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Tonhalle, Zürich – 16.09.2022
Tonhalle-Orchester Zürich
Paavo Järvi Music Director
Emmanuel Pahud FlöteToshio Hosokawa «Ceremony» für Flöte und Orchester – Uraufführung
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Anton Bruckner Sinfonie Nr. 8 c-MollGesprächskonzert mit Toshio Hosokawa – Museum Rietberg, Zürich – 17.09.2022
Toshio Hosokawa Komponist – Creative Chair, Gastkurator
Khanh Trinh Verantwortliche Sammlungen Japan im Museum Rietberg, Co-Kuratorin
Annette Bhagwati Direktorin Museum Rietberg, ModerationToshio Hosokawa «Kalligraphie» Sechs Stücke für Streichquartett
Loewe Quartett
Bastian Loewe, Violine
Livia Berchtold, Violine
Silas Zschocke, Viola
Alina Morger, CelloDann mal beides zusammen … vorgestern in der Tonhalle eine beeindruckende Aufführung von Bruckner 8 mit Järvi, davor Hosokawa, und dann gestern im Museum eine (für mich Banausen in solchen Dingen) überraschend interessante Ausstellung mit chinesischen Jade-Miniaturen und danach ein Gesprächskonzert mit Toshio Hosokawa.
In der Tonhalle ging es los mit der Uraufführung (nun, ich war ja am dritten und letzten Abend, die Uraufführung war genau genommen am Mittwoch, 14. September) von Hosokawas neuem Flötenkonzert „Ceremony“, das er für Emmanuel Pahud komponiert hat. Bisher kannte ich von Hosokawa fast nur die Aufnahmen von Momo Kodama auf ECM – also alles Klaviermusik (Etudes I-VI und „Lotus under the Moonlight“ für Klavier und Orchester, zudem den „Regentanz“ in der Einspielung der Percussions de Strasbourg von deren ganz hervorragendem 2019er-Album „Rains“). „Point and Line“ ist der Titel der Kodama-CD, auf der Etüden von Debussy und Hosokawa nebeneinander gestellt werden, und dass das ein sehr passender Titel ist, wurde mir gestern erst im Lauf des Gesprächs bewusst.
«Ich suche nach einer neuen Form spiritueller Kultur und Musik des japanischen Volkes, mit der ich sowohl mir selbst als auch meiner Herkunft treu bleibe. Wir müssen den Westen noch einmal und gründlicher studieren, um unsere Sicht auf uns zu objektivieren und uns selbst wirklich kennen zu lernen.» (Toshio Hosokawa)
Der 1955 geborene Hosokawa fand über das Klavier und die Faszination für die westliche Musik zu seinem eigenen Komponieren. Seine Familie war in anderen Bereichen dem traditionellem Kunsthandwerk verbunden – das oben eingestreute Zitat aus dem Programmheft verdeutlicht Hosokawas spätere Haltung dazu. Ysang Yun und Klaus Huber waren einst seine wichtigsten Lehrer. Hosokawa bezieht sich auf zen-buddhistische rituelle, also religiöse Musikformern, die Flöte ist ihm ein besonders nahes Instrument, da sie den Gesang der menschlichen Stimme erweitert – die Linie, das was wir eine „Melodie“ nennen würden, auch wenn Hosokawa wenig an Melodien, wie sie uns vertraut sind, interessiert scheint. Wenn er Spieltechniken der neuen Musik einsetzt, tut er das – so hat er es im Gespräch in etwa formuliert – nicht wie seine westlichen Kollegen (er war in jungen Jahren schon in Darmstadt) als eine Art Protest gegen oder Verweigerung von Konventionen. Er sucht im Gegenteil eine Annäherung an Klänge der Natur: die Töne, die entstehen, wenn der Wind durch den Bambuswalt bläst. Es gab ein paar Stellen, an denen Pahud auch seine Stimme einsetzte, und es gab eben immer wieder Passagen mit verzogenen Tönen, abrupt abbrechende, in einem absinkenden „slur“ endende Töne, ruppige Stakkati auch.
Im Programmheft wurde das Werk mit seinen fünf Teilen so aufgeführt:
«Ceremony» für Flöte und Orchester – Uraufführung
I. [Teil 1: Einleitung]
II. [Teil 2: Das absteigende Lied]
III. [Teil 3: Ein Ringen, ein Kampf gegen die reale Welt]
IV. [Teil 4: Kadenzen]
V. [Teil 5: Das letzte Kapitel. Läuterung]Und Hosokawa selbst lieferte eine Beschreibung:
«Ceremony» für Flöte und Orchester ist als Auftragswerk der Tonhalle-Gesellschaft Zürich und des Orchestra Ensemble Kanazawa entstanden. Die Komposition wurde zwischen Oktober 2021 und März 2022 komponiert und ist Emmanuel Pahud, dem ersten Interpreten, gewidmet.
In den meisten meiner Konzerte symbolisiert der Solist die Person und das Orchester das Universum und die Natur, die sich innerhalb und ausserhalb der Person ausbreitet. In diesem Stück symbolisiert der Solist den Schamanen und das Orchester die Welt, das Universum und die Natur, die der Schamane anruft. Der Schamane erschafft Klänge und sendet mit Hilfe des «Atems» Lieder in die Welt, um übernatürliche Kräfte zu beschwören. Ich glaube, dass die Musik aus den schamanischen Ritualen (Zeremonien) des Animismus, also dem Glauben, dass lebende Wesen wie unbelebte Objekte eine Seele besässen, entstanden ist. Die Flöte erzeugt Töne, indem sie ihren Atem in ein Rohr bläst. Im Griechischen bedeutet «pneuma» («Atem») «Wind» und darüber hinaus «Geist» oder «Seele». Der Atem des Flötisten hallt wie der Wind der Natur wider und wird zu einem Lied, das die Geister weckt.
Die Komposition besteht aus fünf Teilen:
Teil 1
Einleitung, das Lied der Beschwörung singt der Schamane, während er eine bezaubernde Melodie wiederholt, die zum Himmel aufsteigt.Teil 2
Das absteigende Lied, erinnert an die dunkle Unterwelt. Hier wechselt der Solist zur Altflöte.Teil 3
Ein Ringen, ein Kampf gegen die reale Welt. Der Flötist wechselt zur Piccoloflöte, dann zur Flöte und spielt intensive sowie schnelle Formen. Ein gewalttätiges Orchester attackiert diese.Teil 4
Kadenzen. Solo-Gesang des Schamanen.Teil 5
Das letzte Kapitel. Läuterung; der Flötist verschmilzt mit dem anhaltenden Klang einer Oktave von F-Tönen. Dann wird er Teil der Natur und verwandelt sich irgendwann in einen «Vogel».Der Flötist wechselt zwischen drei Instrumenten: Querflöte, Altflöte und Piccoloflöte. Diese rituelle Musik ist auch eine Gebetsmusik für das Ende der Pandemie, da sie während der Corona-Katastrophe komponiert wurde.
~ Toshio Hosokawa (aus dem Programmheft der Tonhalle)
Im Museum Rietberg versuchte Hosokawa dann auch, die Unterschiede zwischen seiner Vorgehensweise und dem Komponieren Bruckners ein zu erläutern. Bruckner baut auf Akkorden (die in Hosokawas Musik oft zu fehlen scheinen oder sich eher mal ergeben), auf Linien, Melodien, konstruiert daraus grosse, beeindruckende Gebilde, einem Architekten ähnlich. Hosokawa arbeitet hingegen mit einzelnen Tönen – und mit Gesten. Und da kommt die Kalligraphie ins Spiel. In einem Raum der Sammlungspräsentation des Museums Rietberg hat er ein paar japanische Tuschzeichnungen ausgewählt, dazu kamen drei neuere Werke der in der Nähe von Zürich lebenden Künstlerin Suishū T. Klopfenstein-Arii. Eines von ihnen habe ich oben eingestellt, es heisst „Schweigen, wie Donner“ – eine Art Zen-Rätsel. Kalligraphie, als „Schön-Schrift“, ist eigentlich irreführend, denn es ginge eher darum, einen genau vorbereiteten, durchdachten Akt möglichst rasch und in einer Linie auf dem Papier auszuführen. Daher rühren auch die Parallelen zu Schwertkampf, zu Karate. Er werde auch mal „karate composer“ genannt, meinte Hosokawa lächelnd. So gehe er mit Tönen auch um: die Geste, die den Ton vorbereitet, gehöre mit zum Ton. Und er Ton stirbt im Moment seiner Entstehung auch schon – es gibt nur diesen einen Moment, in dem das Werden und das Vergehen gleichermassen sichtbar sind. „Musik ist der Ort, an dem sich Töne und Schweigen begegnen“ hat Hosokawa einmal gesagt.
Ich hoffe, ich habe das nicht grundlegend missverstanden, er spricht leidlich gut Deutsch, suchte hie und da aber nach Worten, und die Direktorin des Rietberg redete drumherum sehr viel, in sehr geschliffenen Sätzen, die aber nicht immer viel Inhalt transportierten. Ein schöner Moment gab es gegen Anfang, als Hosokawa sich an Darmstadt erinnerte: oft sei da eine Stunde lang über theoretische Prinzipien gesprochen worden, auf denen ein Stück aufbaue – dann habe man endlich die Musik zu hören gekriegt. Und diese sei oft nicht so interessant gewesen. Die erste Hälfte des Gesprächs im Rietberg empfand ich ähnlich, aber eher umgekehrt: das Gespräch floss dahin, Hosokawa hatte zunächst wenig mitzuteilen (brachte aber eben den perfekt getimten Deadpan-Darmstadt-Moment unter), es ging eher um die Kalligraphie, das Arbeiten mit Tusche auf Papier (das Bild oben ist grossformatig, schätzungsweise einen Meter hoch und breit). Dann gab es die Musik – und einiges, was davor besprochen wurde, half dann doch, die Ohren zu schärfen.
Die Streicher spielten mal liegende Töne – Linien –, dann wieder schroffe, kurze – Punkte, Hiebe, schnell ausgeführte Striche. Ein Komponist der Vertikale sei er (im Raum nebenan hingen auch Schriftrollen, vertikal natürlich), aber das habe sich auf die Notation nicht übertragen lassen, aus praktischen Gründen, weil niemand mit 90 Grad verdrehtem Kopf Noten lesen und spielen mag. die Vertikale, das sind diese kurzen Gesten, die abbrechen – der Tod der Töne. Der Tod. Die Aufführung durch ein sehr junges Streichquartett aus Studierenden der Zürcher Hochschule der Künste war exzellent. Der Gestus der Musik schien mir ganz ähnlich wie der bei „Ceremony“: Linien, in denen nicht ein sauberer Klang gesucht wird, sondern Linien, die sich ständig bewegen, sei es durch mikrotonale Verschiebungen, ein heterogener (aber nicht akkordischer) Klang, den die vier Streicher*innen erzeugten – und dann eben auch diese schroffen Brüche, Schläge, Hiebe, Pinselstriche: schnell und präzis ausgeführt, auf den Punkt. Das Vor und Nach den Tönen, die Stille, vor der die Musik erst entsteht – das „Schweigen, wie Donner“ eben – nicht zu vergessen. Und die Transparenz, die Durchsichtigkeit, die auch im Pinselstrich von Klopfenstein-Arii zu sehen ist: die Stellen, an denen der breite Pinseltrich aufgelöst wird, die Haare oder Borsten fast einzeln sichtbar werden. Auch das findet sich in der Musik Hosokawas wieder.
Der anschliessende zweite Teil des Gespräches war dann aufschlussreicher, fand ich, es ging nur noch um Musik bzw. Hosokawas eigenes Verhältnis zur Schreibkunst, Khanh Trinh setzte sich nicht noch einmal auf die Bühne. Aufschlussreich waren auch kurze Tonbeispiele für buddhistischen Tempelgesang (er meinte, das sei so etwas ähnliches wie die Gregorianik im Westen, eine Art Fundament, auf dem alles folgende aufbaue, ebenfalls keine polyphone Musik, aber eben auch kein homogen reiner klang) sowie von einer Shakuhachi, einer Bambusflöte, an deren Klang sich das Konzert mit Pahud orientierte.
Hosokawa zeigte sich erfreut über die Aufführung von „Kalligraphie“. Auf die Frage nach seiner Notationsweise meinte er, diese sei sehr präzise – aber natürlich müssten die Künstler*innen die Werke entstehen lassen, natürlich gebe es Spielraum zur Gestaltung. Er hätte aber weder mit dem Loewe Quartett noch mit Pahud über die Werke unterhalten, hätte bei nur ein paar Hinweise zu den Tempi („den Teil etwas schneller“) gegeben, den Rest hätten die Musiker*innen selbst sehr gut umgesetzt und ihre Sichtweise der Werke gefunden.
Ein toller Einstand in die neue Saison – und daran hatte natürlich auch der für meine Ohren sehr stimmige, stringente und klanglich wunderbar gestaltete Bruckner seinen Anteil. Das Tonhalle Orchester glänzte wahrlich, Järvi dirigierte auf seine angenehme, unaufgeregte Art – und holte aus dem Orchester mal wieder alles heraus. Und auch aus dem Saal. Ich habe mich ja nicht so richtig freuen mögen über den Umzug zurück in die altgediente Halle am See – aber die Klangfülle (bis an die Schmerzgrenze), die geboten wurde, wäre in der Tonhalle-Maag (wo die Achte 2017 zuletzt unter Welser-Möst aufgeführt worden war, auch das war ein Erlebnis) schlicht nicht möglich gewesen. Eine allmähliche Versöhnung also … und dass ich wieder meine Stehplätze in der hintersten Reihe der linken Gallerie habe (wie früher, vor dem Umzug in die Maag) ist auch ganz gut. Nachteil: sitzend sehe ich kaum etwas. Vorteil: gegenüber den Plätzen in Reihe 1 im Parkett ist der Klang natürlich viel ausgeglichener. Und ich kann ja aufstehen, ohne wem die Sicht zu verdecken. Für „Ceremony“ habe ich das getan, beim Bruckner dann nur zwischendurch ab und zu einmal, z.B. um einen Blick auf die Wagner-Tuben zu erheischen. Dass dieses Werk quasi als Apotheose der Musik des 19. Jahrhunderts gehandelt wird, leuchtet mir irgendwie ein, auch wenn solche Aussagen natürlich wenig sinnvoll sind.
Ein Zitat von Paavo Järvi aus dem Programmheft zum Abschluss:
Diese Sinfonie hat eine unglaubliche Grösse in ihrer Gestaltung, ihrer Anlage. Alle anderen Sinfonien haben noch eine gewisse Intimität. Und diese bleibt im Adagio auch im besten Sinne erhalten. Aber in den anderen Sätzen ist ein neues Bewusstsein spürbar. […] Das erwartet man bei Bruckner nicht. Ein Bewusstsein darüber, wo er steht und wer er ist. Als Ganzes ist das ein monumentales Werk – mehr als alle anderen Bruckner-Sinfonien. Die Fünfte kommt dieser Idee nahe, aber die Achte ist wirklich sein Gipfelpunkt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deWerbung
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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@ „gypsy“ : Dank für Deine ausführlichen Impressionen ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Neue Konzertreihe Zürich – Tonhalle, Zürich – 18.09.2022
Collegium Vocale Gent
Philippe Herreweghe, Leitung
Dorothee Mields & Barbora Kabátková, Sopran
William Knight & Benedict Hymas, Altus
Samuel Boden & Reinoud Van Mechelen, Tenor
Peter Kooij & Wolf Matthias Friedrich, BassMonteverdi Vespro della Beata Vergine «Marienvesper»
Und gestern schon wieder in die Tonhalle – eine grossartige Aufführung von Monterverdis Vespro della Beata Vergine (das ist die mit dem Kukuckskind, nicht?). Das war eins der ersten Vokalwerke, die bei mir richtig einschlugen, als ich damit anfing, klassische Musik zu hören, im Konzert konnte ich das Werk aber noch nie erleben. Die Vielfalt, die durch immer neue Gruppierungen der Stimmen (es sind acht Lagen, die üblichen vier greifen zu kurz, Kabátková sang meist etwas tiefere Passagen als Mields, aber ohne die Partitur zu kennen, ist es auch im Konzert nicht leicht, das alles zu durchblicken – und ich wollte ja nicht die Partitur des einen Theorbenspielers stibitzen, die auf dem Foto zu sehen ist.
Auf der anderen Seite sass noch ein Herr mit Theorbe in der ersten Reihe ganz vorn, dazwischen die acht Solist*innen, die sich ein paar Mal umgruppierten (zu Beginn standen sie in etwa der obigen Reihenfolge, später tauschten immer wieder ein paar von ihnen die Plätze. Zwei der drei Posaunen gesellten sich auch mal zum Chor, und Samuel Boden ging ganz nach hinten in die Ecke für die Echo-Passagen im „Nisi Dominus“. Boden und der mir schon aus Charpentiers „Médée“ (er sang an der Seite von Stéphanie d’Oustrac den Jason in der grandiosen Aufführung am Opernhaus Zürich unter William Christie) bekannte Reinoud van Mechelen waren für meine Ohren die primi inter pares. Die Tenöre haben am meisten Arbeit (wo es ihrer drei bedurfte, gesellte sich einer der Counter dazu) und glänzten immer wieder. Mields sang wie erwähnt die hohen Sopran-Soli, und Kabátková leitete die Antiphone, die von vier Chorsängern gestaltet wurden (oder waren’s fünf? die Namen wurden netterweise im Programm extra erwähnt). Für die Motetten setzte Herreweghe sich auch mal hin und überliess den Solisten und dem Continuo den Raum. Instrumental waren es v.a. die erste Violine und der erste Zink, die hie und da etwas Raum kriegten, nicht nur in der „Sonata“, die ja leider das einzige (mehr oder minder) instrumentale Werk Monteverdis ist, das überliefert wurde (bei den Gonzaga in Mantua war instrumentale Musik sein täglich Brot).
Ein zutiefst bewegendes Konzert jedenfalls. Mich dünkte, die Sänger*innen hatten viel Raum für Gestaltung und haben diesen auch immer genutzt, manche Verzierungen waren sehr virtuos, aber immer der Musik dienlich. Der immense musikalische Reichtum dieses Werkes, die Vielfalt der verwendeten Kompositionsweisen und Stilmittel haben sich mir jedenfalls noch einmal neu erschlossen.
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gypsy-tail-wind
Collegium Vocale Gent Philippe Herreweghe, Leitung Dorothee Mields & Barbora Kabátková, Sopran William Knight & Benedict Hymas, Altus Samuel Boden & Reinoud Van Mechelen, Tenor Peter Kooij & Wolf Matthias Friedrich, Bass Monteverdi Vespro della Beata Vergine …. Kabátková sang meist etwas tiefere Passagen als Mields …. Ein zutiefst bewegendes Konzert jedenfalls. Mich dünkte, die Sänger*innen hatten viel Raum …. Der immense musikalische Reichtum dieses Werkes, die Vielfalt der verwendeten Kompositionsweisen und Stilmittel haben sich mir jedenfalls noch einmal neu erschlossen.
Die tschechische Sopranistin Barbora Kabatkova würde ich auch gern mal sehen/hören ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Ich kannte sie zumindest wissentlich noch nicht, ebensowenig die zwei als „Altus“ geführten Sänger. Bei Friedrich bin ich auch nicht ganz sicher, aber ich glaub, den habe ich auf Aufnahmen schon gehört. Die Solist*innen sind übrigens exakt die, die auch auf der CD von 2017 zu hören sind (dort ist aber die Instrumentierung etwas üppiger – auf der aktuellen Tour gibt es 2 Violine, 2 Violas, 1 Cello, 1 Violone, 1 Orgel, 2 Theorben, 3 Posaunen und 2 Zinke) – auf der CD tauchen noch Flöten, Blockflöten und ein Cembalo auf und es gibt 3 Zinken:
https://www.discogs.com/release/11995482-Claudio-Monteverdi-Collegium-Vocale-Gent-Philippe-Herreweghe-Vespro-Della-Beata-Vergine
Die Chor-Verlinkung auf Discogs ist vermutlich Unsinn, der Chor ist ja das Collegium Vocale Gent, vermutlich steht einfach – wie im Programm fürs gestrige Konzert – dass es da auch eine „Schola Gregoriana“ gibt, aber die ist in Wahrheit ein „choir within the choir“, bei dem auf CD auch die beiden Altus-Solisten mitwirken – das taten sie gestern nicht oder sicher nicht immer, ich konnte nicht immer alles sehen, zu viele Notenständer und schlechter Blick auf den Chor …--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaStaatsoper Wien – 05.10.2022
VON DER LIEBE TOD
DAS KLAGENDE LIED. KINDERTOTENLIEDER.
Musik Gustav MahlerDas klagende Lied Märchenspiel für Soli, gemischten Chor und großes Orchester
Text Gustav Mahler nach Ludwig Bechstein und den Brüdern GrimmKindertotenlieder
Text Friedrich RückertMusikalische Leitung Lorenzo Viotti
Inszenierung Calixto Bieito
Bühne Rebecca Ringst
Kostüme Ingo Krügler
Licht Michael Bauer
Bühnenbildassistenz Annett HungerSopran Vera-Lotte Boecker
Alt Monika Bohinec
Tenor Daniel Jenz
Bariton Florian Boesch
Knabenstimme (Sopran) Johannes Pietsch
Knabenstimme (Alt) Jonathan MertlDas war ein reichlich seltsamer Mahler-Abend, den die Wiener Staatsoper ausrichtete – mit Promo-Video vom Intendanten und dazu Anti-Promo vom musikalischen Leiter Philippe Jordan (Kurier-Interview, Paywall, konnte es im Kaffee querlesen – er ist im vollen Text kluger und nachdenklicher als in dem Bisschen, was man in der Vorschau zu sehen kriegt, da klingt er wie ein Alterweissermannkulturkrieger, das ist er zum Glück nicht geworden).
Den Auftakt machte das „Klagende Lied“ mit dem oben genannten Solistenquartett (am Alt gab es – mglw. erst nach der Premiere? – einen Wechsel) – ich hatte das Werk überhaupt nicht präsent, kenne es noch kaum. Und hatte auch „dank“ der Regie ordentlich Mühe, reinzufinden. Das Orchester unter Viotti (Hausdebut, glaube ich?) war hervorragend, mich dünkte, auch da und dort etwas vom besonderen Wiener Streicherglanz zu hören. Was mir allerdings auch aufgefallen ist: immer wieder in der Kantate wurde es wahnsinnig laut. An die Schmerzgrenze und darüber hinaus. Der Chor besonders klang für meine Ohren manchmal fast schon unkultiviert – aber das war ein Trugschluss, alles war unter Kontrolle. Ich mag es ja, wenn es in der Oper auch mal knallt, aber stellenweise war es mir echt fast zu viel. Ob das am Raum liegt? Oder schlicht an der Grösse des Orchesters, das um die 100 Musiker*innen zählte? Obendrein war der Graben relativ weit hochgefahren, vielleicht auch daran? Die Stimmen der Solist*innen kämpften dann nicht immer erfolgreich gegen die Klangmassen an, machten ihre Sache aber alles in allem gut. Die beiden Knaben (Wiener Sängerknaben?) fand ich schwierig – einerseits nicht ganz intonationssicher, andererseits noch viel leiser und manchmal fast komplett verschluckt vom Schlund der Töne. Trug der Chor im ersten Teil von der Decke hängende Topfpflanzen vor sich (sie stellten den Wald dar, in dem die Handlung angesiedelt ist), so senkte sich danach ein riesiger Kabelbaum von der Decke herab, an dem die Sängerinnen und Sänger des Chors zerrten, sich nicht von ihm ablösen konnten, sich verhedderten etc. Das erzeugte ein permanentes Klappergeräusch, das sich zur Musik aus dem Graben gesellte – und irritierte zunächst, nervte mit der Zeit.
Nach dem Ende der Kantate färbte sich die Bühne pink – Blut? – und es ging ohne Unterbruch weiter mit den „Kindertotenliedern“, mit dem umwerfenden Florian Boesch sowie Monika Bohinec. Und das war sehr berührend, sehr intensiv – und kam dabei ganz ohne das „Geknalle“ davor aus, Lautstärke macht eben keine Intensität. Das Orchester glänzte noch schöner als davor, dünkte mich, Viottis Leitung überzeugte jedenfalls unterm Strich sehr – denn eben: auch in den lauten Passagen schien er stets die Zügel in der Hand zu haben, alles genau zu steuern. In dieser zweiten Hälfte blieben die nicht mehr benötigten Solist*innen teils als Überreste auf der Bühne zurück, Jenz hing jesusartig an den Halterungen des Kabelbaums, die im „Klagenden Lied“ vielleicht am überzeugendsten agierende Boecker lag zusammengeklappt auf der Bühne, der eine Knabe lag in einem weissen Sack neben dem Soufflierkasten. Die Bühne war also still, wie es sich gehörte, im Hintergrund wurden die drei Bühnenwände mit seltsamen „Graffiti“ bepinselt … und als Boesch und Bohinec am Ende langsam von der Bühne verschwanden – ohne Worte, das war wirklich grossartig. Und damit ein sehr versöhnlicher Schluss, der in der Bilanz den Abend doch ganz gut machte. Davor stimmte zwar die musikalische Hälfte der Darbietung trotz gewisser Vorbehalte, aber das Bühnengeschehen fand ich nervig und zugleich die Musik irgendwie unterlaufend, eher kontraproduktiv.
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@ „gypsy“ : Dank für Deine „Wiener“ Eindrücke …. ja das Theather von Roscic vs Jordan (bis 2025 !) auf Basis unseres Steuergeldes ist befremdlich …. to say the least ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)… aber vielleicht war Bieitos Inszenierung jetzt genau so ein Fall von unsensibler Regie, wie Jordan sie bemängelt? Die Ränge waren auch alles andere als voll. Verständlich nach den Rezensionen, von denen ich online diese hier gelesen hatte:
https://www.derstandard.at/story/2000139571369/wiener-staatsoper-gustav-mahlers-oper-die-er-nie-schrieb
Wobei mein Fazit ja eher etwas positiver ist … wobei „markant“ ein toller Diss für die zwei Knaben istUnd dort steht ja noch der Name der Alt-Solistin, die eigentlich vorgesehen war (Tanja Ariane Baumgartner) – ich tippe mal auf rätselhafte Atemwegerkrankung, wie sie ganz offensichtlich auch in Wien derzeit umgeht?
PS: bin ja selber völlig offen und mag die biedere übliche Opernregie oft gar nicht (erst recht, wenn sie auch noch handwerklich schlecht gemacht ist, was ja leider auch da vorkommt) … aber grad die Musik stören sollte das Bühnengeschehen natürlich auch bei „moderneren“ Ansätzen schon nicht. Am beglückendsten finde ich Oper aber meist dann, wenn eine gute nicht-traditionelle Regie mit einem guten Ensemble zusammenfindet. Konservative Oper ist für mein Empfinden trotz aller Unkenrufe gegen Regietheater ein Auslaufmodell, das mit der heutigen Rentner*innengeneration aussterben wird (wie die Oper überhaupt, wenn sie das eben nicht in den Griff kriegt … den Stadttheatern geht es ja genau gleich … hier grad wieder Vorwürfe von wegen die inklusiven Direktoren täten jene mobben, die nicht auf Linie seien … in Wien fürderhin die „Maria Stuart“ gesehen und für wahrlich grandios befunden, dank Beglau und Minichmayr).
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gypsy-tail-wind … aber vielleicht war Bieitos Inszenierung jetzt genau so ein Fall von unsensibler Regie, wie Jordan sie bemängelt? Die Ränge waren auch alles andere als voll. Verständlich nach den Rezensionen, von denen ich online diese hier gelesen hatte: https://www.derstandard.at/story/2000139571369/wiener-staatsoper-gustav-mahlers-oper-die-er-nie-schrieb Wobei mein Fazit ja eher etwas positiver ist … wobei „markant“ ein toller Diss für die zwei Knaben ist
Und dort steht ja noch der Name der Alt-Solistin, die eigentlich vorgesehen war (Tanja Ariane Baumgartner) – ich tippe mal auf rätselhafte Atemwegerkrankung, wie sie ganz offensichtlich auch in Wien derzeit umgeht?
Ich bin ja kein grosser Freund der ex-post Erklärung von Komponistenintentionen ….Roscic ist ein eher Ahnugsloser und Jordan (berufsbedingt) ein Gockel …. ja (nicht nur) in Wien scheint COVID-19 wieder ziemlich Fahrt aufzunehmen …. jetzt werden wir sicher wieder wochenlang die Maskenpflicht in öffentlichen Räumen politisch …. diskutieren ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)In der Aussenperspektive ist das alles tatsächlich reichlich seltsam … aber mich dünkt eigentlich, dass es inzwischen aus dem Innenleben von Theatern so viel Kuriositäten zu erfahren gab, dass eigentlich nichts mehr überrascht. Hier war ja die grosse Frage, ob Intendant Homoki (der auch ein okayer Regisseur ist und v.a. auch gute Leute bringt, die abseits von abgespacetem Regietheater gute Sachen machen) auch gleich geht, als Fabio Luisi ging … zum Glück nicht (denke ich – soll aber keine Aussage über den mir völlig unbekannten designierten Nachfolger sein, Matthias Schulz, den ich gar nicht kenne). Das sind seltsame Gebilde, erst recht, wenn noch eine dritte Person als sowas wie der oberste Verwalter/Finanzer mitmischelt (das wäre dann Roscic?) und dabei auch noch das Rampenlicht sucht. Die Idee vom Künstlerintendanten hat in Zürich dank/mit Homoki jedenfalls gut funktioniert und tut dies allem Anschein nach auch mit dem neuen GMD Giandrea Noseda weiterhin (noch bis 2025, dann übernimmt Schulz). Aber die Situation dass der künstlerische die Finanzen nicht im Griff/Blick hat gab es dafür vor knapp 20 Jahren und sie läutete leider das Ende der grossartigen Marthaler-Ära ein. Seltsame und fragile Gebilde. Und, ja, beim Zürcher Kammerorchester lief vor kurzerm (schon in der Zeit mit Daniel Hope) was aus dem Ruder, da steht noch ein Verein dahinter, der irgendwie die Geldsäcke vertritt, deren Engagement das Überleben sichert … dort ist jetzt ein Frauentrio an der Spitze, eine Ex-Stadträtin [Exekutive], die den Verein vertritt, und von der Geschäftsstelle des Orchesters eine künstlerische Leitung/Intendantin und eine kaufmännische … den Saisonauftakt, das eine mal, als ich dabei war, noch vor der Pandemie, bestritten die dann gleich zu dritt, und danach übernahm Hope den musikalischen Teil).
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Konzerthaus Berlin, Kleiner Saal
Iberoamerikanische Musik im Wandel der Zeit IINoé Inui, v.; Jorge Herrera Santander, git. ; LUX NOVA Duo = Lydia Schmidl, acc. & Jorge Paz Verastegui, git.;
Rungholt Ensemble Hamburg, Dirigentin: Mercedes Diaz Garcia
Veranstalter: Botschaft von SpanienKUBA: Leo Brouwer – „Variaciones después de Beethoven“ für Akkordeon, Gitarre und Orch.
ARGENTINIEN: Astor Piazzolla/Arr. Desyatnikov – Primavera & Invierno Porteños“ für Violine+Streicher
Pause
KOLUMBIEN: Catalina Rueda – „Big Mouth“ für Akkordeon, Gitarre und Orch. (UA)
SPANIEN: Manuel Moreno Buendia – „Concierto Goyesco“ für Gitarre und Orch. (DEA)In der letzten Woche war ich bei einer Veranstaltung der Spanischen Botschaft im Konzerthaus. Leider wurde vor oder während des Konzertes gar nicht zum Publikum gesprochen, was ich schade fand. Auch um zu erfahren, wie es zu dieser Auswahl kam o.ä. Zum Rungholt Ensemble Hamburg weiß ich noch nicht sehr viel, aber ich habe schon Videos auf yt entdeckt (ebenfalls mit Dirigentin Mercedes Diaz Garcia) , die ich mir mal nach und nach anschauen werde.
Ich bin nicht so der Akkordeon Fan – daher war es gut, gleich zwei Werke mit diesem Instrument zu hören… und bei zeitgenössischer Musik gefällt es mir dann doch aufgrund der Klangvielfalt (insbesondere bei den leisen Tönen) ganz gut.
Das Programm fand ich gut gestaltet. Das LUX NOVA Duo (Akkordeon+Gitarre.) war in den „Variaciones después de Beethoven“ von Leo Brouwer und vor allem bei „Big Mouth“ von Catalina Rueda solistisch aktiv. „Big Mouth“ war wirklich spannend; es gab viel zu hören. Keine Ahnung, ob es in diesen Zeiten noch eine Chance auf eine VÖ hat, über ein Wiederhören würde ich mich freuen. Zwischen den Werken für Akkordeon, Gitarre & Orch. dann zwei von Piazzollas „Jahreszeiten“ mit Noé Inui an der Violine. Das „Concierto Goyesco“ von Manuel Moreno Buendia mit Jorge Herrera Santander an der Gitarre fing sehr interessant an, zwischendrin mit Szenenapplaus für den Gitarristen, aber die Spannung konnte leider nicht gehalten werden – das Konzert plätscherte dann aus.--
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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yaiza Sa, 15.10.2022 Konzerthaus Berlin, Kleiner Saal Iberoamerikanische Musik im Wandel der Zeit II Noé Inui, v.; Jorge Herrera Santander, git. ; LUX NOVA Duo = Lydia Schmidl, acc. & Jorge Paz Verastegui, git.; Rungholt Ensemble Hamburg, Dirigentin: Mercedes Diaz Garcia Veranstalter: Botschaft von Spanien KUBA: Leo Brouwer – „Variaciones después de Beethoven“ für Akkordeon, Gitarre und Orch. ARGENTINIEN: Astor Piazzolla/Arr. Desyatnikov – Primavera & Invierno Porteños“ für Violine+Streicher Pause KOLUMBIEN: Catalina Rueda – „Big Mouth“ für Akkordeon, Gitarre und Orch. (UA) SPANIEN: Manuel Moreno Buendia – „Concierto Goyesco“ für Gitarre und Orch. (DEA) In der letzten Woche war ich bei einer Veranstaltung der Spanischen Botschaft im Konzerthaus. Leider wurde vor oder während des Konzertes gar nicht zum Publikum gesprochen, was ich schade fand. Auch um zu erfahren, wie es zu dieser Auswahl kam o.ä. Zum Rungholt Ensemble Hamburg weiß ich noch nicht sehr viel, aber ich habe schon Videos auf yt entdeckt (ebenfalls mit Dirigentin Mercedes Diaz Garcia) , die ich mir mal nach und nach anschauen werde. Ich bin nicht so der Akkordeon Fan – daher war es gut, gleich zwei Werke mit diesem Instrument zu hören… und bei zeitgenössischer Musik gefällt es mir dann doch aufgrund der Klangvielfalt (insbesondere bei den leisen Tönen) ganz gut. Das Programm fand ich gut gestaltet. Das LUX NOVA Duo (Akkordeon+Gitarre.) war in den „Variaciones después de Beethoven“ von Leo Brouwer und vor allem bei „Big Mouth“ von Catalina Rueda solistisch aktiv. „Big Mouth“ war wirklich spannend; es gab viel zu hören. Keine Ahnung, ob es in diesen Zeiten noch eine Chance auf eine VÖ hat, über ein Wiederhören würde ich mich freuen. Zwischen den Werken für Akkordeon, Gitarre & Orch. dann zwei von Piazzollas „Jahreszeiten“ mit Noé Inui an der Violine. Das „Concierto Goyesco“ von Manuel Moreno Buendia mit Jorge Herrera Santander an der Gitarre fing sehr interessant an, zwischendrin mit Szenenapplaus für den Gitarristen, aber die Spannung konnte leider nicht gehalten werden – das Konzert plätscherte dann aus.
Danke …. apropos kein „Akkordeon Fan“, wäre da Astor Piazzola nicht von Hilfe …. ?
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)So, 23.10.2022
Konzerthaus Berlin, Kleiner Saal
O Lungo (D)rom – Der lange Weg
Ein Oratorium zur Geschichte der Sinti und Roma (Uraufführung)
Komponist: Ralf Yusuf Gawlick
Veranstalter: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Johanna Zimmer (Sopran); Georg Gädker (Bariton); László Racz (Cimbalom)
Alban Berg Ensemble Wien: Sebastian Gürtler, v. / Régis Bringolf, v./ Subin Lee, va./ Florian Berner, vc. / Silvia Careddu, fl./ Alexander Neubauer, cl./ Ariane Haering, p.Bisher hörte ich selten so gute Begrüßungen/Einleitungen vor dem eigentlichen Werk.
Bei Uraufführungen ist es immer schön, wenn die Komponisten anwesend sind, wenn sie dann noch kurz zu dem Werk sprechen ist das toll und wenn sie -wie gestern durch Ralf Yusuf Gawlick- länger aus- bzw. einführen, dann ist das einfach ein Geschenk ans Publikum.
Zuvor hielt Romani Rose, Vors. des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, eine interessante Begrüßungsrede. Interessant – da er eben auch kurz auf Roma-Einflüsse in Flamenco & Jazz, aber auch in der klassischen Musik (als Bsp. Janós Bihari wiki) einging.
