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Michel Legrand – At Shelly’s Manne-Hole | Nicht nur US-Pianisten kriegten bei Verve mal ein Luxus-Live-Album spendiert. Auch Michel Legrand kam im Spätsommer 1968 in den Genuss: am 5. September wurde sein Trio mit Ray Brown und Hausherr Shelly Manne im Shelly’s Manne-Hole in L.A. live aufgenommen. Legrand war in Hollywood, um den Soundtrack für „Sweet November“ aufzunehmen und alberte im Studio am Klavier herum, als Manne meinte: „‚You know, you ought to play at my club some time.‘ He hadn’t played in public for quite a while, but he liked the idea. About a month later we got together. We had one rehearsal and that was it.“ – Ray Brown ergänzt: „The rehearsal didn’t mean too much, except that it convinced us the best thing we could do would be just to go in the club and play. It was a very interesting, very exciting week. After my 15 years on the road in the Oscar Peterson Trio, where we got so that each of us always knew just what the other wanted to do, this was a real contrast and a real challenge.“ (Beide Zitate aus den Liner Notes von Leonard Feather; bei Brown fehlt vermutlich ein „close“, aber auch auf der LP).
Legrands Klavier funkelt … vielleicht gaukelt er uns die halbe Zeit was vor, aber das Ergebnis kann sich echt hören lassen, etwa wenn er die Melodie von „A Time for Love“ spielt und ausschmückt – da gelingt es ihm stellenweise wirklich, das Klavier singen zu lassen und seine ganzen Läufe und Arpeggien sind bei aller Virtuosität immer geschmackvoll und dienen nur dem Stück. Grosse, romantische Klavierkunst. Der Titel des Openers, „The Grand Brown Man“, liest sich heute etwas zweifelhaft, aber Feather erklärt, dass das ein Pun auf die Namen der drei ist – und „acknowledges the communal effort involved“. „Ray’s Riff“ ist ein 3/4 im Blues-Schema und nach dem Opener die zweite Gemeinschaftskomposition – on the spot nehme ich an, Feather schreibt von „intuitive creations“. Legrand weiss, wie man ein Solo aufbaut, wird Chorus für Chorus dichter, funkier, wuchtiger und endet mit einem dicken akkordischen Teppich. Das Peterson Trio habe ich ja völlig ausgelassen dieses Mal … aber einigermassen im Ohr ist es, und es ist toll, Brown in anderem Rahmen zu hören – natürlich souverän wie immer, mit grossartigem Beat und ebensolchem Ton. Es geht weiter mit Hits („Watch What Happens“ aus dem Soundtrack des Erfolgsfilmes „Les Parapluies de Cherbourg“), Klassikern („My Funny Valentine“ mit Gesang sans paroles von Legrand im Duo mit Browns Bass), Favoriten („Willow Weep for Me“ – ein absolutes Highlight hier, wie man auch dem Publikum anmerkt) und weiteren gemeinsamen Stücken („Another Blues“ und der völlig freie Closer „Los Gatos“). Ich bin ja kein besonders grosser Fan von Legrand dem Pianisten (ganz anders als von Legrand, dem kongenialen Jacques Demy-Sidekick und wundersam begabten Alleskönner, bis hin zum späten Lieder-Album mit Nathalie Dessay) – aber das ist ein echt faszinierendes Album, das auch zeigt, dass die drei alle einigermassen auf der Höhe der Zeit waren und wussten, was rund um sie geschah.


Das Originalcover ist wohl unmöglich zu photographieren (das oben in blau ist die CD von 1988) … und für die frz. Ausgabe ein Jahr später wurde mit der pinken Hose (passt super zum roten Rahmen – nicht) noch der Beweis erbracht, dass der Mann auch wirklich ein Sohn der selbsternannten grande nation ist. Produziert haben – Creed Taylor war ja nicht mehr da – die Veteranen Jesse Kaye (seit 1947 bei MGM) und Nat Shapiro (neben weiteren Legrand-Alben gehen auch ein paar von Nina Simones RCA-Alben auf sein Konto)
Und ich pausiere jetzt mal Bill Evans, damit ich wenigstens noch bis in die Siebziger komme … wollte an sich das Trio mit Philly Joe Jones (die Aufnahmen zu „California Here I Come“ aus der Verve-Box und die weiteren Aufnahmen aus dem Village Vanguard in der „Secret Sessions“-Box) hören, bevor ich höchstens noch punktuell Evans einstreue, aber das sind allein nochmal 4-5 CDs.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba