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Locarno, Collegiata di Sant Antonio Abate – 02.04.2023
Livio Vanoni Orgel
BACH: Präludium und Fuge f-Moll BWV 534
BACH: Choral „O Mensch, bewein‘ dein‘ Sünde gross“ BWV 622
MENDELSSOHN: Sonate Nr. 2
RHEINBERGER: Kantilene
BACH: Partita c-Moll über den Choral „O Gott, du frommer Gott“ BWV 767 (Choral und Variationen)
FRANCK: Sortie f-Moll
GUILMANT: Mélodie
BACH: „O Lamm Gottes, unschuldig“ BWV 618
BACH: Präludium und Fuge a-Moll BWV 543
Kaum angekommen ging es in eine Kirche, die nur fünf Minuten von der Unterkunft liegt, in der ich mich schon zum zweiten Mal aufhalte – im beschaulichen Locarno, von wo aus aber andere Orte (besonders Lugano, wenn es um Ausstellungen oder Konzerte geht) normalerweise in weniger als einer halben Stunde zu erreichen sind.
In der Kirche um die Ecke fand das erste Konzert der neuen Saison der „Amici dell’Organo del Locarnese“ statt. Ich war natürlich nach der Reise und dem Bezug der Wohnung nicht bei bester Aufmerksamkeit, aber das war ein feines Konzert, dass richtig gut programmiert war. Die zwei moderneren Stücke – Rheinberger und Guilmant – lockerten die Strenge von Bach, Mendelssohn und besonders von Franck auf, dass Francks geometrische Härte direkt vor Guilmant stand, war wahrlich perfekt. Das Stück von Rheinberger erinnerte fast ein wenig an frühe elektrische Orgeln – Fats Waller, „roller rink“-Assoziationen, schlechte Stummfilmbegleitung vom Sound her – aber musikalisch natürlich ordentlich gehaltvoll. So könnten Ferien jedes Mal beginnen.
LAC, Lugano – 03.04.2023
Philharmonia Orchestra
Santtu-Matias Rouvali Leitung
Julian Rachlin Violine
BEETHOVEN: Overture „Leonore“ Nr. 3 Op. 72a
MENDELSSOHN: Violinkonzert e-Moll Op. 64
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SIBELIUS: Symphonie Nr. 5 Es-Dur Op. 82
Am Tag darauf ging es zum ersten Mal nach Lugano – nur fürs Konzert am Abend mit dem Philharmonia Orchestra und einem Dirigenten und einem Solisten, die ich beide überhaupt nicht kannte. Was für ein tolles Orchester! Für Sibelius spielte es in riesiger Besetzung auf (59 Streicher, 16-14-11-10-8, soweit ich sehen konnnte – die hinterste Reihe der Violinen konnte ich nur teilweise sehen). Los ging es mit einem hervorragenden Beethoven, sehr frisch und lebendig, klar durchhörbar – und vielleicht wurde das revolutionäre Element gerade weil das so schön schlank gespielt war umso deutlicher spürbar. Das Konzert von Mendelssohn fand ich dann ein wenig seltsam, mit viel und sehr dickem Vibrato, immer wieder einzelnen „schluchzenden“ Zwischentönen (keine Portamenti, eher kurz Vorschläge, von denen aus der eigentliche Ton dann angesteuert wurde). Die Phrasierung und Betonung von Rachlin führte dazu, dass manche Passagen anders klangen, weil andere Töne hervorgehoben wurde – schlecht fand ich das nicht, eher anregend aber durchaus auch irritierend und am Ende in sich stimmig, aber einfach nicht die Version für mich. Das Zusammenspiel mit dem Orchester war sehr gut, dessen Dynamik wie bei Beethoven überzeugend, obwohl die Solo-Violine ein paar male fast „verschluckt“ wurde. Rachlin spielte dann eine herausragende Zugabe, mit ähnlichem Vibrato, aber dieses Mal passte das total. Ich habe leider keine Ahnung, was für ein Stück das gewesen ist, tippe auf etwas spätest-romantisches (Kreisler vielleicht?) – sehr virtuos und mit östlichem (romani?) Einschlag. Der Sibelius nach der Pause war dann massiv – ganz anders als die Kammerorchester-Aufführung in Winterthur mit halb so vielen Streichern. Doch auch hier: das Orchester und Rouvali überzeugten jeden Augenblick. Den zweiten Satz fand ich besonders interessant, mit seinen Streicher-Pizzzicati und den dahinter oft sehr lang gehaltenen Liegetönen. Und wenn dann die Bässe ihre Bögen auf die Saiten prasseln liessen … Eine seltsame Symphonie mit einer Ausrede von Schluss – aber hervorragend gespielt und unterm Strich ein stimmiges Konzert eines hervorragenden Orchesters.