Vor 10 Jahren wurde in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas (wiki) eingeweiht. Heute findet dazu eine Veranstaltung mit dem Bundespräsidenten statt. Romani Rose sprach deutlich aus, dass auch der Weg zu diesem Denkmal ein langer (1985-2012) und beharrlicher war. Das Oratorium „O Lungo (D)rom – Der lange Weg“ ist Romani Rose gewidmet.Aufgeführt wurde es vom Alban Berg Ensemble Wien, der Sopranistin Johanna Zimmer und Bariton Georg Gädker sowie László Racz am Cimbalom. Das Oratorium in in drei Teile (Aufstieg – Nadir – Vista) geteilt. Das Libretto besteht aus Texten von 13 Autoren und Autorinnen in zehn Sprachen. In der Festschrift zur Veranstaltung war der Text im Original und den Übers. dt.+engl. abgedruckt und entsprechend mit Fußnoten (Kurzinfo zu Autor*in, Titel des Texts und Sprache) versehen.
Im ersten Teil „Aufstieg“ geht es um die vielen Wege, Kreuzungen, Aufbrüche, Weiterziehen, Zusammenleben mit anderen Völkern, aber auch Ablehnung, Fragen nach einer Gemeinschaft usw. Nach einer Einleitung mit Violine solo baute sich der Gesang langsam auf. Der zweite Teil „Nadir“ (im Text mit „Tiefstand“ übersetzt) widmet sich dem Holocaust. Die Sänger gingen zum Rezitieren über. Die ausgewählten Texte (manchmal nur zwei Zeilen) waren sehr prägnant. Der dritte Teil ist mit „Vista“ (Ausblick) betitelt.
Die Musik blieb das Oratorium über in einer sehr ruhigen Stimmung. Sie baute sich langsam auf, es gab viele Dialoge zwischen zwei Instrumenten, dann kam mal ein drittes dazu, bevor wieder eine Solopassage in eine andere Kombi überleitete.Wenn ich es richtig verstanden habe, setzt sich das Alban Berg Ensemble aus den Mitgliedern des Hugo Wolf – Quartetts + Silvia Careddu, Flöte, Alexander Neubauer an der Klarinette und Ariane Haering am Klavier zusammen. Das Zusammenspiel mit László Racz fand ich außerordentlich gut. Ich genoss es auch, wenn das Zymbal/Cimbalom allein erklang. Johanna Zimmer und Georg Gädker sangen und sprachen auf sehr ruhige Weise und meisterten den Text in 10 Sprachen (Respekt!).
Ich wünsche dem Komponisten und den Aufführenden, dass es noch weitere Aufführungen gibt. Im Saal stand das Publikum wie in einer Welle auf und gab den in einem Halbkreis stehenden zehn Musikern und dem Komponisten einen langen Applaus.--
soulpope
Danke …. apropos kein „Akkordeon Fan“, wäre da Astor Piazzola nicht von Hilfe …. ?
danke… Bandoneon geht mir ganz gut ins Ohr (vom Klang her flexibler, finde ich)…
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(Foto: Monika Rittershaus (c) Opernhaus Zürich)Opernhaus Zürich – 18.10.2022
Die Walküre
Richard Wagner (1813-1883)
Erster Tag des Bühnenfestspiels «Der Ring des Nibelungen». Libretto von Richard WagnerMusikalische Leitung Gianandrea Noseda
Inszenierung Andreas Homoki
Ausstattung Christian Schmidt
Künstlerische Mitarbeit Bühnenbild Florian Schaaf
Lichtgestaltung Franck Evin
Dramaturgie Werner Hintze, Beate BreidenbachSiegmund Eric Cutler
Hunding Christof Fischesser
Wotan Tomasz Konieczny
Sieglinde Daniela Köhler
Fricka Patricia Bardon (stumm) / Christa Mayer (vom Bühnenrand)
Brünnhilde Camilla Nylund
Helmwige Sarah Cambidge
Gerhilde Julie Adams
Ortlinde Justyna Bluj
Waltraute Anna Werle
Siegrune Simone McIntosh
Rossweisse Susannah Haberfeld
Grimgerde Freya Apffelstaedt
Schwertleite Nana DzidziguriPhilharmonia Zürich
Statistenverein am Opernhaus ZürichBin reichlich spät dran und mehr als ein paar lose Gedanken kriege ich eh nicht hin … die letzte Gelegenheit (Derniere) war eine Volksvorstellung mitten unter der Woche. Müde wie ich bin alles andere als optimal, zumal die drei Akte auch noch durch zwei lange Pausen zerdehnt wurden, die Aufführung von 17 bis nach 22 Uhr dauerte (die Pausen dauerten zusammen nochmal so lange wie ein Akt). Da es sich um eine Volksvorstellung handelt (massiv günstigere Preise, die teuersten Karten so bei 75 statt 300) war ich froh, dass ich überhaupt einen halbwegs tauglichen Platz fand (den allerletzten im Parkett) und nicht hinter einer Säule oder im toten Winkel einer Loge landete (meine erste Karte verfiel, weil ich flach lag am vorgesehenen Abend). Die Bühne sieht man natürlich toll vom Parkett aus, dafür nichts vom Orchester und Dirigenten (den Kopf und die Arme manchmal), vor mir aber leider ein Sitzriese, der im dritten Akt aber nicht mehr kam (ich bin nicht klein, grösser wohl als der Mann vor mir, und da war noch eine Stufe zwischen den Reihen, half aber nicht viel). Das fände ich nicht schlimm, was mich aber viel mehr störte, war der mässige Klang: das Orchester war hervorragend – finde ich ja eh immer wieder, aber so nah (10. Reihe oder so, etwa Mitte im Parkett, etwas an der Seite) mischt sich der Klang einfach noch nicht schön, da bin ich von meinen billigen Plätzen ganz oben sehr anderes gewohnt! Kurzfristig viel Patricia Bardon (Fricka) aus – sie spielte zwar ihre Figur, aber Christa Mayer (gemäss Ansage landete ihr Flieger in etwa um 17 Uhr, als die Aufführung begann – Fricka taucht zum Glück erst im 2. Akt auf) sang vom Bühnenrand. Den Notenständer, den sie vor sich hatte, stellte sich nach wenigen Takten zur Seite.
