Firssowa klingt interessant …. die 4te von Shostakovich ist ein schwieriges Werk …. als Entwurf einer „sozialistischen Symphonik“ konzipiert, nach der Verdammung durch Stalin in 1936 stigmatisiert und erst 25 Jahre später uraufgeführt …. dem Werk fehlt de facto eine (klare) Form und die fast bombastische Musik macht das Zuhören partiell zum K(r)ampf ….

    --

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    #12041289  | PERMALINK

    yaiza

    Registriert seit: 01.01.2019

    Beiträge: 5,406

    Im letzten Jahr hatte ich die Gelegenheit bei einem Workshop des RSB mit den Akademisten zum Thema ‚Musik & Politik‘ zuzuhören. Es wurde kurz darauf eingegangen, dass Schostakowitsch einzelne Passagen der #4 in die nächsten nachfolgenden Sinfonien einbaute. Das fand ich ziemlich interessant.

    --

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