Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Über die Klasse der Klassik › Konzertimpressionen und -rezensionen › Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen
Neue Konzertreihe Zürich – Tonhalle, Zürich – 18.09.2022
Collegium Vocale Gent
Philippe Herreweghe, Leitung
Dorothee Mields & Barbora Kabátková, Sopran
William Knight & Benedict Hymas, Altus
Samuel Boden & Reinoud Van Mechelen, Tenor
Peter Kooij & Wolf Matthias Friedrich, Bass
Monteverdi Vespro della Beata Vergine «Marienvesper»
Und gestern schon wieder in die Tonhalle – eine grossartige Aufführung von Monterverdis Vespro della Beata Vergine (das ist die mit dem Kukuckskind, nicht?). Das war eins der ersten Vokalwerke, die bei mir richtig einschlugen, als ich damit anfing, klassische Musik zu hören, im Konzert konnte ich das Werk aber noch nie erleben. Die Vielfalt, die durch immer neue Gruppierungen der Stimmen (es sind acht Lagen, die üblichen vier greifen zu kurz, Kabátková sang meist etwas tiefere Passagen als Mields, aber ohne die Partitur zu kennen, ist es auch im Konzert nicht leicht, das alles zu durchblicken – und ich wollte ja nicht die Partitur des einen Theorbenspielers stibitzen, die auf dem Foto zu sehen ist.
Auf der anderen Seite sass noch ein Herr mit Theorbe in der ersten Reihe ganz vorn, dazwischen die acht Solist*innen, die sich ein paar Mal umgruppierten (zu Beginn standen sie in etwa der obigen Reihenfolge, später tauschten immer wieder ein paar von ihnen die Plätze. Zwei der drei Posaunen gesellten sich auch mal zum Chor, und Samuel Boden ging ganz nach hinten in die Ecke für die Echo-Passagen im „Nisi Dominus“. Boden und der mir schon aus Charpentiers „Médée“ (er sang an der Seite von Stéphanie d’Oustrac den Jason in der grandiosen Aufführung am Opernhaus Zürich unter William Christie) bekannte Reinoud van Mechelen waren für meine Ohren die primi inter pares. Die Tenöre haben am meisten Arbeit (wo es ihrer drei bedurfte, gesellte sich einer der Counter dazu) und glänzten immer wieder. Mields sang wie erwähnt die hohen Sopran-Soli, und Kabátková leitete die Antiphone, die von vier Chorsängern gestaltet wurden (oder waren’s fünf? die Namen wurden netterweise im Programm extra erwähnt). Für die Motetten setzte Herreweghe sich auch mal hin und überliess den Solisten und dem Continuo den Raum. Instrumental waren es v.a. die erste Violine und der erste Zink, die hie und da etwas Raum kriegten, nicht nur in der „Sonata“, die ja leider das einzige (mehr oder minder) instrumentale Werk Monteverdis ist, das überliefert wurde (bei den Gonzaga in Mantua war instrumentale Musik sein täglich Brot).
Ein zutiefst bewegendes Konzert jedenfalls. Mich dünkte, die Sänger*innen hatten viel Raum für Gestaltung und haben diesen auch immer genutzt, manche Verzierungen waren sehr virtuos, aber immer der Musik dienlich. Der immense musikalische Reichtum dieses Werkes, die Vielfalt der verwendeten Kompositionsweisen und Stilmittel haben sich mir jedenfalls noch einmal neu erschlossen.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba