Re: Leonard Cohen live

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nail75

Registriert seit: 16.10.2006

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IrrlichtIch war gestern Abend auch dort – und war wahrlich alles, aber nicht begeistert.

Schade, dass ich das nicht wusste. Aber hätte angesichts der knappen Anreise wohl sowieso nichts geändert.

Aber nun gut, die Aufnahme von „Songs of love and hate“ ist Jahrzehnte hinter uns, ich hätte das vielleicht bedenken sollen. Was ich gestern erlebt habe, war nun vielmehr das Abziehbild der ehemaligen Intensität, die nicht nur auf Tonträger, sondern auch live zu hören war, wie man etwa anhand der kostbaren BBC Aufnahmen verfolgen kann. Am Maestro selbst liegt es nicht: Der tänzelt vergnügt, singt immernoch innbrünstig und tief, wie selten zuvor. Und generell: Der Mann ist eine eigentümmliche Präsenz, die jedem im Saal Respekt, Stille und Aufmerksamkeit abverlangt. Es ist vielmehr die Interpretation der Songs. Selbst bei dynamischen und oder hinreißend liebestrunkenen Songs wie „Lover lover lover“ oder „Suzanne“ schaue ich unruhig auf die Uhr, alle fünf Minuten wieder, weil ich keinerlei Dynamik wahrnehme, kaum Spannung – vielmehr hat sich der Zusammenschluss aus dauerhaftem Background-Sing-Sang, Gitarren, Streicher und der obligatorischen, immerzu grauenvollen (!) Hammond-Orgel zu einer gleichmäßig schunkelnden Kaperfahrt all der ü60 Herzen im Saal komprimiert.

Ich bin ein berüchtigter „Uhrseher“ und habe höchst selten mal im Verlauf des Konzerts auf die Uhr geblickt. Ich kann deine Aussagen auch nur teilweise nachvollziehen – Cohen hat live eigentlich schon immer eher ruhig geklugen. Wenn Du Dynamik erwartest, dann musst du wohl wirklich in die späten 60er zurück, denn schon auf „Live At The Isle Of Wight“ ist Cohen ultra-gemächlich. Und schau doch mal: auch damals gab es schon Background-Sängerinnen und eine Violine. Vor 43 Jahren!

Ich finde den Background-Singsang übrigens sehr angemessen, denn nur Cohen wäre mir zu spärlich. Bezüglich der Arrangements kann man der Meinung sein, dass sie zu soft und zu glatt sind und zu viel Schönklang beinhalten, ich teile diese Auffassung aber nicht, weil ich finde, dass sie eigentlich immer noch die Balance halten.

Ja, ich weiß, der Mann wird langsam alt

Nein, nein, nein, er ist alt – fast 80!

und ein Konzert, solo mit Gitarre um den Hals erwarte ich nicht – mir blutet das Herz allerdings dabei, wenn ich hören muss, wie „Famous blue raincoat“ etwa nicht die romantische Dreiecksbeziehung kongenial musikalisch umstreicht, sondern zu einem überfrachteten Düdel-Sugo verkommt;

Ein hartes Urteil, das ich nicht teile.

wenn immer genau das kommt, was ich ganz gruselig abgedroschen finde, was aber einer „richtig guten“ Show gebührt (plumpe Feedbacks, seltsame Keyboard-Interludes, synchrone Tanzeinlagen, vollkommen einstudierte Gesten allgemein). Und es passte einfach alles: Neben mir greifen sich die ü60 Damen bei „Hallelujah“ pathetisch an die Brust und stieren (un)gläubig Löcher in die Hallendecke. Bei „Suzanne“ und „Waiting for a miracle“ wird geschmust und am Sekt genippt. Und wenn mal ein wirklich nicht überladener, intense as fuck! moment kommt, kann man sich gar sicher sein, dass wieder (ich saß sehr weit oben) fünf Dutzend Spacken die Kameras auspacken – am besten direkt neben mir – und den Raum mit Blitzlicht zuschießen. Ich hätte sie manches Mal am liebsten von der Berüstung gestoßen.

Das liest sich schmissig, gibt aber nicht das Verhalten des Publikums wieder. Wenn immer ein Konzert von älteren Menschen dominiert wird, dann wird außerordentlich wenig mitgefilmt, im Gegensatz zu Konzerten, die von Besuchern deiner oder meiner Altersgruppe frequentiert werden. Ja, es gibt Ausnahmen, wie das jüdische Ehepaar (aus Israel?), das das Konzert mit Videokamera, hochgehaltenem i-pod und i-phone aufzeichnen wollten (was aber nicht wirklich gelang), aber das war in dem Bereich, in dem wir saßen die absolute Ausnahme.

Angesichts der Tatsache, dass 9000 Besucher anwesend waren, fand ich das Publikum sehr kompetent und aufmerksam. Da habe ich bei solchen Großveranstaltungen schon ganz anderes erlebt. Das waren zu einem großen Teil Besucher, die die Musik von Cohen schätzten und auch gut kannten. Aus meiner Sicht tust du ihnen mit deinen Aussagen sehr Unrecht.

Nein, das ist meine Welt nicht mehr – ich glaube, ich bin da tatsächlich auch nicht mehr das Zielpublikum. Ich merke das bei derartigen Events leider immer öfter. Das war eine Show mit Hörern, die mit Cohen langsam gealtert sind, die jetzt nochmal in sinnlichen Erinnerungen schwelgen wollen – und die die dazu passende, zwar qualititv immer hochwertige, höchst professionelle Musik geboten bekommen (für mich war das lange Gitarrensolo der Moment des Abends), die aber zumeist leider so vollkommen ohne jegliche Intensität, Tiefe und Variantenvielfalt ist.

Der Show jegliche Intensität und Tiefe abzusprechen geht wirklich viel zu weit. Sie besaß das durchaus, wie ich es in meinem Artikel auch darzustellen versucht habe.

Stormy MondayWie immer ein sehr guter Konzertbericht, nail. Aber noch näher geht mir Irrlicht’s Text. Verstehe ich sehr gut……..

Inwiefern?

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.