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Ich war gestern Abend auch dort – und war wahrlich alles, aber nicht begeistert.
Womöglich hat der Abend schon in falscher Stimmung begonnen: Zwischen Karlsruhe und Heidelberg/Mannheim sagenhafte 25 km Stau, die selbst nach vier Stunden, auf dem Rückweg also, noch nicht restlos gelichtet waren. Wir haben das Geschehen etwas umfahren, die Ankunft war allerdings dennoch die reinste Punktlandung.
Aber zum Eigentlichen: Mir hats leider gar nicht gefallen. Wer mich etwas kennt, weiß, wie sehr mir Cohens Musik nahe geht; seine Art zu singen, sein unheimlich eigenes Gitarrenspiel, das nie Staub ansetzen wird, seine Tiefsinnigkeit, seine Texte, in denen Dunkelheit, Verlangen, Lust, Hingabe und Verzweiflung mehr stecken, als bei vielleicht jedem anderen Lyriker der Singer/Songwriterszene. Es gibt wirklich Umstände im Leben, die können nur von Cohen intoniert und begleitet werden.
Aber nun gut, die Aufnahme von „Songs of love and hate“ ist Jahrzehnte hinter uns, ich hätte das vielleicht bedenken sollen. Was ich gestern erlebt habe, war nun vielmehr das Abziehbild der ehemaligen Intensität, die nicht nur auf Tonträger, sondern auch live zu hören war, wie man etwa anhand der kostbaren BBC Aufnahmen verfolgen kann. Am Maestro selbst liegt es nicht: Der tänzelt vergnügt, singt immernoch innbrünstig und tief, wie selten zuvor. Und generell: Der Mann ist eine eigentümmliche Präsenz, die jedem im Saal Respekt, Stille und Aufmerksamkeit abverlangt. Es ist vielmehr die Interpretation der Songs. Selbst bei dynamischen und oder hinreißend liebestrunkenen Songs wie „Lover lover lover“ oder „Suzanne“ schaue ich unruhig auf die Uhr, alle fünf Minuten wieder, weil ich keinerlei Dynamik wahrnehme, kaum Spannung – vielmehr hat sich der Zusammenschluss aus dauerhaftem Background-Sing-Sang, Gitarren, Streicher und der obligatorischen, immerzu grauenvollen (!) Hammond-Orgel zu einer gleichmäßig schunkelnden Kaperfahrt all der ü60 Herzen im Saal komprimiert. Ja, ich weiß, der Mann wird langsam alt und ein Konzert, solo mit Gitarre um den Hals erwarte ich nicht – mir blutet das Herz allerdings dabei, wenn ich hören muss, wie „Famous blue raincoat“ etwa nicht die romantische Dreiecksbeziehung kongenial musikalisch umstreicht, sondern zu einem überfrachteten Düdel-Sugo verkommt; wenn immer genau das kommt, was ich ganz gruselig abgedroschen finde, was aber einer „richtig guten“ Show gebührt (plumpe Feedbacks, seltsame Keyboard-Interludes, synchrone Tanzeinlagen, vollkommen einstudierte Gesten allgemein). Und es passte einfach alles: Neben mir greifen sich die ü60 Damen bei „Hallelujah“ pathetisch an die Brust und stieren (un)gläubig Löcher in die Hallendecke. Bei „Suzanne“ und „Waiting for a miracle“ wird geschmust und am Sekt genippt. Und wenn mal ein wirklich nicht überladener, intense as fuck! moment kommt, kann man sich gar sicher sein, dass wieder (ich saß sehr weit oben) fünf Dutzend Spacken die Kameras auspacken – am besten direkt neben mir – und den Raum mit Blitzlicht zuschießen. Ich hätte sie manches Mal am liebsten von der Berüstung gestoßen.
Nein, das ist meine Welt nicht mehr – ich glaube, ich bin da tatsächlich auch nicht mehr das Zielpublikum. Ich merke das bei derartigen Events leider immer öfter. Das war eine Show mit Hörern, die mit Cohen langsam gealtert sind, die jetzt nochmal in sinnlichen Erinnerungen schwelgen wollen – und die die dazu passende, zwar qualititv immer hochwertige, höchst professionelle Musik geboten bekommen (für mich war das lange Gitarrensolo der Moment des Abends), die aber zumeist leider so vollkommen ohne jegliche Intensität, Tiefe und Variantenvielfalt ist.
Ich habe zur Mitte von „Closing time“ den Saal verlassen. Mehr muss ich wohl nicht mehr sagen.
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Hold on Magnolia to that great highway moonWie immer ein sehr guter Konzertbericht, nail. Aber noch näher geht mir Irrlicht’s Text. Verstehe ich sehr gut……..
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Bis eine(r) heult.............. Contre la guerreIch bedanke mich auch für diesen Konzertbericht, Irrlicht.
Es waren eben diese Aspekte, die Du beschrieben hast, die ich -teils unbewusst- befürchtet habe; weshalb ich am Ende dann doch Abstand von dem Konzertbesuch genommen habe. Du gibst mir Bestätigung, dass meine Entscheidung die Richtige war.
Nicht erwähnen muss ich, dass dieses meine Bewunderung und Hochschätzung für den Künstler nicht schmälert.--
IrrlichtIch war gestern Abend auch dort – und war wahrlich alles, aber nicht begeistert.
Schade, dass ich das nicht wusste. Aber hätte angesichts der knappen Anreise wohl sowieso nichts geändert.
Aber nun gut, die Aufnahme von „Songs of love and hate“ ist Jahrzehnte hinter uns, ich hätte das vielleicht bedenken sollen. Was ich gestern erlebt habe, war nun vielmehr das Abziehbild der ehemaligen Intensität, die nicht nur auf Tonträger, sondern auch live zu hören war, wie man etwa anhand der kostbaren BBC Aufnahmen verfolgen kann. Am Maestro selbst liegt es nicht: Der tänzelt vergnügt, singt immernoch innbrünstig und tief, wie selten zuvor. Und generell: Der Mann ist eine eigentümmliche Präsenz, die jedem im Saal Respekt, Stille und Aufmerksamkeit abverlangt. Es ist vielmehr die Interpretation der Songs. Selbst bei dynamischen und oder hinreißend liebestrunkenen Songs wie „Lover lover lover“ oder „Suzanne“ schaue ich unruhig auf die Uhr, alle fünf Minuten wieder, weil ich keinerlei Dynamik wahrnehme, kaum Spannung – vielmehr hat sich der Zusammenschluss aus dauerhaftem Background-Sing-Sang, Gitarren, Streicher und der obligatorischen, immerzu grauenvollen (!) Hammond-Orgel zu einer gleichmäßig schunkelnden Kaperfahrt all der ü60 Herzen im Saal komprimiert.
Ich bin ein berüchtigter „Uhrseher“ und habe höchst selten mal im Verlauf des Konzerts auf die Uhr geblickt. Ich kann deine Aussagen auch nur teilweise nachvollziehen – Cohen hat live eigentlich schon immer eher ruhig geklugen. Wenn Du Dynamik erwartest, dann musst du wohl wirklich in die späten 60er zurück, denn schon auf „Live At The Isle Of Wight“ ist Cohen ultra-gemächlich. Und schau doch mal: auch damals gab es schon Background-Sängerinnen und eine Violine. Vor 43 Jahren!
Ich finde den Background-Singsang übrigens sehr angemessen, denn nur Cohen wäre mir zu spärlich. Bezüglich der Arrangements kann man der Meinung sein, dass sie zu soft und zu glatt sind und zu viel Schönklang beinhalten, ich teile diese Auffassung aber nicht, weil ich finde, dass sie eigentlich immer noch die Balance halten.
Ja, ich weiß, der Mann wird langsam alt
Nein, nein, nein, er ist alt – fast 80!
und ein Konzert, solo mit Gitarre um den Hals erwarte ich nicht – mir blutet das Herz allerdings dabei, wenn ich hören muss, wie „Famous blue raincoat“ etwa nicht die romantische Dreiecksbeziehung kongenial musikalisch umstreicht, sondern zu einem überfrachteten Düdel-Sugo verkommt;
Ein hartes Urteil, das ich nicht teile.
