Enja Records

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  • #12317127  | PERMALINK

    vorgarten

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    abraham burton, the magician (1995)

    das ist einfach eine fantastische band. ich ärgere mich, dass ich die damals noch nicht entdeckt habe, aber 1995 war mir selbst jackie mclean noch kein großer begriff, das kam erst durch eine billige italienische compilation (das müsste aber so um den dreh gewesen sein) und dann vor allem durch die rvg series, dessen kopierschutz damals meinen armen cd-player völlig überfordert hat. ich würde andererseits burton jetzt auch nicht als reinen mclean-epigonen abstempeln, solch ein perfekt strukturiertes solo wie auf „little melonae“, wie man es hier hört, hätte den gar nicht interessiert. und dann gibt es noch saties „gnossienne nr.1“, die hier als rubato-ekstase nichts mit mclean, dafür aber viel mit dem letzten satz von A LOVE SUPREME gemein hat… redbeans hat erwähnt, dass mcpherson und burton ja beiden noch mit alten beboppern gespielt haben (taylor, mclean), dem würde ich gerne noch hinzufügen, dass marc cary am anfang seiner karriere der pianist von betty carter war. aber was hier passiert, ist wirklich frisch und ein wirklich gutes beispiel, wie man traditionen zwingend aktualisiert, dabei aber die türen zulässt zu dem, was menschen sonst um einen herum hören.

    recherchefrage: „live at visiones festival“ – was ist damit gemeint? sicher nicht vision? finde dazu nichts.

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    #12317135  | PERMALINK

    vorgarten

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    lux quartet, tomorrowland (2024)

    heute erschienen, enja brandaktuell. ähnliches instrumentarium wie auf THE MAGICIAN, nur dass dayna stephens nicht nur altsax, sondern auch tenor und sopran spielt. auch das eine super band, wie ich live überprüfen konnte. von allen gibt es kompositionen, die eine schöne balance halten zwischen komplizierten head arrangements und catchy swingern (die aber immer einen twist haben), melfords material wahrscheinlich das komplexeste, oft mit anspielungen auf bildende kunst (cy twombly erwähnte sie beim konzert), während co-leaderin allison miller (sessionmusikerin, kennt man vielleicht aus bands von dr. lonnie smith oder marty ehrlich) eher die ‚jazzigeren‘ aspekte dieser musik verkörpert. immer wieder toll, wenn das freigeistige durcheinander zwischendurch zusammenfließt, aber das ist ohnehin der fokus: eine schwitzende band, die an mehr spaß hat als an der umsetzung von material. ziemlich weit vorne für 2024, finde ich: konzept und playing ausbalanciert, weibliches leadership, perfekter akustischer quartettsound, in härte, reibungsfähigkeit und melancholischer schönheit sehr newyorkerisch.

    aufgenommen im februar 2023 in new york (sear sound, chris allen), produziert von melford und miller, von werner aldinger auf enja yellowbird veröffentlicht.

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    #12317155  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten
    recherchefrage: „live at visiones festival“ – was ist damit gemeint? sicher nicht vision? finde dazu nichts.

    Dazu steht in meinem Post zu „Closest to the Sun“ ein wenig was – ein Club, für den Tsilis als Talent-Scout (oder Programmmacher, da ist die Formulierung schwammig) tätig war, von einem Freund von ihm geleitet oder so. Die haben quasi Burtons Band entdeckt und bei Enja untergebracht, nachdem diese ihre ersten zwei Gigs (wie ich’s verstehe bloss ein Gig, aber zwei Abende lang) dort gespielt hatte. Was das Festival genau ist, dazu weiss ich nichts (ev. steht im Booklet von „The Magician“ was, falls werde ich’s vermelden). Lag nahe, nach dem Studio-Album, das ja auch sehr „live“ wirkt, dort den Nachfolger aufzunehmen. Den mit einer Ballade zu öffnen finde ich einen sehr starken Move.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12317239  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Merci für die Posts zu Burton und Melford @vorgarten – auf letzteres bin ich sehr gespannt, sieht aber gerade nicht unbedingt danach aus, als käme es noch vor den Ferien an.

    Was die Label angeht, ich versuche seit einer Weile zu verstehen, wie das inzwischen läuft (wo nur noch Aldinger übrig ist, bei Tutu ist auch seit zehn Jahren Schluss, glaub ich): die CDs kriegen wohl (mit wenigen Ausnahmen, Ceramic Dog etwa) normale Enja-Nummern (9845 im Fall von Melford/Miller), während die Vinyl-Ausgaben in den yellowbird-Katalog (77nn bzw. inzwischen 78nn-Nummern) einsortiert werden. Die genuinen (CD und LP) yellowbird-Alben scheinen meistens eher an den Rändern des Jazz angesiedelt zu sein (aber auch da finde ich von 2021 eine Ausnahme, „Hotel Florida“ von der schweizer Gruppe Sparks And Tides – die kenne ich zwar nicht, aber das sieht einfach nach aktuellem Jazz aus). Ein wenig erinnert das an die Anfänge des (Sub-)Labels: Kip Hanrahan (Reissues), Doug Wimbish, Jun Miyake (kenne ich nicht, ist auch in den Zwanzigern noch dabei), Ceramic Dog, Isabelle Olivier, Roy Nathanson, Ulrich Drechsler Cello Quartett … und dazwischen halt auch mal ein Jazzalbum von Glenn Ferris (der aber auch drüben bei Enja eine Art Kammerjazz machte).

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    #12317255  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windDazu steht in meinem Post zu „Closest to the Sun“ ein wenig was – ein Club, für den Tsilis als Talent-Scout (oder Programmmacher, da ist die Formulierung schwammig) tätig war, von einem Freund von ihm geleitet oder so. Die haben quasi Burtons Band entdeckt und bei Enja untergebracht, nachdem diese ihre ersten zwei Gigs (wie ich’s verstehe bloss ein Gig, aber zwei Abende lang) dort gespielt hatte. Was das Festival genau ist, dazu weiss ich nichts (ev. steht im Booklet von „The Magician“ was, falls werde ich’s vermelden). Lag nahe, nach dem Studio-Album, das ja auch sehr „live“ wirkt, dort den Nachfolger aufzunehmen. Den mit einer Ballade zu öffnen finde ich einen sehr starken Move.

    danke, hatte ich überlesen. im booklet zu THE MAGICIAN steht nichts, aber es gibt times-artikel, die von einem kleinen jazzfestival in greenwich village berichten, das dort staffindet. ich wusste halt noch nicht mal, in welcher stadt das aufgenommen wurde…
    ja, ausgerechnet mit „i can’t get started“ in eine mit-90er-cd einzusteigen, ist interessant – und sie spielen das ja absolut glaubwürdig. und die originalkompositionen sind auch ambitioniert. schöne entdeckung für mich.

    wie sich enja, tutu und yellowbird ausdifferenzieren, kapiere ich auch nicht, ist vielleicht auch nicht so wichtig. gestern kam noch das zweite frank-lacy-album auf nicht-enja-tutu an, mit der gleichen band wie aus dem moods, BRASS TRANE (2011). mir war klar, dass das nicht für die umfrage zählt, aber ich hatte es noch nie gesehen.

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    #12317521  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Bob Degen / Harvie Swartz – Chartreuse | Ein Pfad ins Nirgendwo in einer wolkenverhangenen Landschaft – vielleicht ist das Cover hier passender, als es sein sollte? Denn ein wenig kommt es mir vor, als ginge dieses Duo wirklich nirgendwohin, drehe sich um sich selbst. Es ist hier eher Swartz, er mal handgreiflich wird (sein Solo in Charlie Parkers „Confirmation“), sonst bleibt das alles im Ungefähren, wird für mich auch nach einem halben Dutzend Anläufen bisher nicht recht greifbar – impressionistischer Duo-Jazz mit angezogener Handbremse. Auch, wenn das Tempo mal hoch geht, wird es kaum zwingender. In der „Ode to Cologne“ lässt der Komponist seinen Bass auf einem Ton schnarren – und nach weniger als drei Minuten wird ausgeblendet – sonst könnte noch was passieren. Es gibt neben dem erwähnten Parker-Tune vier Originals von Degen, darunter auch wieder den „Sequoia Song“, zwei von Harvie Swartz, und auf der CD als Bonustrack noch ein fünftes von Degen, „Ceremonious Revival“ – auch damit ist das Album nur etwas über 40 Minuten lang. Besonders schön finde ich am Ende das Titelstück. Swartz packt hier zum wiederholten mal seinen Ein-Ton-Drone-Bass aus, Degen scheint plötzlich zu wissen, wohin er will, und da tut sich etwas auf. Ein oft zartes, feines Album voller schöner Momente, aber ohne den besonderen Zauber von „Sequoia Song“, möchte ich als momentanes Zwischenfazit sagen.

    Aufgenommen wurde das Album am 15. und 16. November 1977 im Tonstudio Zuckerfabrik in Stuttgart.

    Trivia 1: Wie ich grad bei Discogs sehe, nahm Degen 1980 mit Heinz Sauer für L+R das Duo-Album „Ellingtonia Revisited!“ auf (ein Ellington/Strayhorn-Programm mit einem beigegebenen Gospel) – da sind wir wieder beim anderen Faden, der auch grad passt, zumal ich das Klatt/Takase-Duo-Album gestern auch zum ersten Mal angehört habe.

    Trivia 2: Okay, das Internetz und seine Untiefen … das Debut von Bob Degen gab’s 1965 auf einer Platte (beim schweizer Label Elite Special erschienen) – der einzigen – der Sängern Gloria Steward („Jazz for Dancing“, Sonorama hat das Album auf Vinyl neu aufgelegt und bietet es zum Streamen an) … interessant, und die krasse Geschichte von Hartwig Bartz kannte ich auch noch nicht (erschlug 1971 seine Frau, Wiki: „Im Januar 1971 erschlug er unter nie ganz geklärten Umständen seine Ehefrau und musste fast zwei Jahrzehnte in der geschlossenen Psychiatrie verbringen. 1989 entlassen, war er nicht mehr in der Lage einer geregelten Tätigkeit nachzugehen.“).

    Aki Takase – Perdido | Deutlich verbindlicher geht es beim kurzen Album zu und her, das Enja vom Solo-Auftritt von Aki Takase beim Jazz Ost-West Festival in Nürnberg am 19. Juni 1982 zusammenstellte. „ABC“ ist der warme Opener von Takase, und Bert Nogliks Beschreibung aus den Liner Notes (1986 für die CD-Ausgabe) passt total: „There is the rhythmic drive derived from Bebop, bass figures borrowed from Boogie, Monk-ish asymmetry, abstract and clashing harmonies, percussive accents inflected with foot-stomping physicality, and on occasion, freely improvised excursions out over the border of tonality.“ Das alles steckt mehr oder weniger schon drin im ersten Stück. Im zweiten, dem Traditional „Takedano Komoriuta“, greift Takase dann erstmal ins Innere des Flügels, die ersten Minuten erinnern ein wenig an eine Koto, und nach dem exotischen Einstieg wird das fast zehnminütige Stück in der zweiten Hälfte zur – durchaus jazzigen – Ballade.

    Weiter geht es dann mit dem „Down Dance“ von der Kollegin Ichiko Hashimoto, einem Fragment über einem Boogie-Riff, über das Takase in einer schroffen, etwas an Monk erinnernden Weise improvisiert, bis sie nach vier Minuten zu stampfen, auf das Klavier zu schlagen beginnt und in freie Gefilde ausbricht. „After a Year“ ist das zweite Takase-Stück, ein kleines, ja beschauliches Motiv im langsamen Tempo, aus dem Takase eine ganze Welt voller Wärme und Klangfarben öffnet (und an dem Punkt ist der Gegensatz zu Degen auf „Chartreuse“ am augenfälligsten: der bleibt die meiste Zeit auf dem schmalen Pfad vom Cover und guckt erst gegen Ende mal über den Zaun). Als Closer des gerade mal 35minütigen Albums (der Applaus wird immer wieder ausgeblendet, ich nehme an, wir hören hier nicht das Set, wie es gespielt wurde oder nicht das vollständige Set) kriegen wir dann das erwartete „Perdido“ – mit einem Monk-igen Riff eingeleitet, bevor harte Linien in der Rechten und eine kurze Walking-Passage der Linken zum Thema leiten. Klar, dass das Publikum da ins Jubeln kommt.

    Das ist alles sehr dynamische, körperliche Musik. Takase findet ihren eigenen Umgang mit Time, Be- und Entschleunigungen, die umso effektiver werden, wenn sie sie mit anderen ihrer Techniken koppelt: den Bässen, den Entgleisungen oder eher: Entgleitungen aus dem Tonalen, den wuchtigen Akzenten, den verspielten Riffs und Melodiefragmenten.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12317537  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Abraham Burton – The Magician | Album Nummer zwei mit derselben Band wie „Closest to the Sun“ öffnet ungewöhnlich, mit „I Can’t Get Started“ als mittelschneller Ballade, McPherson an den Besen, Cary mit seinem reduktionistischem Spiel auch im Solo, Johnsons Bass stets in Bewegung und doch wie ein Fels, und darüber Burton, von dem man sich einbilden könnte, dass er das alles gerade so gut auch ganz allein spielen könnte … achteinhalb Minuten Ballade zum Einstieg in ein Album ist eine Ansage. Und dazu erzählen die Liner Notes von K. Leander Williams die Geschichte. Einerseits habe es in den viereinhalb Jahren mit Art Taylor zwei Jahre gedauert, bis Burton erstmals gefragt habe, ob er auch mal eine Ballade spielen dürfe (bis dahin das Territorium vom Tenorsaxer der Band, Willie Williams), andererseits bezieht sich Burton auf ein einschneidendes Erlebnis bei einem Gig mit Tim Warfield: „We were gigging together one night in Philly – playing standards and stuff – and I was going at it hardd because I figure, y’know, Tim’s a heavy cat. So I’m up there just burnin‘ all night, and I notice that whenever Tim would follow me, he wouldn’t burn and it would be just as cool. That really opened my eyes because it allowed me to hear firsthand something I had thinking about for a long time“ (Burton-Zitat aus Williams‘ Liner Notes).

    Als zweites Stück verneigt man sich wieder vor Jackie McLean, dem Lehrer von Burton und McPherson und dessen Boss. „Little Melonae“ spielen die vier, Johnson kriegt im Thema ein paar Takte, Cary dann das erste Solo – und hier brennt die Band wieder lichterloh. Wenn Burton einsteigt, hat sein Altsax wieder fast das Gewicht eines Tenors. Und es ist wie beim Debut schlicht phantastisch zu hören, wie sich das Quartett verzahnt: Die vier versenken sich in den Groove und erkunden jeden Winkel. McPhersons fortlaufender Kommentar zum Sax, die sparsamen Akkorde von Cary, die dann auch wegbleiben, der walkende Bass, der auch immer wieder Akzente setzt … der Leader dreht und wendet das Material. Das ist super tight und zeigt, wie gut die vier nach inzwischen einem knappen Jahr eingespielt sind. In Carys „An Addition to the Family“ schweben die vier dann über dem Beat – und das ist gerade so toll, wie im Stück davor. Und natürlich brennt das eh alles, auch in Carys super-coolem Klaviersolo – auch die Balladen, von denen es in der Mitte des Albums noch eine gibt, eine nochmal deutlich abgelegenere, „Dedicated to You“ von Sammy Cahn, Saul Chaplin und Hy Zaret, das im Jahr seines Entstehens 1937 von Andy Kirk, den Mills Brothers, aber auch von Bob Wills and His Texas Playboys eingespielt wurde. Hier öffnet Johnson am Bass mit einem Ostinato, zu dem sich Cary und McPherson gesellen, nur um sich dann für ein Bass-Solo wieder zurückzuziehen. Wenn Burton erst spät einsteigt, erinnert das an Coltrane-Balladen wie Coltranes Versionen von „I Want to Talk About You“.

    Das Coltrane Quartett ist dann wohl für die zwei folgenden Stücke auch wieder der Anknüpfungspunkt: Burtons einziges Original „Mari’s Soul“ und sein Arrangement von Saties erster „Gnossienne“. In beiden ist das Tempo langsam, flexibel, aber stets schreitend bzw. fliessend. McPherson trommelt in „Mari’s Soul“ eine Art Marsch-Beat auf der Snare – es kommt ein leichter „Bolero“-Vibe auf, die Beiträge von Burton und Cary wirken nicht wie typische Jazz-Soli sondern scheinen sich aus dem Gewebe völlig logisch und organisch zu ergeben. In der Gnossienne spielt McPherson rollende Rubato-Beats auf den Trommeln, ausgeschmückt und ergänzt von den Becken. Burton geht mit seinem Ton die Grenzen, überbläst und dort – der Coltrane-Vibe ist hier wirklich stark. Aber die vier machen daraus ihr Ding und die Vorlage von Satie funktioniert für so eine ekstatische Rubato-Performance wirklich hervorragend. Den Abschluss macht dann das Titelstück von McPherson. Ein pentatonischer Vamp im langsamen Tempo mit einer schnellen Bridge. Der Coltrane-Vibe bleibt bestehen, besonders wenn Cary im Solo von Burton aussteigt und sich – trotz präsentem Bass – ein Dialog mit McPherson ergibt. Dass der danach ein längeres Solo kriegt – und beim nächsten Album als Co-Leader fungiert – ist natürlich nichts als gerecht.

