Antwort auf: Enja Records

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marc cary, cary on (1995)

enja 9023-2, marc carys debüt (nicht ganz – 2020 erschien das unveröffentlichte master von CARY ON THE PREQUEL) als einer der vielen single shots des labels. cary ist mir natürlich sehr nah, in seinen verbindungen von post-tyner-piano und wesentlich dramatischeren stilen (waldron, weston) und darin wiederum auf den spuren der späten geri allen, aber dieses debüt ist leider etwas brav geraten. das material ist fast eher hard- als postbob, über natürlich klingende bässe musste man hier nicht mehr grübeln, ron blake & roy hargove sind auch keine schlechten mitspieler (aber leider hier etwas langweilig). highlight für mich ist die trioversion von „melody in c“, was eigentlich sonny clarks „melody for c“ ist – ein jubilierend hymnisches aufschwingen in nur 3 minuten. dann kommt eine sängerin ins spiel, charlene fitzpatrick, die leider gar nicht gut ist, aber cary wechselt hier plötzlich das register, als würde er abbey lincoln begleiten. und dann kommt noch ein unbegleitetes solostück, wo ich ihn wirklich besonders finde. runde sache eigentlich, aber ich hätte ihm mitte der 90er zu anderem material geraten.

Marc Cary – Cary On | Da kann ich glaub ich auch nach sechs oder sieben Durchgängen nicht viel anfügen. Als ganzes packt mich das Album nicht, auch wenn im einzelnen schon einiges sehr gutes zu hören ist. Der junge Cary lernte u.a. bei John Malachi in Washington D.C. – und dieser habe Cary „the sense of dignity and diligent determination“ der einstigen Billy Eckstine Band (der nicht so richtig dokumentierten legendären Big Band mit Gillespie, Parker, Blakey usw.) eingepflanzt, „that he carries on with great pride“. Vielleicht erklärt das die Spielhaltung Carys, die ich irgendwie stets als etwas zurückhaltend empfinde – aber auch als reserviert im Sinn, dass ich stets den Eindruck habe, dass Cary über Reserven verfügt, die er nicht anzapfen will? Ich kann auch einfach sagen: ich mag ihm gerne lauschen, aber kriege ihn nicht wirklich zu fassen. Dass er auch direkt vom Bop kommt passt da so gut wie das Stück von Sonny Clark, das ich ebenfalls als ein Highlight des Albums höre. Generell mag ich die Stücke ohne die Bläser lieber, auch wenn ich vor allem Ron Blake manchmal schon sehr stark finde, stärker jedenfalls als Roy Hargrove (der im mehr oder weniger durchkomponierten eigenen „The Trial“ mit bittersüssem Ton glänzt). So verzahnt wie mit Burtons Band geht es hier – mit Dwayne Burno am Bass und Dion Parson am Schlagzeug selten zu und her. Mit dem Solo-Stück („When I Think of You“) und der letzten Trio-Nummer „The Afterthought“ endet das Album dann immerhin stark. Vielleicht ist es teils wirklich das Material, das die Jungs hier nicht so recht aus der Reserve locken mag? Ich weiss es nicht und werde wohl noch eine Weile weiter um dieses Album kreisen.

Zu den Vernetzung noch: Burno spielte auch mit der Band von Betty Carter, als diese Cary von Art Taylor abgeworben hatte (wo Cary wiederum mit Burton und Billy Johnson spielte). Cary und Parson trafen sich zuerst bei einer Jam-Session in New York und einen Tag drauf bei in Toronto wieder (der eine mit Carter, der andere mit Ray Anderson) und Parson wurde zum wichtigsten Musiker von Carys Band: „Most of the music on this date wast written specifically for his rhythmic approach“, ist den Liner Notes von Russ Musto zu entnehmen, der das Album auch produziert hat. Der Approach des Drummers klingt sehr viel lockerer als der von McPherson, mehr aus dem Handgelenk, vielleicht auch überraschender, unvorhersehbarer. Das klappt auch in einem lyrischen Stück wie „We Learn As We Go (Dreamlike)“ sehr gut, wo ich mich ein wenig an Herbie Hancocks „Speak Like a Child“ erinnert fühle.

Dass neben der Sängerin Charlene Fitzpatrick auch noch Yarborough Charles Laws an der Flöte zu hören ist, sollte fairerweise auch noch erwähnt werden, wenngleich er nur selten und als Teil der Bläser-Arrangements mitwirkt – gerade in „So Gracefully“, dem gesungenen Stück, in dem Cary und Parson ein paar Gänge höher schalten, ist er im Arrangement recht präsent – aber das Solo kriegt dann halt doch wieder Ron Blake.

Aufgenommen wurde „Cary On“ am 24. und 25. Januar 1994 in The Studio in New York. Schwer zu sagen, ob das eine eigentliche Enja-Produktion ist oder eine, mit der man nachträglich ein Label suchen ging (dass nicht David Baker sondern als Tonmeister agierte, mag auch ein Hinweis sein)?

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