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So, 23.10.2022
Konzerthaus Berlin, Kleiner Saal
O Lungo (D)rom – Der lange Weg
Ein Oratorium zur Geschichte der Sinti und Roma (Uraufführung)
Komponist: Ralf Yusuf Gawlick
Veranstalter: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Johanna Zimmer (Sopran); Georg Gädker (Bariton); László Racz (Cimbalom)
Alban Berg Ensemble Wien: Sebastian Gürtler, v. / Régis Bringolf, v./ Subin Lee, va./ Florian Berner, vc. / Silvia Careddu, fl./ Alexander Neubauer, cl./ Ariane Haering, p.
Bisher hörte ich selten so gute Begrüßungen/Einleitungen vor dem eigentlichen Werk.
Bei Uraufführungen ist es immer schön, wenn die Komponisten anwesend sind, wenn sie dann noch kurz zu dem Werk sprechen ist das toll und wenn sie -wie gestern durch Ralf Yusuf Gawlick- länger aus- bzw. einführen, dann ist das einfach ein Geschenk ans Publikum.
Zuvor hielt Romani Rose, Vors. des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, eine interessante Begrüßungsrede. Interessant – da er eben auch kurz auf Roma-Einflüsse in Flamenco & Jazz, aber auch in der klassischen Musik (als Bsp. Janós Bihari wiki) einging.
Vor 10 Jahren wurde in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas (wiki) eingeweiht. Heute findet dazu eine Veranstaltung mit dem Bundespräsidenten statt. Romani Rose sprach deutlich aus, dass auch der Weg zu diesem Denkmal ein langer (1985-2012) und beharrlicher war. Das Oratorium „O Lungo (D)rom – Der lange Weg“ ist Romani Rose gewidmet.
Aufgeführt wurde es vom Alban Berg Ensemble Wien, der Sopranistin Johanna Zimmer und Bariton Georg Gädker sowie László Racz am Cimbalom. Das Oratorium in in drei Teile (Aufstieg – Nadir – Vista) geteilt. Das Libretto besteht aus Texten von 13 Autoren und Autorinnen in zehn Sprachen. In der Festschrift zur Veranstaltung war der Text im Original und den Übers. dt.+engl. abgedruckt und entsprechend mit Fußnoten (Kurzinfo zu Autor*in, Titel des Texts und Sprache) versehen.
Im ersten Teil „Aufstieg“ geht es um die vielen Wege, Kreuzungen, Aufbrüche, Weiterziehen, Zusammenleben mit anderen Völkern, aber auch Ablehnung, Fragen nach einer Gemeinschaft usw. Nach einer Einleitung mit Violine solo baute sich der Gesang langsam auf. Der zweite Teil „Nadir“ (im Text mit „Tiefstand“ übersetzt) widmet sich dem Holocaust. Die Sänger gingen zum Rezitieren über. Die ausgewählten Texte (manchmal nur zwei Zeilen) waren sehr prägnant. Der dritte Teil ist mit „Vista“ (Ausblick) betitelt.
Die Musik blieb das Oratorium über in einer sehr ruhigen Stimmung. Sie baute sich langsam auf, es gab viele Dialoge zwischen zwei Instrumenten, dann kam mal ein drittes dazu, bevor wieder eine Solopassage in eine andere Kombi überleitete.
Wenn ich es richtig verstanden habe, setzt sich das Alban Berg Ensemble aus den Mitgliedern des Hugo Wolf – Quartetts + Silvia Careddu, Flöte, Alexander Neubauer an der Klarinette und Ariane Haering am Klavier zusammen. Das Zusammenspiel mit László Racz fand ich außerordentlich gut. Ich genoss es auch, wenn das Zymbal/Cimbalom allein erklang. Johanna Zimmer und Georg Gädker sangen und sprachen auf sehr ruhige Weise und meisterten den Text in 10 Sprachen (Respekt!).
Ich wünsche dem Komponisten und den Aufführenden, dass es noch weitere Aufführungen gibt. Im Saal stand das Publikum wie in einer Welle auf und gab den in einem Halbkreis stehenden zehn Musikern und dem Komponisten einen langen Applaus.
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