    Einmal mehr ein superbes Album voller Highlights und sehr geschickt programmiert. Diese Band ist wirklich beeindruckend in ihrem Hunger, ihrem Können, ihrem Pacing auch, was vielleicht der Unterschied zum Debut ist und auf einen Reifungsprozess hinweist, der mit der Entdeckung des Balladenspiels durch Burton zu tun haben mag. Das Album wurde über zwei Tage – 17. und 18 März 1995 – bei einem Gig im Visiones in New York von David Baker mitgeschnitten und erschien noch im selben Jahr bei Winckelmanns Enja-Zweig.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12317541  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten

    marc cary, cary on (1995)

    enja 9023-2, marc carys debüt (nicht ganz – 2020 erschien das unveröffentlichte master von CARY ON THE PREQUEL) als einer der vielen single shots des labels. cary ist mir natürlich sehr nah, in seinen verbindungen von post-tyner-piano und wesentlich dramatischeren stilen (waldron, weston) und darin wiederum auf den spuren der späten geri allen, aber dieses debüt ist leider etwas brav geraten. das material ist fast eher hard- als postbob, über natürlich klingende bässe musste man hier nicht mehr grübeln, ron blake & roy hargove sind auch keine schlechten mitspieler (aber leider hier etwas langweilig). highlight für mich ist die trioversion von „melody in c“, was eigentlich sonny clarks „melody for c“ ist – ein jubilierend hymnisches aufschwingen in nur 3 minuten. dann kommt eine sängerin ins spiel, charlene fitzpatrick, die leider gar nicht gut ist, aber cary wechselt hier plötzlich das register, als würde er abbey lincoln begleiten. und dann kommt noch ein unbegleitetes solostück, wo ich ihn wirklich besonders finde. runde sache eigentlich, aber ich hätte ihm mitte der 90er zu anderem material geraten.

    Marc Cary – Cary On | Da kann ich glaub ich auch nach sechs oder sieben Durchgängen nicht viel anfügen. Als ganzes packt mich das Album nicht, auch wenn im einzelnen schon einiges sehr gutes zu hören ist. Der junge Cary lernte u.a. bei John Malachi in Washington D.C. – und dieser habe Cary „the sense of dignity and diligent determination“ der einstigen Billy Eckstine Band (der nicht so richtig dokumentierten legendären Big Band mit Gillespie, Parker, Blakey usw.) eingepflanzt, „that he carries on with great pride“. Vielleicht erklärt das die Spielhaltung Carys, die ich irgendwie stets als etwas zurückhaltend empfinde – aber auch als reserviert im Sinn, dass ich stets den Eindruck habe, dass Cary über Reserven verfügt, die er nicht anzapfen will? Ich kann auch einfach sagen: ich mag ihm gerne lauschen, aber kriege ihn nicht wirklich zu fassen. Dass er auch direkt vom Bop kommt passt da so gut wie das Stück von Sonny Clark, das ich ebenfalls als ein Highlight des Albums höre. Generell mag ich die Stücke ohne die Bläser lieber, auch wenn ich vor allem Ron Blake manchmal schon sehr stark finde, stärker jedenfalls als Roy Hargrove (der im mehr oder weniger durchkomponierten eigenen „The Trial“ mit bittersüssem Ton glänzt). So verzahnt wie mit Burtons Band geht es hier – mit Dwayne Burno am Bass und Dion Parson am Schlagzeug selten zu und her. Mit dem Solo-Stück („When I Think of You“) und der letzten Trio-Nummer „The Afterthought“ endet das Album dann immerhin stark. Vielleicht ist es teils wirklich das Material, das die Jungs hier nicht so recht aus der Reserve locken mag? Ich weiss es nicht und werde wohl noch eine Weile weiter um dieses Album kreisen.

    Zu den Vernetzung noch: Burno spielte auch mit der Band von Betty Carter, als diese Cary von Art Taylor abgeworben hatte (wo Cary wiederum mit Burton und Billy Johnson spielte). Cary und Parson trafen sich zuerst bei einer Jam-Session in New York und einen Tag drauf bei in Toronto wieder (der eine mit Carter, der andere mit Ray Anderson) und Parson wurde zum wichtigsten Musiker von Carys Band: „Most of the music on this date wast written specifically for his rhythmic approach“, ist den Liner Notes von Russ Musto zu entnehmen, der das Album auch produziert hat. Der Approach des Drummers klingt sehr viel lockerer als der von McPherson, mehr aus dem Handgelenk, vielleicht auch überraschender, unvorhersehbarer. Das klappt auch in einem lyrischen Stück wie „We Learn As We Go (Dreamlike)“ sehr gut, wo ich mich ein wenig an Herbie Hancocks „Speak Like a Child“ erinnert fühle.

    Dass neben der Sängerin Charlene Fitzpatrick auch noch Yarborough Charles Laws an der Flöte zu hören ist, sollte fairerweise auch noch erwähnt werden, wenngleich er nur selten und als Teil der Bläser-Arrangements mitwirkt – gerade in „So Gracefully“, dem gesungenen Stück, in dem Cary und Parson ein paar Gänge höher schalten, ist er im Arrangement recht präsent – aber das Solo kriegt dann halt doch wieder Ron Blake.

    Aufgenommen wurde „Cary On“ am 24. und 25. Januar 1994 in The Studio in New York. Schwer zu sagen, ob das eine eigentliche Enja-Produktion ist oder eine, mit der man nachträglich ein Label suchen ging (dass nicht David Baker sondern als Tonmeister agierte, mag auch ein Hinweis sein)?

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    #12317551  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windDer junge Cary lernte u.a. bei John Malachi in Washington D.C. – und dieser habe Cary „the sense of dignity and diligent determination“ der einstigen Billy Eckstine Band (der nicht so richtig dokumentierten legendären Big Band mit Gillespie, Parker, Blakey usw.) eingepflanzt, „that he carries on with great pride“. Vielleicht erklärt das die Spielhaltung Carys, die ich irgendwie stets als etwas zurückhaltend empfinde – aber auch als reserviert im Sinn, dass ich stets den Eindruck habe, dass Cary über Reserven verfügt, die er nicht anzapfen will? Ich kann auch einfach sagen: ich mag ihm gerne lauschen, aber kriege ihn nicht wirklich zu fassen.

    ich höre da eher eine besondere qualität, die aber nicht in ihrer absage an schnelligkeit oder virtuosität in ihre zeit passte – weshalb er sich vielleicht als begleiter von sängerinnen besonders wohl fühlte. abbey lincoln hat ihm sehr viel raum gegeben, den er auch braucht, um etwas zu entfalten. umso unverständlicher, dass er sich nicht selbst genau das material geschrieben hat, in dem er hätte glänzen können. vielleicht mag er auch kein leader sein? man muss deshalb ein wenig arbeiten, um an das heranzukommen, was wirklich besonders ist an seinem spiel – aber dafür habe ich ja eh eine schwäche.

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    #12317553  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Den zweiten Teil vom ersten Satz verstehe ich nicht: generell „nicht in ihre Zeit passte“ oder „wegen dem Aspekt der Absage nicht (aber sonst schon) in ihre Zeit passte“?

    Ansonsten danke, ich fange mit dieser Arbeit ja erst allmählich an – ich brauch dann wieder mal eine Zeit ohne grosses Forumsthema, um all die liegengebliebenen Neukäufe der letzten Monate (darunter „For the Love of Abbey“ und „Four Directions“) zu durchforsten ;-)

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    #12317557  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windDen zweiten Teil vom ersten Satz verstehe ich nicht: generell „nicht in ihre Zeit passte“ oder „wegen dem Aspekt der Absage nicht (aber sonst schon) in ihre Zeit passte“?

    ich hab die 90er als zeit eines hypervirtuosen klavierspiels abgespeichert (kirkland, rubalcaba usw.), da passte cary nicht so gut rein – nicht, dass er nicht virtuos ist, aber ihn interessierte dieser aspekte nie so, glaube ich.

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    #12317559  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Alles klar, danke – ich hab da vom Jazzpiano der Neunziger eigentlich gar kein klares Bild … aber vermutlich passt das schon. Cary hört sich definitiv anders an. Dass die Stücke meist kurz gehalten sind und recht wenig Raum bieten, finde ich schon etwas irritierend. Ohne die Bläser wäre mehr Raum gewesen … aber vielleicht weniger gute Chancen, die Aufnahme irgendwo unterzubringen bzw. das Konzept zu verkaufen?

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    #12317563  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windDass die Stücke meist kurz gehalten sind und recht wenig Raum bieten, finde ich schon etwas irritierend. Ohne die Bläser wäre mehr Raum gewesen … aber vielleicht weniger gute Chancen, die Aufnahme irgendwo unterzubringen bzw. das Konzept zu verkaufen?

    könnte ich mir gut vorstellen. ich müsste auch nochmal das „prequel“ zu dieser session anhören (link stand in meinem text), ob das da anders ist – auch sein nächstes album (LISTEN) ist wieder mit tp/sax. und die späteren trios fand ich auch nicht perfekt… schon eigenartig. und dann hört man den in der burton-band (oder bei lincoln) und denke, das passt total.