Teatro di Minusio – Oratorio San Giovanni Bosco – 05.04.2023 – I Mercoldì Pianistici di Elisarion
Michele Santaniello Klavier
HAYDN: Klaviersonate B-Dur Hob: XVI:52
LISZT: Venezia e Napoli. Supplément aus Années de pèlerinage II: Tarantella (S 162/3)
Andrea Jermini Klavier
SCHUMANN: Kreisleriana Op. 16
Das nächste Konzert war dann wieder ein „kleines“: eine Klavierreihe in Minusio, bei der von Ende März bis Anfang Mai sechs mittwöchliche Konzerte mit Pianisten und einer Pianistin stattfinden. Fast alle Konzerte werden im „Oratorio San Giovanni Bosco“ abgehalten, in dem es einen hübschen Theatersaal gibt, der ein wenig wie ein Kino wirkt – und der sich kurz vor Beginn doch noch einigermassen füllte. An diesem zweiten Abend der Reihe traten zwei junge, befreundete Pianisten auf, die beide in Lugano studieren. In der ersten Hälfte spielte der 2002 in Avellino geborene Michele Santaniello die letzte Klaviersonate von Haydn, trocken und schnell, minimaler Pedaleinsatz, irgendwie flacher Anschlag, man hörte immer wieder das Aufprallen der Finger auf den Tasten – ich musste an Glenn Gould denken. Für Liszt ging es dann in die vollen – ein starker Kontrast und für mich immer noch faszinierend, solche Werke im Konzert zu hören (die Sonate habe ich schon zweimal gehört, sonst aber kaum etwas dieser Art, auch noch nicht allzu viel Chopin oder anderes romantisches Virtuosenrepertoire). Eine Pause gab es nicht, nur einen kurzen Unterbruch, bevor der zwei Jahre ältere Andrea Jermini aus Lugano mit Schumanns Kreisleriana folgte. Und klar: bei dem Repertoire (das im Voraus nicht bekannt war, nur die drei Namen der Komponisten waren der Website des Veranstalters zu entnehmen) stellt sich die Frage, ob man sowas von solchen Nachwuchsmusikern hören mag, oder doch lieber zuhause bleibt und sich auf die bewährten Aufnahmen verlässt. Mich zieht es ja oft raus, in Zürich aber kaum an ein solches Konzert, weil das Angebot einfach zu gross ist … aber gelohnt hat es sich alleweil fand ich, weil halt auch bei einer nicht perfekten Interpretation klar wird, wie gross diese Musik ist, wie reich, wie tief. Die zwei spielten zum Ausklang – wie ich erwartet/gehofft hatte – zwei vierhändige Stücke, zuerst eines, bei dem ich auf Mozart tippe (oder Schubert?), dann als zweites den Jazz-Standard „All of Me“, bei dem sie mehrfach den Platz wechselten und offensichtlich Spass dabei hatten – was auch schön rüberkam. Die in Santaniellos Ansage beschworene Freundschaft der beiden wurde durch die Zugaben untermauert und das Konzert schön abgerundet. Und so dynamisch waren die zwei Jungs, dass ich es nicht mal geschafft habe, ein scharfes Foto zu knipsen …
Chiesa Collegiata, Bellinzona – 07.04.2023 – Concerto del Venerdì Santo
OSI e Coro della Radiotelevisione svizzera
Diego Fasolis Leitung
Minji Kim Sopran
Gabriella Sborgi Contralto
Alessandro Fisher Tenor
Marco Bussi Bass
Mirco Palazzi Bass
DONIZETTI: Requiem (in memoriam di Vincenzo Bellini)
In der Zwischenzeit hatte ich endlich das Baptisterium in Riva San Vitale gesehen, eine phantastische Ausstellung zum (Spät-)Werk von Hedi Mertens in Lugano, einen dreistündigen Spaziergang gemacht, wie er erst jetzt, sechs Monate später, erstmals wieder drin lag (ich habe den Booster vor zwei Wochen im Verdacht, der gab wohl nochmal richtig Schub, es geht mir jedenfalls seither nochmal deutlich besser). Am Karfreitag liess ich es daher ruhig angehen, füllte nochmal den Kühlschrank (der allerheiligste Tag der Protestanten ist hier ein ganz normaler Arbeitstag, die Läden schliessen nicht mal früher) und fuhr dann abends mit dem Zug nach Bellinzona.
Dort gab es in einer sehr schönen, grossen Kirche das traditionelle Karfreitagskonzert mit dem RTSI-Chor – das dreissigste unter Diego Fasolis, der 1993 dessen Leitung übernommen hat. Dank dieses Konzertes hörte ich auch diesen Urlaub noch das Orchestra della Svizzera Italiana (das eben kein Radioorchester mehr ist, wie ich neulich schon geschrieben hatte, es verfügt aber über zwei Spielstätten, ist neben dem wunderbaren Saal im LAC auch weiterhin im Radiostudio – ebenfalls in Lugano – daheim). Das Requiem von Donizetti kannte ich natürlich nicht. Geschrieben hat Donizetti es aus Anlass des plötzlichen Todes des Rivalen Vicenzo Bellini, es blieb zwar unvollendet, dauert aber auch so um die 70 Minuten – und benötigt ein Solistenquintett mit zwei Bässen. Diese und auch der Tenor haben mir sehr überzeugt, die Frauen kamen weniger oft zum Einsatz, waren aber ebenfalls gut. Die Akustik war allgemein recht schwierig, Fasolis hatte sie aber meistens im Griff. Manchmal gingen die Solist*innen etwas unter, die Austarierung mit dem Chor und Orchester stelle ich mir auch bei guter Akustik schon schwer genug vor. Jedenfalls beeindruckte mich die Aufführung sehr, obwohl ich eine halbe Stunde brauchte, um richtig reinzukommen. Ein wunderbares Werk, von dem es nur wenige Aufnahmen gibt (die von Bernstein, die im englischen Wiki-Eintrag zu finden ist, ist ein Fake – da will sich offensichtlich jemand mit einem Scherz verewigen), was das Erlebnis noch etwas spezieller machte. Es würde auch niemanden wundern, wenn Verdi sich davon (oder von einem anderen, verschollenen Donizetti-Requiem?) inspirieren hätte lassen – denn das nahezu opernhafte in einigen Solo-Arien (besonders eine langen, wunderschönen für den Tenor, die Alessandro Fisher wahnsinnig schön gesungen hat) ist auch hier schon da. Ich brauche davon unbedingt eine Aufnahme – die Übertragung im Radio habe ich natürlich verpasst und nachhörbar ist das leider nicht (ich gehe auch davon aus, dass der Ausgleich zwischen Solist*innen, Chor und Orchester da deutlich besser gelang als im Innern der Kirche). Als ich in Locarno wieder aus dem Zug stieg, war ich nicht der einzige, der von da kam – und ich schnappte an der Bushaltestelle beim Bahnhof ein paar sehr glückliche Kommentare und Bemerkungen auf.
Teatrostudio, LAC, Lugano – 09.04.2023 – EarlyNightModern
Trio Projekt:
Johanna Vargas Sopran
Marcus Weiss Alt-, Sopran und Baritonsaxophon
Uli Fussenegger Kontrabass
NADIR VASSENA: luce migrante (2002) quasi un madrigale su una poesia di Fabio Pusterla per soprano, sassofono e contrabbasso
KLAUS LANG: cantica christinae. III – a summer wish (2020)
BEAT FURRER: In Mia Vita da Vuolp (2019) per sassofono baritono e soprano su testi di Leta Semadeni
KATHARINA ROSENBERGER: The Future Is a Broken Record (2021) con testi di Katharina Rosenberger, Patrick Klingenschmitt e Rozalie Hirs
Ostersamstag ging ich morgens zum Frisör (ein Jahr später mit viel zu viel Zeug, das in die Augen piekste – wie nervig!) und ins Museum hier in Locarno – eine grosse Schau von Xanti Schawinsky fand ich klasse (klick): Bauhaus, wo er zu Gropius‘ Kreis gehörte und in der Band Saxophon spielte), 1933 nach Italien, 1936 weiter in die USA ans Black Mountain College, nach dem Krieg wieder in Europa und ab 1961 immer wieder im Tessin, 1979 starb er in Locarno. Die Museen hier können, wie ich seit meiner Pandemieferien im Tessin (das sind schon die vierten) viele feine Ausstellung abseits der ausgetretenen Pfade veranstalten, in denen es stets Bezüge zur Gegend gibt – das ist natürlich toll und lädt wirklich zum Entdecken ein (Hedi Mertens ist natürlich auch so ein Fall – und heute ging ich nach Giornico, um La Congiunta zu sehen, die Betonhülle, die Peter Märkli dort für Eisenplastiken von Hans Josephsohn errichtet hat – auch Josephsohns Werk habe ich vor einn oder zwei Jahren dank einer grossen Ausstellung in Lugano richtig kennengelernt).