wenn immer genau das kommt, was ich ganz gruselig abgedroschen finde, was aber einer „richtig guten“ Show gebührt (plumpe Feedbacks, seltsame Keyboard-Interludes, synchrone Tanzeinlagen, vollkommen einstudierte Gesten allgemein). Und es passte einfach alles: Neben mir greifen sich die ü60 Damen bei „Hallelujah“ pathetisch an die Brust und stieren (un)gläubig Löcher in die Hallendecke. Bei „Suzanne“ und „Waiting for a miracle“ wird geschmust und am Sekt genippt. Und wenn mal ein wirklich nicht überladener, intense as fuck! moment kommt, kann man sich gar sicher sein, dass wieder (ich saß sehr weit oben) fünf Dutzend Spacken die Kameras auspacken – am besten direkt neben mir – und den Raum mit Blitzlicht zuschießen. Ich hätte sie manches Mal am liebsten von der Berüstung gestoßen.
Das liest sich schmissig, gibt aber nicht das Verhalten des Publikums wieder. Wenn immer ein Konzert von älteren Menschen dominiert wird, dann wird außerordentlich wenig mitgefilmt, im Gegensatz zu Konzerten, die von Besuchern deiner oder meiner Altersgruppe frequentiert werden. Ja, es gibt Ausnahmen, wie das jüdische Ehepaar (aus Israel?), das das Konzert mit Videokamera, hochgehaltenem i-pod und i-phone aufzeichnen wollten (was aber nicht wirklich gelang), aber das war in dem Bereich, in dem wir saßen die absolute Ausnahme.
Angesichts der Tatsache, dass 9000 Besucher anwesend waren, fand ich das Publikum sehr kompetent und aufmerksam. Da habe ich bei solchen Großveranstaltungen schon ganz anderes erlebt. Das waren zu einem großen Teil Besucher, die die Musik von Cohen schätzten und auch gut kannten. Aus meiner Sicht tust du ihnen mit deinen Aussagen sehr Unrecht.
Nein, das ist meine Welt nicht mehr – ich glaube, ich bin da tatsächlich auch nicht mehr das Zielpublikum. Ich merke das bei derartigen Events leider immer öfter. Das war eine Show mit Hörern, die mit Cohen langsam gealtert sind, die jetzt nochmal in sinnlichen Erinnerungen schwelgen wollen – und die die dazu passende, zwar qualititv immer hochwertige, höchst professionelle Musik geboten bekommen (für mich war das lange Gitarrensolo der Moment des Abends), die aber zumeist leider so vollkommen ohne jegliche Intensität, Tiefe und Variantenvielfalt ist.
Der Show jegliche Intensität und Tiefe abzusprechen geht wirklich viel zu weit. Sie besaß das durchaus, wie ich es in meinem Artikel auch darzustellen versucht habe.
Stormy MondayWie immer ein sehr guter Konzertbericht, nail. Aber noch näher geht mir Irrlicht’s Text. Verstehe ich sehr gut……..
Inwiefern?
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75
…
Nein, nein, nein, er ist alt – fast 80!21. September 1934 (Alter 78 Jahre)
Menschen werden etwas älter als Elefanten. Für einen Elefanten wäre Cohen alt, für einen Menschen wirkt er jung. Das Michael Jagger 9 1/2 Jahre jünger sein soll, ist kaum zu glauben. Die wirken fast gleich alt bezüglich der Falten im Gesicht. Im Vergleich zu Udo Jürgens merkt man die 9 Tage, die Udo Jürgens jünger ist, ihm deutlich an. Vor 17 Jahren fühlte ich mich alt, jetzt jung. Aber zu sagen jemand wird langsam alt, Sekunde für Sekunde, bringt eine Höflichkeit an den Tag die brutal freundlich ist. Meine Nachbarin wird dieses Jahr 80 und bewirtschaftet immer noch einen Wald, fährt Traktor und hat eine unglaubliche Energie. Im Krankenhaus arbeitet eine Diakonissin seit 62 Jahren, sie ist fast 10 Jahre älter als Cohen. Selbst mit 80 Jahren hat man noch eine „lange“ Lebenserwartung. Was nützt einen eine Lebenserwartung, wenn man nach einen Herzinfarkt jung stirbt.