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    #12317565  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Abraham Burton – Eric McPherson Quartet – Cause and Effect | Wie gerade erwähnt stieg Eric McPherson beim dritten und leider letzten Enja-Album von Abraham Burton zum Co-Leader auf. Zwei andere wichtige Veränderungen gab es: zwei neue Musiker, James Hurt am Klavier und Yosuke Inoue am Kontrabass, sowie den auch schon erwähnten Wechsel des Leaders vom Alt- zum Tenorsaxophon. Wie es dazu kam, ist im Interview im Booklet gleich zu Beginn zu lesen: Louis Hayes heuerte Burton nach dem Tod von Art Taylor an, es gab ein „tenor book“, und statt all die Stücke zu transkribieren meinte Burton, „it was easier for me to rent a tenor“. Der Coltrane-Vibe, der im zweiten Album schon stark ist, zieht sich hier also einerseits – bei Burton – weiter, wird aber andererseits, durch die anders geartete Rhythmusgruppe, das dichte, manchmal geradezu nervöse Klavier von Hurt und den soliden, weniger agilen Bass von Inoue eher wieder abgeschwächt, denn sie gehen in andere Richtungen vor allem als Marc Cary es tut.

    Von Hurt stammt der Opener „Nebulai“, ein eingängiges kleines Motiv über ein Bass-Ostinato und einen Rumpelgroove der Drums – und dazwischen eben das Klavier, das noch jede Ritze findet und füllt. Das ist eine ganz neue Ausgangslage im Vergleich zu den beiden Vorgängern – und es ist natürlich auch zu erwähnen, dass zwischen dem Gig im Visiones und der Studiosession am 21. Jul 198 im Bleecker Street Studio einiges Wasser den Hudson River hinunter geflossen ist, auch Burton und McPherson sich verändert, weiterentwickelt haben. Die hymnische Ballade mit angedeutetem Rubato gibt es hier an zweiter Stelle, sie heisst „Dad“ und ist Burtons Portrait seines „mentor in life, the baddest guy I know. This is just a mood on how I see him.“ Das, „just a mood“, ist vielleicht eine gute Beschreibung auch schon für die letzten paar Stücke auf „The Magician“, v.a. „Mari’s Soul“ und „Gnossienne #1“ – mood pieces über verschiedene Rhythmen, die auch dann lichterloh brennen, wenn sie ruhig daherkommen … vielleicht nach dem Vorbild von Coltranes „Alabama“?

    Das Titelstück entstand, wie im Interview zu lesen ist, spontan im Studio aus ein paar Ideen, die McPherson hatte. Inoue spielt mit dem Bogen ein erstes Solo über rhythmische Verschiebungen vom riffenden Klavier und dem eigenwilligen Beat von McPherson. Dann setzt Burton ein und mit dem Bass nun als Teil des Vamps wird auch klar, woher die vermeintlichen Verschiebungen kommen: das Stück groovt im 6/8 über einen Bass im 4/4. Burton spielt ein tolles Solo, auf Händen getragen von der Rhythmusgruppe, in der Hurt sich auf sehr wenig Material, ein kleines Riff, beschränkt – bis er dann, inzwischen ist das Stück im 4/4 angekommen, im Solo losstürmt, und da ist kein Halten mehr. Mir gefällt die Rhythmusgruppe aber insgesamt auch etwas weniger gut als die davor mit Cary und Johnson – der Beat von Inoue/McPherson wirkt weniger flexibel, und auch wenn Burton den Stil von Hurt als „very rhythmical“ beschreibt, finde ich sein Spiel gerade in den Soli konventioneller, was sicher auch mit dem vordergründig virtuoseren Approach zu tun hat. Hinter dem zweiten Solo von Burton im Titelstück baut das Quartett wieder eine irre Intensität auf – das ist schon toll!

    Ein weiterer Aspekt, der auch auf den beiden Vorgänger-Alben schon zu hören ist, aber hier im Interview ausbuchstabiert wird: die karibischen Wurzeln. „Punta Lullaby“ von Burton ist das Stück, in dem er einen Rhythmus der Garifuna namens „Punta“ aufgreift, die in Honduras, der Heimat seines Vaters leben (die Mutter stammt aus Belize): „It’s a rhythm I grew up with all my life, and I always wanted to play it.“ – eine irre Performance, der Bass zunächst auf zwei Tönen im langsamen Tempo, zunehmende Verdichtung, Beschleunigung, mittendrin dann ein neuer schneller Rhythmus und gegen Ende noch ein längeres ts/d-Duett – und über allem das souveräne Sax mit wunderschönem Ton.

    „Forbidden Fruit“ und „The Last Laugh“, die Stücke davor und danach, sind beides Vamp-Stücke – wobei das erste im zweiten Teil in einen 7/4 wechselt. Hier geht für meine Ohren das neue Konzept voll auf: Inoues Bass ist phantastisch, Hurts Klaviersolo tänzelt über dem Groove, ohne zu sehr ins Virtuose zu kippen. Der Closer „The Last Laugh“ ist dann eine gradlinige Blowing-Nummer, in der ich wieder ein wenig die alte Rhythmusgruppe vermisse. Ein eigenartiger Effekt allerdings: hinter Hurt (wieder stark hier) habe ich mit Inoue echt kein Problem – im Trio finde ich das irgendwie stimmiger als meistens hinter Burton.

    Mein Eindruck nach drei oder vier Durchgängen durch die drei Burton-Alben (und stets auch das Cary-Album) – der einer kontinuierlichen Steigerung – hat sich inzwischen, nach drei weiteren Durchgängen, jedenfalls wieder verflüchtigt. Die ersten zwei würde ich eher nebeneinander stellen wollen, und dieses hier eigentlich auch, als weitere Ergänzung, jetzt halt auch mit personellen Verschiebungen (und einer Verschiebung der Instrumentenwahl). Jedenfalls dürfte Abraham Burton – von der Frühphase des Labels mal abgesehen – ganz klar die grosse Entdeckung sein!

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    Bennie Wallace with The Blues Ensemble of Biloxi & The Wings of Song – Sweeping Through the City | Mit seinem letzten Enja-Album vor einer längeren Pause ist Wallace beim bunten Eklektizismus angekommen, den er auf den zwei direkt darauf folgenden Blue Note-Alben weiterentwickeln sollte. Das „Blues Ensemble of Biloxi“ gibt es vermutlich nur hier, beim Gospelchor Wings of Song vermute ich ähnliches. Auf fünf Stücken ist die Band für sich zu hören und besteht neben dem Leader und dem Cover genannten Ray Anderson (tb) und John Scofield (g) auch aus Mike Richmond (b) und Tom Whaley (d). Mit „Eight Page Bible“, einem typischen Wallace-Tune und -Feature, geht es los, dann folgt „On Radio 5“, in dem Anderson das erste Solo kriegt – Scofield und er sind auch auf den beiden folgenden Blue Note-Alben dabei, auf denen Dr. John den Platz am Klavier einnimmt und Gäste wie Stevie Ray Vaughan und Howard „Pretty“ Purdie auftauchen. Wallace hat alle Stücke auf „Sweeping Through the City“ selbst komponiert, in „Trouble an Woe“ sind erstmals die drei Sängerinnen und der Sänger von Wings of Song dabei: Maybelle Porter, Cora Hill, Frances Johnson und Pat Conley. Das Sax von Wallace und dann auch die Gitarre von Scofield verweben sich mit den Stimmen.

    Auf der B-Seite gibt es drei etwas kürzere Stücke für die Band, bevor zum Abschluss nochmal der Chor auftritt. Das langsame „Refrain“ ist schon ziemlich toll, eine Art Blues-Hymne, in der sich MurrayWallace, Anderson und Scofield verweben während Richmond/Whaley einen weit offenen Groove drunter legen. Anderson ist schon ein geeigneter Partner, denn er kann an der Posaune gerade so zerklüftete Linien spielen, wie Wallace sie liebt und auch gerne komponiert. Im zweiten Stück mit dem Chor, dem Titelstück des Albums, übernimmt Dennis Irwin am Bass und Pan Conley setzt sich ans Klavier. Das funktioniert aber nicht so gut wie die erste Gospelnummer, dünkt mich – die Stimmen sind nicht präsent genug im Mix … doch das ficht Wallace nicht an, der einmal mehr ein animiertes Solo spielt.

    Die Aufnahme ist im März 1984 in den Eurosound und Planet Sound Studios in New York entstanden (David Baker), produziert hat Wallace selbst. Ich weiss nicht so genau, was uns dieses Album sagen will – die Gospel-Stücke sind schon ganz schön anzuhören, Wallace selbst ist eh in Spiellaune – wie immer halt. Aber mir ist das gerade etwas zu bunt. Die Blue Note-Alben werde ich jedenfalls nicht demnächst ausgraben – eher mal wieder einen Anlauf mit dem bisher auch lauwarmen Monk-Album nehmen, das er gemeinsam mit Yosuke Yamashita gemacht hat (1986, zwischen den beiden Blue Note-Alben).

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