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IrrlichtEs geht nicht darum, ob die Musik „ultra-gemächlich“ ist, genauso wenig darum, ob Cohen sich nun viel bewegt, düstere Songs spielt oder den Balladesken gibt. Es geht darum, wie man die Mittel, die einem zur Verfügung stehen nutzt. Cohen hatte erstklassige Musiker an der Hand – ich finde ihr Zusammenwirken aber viel zu verschwenderisch. Die Musik dieses Mannes hat mich von jeher dann begeistert, wenn sie fein, akzenturiert und ohne unnötig kleisternde Patina war. Auch karg und spröde, ja, aber zunächst intensiv durch den Einsatz der Dinge zum ganz rechten Moment. Hier wirkte alles wie Zusammengeworfen, beständig mussten alle Geschütze in Bereitschaft stehen; ich hätte mir so gewünscht, dass Cohen irgendwann die Gitarre schnappt, meinetwegen „One of us cannot be wrong“ anstimmt, nur begleitet durch Alexandru Bublitchi. Oder ein sanftes „Last year’s man“, das so tödlich bitter, wie es klingt, von den Webb Sisters zu Ende beschlossen wird.
Zwei Lieder, die er in den letzten Jahrzehnten allerdings selten nie (?) gespielt hat, wie überhaupt die 1980er und 1990er musikalisch im Zentrum stehen.
Wie gesagt, ich kann schon nachvollziehen, was dich musikalisch gestört hat, aber ich finde, dass es diese ruhigen Momente durchaus gab und auch gar nicht so selten. Gerade die alten Songs wurden sehr reduziert gespielt. Und trotz der Größe der Halle war der Klang durchaus differenziert.
Es geht nicht um Vergleichsstatistiken, Daniel – mir ist die Alterklassenkonsequenz absolut gleichgültig, ebenso ob bei Rock am Ring Zehntause mehr am Knipsen sind und wären: Es störte mich hier dennoch ganz gewaltig. Ich saß in der vorletzten Reihe oben und hatte damit den kompletten Saal im Blick. Ständig, praktisch im Zehnsekundentakt leuchtete irgendwo etwas auf, was der ohnehin schon gemächlich gediegenen Stimmung der Musik dann mehr und mehr den Boden abgegraben hat. Oder kurz: Das was ich gehört habe, hat mich ziemlich gelangweilt – und bei dem, dem ich dann mal gerne gelauscht hätte, war der Zugang durch permanente Ablenkung verwehrt.
Ganz oben habe ich auch schon gesessen, da stört das natürlich mehr. Aber es war kein Konzert, bei dem sonderlich viele Leute fotografiert hätten. Wenn man dort sitzt, ist es natürlich störender als wenn man unten im Innenraum sitzt.
Nun gut, vielleicht nicht jegliche. Aber wir sprechen hier von Cohen, nicht von einem drittklassigen Künstler, der auf der Bühne mal einen glanzvollen Moment erlebt, sondern von einer Ikone, die wie kaum eine zweite schon mit ein paar langsam gesprochenen Sätzen etwas ganz Außerordentliches erschaffen kann.
Ich finde seine Auftritte durchaus außergewöhnlich.
Meinetwegen, dann war es eben keine Hammond-Orgel, dafür mehrere Keyboards die entsetzlich genau dieses Klangerlebnis nachstellen konnten (das ist der Friedhof der Töne!).
Das sag mal nicht redbeansandrice.
Das habe ich so auch nicht geschrieben. Cohen war ein charmanter, herzlicher Gastgeber, der sich und das Publikum über Stunden bei Laune gehalten hat. Das konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass da kaum mehr das ist, was ich an der Umsetzung dieser Tracks einstmals zu lieben begonnen habe. Es war einfach alles ein wenig zu glatt, zu kunsthandwerklich, zu routiniert, ja, zu seicht und langweilig. Mit „Ausverkauf“, wie Doc F es nennt, hat das für mich allerdings NICHTS zu tun, sondern einfach damit, dass der Mann und wohl auch seine Haltung zu seinen eigenen Songs, letzthin etwas zahm geworden ist. Ich finde das nicht schlimm – es berührt mich nur nicht mehr.
Hör dir doch mal „Field Commander Cohen – Tour of 1979“ an, das Gesamterlebnis ist unheimlich ähnlich, es hat sich gar nicht so viel verändert in all diesen Jahren. Backgroundsängerinnen damals: Sharon Robinson und Jennifer Warnes. Bassist: Roscoe Beck. Es gibt eine sehr prominent eingesetzt Violine – und eine Mandoline.
Was mich an deiner Kritik eben überrascht, ist dass du kritisiert, dass Cohen zu zahm geworden sei, obwohl er live eigentlich schon immer zahm war. Er war stets ein Mann der sanften, leisen Töne. Ich kenne Konzertaufnahmen aus jedem Jahrzehnt seiner Karriere und er war eigentlich nie so, wie du ihn dir zu wünschen scheinst. Natürlich ist seine Stimme gealtert, aber wenn man bedenkt, dass er seine leisen Songs vor 9000 Zuschauern spielt und sie dennoch erreicht, spricht doch für ihn. Ich hätte mir gewünscht, dass du das etwas mehr anerkennst. Aber so ist es eben: Konzerterlebnisse sind sehr unterschiedlich.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.