Am Sonntag ging es dann abends wieder ans Konzert – und davor noch in ein Museum, das nicht nur auf Ostern eine neue Ausstellung mit Frauenportraits des Thailänders Attasit Pokpong eröffnet sondern seit meinem ersten Besuch vor einem Jahr oder so auch gleich noch die Sammlungspräsentation umgestellt hat, das Museo delle Culture in Lugano. Um 19 Uhr ging es dann ins Konzert der Reihe „EarlyNightModern“, das von einem ziemlich illustren Trio bestritten wurde. Johanna Vargas ist Mitglied der Neuen Vocalsolisten Stuttgart, Marcus Weiss seit Jahrzehnten schon wohl DER Saxophonist in der Neuen Musik – nur Fussenegger ist mir nicht so ein Begriff, aber seine Credits können sich ebenfalls mehr als sehen lassen: er gehörte zum Freiburger Barockorchester und dem Concentus Musicus Wien, bevor er sich ab 1987 mit dem Klangforum Wien auf Neue Musik zu spezialisieren begann.
Das Charisma steuerte Vargas bei, mit einer unglaublichen Präsenz und einer beeindruckenden Stimme. Wenn ich die Ansagen richtig verstanden habe, war nicht nur das Werk von Nadir Vassena, der anwesend war, ganz neu sondern auch die Wrke von Lang und Rosenberger zumindest dem Trio noch nicht bekannt. Angekündigt waren im Voraus nämlich zwei Werke von Furrer mit Titeln und dazu „neue für das Trio komponierte Werke“ von den drei anderen. Weil diese drei es in sich hatten, flog das älteste, „lotófagos I“ (2006 oder 2007 für Fussenegger komponiert) von Furrer, mit dem das Konzert hätte anfangen sollen, aus dem Programm. Stattdessen ging es mit Vassena los (ich tippe auf Uraufführung), dann folgte das Stück von Lang, eine Pause gab es trotz der Sternchen im Programmheft an dieser Stelle nicht, stattdessen folgten Furrers „In Mia Vita da Vuolp“ (2019 für Weiss komponiert) und zum Ausklang das Stück von Rosenberger. Weiss spielte in den Stücken von Vassena und Rosenberger Altsax, bei Furrer natürlich Barisax, bei Lang die meiste Zeit Sopran-, zwischendurch aber auch mal kurz Altsax. Was mir bei allen Werken aufgefallen ist: die Angst (darf man das so sagen?) den Kontrabass und das Saxophon konventionell klingen zu lassen. Bei der Stimme gibt es diese Scheu nicht: da gibt es arienhafte Passagen, Vibrato, Virtuos-Melodiöses, das direkt neben dem Gekeuche, Gestotter, Geflüster der erweiterten Techniken steht. Dem Kontrabass war kein wirklich resonanter Ton vergönnt – und wenn das Barisax mitten im fünfteiligen Zyklus von Furrer auf wunderbare Texte der Bündner Dichterin Leta Semadeni plötzlich einen tiefen, lauten Ton ausstösst, reagiert das Publikum nahezu geschockt ob der Wirkung. Auch Vassenas Stück ist fünfteilig – und gefiel mir wie das von Furrer sehr, sehr gut. Es ist ja nicht so, dass etwas Wesentliches Fehlen würde ohne die konventionellen Spieltechniken – es fällt einfach auf, dass die Stimme bei solchen Stücken gerne anders behandelt wird als die Instrumente. Und ich empfinde es schon ein wenig als eine freiwillige Selbstbeschränkung, wenn gerade die Körperlichkeit der letzteren nur teilweise genutzt wird. Das Stück von Lang empfand ich etwas konventioneller – was auch mit der englischen Sprache zu tun haben mag, aber auch mit der lineareren Komponierweise (so kam es mir zumindest vor). Bei Rosenberger kam dann bei Vargas ein Pedal zum Einsatz, mit dem sei wohl eine Art Oktavverdoppelung erzeugen konnte. Sie sprach die halbe Zeit, politische Texte aus dem aktuellen Diskurs über Klima usw., dafür kam auch ein Mikrophon zum Einsatz, wenn der erwähnte Effekt nicht genutzt wurde. Sobald Vargas zur Gesangsstimme überging, hielt sie das Mikrophon weit weg bzw. unten. Für längere Passagen fiel sie dann in eine Sprechgesang, der leider sehr steif wirkte – also extrem deutlich auf die Schläge akzentuiert und ganz ohne die Lässigkeit, die das hätte entwickeln können – ohne deshalb an (Ein-)Dringlichkeit einzubüssen. Ein faszinierendes Konzert – das mich auch sehr anstrengte, weil da so viele ungewohnte Klänge zu hören waren (Neue Musik und Free Jazz – das anstrengste, was man überhaupt hören kann )
Chiesa del Collegio Papio, Ascona – 10.04.2023 – Gioioso concerto di Pasqua
Giuliano Carmignola Violine
Els Biesemans Klavier
MOZART: Sonate für Violine und Klavier Nr. 18 C-Dur KV 301
SCHUBERT: Sonatine für Violine und Klavier D-Dur Op. posth. 137/1
MOZART: Sonate für Violine und Klavier Nr. 28 Es-Dur KV 380
BEETHOVEN: Sonate für Violine und Klavier Nr. 8 C-Dur Op. 30/3
Das Osterprogramm war damit aber noch nicht vorbei. Am Montag gab es in Ascona wieder in einer Kirche ein Konzert von Giuliano Carmignola mit der in Zürich wirkenden belgischen Organistin und Pianistin Els Biesemans, die sich als Spezialistin für historische Instrumente einen Namen gemacht hat. Ich habe es bisher zu keinem einzigen Auftritt in Zürich geschafft, aber neulich die aktuelle CD mit Toccaten von Hans Georg Nägeli sowie Werken von Clementi und Beethoven gekauft (und im Hörfaden hier auch ein paar Zeilen dazu geschrieben, wenn mich nicht alles täuscht?). Carmignola kenne ich etwas besser, aber auch bloss von CDs. Vom Programm waren im Vorfeld auch hier nur die drei Namen der Komponisten bekannt, die weiteren Details wurden auch wieder erst vor Ort mit einem kleinen Programmheft bekanntgemacht. Auf je eine Mozartsonate folgte eine von Schubert bzw. als Höhe- und Schlusspunkt eine von Beethoven. Das war wunderbar musiziert (und von den „Freunden der Alten Musik“ aus Zürich offeriert – es gab nicht mal eine Kollekte wie beim Orgelrezital von Livio Vanoni) und auch sehr lehrreich. Mich beeindruckte besonders die Präsenz, der Ton von Carmignola unmittelbar. Die Projektionskraft, die sein Sipel auch dann hatte, wenn er ganz leise spielte – die wunderbare Klangmischung mit dem alten Erard-Flügel, den Biesemans spielte … und dazu die Möglichkeit, die Entfaltung der Sonate für Klavier und Violine zur Violinsonate zu verfolgen – und wie Beethovens relativ frühe achte Sonate eben doch moderner wirkte als die unfairerweise postum zur „Sonatine“ verkleinerte von Schubert: wie Zwischen Mozart und Beethoven die Emanzipation der Violine stattfindet, wie auch zwischen KV 301 und KV 380 schon einiges an Entwicklung geschehen ist. Wenn bei Mozart das Zwiegespräch eins ist, das oft in der Imitation, der Wiederholung besteht, des Wechsels von fast gleichen oder sehr ähnlichen Phrasen, die vom Klavier vorgegeben werden, so ist bei Beethoven findet bei Beethoven ein echter Dialog statt, in dem sich die beiden Instrumente auf Augenhöhe begegnen. Bei Schubert ist das ähnlich, doch ist der Gestus ein anderer – als seien die Sonaten für kleinere Räume, für einen intimeren Rahmen geschaffen (was sie dennoch nicht zu „Sonatinen“ macht).
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Und das war’s für den Moment. Ein grösseres Konzert in Lugano (und davor die aktuelle Ausstellung „Werner Bischof Unseen Colour“ – beides im LAC) habe ich noch vor mir, mit dem Orchestra Mozart unter Daniele Gatti (Wagner und Brahms) – aber dazu dann im nächsten Post, denn das ist am Donnerstagabend und Freitag fahre ich wieder heim. Und klar: obwohl ich erst Dienstag wieder arbeiten muss (kommender Montag ist in Zürich ein lokaler halber Feiertag, den ich ganztags frei habe), fahre ich schon am Freitag heim, weil ich am Samstag und Sonntag in Zürich wieder Programm habe – die Ferien gehen also mit viel Musik daheim zu Ende, ganz wie sie schon angefangen hatten (vgl. letzter Post).
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