Habe Cohen am 1.10.2010 in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle gesehen; das sind dann fast schon drei Jahre her. Ich kann sowohl nail1675 Text als auch Irrlichts Ausführungen nachvollziehen. 2010 war ich begeistert ihn überhaupt mal gesehen zu haben.--
Man braucht nur ein klein bisschen Glück, dann beginnt alles wieder von vorn.nail75
Inwiefern?
Nun, er hat seine Enttäuschung recht gut beschrieben. Vielleicht waren schon die Umstände mit einem 4 Stunden- Stau ein dickes Haar in der Vorfreudensuppe, aber dazu kam dann noch ein Konzert, das Irrlicht im Ganzen nicht goutierte wie die 8999 anderen Konzertbesucher. Ihn nervte die Hammond, die Backgroundsängerinnen, die fehlenden Spannungsbögen. Eine Hammond, die sich nicht zurücknimmt manchmal würde mich auch nerven, Sängerinnen, die alles zududeln ebenso. Anderen Künstlern (Dylan, Cocker….) habe ich das auch schon nicht verziehen. Dabei habe ich ja gar nix gegen guten Backgroundgesang, nur muss er akzentuiert eingesetzt werden. Und so spulte sich in Irrlicht’s Augen vielleicht eine routinierte, streng durchchoreografierte Show ab, die nach Las Vegas gepasst hätte, aber weit von dem entfernt war, was er sich erhofft hatte. Diese Enttäuschung liess ihn auf die Uhr schauen, verdarb ihm die Freude. Und das hat er sehr schön beschrieben.
Ich hoffe, ich liege mit meiner Interpretation seines Berichts nicht zu sehr daneben.--
Bis eine(r) heult.............. Contre la guerreStormy MondayNun, er hat seine Enttäuschung recht gut beschrieben. Vielleicht waren schon die Umstände mit einem 4 Stunden- Stau ein dickes Haar in der Vorfreudensuppe, aber dazu kam dann noch ein Konzert, das Irrlicht im Ganzen nicht goutierte wie die 8999 anderen Konzertbesucher. Ihn nervte die Hammond, die Backgroundsängerinnen, die fehlenden Spannungsbögen. Eine Hammond, die sich nicht zurücknimmt manchmal würde mich auch nerven, Sängerinnen, die alles zududeln ebenso. Anderen Künstlern (Dylan, Cocker….) habe ich das auch schon nicht verziehen. Dabei habe ich ja gar nix gegen guten Backgroundgesang, nur muss er akzentuiert eingesetzt werden. Und so spulte sich in Irrlicht’s Augen vielleicht eine routinierte, streng durchchoreografierte Show ab, die nach Las Vegas gepasst hätte, aber weit von dem entfernt war, was er sich erhofft hatte. Diese Enttäuschung liess ihn auf die Uhr schauen, verdarb ihm die Freude. Und das hat er sehr schön beschrieben.
Ich hoffe, ich liege mit meiner Interpretation seines Berichts nicht zu sehr daneben.Vermutlich nicht, aber ich denke, dass der Bericht, gut geschrieben wie er ist, einen sehr einseitigen Eindruck des Konzerts vermittelt. Die „Hammond-Orgel“ (die natürlich keine war) war in den ersten drei, vier Songs sehr prominent und war auf dem Weg mich zu nerven, als sie plötzlich quasi verschwand und nur noch sporadisch eingesetzt wurde. Im Gegensatz zum flächigen 80er- und 90er-Keyboard-Sound, den Cohen auf seinen damaligen Alben und Konzerten verwendete, wäre sie natürlich immer noch weitaus besser gewesen.
Die Backgroundsängerinnen sind wirklich nicht schlecht, sondern aus meiner Sicht sehr passend. Cohen ist IMMER mit Backgroundsängerinnen aufgetreten – von Anfang an! Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an spätere Sängerinnen wie Jennifer Warnes! Jedenfalls sind das keine Kaputtsängerinnen.
Der Eindruck, es habe sich um eine „eine routinierte, streng durchchoreografierte Show ab, die nach Las Vegas gepasst hätte“ gehandelt, drängt sich bei Irrlichts Kritik tatsächlich auf. Das ist natürlich eine maßlose Übertreibung. Ich finde, dass Cohen selbst diese riesige Halle in einen intimen Ort verwandelt hat. Und selbst wenn man sich an der Gefälligkeit mancher Arrangements stört, war das definitiv nicht Dylan 1978! Dafür war die Show viel zu leise, viel zu unaufdringlich.
Hast Du Cohen eigentlich mal live gesehen?
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Nail, er vermittelt doch den Eindruck wie er schreibt seiner Welt und dies dann mit einem Konzertbericht von dir für regioactive.de in Einklang zu bringen, führt zu nichts. Wenn man es nebeneinander stehen lässt, funktioniert es gut. Du verteilst allgemeingültige Bewertungen, wie in der Schule für Klassenarbeiten. Deine Noten sollen stimmen. Wenn einem aber Dinge nicht gefallen, dann bedeutet das positive Einseitigkeit, nicht mainstream.
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Man braucht nur ein klein bisschen Glück, dann beginnt alles wieder von vorn.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Konzerteindrücke sind nun einmal überwiegend subjektiv – selbst der Sound kann in größeren Hallen oder Stadien je nach Platz enorm unterschiedlich sein.
Ich finde es sehr schade für Irrlicht, daß er so enttäuscht ist. Ich habe Cohen 2008 in der Festhalle in Frankfurt erlebt und hatte ein komplett anderes Konzerterlebnis. Er hat mich damals begeistert wie kaum ein anderer Künstler vorher oder nachher, obwohl ich zum damaligen Zeitpunkt nur ein „Greatest Hits“-Album besaß. Auch das Publikum habe ich völlig anders wahrgenommen – hat es sich tatsächlich so verändert?
Wie gesagt, schade für den schlechten Eindruck. Andererseits bin ich über diesen Totalverriss schon überrascht. Alleine die Tatsache, daß Cohen über drei Stunden in seinem Alter konzertiert, spricht m.E. dafür, dass er sein Publikum und seine Kunst sehr respektiert. Das ist alles andere als ein Ausverkauf, um mit seinem Namen noch ein paar Dollars zu machen.
Ergänzend sollte man sagen, daß in den letzten Jahren gleich zwei CDs / DVDs der aktuellen Tour erschienen sind, nämlich „Live in London“ und „Songs From The Road“. Vielleicht hätte es ja geholfen, vorher dort reinzuhören, um zu wissen, was einen bei Cohen aktuell erwartet.
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nail75[…]Wenn Du Dynamik erwartest, dann musst du wohl wirklich in die späten 60er zurück, denn schon auf „Live At The Isle Of Wight“ ist Cohen ultra-gemächlich. Und schau doch mal: auch damals gab es schon Background-Sängerinnen und eine Violine. Vor 43 Jahren![…]
Es geht nicht darum, ob die Musik „ultra-gemächlich“ ist, genauso wenig darum, ob Cohen sich nun viel bewegt, düstere Songs spielt oder den Balladesken gibt. Es geht darum, wie man die Mittel, die einem zur Verfügung stehen nutzt. Cohen hatte erstklassige Musiker an der Hand – ich finde ihr Zusammenwirken aber viel zu verschwenderisch. Die Musik dieses Mannes hat mich von jeher dann begeistert, wenn sie fein, akzenturiert und ohne unnötig kleisternde Patina war. Auch karg und spröde, ja, aber zunächst intensiv durch den Einsatz der Dinge zum ganz rechten Moment. Hier wirkte alles wie Zusammengeworfen, beständig mussten alle Geschütze in Bereitschaft stehen; ich hätte mir so gewünscht, dass Cohen irgendwann die Gitarre schnappt, meinetwegen „One of us cannot be wrong“ anstimmt, nur begleitet durch Alexandru Bublitchi. Oder ein sanftes „Last year’s man“, das so tödlich bitter, wie es klingt, von den Webb Sisters zu Ende beschlossen wird.
nail75Das liest sich schmissig, gibt aber nicht das Verhalten des Publikums wieder.[…]Aus meiner Sicht tust du ihnen mit deinen Aussagen sehr Unrecht.
Es geht nicht um Vergleichsstatistiken, Daniel – mir ist die Alterklassenkonsequenz absolut gleichgültig, ebenso ob bei Rock am Ring Zehntause mehr am Knipsen sind und wären: Es störte mich hier dennoch ganz gewaltig. Ich saß in der vorletzten Reihe oben und hatte damit den kompletten Saal im Blick. Ständig, praktisch im Zehnsekundentakt leuchtete irgendwo etwas auf, was der ohnehin schon gemächlich gediegenen Stimmung der Musik dann mehr und mehr den Boden abgegraben hat. Oder kurz: Das was ich gehört habe, hat mich ziemlich gelangweilt – und bei dem, dem ich dann mal gerne gelauscht hätte, war der Zugang durch permanente Ablenkung verwehrt.
nail75Der Show jegliche Intensität und Tiefe abzusprechen geht wirklich viel zu weit. Sie besaß das durchaus, wie ich es in meinem Artikel auch darzustellen versucht habe.
Nun gut, vielleicht nicht jegliche. Aber wir sprechen hier von Cohen, nicht von einem drittklassigen Künstler, der auf der Bühne mal einen glanzvollen Moment erlebt, sondern von einer Ikone, die wie kaum eine zweite schon mit ein paar langsam gesprochenen Sätzen etwas ganz Außerordentliches erschaffen kann.
nail75Vermutlich nicht, aber ich denke, dass der Bericht, gut geschrieben wie er ist, einen sehr einseitigen Eindruck des Konzerts vermittelt. Die „Hammond-Orgel“ (die natürlich keine war) war in den ersten drei, vier Songs sehr prominent und war auf dem Weg mich zu nerven, als sie plötzlich quasi verschwand und nur noch sporadisch eingesetzt wurde.
Meinetwegen, dann war es eben keine Hammond-Orgel, dafür mehrere Keyboards die entsetzlich genau dieses Klangerlebnis nachstellen konnten (das ist der Friedhof der Töne!).
nail75Der Eindruck, es habe sich um eine „eine routinierte, streng durchchoreografierte Show ab, die nach Las Vegas gepasst hätte“ gehandelt, drängt sich bei Irrlichts Kritik tatsächlich auf. Das ist natürlich eine maßlose Übertreibung. Ich finde, dass Cohen selbst diese riesige Halle in einen intimen Ort verwandelt hat.[…]
Das habe ich so auch nicht geschrieben. Cohen war ein charmanter, herzlicher Gastgeber, der sich und das Publikum über Stunden bei Laune gehalten hat. Das konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass da kaum mehr das ist, was ich an der Umsetzung dieser Tracks einstmals zu lieben begonnen habe. Es war einfach alles ein wenig zu glatt, zu kunsthandwerklich, zu routiniert, ja, zu seicht und langweilig. Mit „Ausverkauf“, wie Doc F es nennt, hat das für mich allerdings NICHTS zu tun, sondern einfach damit, dass der Mann und wohl auch seine Haltung zu seinen eigenen Songs, letzthin etwas zahm geworden ist. Ich finde das nicht schlimm – es berührt mich nur nicht mehr.
Ein ähnliches Phänomen wohl, wie wenn man einst „Parallel lines“ geliebt hat und dann irgendwann mit „Panic of girls“ in Verbindung kommt.
Stormy MondayIch hoffe, ich liege mit meiner Interpretation seines Berichts nicht zu sehr daneben.
Sehr richtig, Danke. Auch an Times, Doc F und E-L fürs Lesen und Kommentieren.
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Hold on Magnolia to that great highway moonIrrlichtEs geht nicht darum, ob die Musik „ultra-gemächlich“ ist, genauso wenig darum, ob Cohen sich nun viel bewegt, düstere Songs spielt oder den Balladesken gibt. Es geht darum, wie man die Mittel, die einem zur Verfügung stehen nutzt. Cohen hatte erstklassige Musiker an der Hand – ich finde ihr Zusammenwirken aber viel zu verschwenderisch. Die Musik dieses Mannes hat mich von jeher dann begeistert, wenn sie fein, akzenturiert und ohne unnötig kleisternde Patina war. Auch karg und spröde, ja, aber zunächst intensiv durch den Einsatz der Dinge zum ganz rechten Moment. Hier wirkte alles wie Zusammengeworfen, beständig mussten alle Geschütze in Bereitschaft stehen; ich hätte mir so gewünscht, dass Cohen irgendwann die Gitarre schnappt, meinetwegen „One of us cannot be wrong“ anstimmt, nur begleitet durch Alexandru Bublitchi. Oder ein sanftes „Last year’s man“, das so tödlich bitter, wie es klingt, von den Webb Sisters zu Ende beschlossen wird.
Zwei Lieder, die er in den letzten Jahrzehnten allerdings selten nie (?) gespielt hat, wie überhaupt die 1980er und 1990er musikalisch im Zentrum stehen.
Wie gesagt, ich kann schon nachvollziehen, was dich musikalisch gestört hat, aber ich finde, dass es diese ruhigen Momente durchaus gab und auch gar nicht so selten. Gerade die alten Songs wurden sehr reduziert gespielt. Und trotz der Größe der Halle war der Klang durchaus differenziert.Es geht nicht um Vergleichsstatistiken, Daniel – mir ist die Alterklassenkonsequenz absolut gleichgültig, ebenso ob bei Rock am Ring Zehntause mehr am Knipsen sind und wären: Es störte mich hier dennoch ganz gewaltig. Ich saß in der vorletzten Reihe oben und hatte damit den kompletten Saal im Blick. Ständig, praktisch im Zehnsekundentakt leuchtete irgendwo etwas auf, was der ohnehin schon gemächlich gediegenen Stimmung der Musik dann mehr und mehr den Boden abgegraben hat. Oder kurz: Das was ich gehört habe, hat mich ziemlich gelangweilt – und bei dem, dem ich dann mal gerne gelauscht hätte, war der Zugang durch permanente Ablenkung verwehrt.
Ganz oben habe ich auch schon gesessen, da stört das natürlich mehr. Aber es war kein Konzert, bei dem sonderlich viele Leute fotografiert hätten. Wenn man dort sitzt, ist es natürlich störender als wenn man unten im Innenraum sitzt.
Nun gut, vielleicht nicht jegliche. Aber wir sprechen hier von Cohen, nicht von einem drittklassigen Künstler, der auf der Bühne mal einen glanzvollen Moment erlebt, sondern von einer Ikone, die wie kaum eine zweite schon mit ein paar langsam gesprochenen Sätzen etwas ganz Außerordentliches erschaffen kann.
Ich finde seine Auftritte durchaus außergewöhnlich.
Meinetwegen, dann war es eben keine Hammond-Orgel, dafür mehrere Keyboards die entsetzlich genau dieses Klangerlebnis nachstellen konnten (das ist der Friedhof der Töne!).
Das sag mal nicht redbeansandrice.
Das habe ich so auch nicht geschrieben. Cohen war ein charmanter, herzlicher Gastgeber, der sich und das Publikum über Stunden bei Laune gehalten hat. Das konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass da kaum mehr das ist, was ich an der Umsetzung dieser Tracks einstmals zu lieben begonnen habe. Es war einfach alles ein wenig zu glatt, zu kunsthandwerklich, zu routiniert, ja, zu seicht und langweilig. Mit „Ausverkauf“, wie Doc F es nennt, hat das für mich allerdings NICHTS zu tun, sondern einfach damit, dass der Mann und wohl auch seine Haltung zu seinen eigenen Songs, letzthin etwas zahm geworden ist. Ich finde das nicht schlimm – es berührt mich nur nicht mehr.
Hör dir doch mal „Field Commander Cohen – Tour of 1979“ an, das Gesamterlebnis ist unheimlich ähnlich, es hat sich gar nicht so viel verändert in all diesen Jahren. Backgroundsängerinnen damals: Sharon Robinson und Jennifer Warnes. Bassist: Roscoe Beck. Es gibt eine sehr prominent eingesetzt Violine – und eine Mandoline.
Was mich an deiner Kritik eben überrascht, ist dass du kritisiert, dass Cohen zu zahm geworden sei, obwohl er live eigentlich schon immer zahm war. Er war stets ein Mann der sanften, leisen Töne. Ich kenne Konzertaufnahmen aus jedem Jahrzehnt seiner Karriere und er war eigentlich nie so, wie du ihn dir zu wünschen scheinst. Natürlich ist seine Stimme gealtert, aber wenn man bedenkt, dass er seine leisen Songs vor 9000 Zuschauern spielt und sie dennoch erreicht, spricht doch für ihn. Ich hätte mir gewünscht, dass du das etwas mehr anerkennst. Aber so ist es eben: Konzerterlebnisse sind sehr unterschiedlich.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.@irrlicht: Mich würde deine Haltung zu den aktuellen Live-Fassungen von Stücken ab, sagen wir, Various Positions interessieren.
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nail75Zwei Lieder, die er in den letzten Jahrzehnten allerdings selten nie (?) gespielt hat, wie überhaupt die 1980er und 1990er musikalisch im Zentrum stehen.
Was ich verwunderlich und auch etwas schade finde, da speziell die ersten vier bis fünf Alben unzählige hervorragende Tracks bereithalten, ganz abseits von den obligatorischen „Bird on a wire“, „Suzanne“ oder „So long, Marianne“.
nail75 Gerade die alten Songs wurden sehr reduziert gespielt. Und trotz der Größe der Halle war der Klang durchaus differenziert.
Der Klang war selbst oben noch sehr gut, das stimmt allerdings (was man bei weitem nicht für jede Halle dieser Größenordnung behaupten kann). Das andere sehe ich anders – wie weit fasst Du bitte „sehr reduziert“?
nail75Aber es war kein Konzert, bei dem sonderlich viele Leute fotografiert hätten. Wenn man dort sitzt, ist es natürlich störender als wenn man unten im Innenraum sitzt.
Doch, finde ich schon. Aber mal kurz zur Klarstellung: Wo hast Du denn gesessen?
nail75Hör dir doch mal „Field Commander Cohen – Tour of 1979“ an, das Gesamterlebnis ist unheimlich ähnlich, es hat sich gar nicht so viel verändert in all diesen Jahren.[…]
Ich werde das beizeiten nachholen, auch wenn der Querverweis alles andere als neugierig macht.
nail75Was mich an deiner Kritik eben überrascht, ist dass du kritisiert, dass Cohen zu zahm geworden sei, obwohl er live eigentlich schon immer zahm war.[…]
Da kommen wir nicht zusammen, allein, weil wir von zwei grundsätzlich unterschiedlichen Dingen reden. Zahm war Cohen nicht „schon immer“, sanft – wenn auch das nur bedingt – in der Melodieführung sicherlich; aber da war auch immer etwas Verstörendes, etwas Düsteres, etwas Karges und Unnahbares, eine Dissonanz, die nur durch Worte geschaffen wird. Das ist alles andere als zahm, sondern das Brodeln unter dem schönen Ton.
nail75Ich hätte mir gewünscht, dass du das etwas mehr anerkennst.
Es ist ja nun nicht so, dass ich Cohen vollmundig gefedert hätte. Es war schlicht eine Ehre, den Mann mal in natura zu sehen. Und das er sich das heutzutage noch zumutet, nötigt mir jeden Respekt ab, der durch den großen Pulk zum letzten Drittel direkt vor der Bühne ja auch entsprechend gewürdigt wurde.
Rake@Irrlicht: Mich würde deine Haltung zu den aktuellen Live-Fassungen von Stücken ab, sagen wir, Various Positions interessieren.
Ich kenne mich mit Liveaufnahmen generell meist nur wenig aus – habe hier aber immerhin noch eine relativ aktuelle Aufnahme von 2009 („Live from the Beacon Theatre New York“), die mich zwar nicht allzu sehr begeistert, aber auch nicht unbedingt enttäuscht. Ist ok.
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Hold on Magnolia to that great highway moonWir waren bei seinem Konzert in Oberhausen. Insgesamt ein gelungener Abend, auch wenn das Konzert doch ab und zu Längen hatte. Die Bestuhlung war natürlich auch nicht grade stimmungsfördernd. Bei den Zugaben konnte man ja nach vorne gehen, und da wurde die Atmosphäre auch deutlich besser.
Ich fand auch, dass der Backgroundgesang etwas zu raumgreifend war. Leonard hat sich eben mit dieser Band einen Background geschaffen, der ihm gewisse Freiheiten ermöglicht. Das Leise und Karge wird aber dadurch in den Hintergrund gedrängt.--
life is a dream[/SIZE] -
Schlagwörter: Leonard Cohen
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