Was die Aufführung angeht: die ganzen schlauen Erklärungen und Interpretationen, die es zum Ring gibt, der Wagners Weltsicht(en) darstelle, je nach Lesart natürlich ganz unterschiedlich – dieser ganze Überbau, der für mich „Rheingold“ quasi zum Metaphernspiel machte und damit den Plot erträglich, der fehlte mir in der „Walküre“ völlig. Klar, dazu müsste man die vier Teile am Stück sehen (das geht wohl in einer kommenden Saison auch, im Herbst 2023 soll der letzte Teil erklingen, und danach (ob Frühling 2024 oder erst in der Saison 2024/25 weiss ich grad nicht mehr) gibt es das ganze auch nochmal als Zyklus zu sehen. So, als einzelnen Abend, tat ich mich mit dem albernen Geschehen halt wieder etwas schwer. Die Inszenierung von Homoki fand ich allerdings in Ordnung, unaufdringlich, präzise in der Führung der Darsteller*innen, mit dem Bühnenbild, Licht usw. alles sehr gut abgestimmt.
Am wichtigsten also, bzw. was halt bleibt: die Musik. Und die war trotz der kleineren Widrigkeiten umwerfend gut. Noseda hat gerade – wie am Wochenende bekannt gegeben wurde – seinen Vertrag um drei Jahre verlängert, was sicher als gutes Zeichen verstanden werden darf: Chef und Orchester verstehen sich, musizieren erfolgreich zusammen. Die Besetzung schein mir geradezu optimal, wirklich alle Rollen (auch Mayers Fricka) hervorragend gesungen, allen voran zunächst Koniecznys Wotan, der im Laufe des Abends von Nylunds Brünnhilde etwas überstrahlt wurde.
Für mich am Ende eine etwas ambivalentere Erfahrung als „Rheingold“ (oder der „Holländer“), aber in der Hinsicht bleibt wohl „Parsifal“ für mich nicht zu toppen. Ich freue mich auf die Fortsetzung im Frühling und werde mich irgendwann 2024, wenn dann alle Teile gelaufen sind, auch mal hinter Aufnahmen des „Rings“ klemmen, um dieses gewaltige, irre, bekloppte Ding etwas weiter zu erforschen.
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(Foto: Carole Parodi, gtg.ch)Grand Théâtre Genève – 23.10.2022
Katia Kabanova (Káťa Kabanová)
Opéra de Leoš Janáček
Livret de Vincenc Červinka d’après L’Orage d’Alexandre Ostrovski (Création en 1921 au Théâtre de Brno)Direction musicale Tomáš Netopil
Mise en scène Tatjana Gürbaca
Scénographie Henrik Ahr
Costumes Barbara Drosihn
Lumières Stefan Bolliger
Dramaturgie Bettina Auer
Direction des chœurs Alan WoodbridgeKatia Kabanova Corinne Winters
Boris Grigorjevič Aleš Briscein
Marfa Ignatěvna (Kabanicha) Elena Zhidkova
Tichon Ivanyč Kabanov Magnus Vigilius
Savël Prokofjevič Dikój Tómas Tómasson / Sami Luttinen
Váňa Kudrjaš Sam Furness
Varvara Ena PongracChœur du Grand Théâtre de Genève
Orchestre de la Suisse RomandeVorletzten Sonntag gab’s dann eine müde Exkursion nach Genf. Fünfeinhalb Stunden Zugfahrt für eineinhalb Stunden Oper – dankenswerterweise ohne Pause. Leider war ich tatsächlich ziemlich müde und meine Konzentration daher eher mässig. Aber dass Janáceks Oper grossartige Musik bietet, so viel habe ich schon mitgekriegt. In Genf gab’s auf dem Weg in die Oper, leider bei bedecktem Wetter, noch einen kleinen Spaziergang – ein paar Schnappschüsse drüben.
Mit Netopil stand der richtige Mann am Pult des OSR (das ich zum ersten Mal in Aktion erlebte), mit Corinne Winters war dieselbe Sängerin in der Titelrolle zu hören, die die Rolle im Sommer auch in Salzburg sang, und sie als eine ihrer „signature roles“ betrachtet. Die Genfer Aufführung ist eine Ko-Produktion mit der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg. Gürbacas Regie konnte nicht auf ein paar derbe Bauerntölpel-Einfälle verzichtet – das fand ich etwas schade, aber kann nicht beurteilen, ob das im Stück bzw. der literarischen Vorlage so angelegt ist. Lacher, die den ganzen Saal (der leider recht leer blieb, 20. Jahrhundert halt
) füllen, brauche ich bei so einem intensiven, fesselnden Stück eigentlich nicht.
Ich sass dieses Mal wieder ganz oben, im „amphithéâtre“, wie es in Genf heisst, auf dem obersten, sehr grossen Balkon, auf einem etwas zu teuren Platz in der ersten Reihe (ich hätte dort eine Messiaen-Oper sehen wollen, was Corona zum Opfer fiel, und löste meinen Gutschein ein – es geht dort oben aber auch ein Platz weiter hinten, die Tribüne ist steil und der Blick nach unten auch weiter hinten gut (beim obigen Link gibt es zwei Schnappschüsse aus dem Saal, von meinem Platz aus). Mit meiner eben nicht zum besten bestellten Konzentration liess ich mich die meiste Zeit von der Musik mittragen – und das war schon sehr, sehr toll! Ich verstehe leider von der Sprache kein Wort, aber wie Janácek diese rhythmisiert, wie er Worte und Musik immer wieder engführt, fasziniert mich sehr. Die Orchestrierung fand ich sehr reich an Klängen, die auf verschiedenste Weise kombiniert wurden. Wahnsinnig schön!
Winters – die ich jetzt drei oder vier Jahre nicht mehr hörte, nachdem ich sie davor in relativ kurzer Zeit als Mélisande, als Violetta und als Solistin im Verdi-Requiem gehört hatte – in der Titelrolle geradezu perfekt. Das Ensemble auf der Bühne war ebenfalls gut, vielleicht eine Spur weniger ausgeglichen als in der Walküre? Wenn ich das richtig verstanden habe, sprang Sami Luttinen kurzfristig für den indisponierten Tómasson ein – aber auch das kein Grund zur Sorge. Nächste Mal gehe ich dann aber wohl mal in eine normale Abendvorstellung (d.h. dann mit Übernachtung) nach Genf. Ist für die laufende Saison aber nicht vorgesehen (dafür kaufe ich wohl noch eine Karte für Bolognes „Anonymen Liebhabe“ im Theater St. Gallen – diese Rarität möchte ich mir nicht entgehen lassen … mit „Barkouf“ in Zürich müsste ich wohl dasselbe tun, sehe aber gerade noch nicht, wie ich das schaffen sollte).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: Kammermusik, Klassik, klassische Musik, Konzertberichte, Lied, Oper
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