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vorgartendas album ist tatsächlich noch eine leerstelle bei mir. irgendwas war da, mal reingehört und irgendwas passte nicht… kann ich mir eigentlich kaum vorstellen. muss ich irgendwann nachholen.
….irgendwann? ne ne ne, das solltest du in aller ruhe und noch vor erstellen deiner liste hören…
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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Steve Kuhn Trio „Eiderdown“ (BYG Records) 1971 …. Steve Swallow belegt hier am 13ten Oktober1969, welch guter akustischer Bassist er sein konnte …. additiv federt Aldo Romano rhythmisch ab …. die Magie, welche Steve Kuhn auf den Aufnahmen mit Art Farmer und Pete La Roca (mit Joe Henderson !) entwickelte erreicht er dann für mich in seinen Solo/Trio Aufnahmen aber nicht (mehr) ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)



Paul Bley – Ballads
Barry Altschul / Paul Bley / Gary Peacock – Virtuosi
Keith Jarrett – Life Between the Exit Signs
Denny Zeitlin – ZeitgeistIch soll mich also sputen? Schwierig, wenn es so viel tolle Sachen (wieder) zu hören gibt! Auch „Ballads“ wollte nochmal in den Player, das andere ECM-Album von Bley von bevor es ECM gab und dasjenige, das den „ECM-Sound“ in geradezu gespenstischer Weise vorwegnimmt – zwei Stücke mit Mark Levinson und Barry Altschul vom März 1967 auf der B-Seite, ein noch längeres mit Gary Peacock und Altschul vom Juli als A-Seite. Musik ohne Bewegung, irgendwo zwischen Satie und Beckett, Musik der leeren Ebene – auf der allerdings alles in ständiger Bewegung ist, ohne irgendwohin zu wollen. Das finde ich weiterhin enorm faszinierend, und es ist irgendwie längst ein Lieblingsalbum geworden, obwohl gewisse Vorbehalte bleiben. „Virtuosi“ enthält auch zwei lange Stücke, dass Bley hier in der Mitte genannt wird, ist unwichtig, das Konzept ist dasselbe, es funktioniert ebenso gut – wie erwähnt: Bley produzierte damals in der Regel selbst und brachte das Zeug dann irgendwo unter, die zwei Stücke von Ende Juni 1967 dann halt bei seinem eigenen Label Improvising Artists Records, gegründet 1974 zusammen mit der Video-Künstlerin Carol Goss.
Keith Jarrett, der Wunderknabe, bei dem alle früh den Kniff drauf hatten, ihn auf Fotos so abzubilden, dass der halbe Westen lange dachte, er sei Schwarz … George Avakian, damals bei Atlantic tätig, brachte das Album zwar auf dem Sublabel Vortex heraus, liess ihm freie Hand für die Wahl der Sidemen und Musik für die Session am 4. Mai 1967. Charlie Haden und Paul Motian sollten es werden, das Bezugsfeld von Bill Evans zu Paul Bley ist damit aufgespannt. Das ziehe ich gerade vor die letzte Runde von Zeitlin, die etwas früher fertig wurde – die Aufnahmen mit Haden und Granelli vom April 1966 blieben grossteils bis 2009 im Archiv, zu zwei Stücke landeten auf der LP, die dann bei einer dritten Session im März 1967 mit neuem Line-Up – Joe Halpin (b) und Oliver Johnson (d) – fertiggestellt wurde. Haden auch hier also … und ja, der kriegt, wie @vorgarten beschrieben hat, bei Jarrett sehr viel mehr Raum, kann seinen Bass anders atmen lassen, was sehr toll ist. Allerdings höre ich anders als @vorgarten bei Jarrett doch noch deutlich mehr Absicht (um nicht Richtung zu sagen) als bei Bley. Er spielt einen „Lisbon Stomp“ zum Einstieg, dann zwei weitere Originals, „Love No. 1“ und „Love No. 2“, bevor Teil eins mit Cole Porters „Everything I Got“ endet. Seite 2 enthält dann vier weitere Originals, von denen das erste, „Margot“, fast wie ein richtig auskomponierter Song wirkt und ein Klavier-Solo bietet, das motivisch unterwegs ist und wohl schon den Kern des ganzen Rhapsoden Jarrett enthält. Da sind diese Akkorde (viel Evans drin, aber Jarrett findet Eigenes zum Beigeben, andere Schattierungen, da und dort einen ganz feinen Touch funky). Anderes bleibt tatsächlich kürzelhaft, aber auch da höre ich einen anderen Drive – selbst wenn die sich im Kreis drehen (z.B. in „Long Time Gone (But Not Wirhdrawn“), machen sie das mit voller Absicht, dünkt mich, und das unterscheidet die Musik doch stark von derjenigen Bleys. Das ist nun bisher echt kein Lieblingsalbum – überhaupt fremdelte ich mit dem frühen Jarrett (bis zum Anfang des American Quartet) lange sehr, aber das hat sich gelegt und ich finde es gerade sehr interessant, das Album im neuen Kontext zu hören (Hamburg 1972 werde ich allerdings weglassen, das wäre dann für ein anderes Mal wieder – überhaupt habe ich einiges von Jarrett rausgelegt, aber glaube nicht, dass ich das schaffen werde).
Denny Zeitlin dann – das Album wurde erst im März 1967 fertiggestellt, aber enthält auch ein paar Stücke (nicht ganz die ganze B-Seite) vom April 1966 noch mit Haden/Granelli – und die sind in der Zwischenzeit einen weiten Weg gegangen. Über ein Jahr ist seit den Live-Aufnahmen aus dem Trident verstrichen, Zeitlin findet jetzt auch immer wieder Momente der Ruhe, die sich sehr schön einfügen zwischen die üblichen hektischen, metrisch vertrackten Stücke mit ihren sich oft überschlagenden Improvisationen (Krawall, Karneval … aber auch Tristano-Verdichtungen). Der Geist ist ein anderer, Haden ist natürlich weniger frei als bei Jarrett ein Jahr später, aber freier als zuvor bei Zeitlin. Das Bonusmaterial von den April-1966-Sessions würde bei anderen ein ganzes Album füllen (32 oder 33 Minuten hat Mosaic ausgegraben, und vom März 1967 auch noch über 20 Minuten).
Das Album selbst ist wie längst üblich bei Zeitlin wieder lang, 50 Minuten dieses Mal. Los geht es mit „Dormammu“ – und da ist auch mit dem neuen Line-Up wieder die rasante Verdichtung. Wobei ich den Vorgänger am Bass halt gleich vermisse (Haden ging 1966 nach New York, Granelli „became involved in other musical interests“, wie Zeitlin 2008 in seinem Einführungstext für das Mosaic Select schreibt). Es folgt „Put Your Little Foot Right Out“ (Miles Davis-Fans als „Fran Dance“ bekannt) – da findet Zeitlin Momente der Ruhe, klingt aber auch nähe an Evans als je zuvor, dünkt mich. Im ebenfalls kurzen „The Hyde Street Run“ gibt es eine Art Bossa-Beat vom jungen Oliver Johnson (später in Paris, wo er wohl 2002 im Alter von 57 Jahren ermordet wurde, krass – oft mit Steve Lacy zu hören, auch auf diversen Aufnahmen). In „Here’s that Rainy Day“ versuchte Joe Halpin, in die Fussstapfen des Vorgängers zu treten und macht einen ganz ordentlichen Job – aber sein Ton reicht irgendwie nicht ganz, er hat die Tiefe und den Holz-Sound, aber da singt nichts (mag teils an der Aufnahme liegen). Als viertes kurzen Stück dann „I Got Rhythm“ und hier ist das Tempo wieder hoch – „the raggy Gershwin, Schoenberg and Tristano woven into this Zeitlin fabric“, schreibt Phil Elwood in den Liner Notes. Feuerwerk mit Dissonanzen. Teil 1 endet wie er begann mit einem längeren Stück, „Maiden Voyage“ von Herbie Hancock, dem Zeitlin eine andere Tönung gibt, die ebenfalls sehr schön ist – Johnsons Becken sind etwas aufdringlich, aber je länger das Stück dauert, desto toller finde ich sein freihändiges Spiel hier (er war gerade mal 22). Teil zwei öffnet mit zwei kurzen Stücken, das erste mit Haden/Granelli und einem Latin-Beat, „Offshore Breeze“ von Zeitlin (wie „The Hyde Street Run“ nach einer Strassenbahnlinie in San Francisco benannt), danach mit Halpin/Johnson „Night and Day“, das eine Reharmonisierung verpasst kriegt. Danach der main event des Albums, „Mirage“, 17 Minuten lang, mit Haden/Granelli, in zwei Teilen, von denen erste „‚theme and variations‘ type“ laut Elwood in der Form 3/3/5/5/2/13/4/4/3/3/3/13 daherkommt … ich versuche nicht, mitzuzählen. Die Soli von Granelli und Zeitlin sind dann frei, und nach dem Klaviersolo geht’s in Teil 2 über, wo dann Haden sein freies Solo kriegt, bevor am Ende das erste Thema wiederholt wird. Das ist schon ein Highlight in Zeitlins früher Diskographie, finde ich – überhaupt verdiente das Trio von Zeitlin etwas mehr Beachtung, besonders die Aufnahmen mit Haden und Granelli.
Highlights aus dem Bonusmaterial mit Haden/Granelli (16. und 17. April 1966): die Ballade „The Journey Home“, wie die veröffentlichten Stücke von der ersten, sowie die Free-Ballade „Labyrinth“ von der zweiten Session, beides Zeitlin-Stücke:
Es gibt vom 17. April 1966 auch eine kurze, skizzenhafte (ohne richtigen Schluss, aber sowas gibt’s auf dem Album selbst ja auch) Version von André Previns Walzer „Living Alone“ aus dem druckfrischen Score zum Film „Harper“ mit Paul Newman – Zeitlin schreibt, dass das das einzige Mal gewesen dass sein Produzent bei Columbia, John Hammond, ihm Material zugesteckt habe – „and I was glad I was drawn to the tune“:
Beim Bonusmterial mit Halpin/Johnson finden sich weitere schöne Stücke – das alles hätte auch gut nochmal zwei Alben ergeben, eins mit Haden/Granelli und eins mit Halpin/Johnson, auf dem dann auch die introspektive Ballade „The Bells of Solitude“ gelandet wäre, die Zeitlin im Duo mit Halpin einspielte:
Oder „Western Thing“, ein 10/4-Stück, in dem Johnson glänzt – aber erst nach einem längeren, ruhigen Intro:
Oder die Solo-Version von „Spring Is Here“, die Zeitlin am Schluss der Session aufnahm, als im Studio noch etwas Zeit verblieb:
Das Material bietet für meine Ohren doch einiges an neuen Facetten, die auf dem eigentlichen Album zwar auch vertreten sind – aber eben: da wären definitiv zwei gute Alben drin gewesen!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
kuhn, vitous, romano, oceans in the sky (1989)
letztes album aus den 1980ern, und sehr viel gediegener als gedacht und als cover und titel insinuieren. man muss allerdings erwähnen, wie gut die zusammen klingen, wie überhaupt sich ja wieder was verschoben hat mit aufnahmen einer akustischen band ende der 1980er: der bass hat wieder holz, die drums sind eine queller unterschiedlicher sounds und das klavier verteilt sich auf alle frequenzen. damit ist der weg zum klassizismus des klaviertrios geebnet.
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vorgarten
man muss allerdings erwähnen, wie gut die zusammen klingen, wie überhaupt sich ja wieder was verschoben hat mit aufnahmen einer akustischen band ende der 1980er: der bass hat wieder holz, die drums sind eine queller unterschiedlicher sounds und das klavier verteilt sich auf alle frequenzen. damit ist der weg zum klassizismus des klaviertrios geebnet.Interessant, wie das im Rückblick alles zusammenfällt – und sich wohl auch damals schon irgendwie gegenseitig bedingte, vermutlich ohne dass das den Akteur*innen so bewusst war.
(Ich glaube, das war meine erste Begegnung mit dem nicht dokumentierten Kurzzeit-Coltrane-Pianisten – so meine damalige Perspektive.)
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….die quintessenz eines piano-trio-albums, hier werden keine gefangenen gemacht, hier knallt uns eddie costa die noten vor den latz und um die ohren, hart, dunkel, hell und funkelnd,keine zeit zum luft holen trotz tempo- und variatinswechseln, zarte sanftheit mit dem hintern umschmeißend, hier will einer mit sturm und drang alles einreißen was man zu kennen und lieben gelernt hat und ist trotzdem die blaupause für alles was am piano mit bass und schlagwerk geht…wendell marshall und paul motion sind die perfekten partner, füllen die wenigen räume in dem irrsinn aufs allerfeinste, bin gerade völlig hin und weg, danke fürs erwähnen hier, kannte bis dato von eddie costa nichts, kann mir auch nicht vorstellen, dass es da noch vergleichbares gibt, kommt sofort nochmals auf den dreher…allein der einstieg in das album ist kaum zu toppen…faszinierend
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Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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lotterlotta
….die quintessenz eines piano-trio-albums ….Kann man durchaus so sehen ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
The Three Sounds – Live at the Lighthouse | Neues Jahr, neuer Drummer, neues Glück beim wiedergefundenen alten Label – und meine erste Begegnung mit den Three Sounds via das 2000er CD-Reissue mit seinen acht Bonustracks, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht (das nächste war dann dann wohl „Black Orchids“, davor schon „Blue Hour“ mit Turrentine). Gene Harris (auch wieder mit etwas Orgel via Overdubs) und Andrew Simpkins fanden in Donald Bailey ihren neuen Drummer – und der hat hier inzwischen ja eine kleine Fangemeinde und liefert natürlich auch bei diesen Aufnahmen vom 9. und 10. Juni 1967 im Club in Hermosa Beach. Zum Beispiel tut er das hervorragend in „June Night (Just Give Me a June Night, the Moonlight and You“), einem alten Song von 1924. Das Trio findet einen Jamal-Groove zum Einstieg, Simpkins spielt am Bass manchmal längere melodische Gegenlinien, die irgendwann zum halben Solo werden, während das Piano sich zurückhält. Bailey spielt im ganzen Stücke einen recht einfachen, überhaupt nicht virtuosen Beat, aber der ist total eigenwillig. Es gibt auch öfter so Tamburin-Klänge, wie sie bei Hawes zu hören sind – nicht so deutlich wie das Stück, bei dem @vorgarten bei „I’m All Smiles“ sowas wie „Schellen am Fuss“ vermutet, aber in die Richtung (ich denke eher, er hat irgendwo was draufgelegt, oder zusätzlich angeschraubt, aber ich weiss auch nicht, wie der der Sound erzeugt wird).
Tatsächlich ist das gerade als Dokument des Trios mit Bailey super – und auch, weil es echt wenig Live-Aufnahmen des Trios gibt. In den Liner Notes zitiert Herb Wong Harris, der meint: „this recording is very exciting to us and it accurately represents The Three Sounds today!“ – Das bezieht sich auch auf das gebotene Material. Es gibt Originals und diverse Standards („I Thought About You“, „Summertime“ und „Here’s That Rainy Day“), Funk und Soul und Pop („Crying Time“, bei den Bonustracks „Drown in My Own Tears“, „Sunny“, „Bad Bad Whiskey“ oder „Why Am I Treated so Bad“) und auch Tunes von Kollegen wie Benny Golson („Blues March“ schliesst das Album – das Publikum klatscht mit, nicht annähernd so daneben wie ich es heute erlebe, und auch ohne Trottel, die hartnäcki bei 1 und 3 bleiben), Nat Adderley („Never Say Yes“), André Previn („River Shallow“) und Ellington („C Jam Blues“ – die letzten beiden bei den Bonustracks).
Cuscuna schreibt zum CD-Reissue, dass ursprünglich zwei Alben geplant gewesen seien und man fürs CD-Reissue das beste Material vom nicht veröffentlichten zweiten ausgewählt habe. Und er erklärt, wie das mit den Orgeltracks gelaufen sei („Crying Time“ und „I Held My Head in Shame“ vom Album, „Takin‘ It Easy“, „Drown in My Own Tears“ und „Why Am I Treated so Bad“ von den Bonustracks): Damit das Publikum sich nicht einen Rhythmus-Track anhören musste, zu dem dann später die Orgel eingespielt wurde, ging das Trio schon am Nachmittag des zweiten Aufnahmetages in den leeren Club und nahm die Rhythmusspuren auf. Nur die zwei Stücke vom Album kommen au dem CD-Reissue mit eingeblendetem Applaus daher. Und das für die LP weggekürzte Piano-Intro zu „Here’s That Rainy Day“ hat man auch noch wiederhergestellt. Die Unterscheidung von Live- bzw. Piano- und Studio-Produktionen von The Necks gab es also ansatzweise auch schon viel früher.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
taylor, parker, oxley, celebrated blazons (1990)
mit einem maelstrom in die 1990er, workshop freie musik in der berliner akademie der künste, kurzer sprechgesang, bis am klavier platz genommen wird und dann ansatzlos der wirbel und sein sog entsteht. das geht erst mal fast eine halbe stunde, high energy, aber nicht nur sog, sondern auch aufsaugen (also eher tornado) der umgebung. william parkers individuelle abwandlung des walking basses (autarke linien, manchmal repetitiv, immer im bewusstsein, dass die musik eine richtung hat) wird genauso in den bass-figuren des klaviers aufgegriffen wie oxleys raschel-, klapper-, ratsch-sounds, die ein irrwitziges tempo vorgeben, wenn man sie tatsächlich als rhythmusangebote ernstnimmt, was taylor natürlich tut. dann ein kurzes durchatmen zu gestrichener bass-saite, und etwas fragender geht es weiter. zwischen klavier und schlagzeug fast ein gespräch, manchmal fällt taylor auch in hermetische taylorismen zurück. dialog und monolog. der raum wird voller, weil die sogwirkung nachlässt und die elemente sich wieder verteilen. und plötzlich, nach 45 minuten: beruhigung. durchgedrücktes pedal, die töne bleiben stehen. morsezeichen und nonsenssprech. der bass bewegt sich selbstständig weiter. taylor fällt, außer atem, wieder aufs klavier zurück. noch ein paar zuckungen und ausbrüche. letzte ins offene ausgespielte akkorde, ecm-tauglich. die akademie jubelt.
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Michel Legrand – At Shelly’s Manne-Hole | Nicht nur US-Pianisten kriegten bei Verve mal ein Luxus-Live-Album spendiert. Auch Michel Legrand kam im Spätsommer 1968 in den Genuss: am 5. September wurde sein Trio mit Ray Brown und Hausherr Shelly Manne im Shelly’s Manne-Hole in L.A. live aufgenommen. Legrand war in Hollywood, um den Soundtrack für „Sweet November“ aufzunehmen und alberte im Studio am Klavier herum, als Manne meinte: „‚You know, you ought to play at my club some time.‘ He hadn’t played in public for quite a while, but he liked the idea. About a month later we got together. We had one rehearsal and that was it.“ – Ray Brown ergänzt: „The rehearsal didn’t mean too much, except that it convinced us the best thing we could do would be just to go in the club and play. It was a very interesting, very exciting week. After my 15 years on the road in the Oscar Peterson Trio, where we got so that each of us always knew just what the other wanted to do, this was a real contrast and a real challenge.“ (Beide Zitate aus den Liner Notes von Leonard Feather; bei Brown fehlt vermutlich ein „close“, aber auch auf der LP).
Legrands Klavier funkelt … vielleicht gaukelt er uns die halbe Zeit was vor, aber das Ergebnis kann sich echt hören lassen, etwa wenn er die Melodie von „A Time for Love“ spielt und ausschmückt – da gelingt es ihm stellenweise wirklich, das Klavier singen zu lassen und seine ganzen Läufe und Arpeggien sind bei aller Virtuosität immer geschmackvoll und dienen nur dem Stück. Grosse, romantische Klavierkunst. Der Titel des Openers, „The Grand Brown Man“, liest sich heute etwas zweifelhaft, aber Feather erklärt, dass das ein Pun auf die Namen der drei ist – und „acknowledges the communal effort involved“. „Ray’s Riff“ ist ein 3/4 im Blues-Schema und nach dem Opener die zweite Gemeinschaftskomposition – on the spot nehme ich an, Feather schreibt von „intuitive creations“. Legrand weiss, wie man ein Solo aufbaut, wird Chorus für Chorus dichter, funkier, wuchtiger und endet mit einem dicken akkordischen Teppich. Das Peterson Trio habe ich ja völlig ausgelassen dieses Mal … aber einigermassen im Ohr ist es, und es ist toll, Brown in anderem Rahmen zu hören – natürlich souverän wie immer, mit grossartigem Beat und ebensolchem Ton. Es geht weiter mit Hits („Watch What Happens“ aus dem Soundtrack des Erfolgsfilmes „Les Parapluies de Cherbourg“), Klassikern („My Funny Valentine“ mit Gesang sans paroles von Legrand im Duo mit Browns Bass), Favoriten („Willow Weep for Me“ – ein absolutes Highlight hier, wie man auch dem Publikum anmerkt) und weiteren gemeinsamen Stücken („Another Blues“ und der völlig freie Closer „Los Gatos“). Ich bin ja kein besonders grosser Fan von Legrand dem Pianisten (ganz anders als von Legrand, dem kongenialen Jacques Demy-Sidekick und wundersam begabten Alleskönner, bis hin zum späten Lieder-Album mit Nathalie Dessay) – aber das ist ein echt faszinierendes Album, das auch zeigt, dass die drei alle einigermassen auf der Höhe der Zeit waren und wussten, was rund um sie geschah.


Das Originalcover ist wohl unmöglich zu photographieren (das oben in blau ist die CD von 1988) … und für die frz. Ausgabe ein Jahr später wurde mit der pinken Hose (passt super zum roten Rahmen – nicht) noch der Beweis erbracht, dass der Mann auch wirklich ein Sohn der selbsternannten grande nation ist. Produziert haben – Creed Taylor war ja nicht mehr da – die Veteranen Jesse Kaye (seit 1947 bei MGM) und Nat Shapiro (neben weiteren Legrand-Alben gehen auch ein paar von Nina Simones RCA-Alben auf sein Konto)
Und ich pausiere jetzt mal Bill Evans, damit ich wenigstens noch bis in die Siebziger komme … wollte an sich das Trio mit Philly Joe Jones (die Aufnahmen zu „California Here I Come“ aus der Verve-Box und die weiteren Aufnahmen aus dem Village Vanguard in der „Secret Sessions“-Box) hören, bevor ich höchstens noch punktuell Evans einstreue, aber das sind allein nochmal 4-5 CDs.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
Howard Riley Trio – Discussions | Dafür, dass ich das letzte (?) Howard Riley Trio (mit Barry Guy und Lucas Niggli) 2017 beim Intakt in London Festival sehen durfte, bin ich für immer dankbar. Aufnahmen habe ich mitgenommen, wann immer das ging … das hier ist sein Debut von 1968, aufgenommen am 29. Dezember 1967 mit Barry Guy und Jon Hiseman (der hier feinfühliger agiert als bei Mike Taylor) und es erschien als LP in einer Auflage von 99 (unten). 2007 und 2015 gab es CD-Reissues, ich habe das erste mit dem umgedrehten Cover (Design: Barry Guy), ein Vinyl-Reissue gab es in Japan beim Atelier Sawano. Interessant ist hier zu hören, wie auch die Avantgarde nicht im luftleeren Raum stattfindet bzw. Form annimmt: im Gegensatz zu Wolfgang Dauner hat Riley seinen Evans und mehr absorbiert, „Sweet and Lovely“ zum Einstieg ist ja auch unweigerlich ein Hinweis auf Monk. Im Repertoire hat das Trio aber auch „Nardis“, „Spring Is Here“ und „What’s New“, spielt eine „Romance“ von Darius Milhaud und drei Originals von Riley, „Sunflower, „Children at Play“ und als Closer „Folk Theme No. 1“.
Ich mag das alles sehr gerne, obwohl ich das nach wie vor nicht eingeordnet kriege … neben Evans und Monk und Milhaud höre ich durchaus auch etwas Impressionismus (im kaum erkennbaren „Spring Is Here“ etwa, wo Hiseman die Becken wie Gongs schwingen lässt, während Guy eine eigenständige Stimme spielt. Bley haben die drei sicher auch gehört, bei Taylor vermutlich nur Sachen aus den frühen Jahren, die sie nicht direkt umsetzen? „What’s New“ ist eine der intensivsten Nummern – da könnte Bley irgendwie reinspielen, in manchen Clustern vielleicht auch Taylor – aber wie der in England rezipiert wurde (ob er dort je gespielt hat in den Sechzigern? oder ob Riley und andere Engländer – Parker, Bailey? – auch mal nach Frankreich reisten, um die Amis dort zu hören) ist mir völlig unbekannt. Jedenfalls scheint das oft schon eigene Wege zu finden – und sich oft für die Freiheit zu entscheiden. Und die bedeutet natürlich nicht wie bei Legrand, dass man im Tonalen bleibt und sich findet sondern durchaus wildes Spiel am Klavier, einen aus allem ausbrechenden gestrichenen Bass, von Time völlig freie Drums, wie im Closer, dessen Titel eigentlich nur ironisch zu verstehen ist.
Hi-Fi ist das alles leider nicht (sieht nach kompletter Eigenproduktion aus, wenn man sich die Bilder bei Discogs anschaut), aber es klingt gut genug, dass man alles mitkriegt – und der Bass klingt eigentlich sehr gut. Und Guys Spiel ist schon ziemlich fertig ausgeprägt, dünkt mich, auch arco hat er alles im Griff, wirkt sicher, sehr frei, zugleich sehr melodisch … was für ein grossartiger Musiker.

Morgen geht’s dann mit 1968 weiter, die Sechziger abschliessen sollte ich über die Weihnachtstage hinkriegen, dann ist noch ordentlich Zeit für einiges aus den Siebzigern.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbadanke für die texte, die letzten beiden alben (3 sounds, legrand) kommen auf den zettel für danach.

pullen, genus, nash, random thoughts (1990)
noch ein trio-album, bevor pullen eine neue band gründet, dieses mal mit jungen leuten, die schon auf dem klassizismus-trip sind und seine verwirbelungen begleiten wie israels/bunker, was im kontrast nicht ohne reiz ist. tatsächlich baut pullen hier seine soli organischer auf, als er es mit peacock/willimans musste. auch das ist oft schön: erst mal den groove etablieren, laufen lassen, akkorde verschieben, langsam mit den so verrückten wie selsbtgefundenen rhytmisierten kaskaden in die spiralbewegung gehen, schließlich cluster und wisch. mir scheint das noch stärker auf monk bezogen zu sein (obwohl, das war NEW BEGINNINGS auch schon), bis in die spielweise: der klassische monk-abwärtslauf ist bei ihm ein glissando mit handkante und knöchel, und in den soloentwicklungen ins freie spielt er die monk-drehtänze gleich mit. à propos: „the dancer“ ist eine sehr schöne ballade, sowas gab es ja auf dem vorgängeralbum gar nicht. aber klassizist ist pullen nie geworden, dafür stand seine musik immer fest in ihrer gegenwart, auch als sozialer/politischer kommentar – „endangered species: african american youth“ startet mit einem quasi-hiphop-rhythmus und schaukelt sich zur raserei auf; „ode to life“ ist dagegen ein zärtlicher letzter gruß an die secret love maurice quesnell. man kann jemanden wie pullen nicht als selbstverständlich nehmen – obwohl er sicher nicht vom himmel gefallen ist, ist seine sprache völlig einzigartig, das fällt mir im vergleich wieder sehr auf.
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Danke meinerseits! Mal schauen, ob ich es noch zum Feel Trio schaffe. Seit meinem „catch up“ mit Parker vor wohl bald 10 Jahren überfällig, die Aufnahmen wieder anzuhören!
Jetzt läuft mobil (unterwegs zur ersten Feier dieses Jahr) doch noch das hier von 1964:

The Max Roach Trio Featuring The Legendary Hasaan | Ein wuchtiges Album voller harter Kanten, schroffer Riffs, Scherben und Trümmer, die mal zusammengesetzt, dann durcheinandergewirbelt werden. Bleibt für mich auch nach bald dreissig Jahren ein nur teilweise durchdringliches Rätsel. Klar: Monk (nirgendwo so deutlich wie im langen Solo-Intro des Closers „To Inscribe“), Nichols, dahinter Ellington („Din-Ka Street“ ist im Intro ja nah an „Come Sunday“) … parallel so jemand wie Valdo Williams oder Lowell Davidson … und Elmo Hope, dem die betörende Ballade „Hope so Elmo“ gewidmet ist.
Und wo ich hier gerade über Pullen lese drängt sich ein neuer Gedanke auf: Ist Hasaans kinetische Wucht, mit ihren sich überschlagenden Riffs und Clustern, vielleicht eine Quelle von Pullen? Oder auch eher eine Parallele?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-wind
Und wo ich hier gerade über Pullen lese drängt sich ein neuer Gedanke auf: Ist Hasaans kinetische Wucht, mit ihren sich überschlagenden Riffs und Clustern, vielleicht eine Quelle von Pullen? Oder auch eher eine Parallele?interessante idee, habe ich das nie so gehört, müsste ich nochmal überprüfen. das hasaan-album hat bisher bei mir überhaupt nicht eingehakt.
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The Max Roach Trio Featuring The Legendary Hasaan | Ein wuchtiges Album voller harter Kanten, schroffer Riffs, Scherben und Trümmer, die mal zusammengesetzt, dann durcheinandergewirbelt werden. Bleibt für mich auch nach bald dreissig Jahren ein nur teilweise durchdringliches Rätsel. Klar: Monk (nirgendwo so deutlich wie im langen Solo-Intro des Closers „To Inscribe“), Nichols, dahinter Ellington („Din-Ka Street“ ist im Intro ja nah an „Come Sunday“) … parallel so jemand wie Valdo Williams oder Lowell Davidson … und Elmo Hope, dem die betörende Ballade „Hope so Elmo“ gewidmet ist. Und wo ich hier gerade über Pullen lese drängt sich ein neuer Gedanke auf: Ist Hasaans kinetische Wucht, mit ihren sich überschlagenden Riffs und Clustern, vielleicht eine Quelle von Pullen? Oder auch eher eine Parallele?Für mich das durchaus faszinierende an diesem Album, dass es auch auch nach zahlreichen Hörgängen unnahbar, geradezu geheimnisvoll bleibt und hinter jeder sich öffnenden Tür eine neue Mauer (ent)steht ….
Bei Don Pullen scheint der Hauptbezugspunkt wohl Thelonious Monk (wie auch die Solo Piano Hommage aus den mitt80ern durchaus hörenswert belegt), Hasaan erscheint mir – besonders schon aufgrund/im Vergleich der Kompositionen – eher unwahrscheinlich …. aber was wissma schon ….
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Schlagwörter: Jazz, Piano, Piano Trio
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