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(Foto: Monika Rittershaus (c) Opernhaus Zürich)
Opernhaus Zürich – 18.10.2022
Die Walküre
Richard Wagner (1813-1883)
Erster Tag des Bühnenfestspiels «Der Ring des Nibelungen». Libretto von Richard Wagner
Musikalische Leitung Gianandrea Noseda
Inszenierung Andreas Homoki
Ausstattung Christian Schmidt
Künstlerische Mitarbeit Bühnenbild Florian Schaaf
Lichtgestaltung Franck Evin
Dramaturgie Werner Hintze, Beate Breidenbach
Siegmund Eric Cutler
Hunding Christof Fischesser
Wotan Tomasz Konieczny
Sieglinde Daniela Köhler
Fricka Patricia Bardon (stumm) / Christa Mayer (vom Bühnenrand)
Brünnhilde Camilla Nylund
Helmwige Sarah Cambidge
Gerhilde Julie Adams
Ortlinde Justyna Bluj
Waltraute Anna Werle
Siegrune Simone McIntosh
Rossweisse Susannah Haberfeld
Grimgerde Freya Apffelstaedt
Schwertleite Nana Dzidziguri
Philharmonia Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Bin reichlich spät dran und mehr als ein paar lose Gedanken kriege ich eh nicht hin … die letzte Gelegenheit (Derniere) war eine Volksvorstellung mitten unter der Woche. Müde wie ich bin alles andere als optimal, zumal die drei Akte auch noch durch zwei lange Pausen zerdehnt wurden, die Aufführung von 17 bis nach 22 Uhr dauerte (die Pausen dauerten zusammen nochmal so lange wie ein Akt). Da es sich um eine Volksvorstellung handelt (massiv günstigere Preise, die teuersten Karten so bei 75 statt 300) war ich froh, dass ich überhaupt einen halbwegs tauglichen Platz fand (den allerletzten im Parkett) und nicht hinter einer Säule oder im toten Winkel einer Loge landete (meine erste Karte verfiel, weil ich flach lag am vorgesehenen Abend). Die Bühne sieht man natürlich toll vom Parkett aus, dafür nichts vom Orchester und Dirigenten (den Kopf und die Arme manchmal), vor mir aber leider ein Sitzriese, der im dritten Akt aber nicht mehr kam (ich bin nicht klein, grösser wohl als der Mann vor mir, und da war noch eine Stufe zwischen den Reihen, half aber nicht viel). Das fände ich nicht schlimm, was mich aber viel mehr störte, war der mässige Klang: das Orchester war hervorragend – finde ich ja eh immer wieder, aber so nah (10. Reihe oder so, etwa Mitte im Parkett, etwas an der Seite) mischt sich der Klang einfach noch nicht schön, da bin ich von meinen billigen Plätzen ganz oben sehr anderes gewohnt! Kurzfristig viel Patricia Bardon (Fricka) aus – sie spielte zwar ihre Figur, aber Christa Mayer (gemäss Ansage landete ihr Flieger in etwa um 17 Uhr, als die Aufführung begann – Fricka taucht zum Glück erst im 2. Akt auf) sang vom Bühnenrand. Den Notenständer, den sie vor sich hatte, stellte sich nach wenigen Takten zur Seite.
Was die Aufführung angeht: die ganzen schlauen Erklärungen und Interpretationen, die es zum Ring gibt, der Wagners Weltsicht(en) darstelle, je nach Lesart natürlich ganz unterschiedlich – dieser ganze Überbau, der für mich „Rheingold“ quasi zum Metaphernspiel machte und damit den Plot erträglich, der fehlte mir in der „Walküre“ völlig. Klar, dazu müsste man die vier Teile am Stück sehen (das geht wohl in einer kommenden Saison auch, im Herbst 2023 soll der letzte Teil erklingen, und danach (ob Frühling 2024 oder erst in der Saison 2024/25 weiss ich grad nicht mehr) gibt es das ganze auch nochmal als Zyklus zu sehen. So, als einzelnen Abend, tat ich mich mit dem albernen Geschehen halt wieder etwas schwer. Die Inszenierung von Homoki fand ich allerdings in Ordnung, unaufdringlich, präzise in der Führung der Darsteller*innen, mit dem Bühnenbild, Licht usw. alles sehr gut abgestimmt.
Am wichtigsten also, bzw. was halt bleibt: die Musik. Und die war trotz der kleineren Widrigkeiten umwerfend gut. Noseda hat gerade – wie am Wochenende bekannt gegeben wurde – seinen Vertrag um drei Jahre verlängert, was sicher als gutes Zeichen verstanden werden darf: Chef und Orchester verstehen sich, musizieren erfolgreich zusammen. Die Besetzung schein mir geradezu optimal, wirklich alle Rollen (auch Mayers Fricka) hervorragend gesungen, allen voran zunächst Koniecznys Wotan, der im Laufe des Abends von Nylunds Brünnhilde etwas überstrahlt wurde.
Für mich am Ende eine etwas ambivalentere Erfahrung als „Rheingold“ (oder der „Holländer“), aber in der Hinsicht bleibt wohl „Parsifal“ für mich nicht zu toppen. Ich freue mich auf die Fortsetzung im Frühling und werde mich irgendwann 2024, wenn dann alle Teile gelaufen sind, auch mal hinter Aufnahmen des „Rings“ klemmen, um dieses gewaltige, irre, bekloppte Ding etwas weiter zu erforschen.
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(Foto: Carole Parodi, gtg.ch)
Grand Théâtre Genève – 23.10.2022
Katia Kabanova (Káťa Kabanová)
Opéra de Leoš Janáček
Livret de Vincenc Červinka d’après L’Orage d’Alexandre Ostrovski (Création en 1921 au Théâtre de Brno)
Direction musicale Tomáš Netopil
Mise en scène Tatjana Gürbaca
Scénographie Henrik Ahr
Costumes Barbara Drosihn
Lumières Stefan Bolliger
Dramaturgie Bettina Auer
Direction des chœurs Alan Woodbridge
Katia Kabanova Corinne Winters
Boris Grigorjevič Aleš Briscein
Marfa Ignatěvna (Kabanicha) Elena Zhidkova
Tichon Ivanyč Kabanov Magnus Vigilius
Savël Prokofjevič Dikój Tómas Tómasson / Sami Luttinen
Váňa Kudrjaš Sam Furness
Varvara Ena Pongrac
Chœur du Grand Théâtre de Genève
Orchestre de la Suisse Romande
Vorletzten Sonntag gab’s dann eine müde Exkursion nach Genf. Fünfeinhalb Stunden Zugfahrt für eineinhalb Stunden Oper – dankenswerterweise ohne Pause. Leider war ich tatsächlich ziemlich müde und meine Konzentration daher eher mässig. Aber dass Janáceks Oper grossartige Musik bietet, so viel habe ich schon mitgekriegt. In Genf gab’s auf dem Weg in die Oper, leider bei bedecktem Wetter, noch einen kleinen Spaziergang – ein paar Schnappschüsse drüben.
Mit Netopil stand der richtige Mann am Pult des OSR (das ich zum ersten Mal in Aktion erlebte), mit Corinne Winters war dieselbe Sängerin in der Titelrolle zu hören, die die Rolle im Sommer auch in Salzburg sang, und sie als eine ihrer „signature roles“ betrachtet. Die Genfer Aufführung ist eine Ko-Produktion mit der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg. Gürbacas Regie konnte nicht auf ein paar derbe Bauerntölpel-Einfälle verzichtet – das fand ich etwas schade, aber kann nicht beurteilen, ob das im Stück bzw. der literarischen Vorlage so angelegt ist. Lacher, die den ganzen Saal (der leider recht leer blieb, 20. Jahrhundert halt ) füllen, brauche ich bei so einem intensiven, fesselnden Stück eigentlich nicht.
Ich sass dieses Mal wieder ganz oben, im „amphithéâtre“, wie es in Genf heisst, auf dem obersten, sehr grossen Balkon, auf einem etwas zu teuren Platz in der ersten Reihe (ich hätte dort eine Messiaen-Oper sehen wollen, was Corona zum Opfer fiel, und löste meinen Gutschein ein – es geht dort oben aber auch ein Platz weiter hinten, die Tribüne ist steil und der Blick nach unten auch weiter hinten gut (beim obigen Link gibt es zwei Schnappschüsse aus dem Saal, von meinem Platz aus). Mit meiner eben nicht zum besten bestellten Konzentration liess ich mich die meiste Zeit von der Musik mittragen – und das war schon sehr, sehr toll! Ich verstehe leider von der Sprache kein Wort, aber wie Janácek diese rhythmisiert, wie er Worte und Musik immer wieder engführt, fasziniert mich sehr. Die Orchestrierung fand ich sehr reich an Klängen, die auf verschiedenste Weise kombiniert wurden. Wahnsinnig schön!
Winters – die ich jetzt drei oder vier Jahre nicht mehr hörte, nachdem ich sie davor in relativ kurzer Zeit als Mélisande, als Violetta und als Solistin im Verdi-Requiem gehört hatte – in der Titelrolle geradezu perfekt. Das Ensemble auf der Bühne war ebenfalls gut, vielleicht eine Spur weniger ausgeglichen als in der Walküre? Wenn ich das richtig verstanden habe, sprang Sami Luttinen kurzfristig für den indisponierten Tómasson ein – aber auch das kein Grund zur Sorge. Nächste Mal gehe ich dann aber wohl mal in eine normale Abendvorstellung (d.h. dann mit Übernachtung) nach Genf. Ist für die laufende Saison aber nicht vorgesehen (dafür kaufe ich wohl noch eine Karte für Bolognes „Anonymen Liebhabe“ im Theater St. Gallen – diese Rarität möchte ich mir nicht entgehen lassen … mit „Barkouf“ in Zürich müsste ich wohl dasselbe tun, sehe aber gerade noch nicht, wie ich das schaffen sollte).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba