Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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  • #11865331  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

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    latho
    Wo also die Gegner der Identitären ausnahmslos zu den Rechtsextremen gehören, wenn ich den Dialog auf mich beziehe?

    Zunächst mal sind die Identitären Rechtsextreme. Und nein, es geht nicht um Rechtsextreme (jedenfalls mir nicht). Es geht mir um Leute jedweder politischen Ausrichtung, die offensichtlich an irgendeinem Punkt beschlossen haben, dass es jetzt aber wirklich mal gut ist mit den Reformen und deshalb zu immer absurderen Argumentationen greifen und „Moving the goalposts“ auf olympischem Niveau betreiben. Egal ob das Autobahn-Geschwindigkeitsbegrenzungen, Rauchen in Innenräumen, die Rechtschreibreform, das generische Maskulinum oder sonstwas geht, was offensichtlich und beweisbar keine große Sache ist und im Rest der Welt ohne größere Probleme praktiziert wird.

    Und zum Thema: Verteidige doch bitte wenigstens den Film – um den geht’s doch. Karl May hier reinzuziehen, lenkt doch nur davon ab, was an dem Film gemeinhin (und auch von mir) kritisiert wird. Karl May ist nur wirklich der letzte, der mit diesem Industrieschmodder etwas zu tun hat. Und bei Karl May selbst sind wir uns doch hier im Thread auch mehr oder weniger einig. Ich sehe keinen Sinn darin, etwas zu verteidigen, was andere irgendwo in den Weiten des Internet meinen.

    zuletzt geändert von nicht_vom_forum

    --

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    #11865333  | PERMALINK

    wahr

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    latho

    nicht_vom_forum

    lathoDer grundsätzliche Fehler ist, dass man glaubt, Winnetou hätte etwas mit Realität, spezifisch der Realität der nordamerikanischen Indianer zu tun. Hat er nicht, wie auch? Winnetou ist Fantasy, Wunschtraum und wie Rapp in seinem SPON-Artikel schrieb, eigentlich immer wieder Karl May, der sich in dieser und anderen Figuren wiederfindet. Die Geschichten entstanden in den 1870ern, einer Zeit also, in dem die Plains-Indianer untergingen (Little Big Horn war da nur ein letzten Aufbäumen), waren wohl beeinflusst von Cooper und Ferry, vielleicht durch einzelne Pressemeldungen über die Freundschaft von Apachenanführer Cochise und Tom Jeffords (was Cochise nicht wirklich etwas brachte). Da fällt mir schwer, das mit Realität zu verbinden.

    Was hat das denn alles mit einem Kinderfilm im Jahr 2022 zu tun?

    Es hat etwas mit Winnetou zu tun, der ja mit auf der Anklagebank sitzt, egal wie weit der Film von May entfernt ist.

    Nun, der aktuelle Winnetou-Ableger ist 130 Jahre von „Winnetou I“ entfernt. In der Zwischenzeit haben es die ein oder anderen Erkenntnisse über die Native Americans auch bis Europa geschafft. Im neuen Franchise-Film/Buch ist das offenbar noch nicht angekommen. Und das ist das eigentliche Thema.

    zuletzt geändert von wahr
    #11865341  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

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    Beiträge: 0

    latho Es hat etwas mit Winnetou zu tun, der ja mit auf der Anklagebank sitzt, egal wie weit der Film von May entfernt ist.

    Zurückgezogen wurden aber nicht Karl-May-Bücher, und meines Wissens hat das auch niemand gefordert. Das Problem dieses neuen Films und der begleitenden Ravensburger-Literatur ist doch gerade das mutwillige Sich-Dumm-Stellen gegenüber jedem seit Mays Zeiten erzielten moralischen und historischen Erkenntnisfortschritt.

    Dass May ein Kind seiner Zeit war: ist doch logo. Manche seiner wirklich schauerlichen Rassenstereotypen vor allem in den Balkan/Kurdistan/Wüste-Romanen, aber auch bei der Schilderung verschlagener Chinesen und durchweg kindlich unterbelichteter Schwarzer kann man wohl damit entschuldigen, dass damals halt vielleicht die meisten so dachten. Man kann auf Mays Habenseite dafür die christliche Versöhnungsmystik anführen und eine Art ulkigen Westmann-Pazifismus, der immer nur aufs Knie, nie aufs Herz des Feindes zielt. Und man kann irgendwie hinnehmen, dass die genozidale Dimension der Erschließung des Westens (an der ich jedenfalls festhalte) bei May nur am Rande vorkommt.

    Aber im Jahr 2022 so zu tun, als seien wir alle in Sachen historischem Problembewusstsein auf dem Niveau des späten 19. Jahrhunderts festgetackert, finde ich schon stark kritisierenswert.

    --

    #11865343  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    wahr Nun, der aktuelle Winnetou-Ableger ist 130 Jahre von „Winnetou I“ entfernt. In der Zwischenzeit haben es die ein oder anderen Erkenntnisse über die Native Americans auch bis Europa geschafft. Im neuen Franchise-Film/Buch ist das offenbar noch nicht angekommen. Und das ist das eigentliche Thema.

    Sorry, grade erst gelesen. Damit hast du genau das kurz und präzise auf den Punkt gebracht, was ich soeben ungleich länglicher auszuführen versucht habe. Danke!

    --

    #11865345  | PERMALINK

    wahr

    Registriert seit: 18.04.2004

    Beiträge: 15,224

    bullschuetz

    wahr Nun, der aktuelle Winnetou-Ableger ist 130 Jahre von „Winnetou I“ entfernt. In der Zwischenzeit haben es die ein oder anderen Erkenntnisse über die Native Americans auch bis Europa geschafft. Im neuen Franchise-Film/Buch ist das offenbar noch nicht angekommen. Und das ist das eigentliche Thema.

    Sorry, grade erst gelesen. Damit hast du genau das kurz und präzise auf den Punkt gebracht, was ich soeben ungleich länglicher auszuführen versucht habe. Danke!

    Aber du hast es dafür nochmal viel anschaulicher und detaillierter beschrieben. Ich habe dir auch zu danken. :)

    #11865347  | PERMALINK

    stormy-monday
    Natural Sinner

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    talkinghead2

    wahrWollen wir noch über Redfacing reden?

    Oder über das „White Facing“ von Asiaten?

    Michael Jackson. Was’n das für einer? Warum ist eigentlich Beyoncé schwedisch- blond? Ich kapier den Scheiss nicht.

    --

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    #11865349  | PERMALINK

    stormy-monday
    Natural Sinner

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    latho

     

    Bei „seit 500 Jahren einem ständigen Völkermord ausgesetzt ist“ ausgemacht.

    Warum? Würde mich schon interessieren. Bin ja auf einer ähnlichen Spur wie Du unterwegs. Höre mir allerdings meistens alles an. Ja, ja, verschwendete Restlebenszeit. Klar. Dann hätte ich mir auch jedes manchmal durchaus interessante Gespräch mit Skinheads sparen können. Bereuen tu ich das nicht.

    --

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    #11865353  | PERMALINK

    latho
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    stormy-monday

    latho Bei „seit 500 Jahren einem ständigen Völkermord ausgesetzt ist“ ausgemacht.

    Warum? Würde mich schon interessieren. Bin ja auf einer ähnlichen Spur wie Du unterwegs. Höre mir allerdings meistens alles an. Ja, ja, verschwendete Restlebenszeit. Klar. Dann hätte ich mir auch jedes manchmal durchaus interessante Gespräch mit Skinheads sparen können. Bereuen tu ich das nicht.

     

    Dass das massenhafte Sterben der nordamerikanischen Indianer ein Völkermord sei, darüber haben wir uns hier ja schon unterhalten. Ich bin, wie zu lesen, der Meinung, es war keiner. Dass aber dieser Völkermord immer noch anhält, brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren.
    Folgt einigen Stimmen schwarzer Aktivisten, dass die Sklaverei immer noch anhält (die Sklaverei selber, nicht die Folgen).

    --

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    #11865357  | PERMALINK

    stormy-monday
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    bullschuetz

    latho Es hat etwas mit Winnetou zu tun, der ja mit auf der Anklagebank sitzt, egal wie weit der Film von May entfernt ist.

    Zurückgezogen wurden aber nicht Karl-May-Bücher, und meines Wissens hat das auch niemand gefordert. Das Problem dieses neuen Films und der begleitenden Ravensburger-Literatur ist doch gerade das mutwillige Sich-Dumm-Stellen gegenüber jedem seit Mays Zeiten erzielten moralischen und historischen Erkenntnisfortschritt. Dass May ein Kind seiner Zeit war: ist doch logo. Manche seiner wirklich schauerlichen Rassenstereotypen vor allem in den Balkan/Kurdistan/Wüste-Romanen, aber auch bei der Schilderung verschlagener Chinesen und durchweg kindlich unterbelichteter Schwarzer kann man wohl damit entschuldigen, dass damals halt vielleicht die meisten so dachten. Man kann auf Mays Habenseite dafür die christliche Versöhnungsmystik anführen und eine Art ulkigen Westmann-Pazifismus, der immer nur aufs Knie, nie aufs Herz des Feindes zielt. Und man kann irgendwie hinnehmen, dass die genozidale Dimension der Erschließung des Westens (an der ich jedenfalls festhalte) bei May nur am Rande vorkommt. Aber im Jahr 2022 so zu tun, als seien wir alle in Sachen historischem Problembewusstsein auf dem Niveau des späten 19. Jahrhunderts festgetackert, finde ich schon stark kritisierenswert.

    Yo zu allem.

    Zum Geschwärzten: Da sind recht wenige zu der Zeit auf Unisitzen rumgelümmelt, eh?

    Zum Thread: Danke für Eure sehr klugen, sehr ausführlichen und sehr mit viel untermauertem Wissen geschriebenen Beiträge. Ich kann sowas gar nicht.

     

    --

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    #11865361  | PERMALINK

    stormy-monday
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    latho

    stormy-monday

    latho Bei „seit 500 Jahren einem ständigen Völkermord ausgesetzt ist“ ausgemacht.

    Warum? Würde mich schon interessieren. Bin ja auf einer ähnlichen Spur wie Du unterwegs. Höre mir allerdings meistens alles an. Ja, ja, verschwendete Restlebenszeit. Klar. Dann hätte ich mir auch jedes manchmal durchaus interessante Gespräch mit Skinheads sparen können. Bereuen tu ich das nicht.

    Dass das massenhafte Sterben der nordamerikanischen Indianer ein Völkermord sei, darüber haben wir uns hier ja schon unterhalten. Ich bin, wie zu lesen, der Meinung, es war keiner. Dass aber dieser Völkermord immer noch anhält, brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren. Folgt einigen Stimmen schwarzer Aktivisten, dass die Sklaverei immer noch anhält (die Sklaverei selber, nicht die Folgen).

    Danke für die Replik. Alles richtig. Und leider dezimieren sich die stolze Stämme der Native Americans lieber selber heute… proud nations, wtf.

    Und klar geht schwarze Sklaverei weiter. Die zerlegen im Akkord Schweinehälften wie bei uns die Rumänen und Bulgaren. Ich sach mal so, Kapitalismus funzt nur mit Sklaverei. Auch bei Weissen.

     

    --

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    #11865379  | PERMALINK

    latho
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    Beiträge: 37,711

    nicht_vom_forum

    latho Wo also die Gegner der Identitären ausnahmslos zu den Rechtsextremen gehören, wenn ich den Dialog auf mich beziehe?

    Zunächst mal sind die Identitären Rechtsextreme. Und nein, es geht nicht um Rechtsextreme (jedenfalls mir nicht). Es geht mir um Leute jedweder politischen Ausrichtung, die offensichtlich an irgendeinem Punkt beschlossen haben, dass es jetzt aber wirklich mal gut ist mit den Reformen und deshalb zu immer absurderen Argumentationen greifen. Egal ob das Autobahn-Geschwindigkeitsbegrenzungen, Rauchen in Innenräumen, die Rechtschreibreform, das generische Maskulinum oder sonstwas geht, was offensichtlich und beweisbar keine große Sache ist und im Rest der Welt ohne größere Probleme praktiziert wird.

    Wie oben geschrieben – deinen Dialog lese ich so, dass Gegner der Nicht-Veröffentlichungen ins rechte Lager gehören und dagegen verwahre ich mich.
    Die Identitäre Bewegung sind Rechtsextreme, die linksidentitären sind es nicht, klar. Aber in meinen Augen kommen beide zu ähnlichen Ideen („Identität“ ist naturgegebenes Selbst, Kompetenz und alleinige Berechtigung), nur eben für verschiedene Gruppen. Keine Hufeisentheorie, keine Spiegelung, aber unangenehme Parallelen.

    nicht_vom_forum
    Und zum Thema: Verteidige doch bitte wenigstens den Film – um den geht’s doch. Karl May hier reinzuziehen, lenkt doch nur davon ab, was an dem Film gemeinhin (und auch von mir) kritisiert wird. Karl May ist nur wirklich der letzte, der mit diesem Industrieschmodder etwas zu tun hat. Und bei Karl May selbst sind wir uns doch hier im Thread auch mehr oder weniger einig. Ich sehe keinen Sinn darin, etwas zu verteidigen, was andere irgendwo in den Weiten des Internet meinen.

    Ich muss nochmal nachsehen, ob ich den Artikel noch finde, aber Auslöser der Nichtveröffentlichung waren ja wohl Twitter-Kommentare.
    Zum Film (das sollte @wahr s und @bullschuetz Posts mit beantworten):
    Ich habe den Film nicht gesehen, ich werde den nicht sehen und habe auch kein Kind an der Hand, das mich dazu zwingen könnte. Ich erwarte von dem Film nichts (man kläre mich auf, wenn der wieder Erwarten ein Meisterwerk sein sollte), ich erwarte überhaupt nichts von Produkten auf denen Winnetou steht, nicht auf Filmen, nicht auf TV-Serien (gibt’s so etwas?), nicht auf Büchern dazu etc, ja, noch nicht mal auf May selber, den ich heute nicht mehr lesen würde.
    Aber seid ihr wirklich der Meinung, dass die Kritik an den Büchern bzw am Film (meinetwegen dem Trailer) sich nur auf den Film bezieht? Dass „redfacing“ und Verschleierung von „Völkermord“ etc nur für den Film gilt. Dass sich die Kritiker zurückziehen, wenn man sie nach May fragt, „Nee, der ist ok“?
    Sei’s drum, dann nur der Film: Unvorsichtig vorausahnend, sage ich mal voraus, dass der Film Wischiwaschi ist, „Industrieschmodder“ (danke @pfingsluemmel). Das kann man auch so bewerten (wenn es denn so wäre): Scheiß-Script, einfallslose Figuren mit platten Dialogen, Regie reintelefoniert etc. Aber nein, die Kritik bemängelt fehlende Realität gegenüber dem Leiden der Apachen oder anderen Indianern. Dass der Winnetou des Jahres 2022 „realistischer“ sein soll, „Probleme“ darstellen sollte (kein deutsches Produkt ohne Zeigefinger), Entschuldigung „woke“ zu sein habe. Und wie gesagt, dass würde in meinen Augen dem May-Winnetou (der auch für den Film genommen wurde) widersprechen.
    Es ist letzten Endes persönlicher Geschmack, wie viel Realität man in seinen Filmen und Büchern haben will, ich habe May bestimmt nicht gelesen, weil ich seine Geschichten für real hielt, dass das Erfindung war, wusste ich schon als Kind. Und das ist in meinen Augen ok – in seinen Büchern oder in Filmen, die auf seinen Büchern aufbauen. Wer wissen will, was wirklich passiert ist, lese ein Geschichtsbuch, aber verlange nicht von einer Fiktion, die auf einer Fiktion beruht, „Realismus“.

    Anmerkung zu Realismus:
    Die historischen Apachen dienten nicht gerade selten als Späher für die Texaner, später die US-Armee und waren happy über das Sterben der Comanchen, schließlich verreckte da ein Feind. Manche der Stämme betrieben – edle Wilde – rituellen Kannibalismus, Und gingen mit ihren Gegnern nicht gerade pfleglicher um. Es ist schon schwierig, Apachen überhaupt zu klassifizieren, meines Wissen kann man das nur über die gemeinsame athapaskische Sprachgruppe, zu der auch die Pueblo-Indianer gehören. Dies, die ganzen komplexen Verwicklungen und Zusammenhänge in den mexikanisch-indianisch-amerikanischen Grenzgebieten mal herauszuarbeiten, das wäre Realismus. Und hätte bei Winnetou auch nichts verloren.
    Ach ja, was das 19. Jhd. angeht: Von dem Sterben und der kulturellen Vernichtung der Ureinwohner wo auch immer wusste man durchaus. Es hat bloß keinen interessiert.

    Und ich glaube, damit habe ich das Wichtigste gesagt. Hugh, ich habe gesprochen.

    --

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    #11865381  | PERMALINK

    latho
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    stormy-monday

    Danke für die Replik. Alles richtig. Und leider dezimieren sich die stolze Stämme der Native Americans lieber selber heute… proud nations, wtf. Und klar geht schwarze Sklaverei weiter. Die zerlegen im Akkord Schweinehälften wie bei uns die Rumänen und Bulgaren. Ich sach mal so, Kapitalismus funzt nur mit Sklaverei. Auch bei Weissen.

    Das ist eben der Denkfehler bzw. die Unverschämtheit vieler Vergleicher v.a. aus den USA gegenüber den tatsächlichen Sklaven: Kapitalismus mag einzelne zur Arbeit zwingen, aber es ist nicht Sklaverei. Sklaverei heißt, du hast kein Recht auf deine eigene Person, du bist rechtlos, Gegenstand, Besitz eines anderen. Ganz unabhängig, wie du behandelt wirst, du bist ein Ding. Du kannst nicht dagegen klagen, wenn du laut wirst, hat dein Besitzer das Recht dich umzubringen. Wenn du davon läufst, verfolgt dich nicht nur dein Besitzer, es verfolgt dich der Staat, die ganze Gesellschaft und das rechtmäßig.
    Sklaverei wird dämlicherweise heutzutage auf Peitschen und andere grausame Bestrafungen heruntergekocht, so als wäre die Sklaverei nicht so schlimm, wenn man von seinem „Besitzer“ anständig behandelt wird. Aber der Status des Sklaven, also die Entmenschlichung, ist die „Ursünde“.
    Und weil es oben gegen das 19. Jhd. ging: Alle haben Sklaven gehalten: die Europäer, auch als sie Christen wurden, die Asiaten, die Afrikaner, die Indianer, alle, über Jahrtausende. Das Konzept gab es weltweit. Für mich gehört es zu den deutlichen Zivilisationssprüngen der Menschheit, dass Sklaverei in den meisten Gesellschaften abgeschafft wurde. Und das geschah (mühsam, langsam, unter Schmerzen, nicht vollständig) im 19. Jhd.

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    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 6,438

    lathoWie oben geschrieben – deinen Dialog lese ich so, dass Gegner der Nicht-Veröffentlichungen ins rechte Lager gehören und dagegen verwahre ich mich.

    Der Dialog war zum einen nicht auf Dich gemünzt und zum anderen sind mir die Beispiele aus dem zweiten Posting erst zu spät eingefallen. Dass ich Dich nicht dem rechten Lager zuordne, sollte doch klar sein.

    Aber seid ihr wirklich der Meinung, dass die Kritik an den Büchern bzw am Film (meinetwegen dem Trailer) sich nur auf den Film bezieht? Dass „redfacing“ und Verschleierung von „Völkermord“ etc nur für den Film gilt.

    Ja.

    Dass sich die Kritiker zurückziehen, wenn man sie nach May fragt, „Nee, der ist ok“?

    Keine Ahnung. Aber „Wenn man sie fragt“ ist auch schon wieder eine andere Situation. Mir ist jedenfalls bei den Kritikern an der aktuellen Film/Buch-Kombination wirklich niemand aufgefallen, der Karl Mays Bücher oder die klassischen Filme mehr als im Nebensatz in die Diskussion einbezogen hätte. Die Fixierung auf Mays Bücher oder die klassischen Filme (und die eigene Jugend) findet sich nach meiner Beobachtung wirklich ausschließlich bei den „Wokeness-Kritikern“.

    Aber nein, die Kritik bemängelt fehlende Realität gegenüber dem Leiden der Apachen oder anderen Indianern. Dass der Winnetou des Jahres 2022 „realistischer“ sein soll, „Probleme“ darstellen sollte (kein deutsches Produkt ohne Zeigefinger), Entschuldigung „woke“ zu sein habe.

    Ich erwarte nicht, dass dieser Film realistischer sein soll. Ich erwarte, dass man im Jahr 2022 keinen Kinderfilm mitten in den Indianerkriegen spielen lässt, und vielleicht, dass man „Winnetou“ einfach als nicht-aktualisierbar in der Schublade lässt. Es gibt doch wirklich genügend Möglichkeiten einen mehr oder weniger identischen Plot weniger geschichtsfälschend zu inszenieren – meinetwegen in Nordfinnland mit Rentieren.

    Die historischen Apachen dienten nicht gerade selten als Späher für die Texaner, später die US-Armee und waren happy über das Sterben der Comanchen, schließlich verreckte da ein Feind. Manche der Stämme betrieben – edle Wilde – rituellen Kannibalismus, Und gingen mit ihren Gegnern nicht gerade pfleglicher um. Es ist schon schwierig, Apachen überhaupt zu klassifizieren, meines Wissen kann man das nur über die gemeinsame athapaskische Sprachgruppe, zu der auch die Pueblo-Indianer gehören. Dies, die ganzen komplexen Verwicklungen und Zusammenhänge in den mexikanisch-indianisch-amerikanischen Grenzgebieten mal herauszuarbeiten, das wäre Realismus. Und hätte bei Winnetou auch nichts verloren.

    Ja, eben. Mir zumindest geht es, wenn ich dem Film Verharmlosung und Geschichtsfälschung vorwerfe, auch nicht nur um die Weißen.

    zuletzt geändert von nicht_vom_forum

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    stormy-monday
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    latho

    nicht_vom_forum

    latho Wo also die Gegner der Identitären ausnahmslos zu den Rechtsextremen gehören, wenn ich den Dialog auf mich beziehe?

    Die Identitäre Bewegung sind Rechtsextreme, die linksidentitären sind es nicht, klar. Aber in meinen Augen kommen beide zu ähnlichen Ideen („Identität“ ist naturgegebenes Selbst, Kompetenz und alleinige Berechtigung), nur eben für verschiedene Gruppen.

    Ja. Wie oft bin ich in meiner Jugend in irgendwelchen K- Gruppen oder mit RAF- affinen Unterstützern rumgesessen und habe mir gedacht, ey, sind auch nicht sooo weit weg von Nazi- Gedöns…

    „Industrieschmodder“ (danke @pfingsluemmel)

    Wirklich treffend. Danke, Lümmel. In meinem Wortschatz jetzt.

    Die historischen Apachen dienten nicht gerade selten als Späher für die Texaner, später die US-Armee und waren happy über das Sterben der Comanchen, schließlich verreckte da ein Feind. Manche der Stämme betrieben – edle Wilde – rituellen Kannibalismus, Und gingen mit ihren Gegnern nicht gerade pfleglicher um. Es ist schon schwierig, Apachen überhaupt zu klassifizieren, meines Wissen kann man das nur über die gemeinsame athapaskische Sprachgruppe, zu der auch die Pueblo-Indianer gehören. Dies, die ganzen komplexen Verwicklungen und Zusammenhänge in den mexikanisch-indianisch-amerikanischen Grenzgebieten mal herauszuarbeiten, das wäre Realismus. Und hätte bei Winnetou auch nichts verloren.
    Ach ja, was das 19. Jhd. angeht: Von dem Sterben und der kulturellen Vernichtung der Ureinwohner wo auch immer wusste man durchaus. Es hat bloß keinen interessiert.
    Und ich glaube, damit habe ich das Wichtigste gesagt. Hugh, ich habe gesprochen.

    So ist das gut geschrieben, Der-mit-dem- grossen Herzen. Hätte, hätte Columbus nur mal nicht… War alles in einem ordentlichen Flow, bei der Bevölkerungsdichte. Is aber auch so, dass „Indianer“ nicht per se alle gaanz toll waren. Nicht mal super ökologisch. Büffelhatzen und Abholzen mit dann zerstörtem regionalem Klima mal ganz aussen vor. Ihre Riten sind auch überdenkenswert ;)

    Und nein, das ist nicht „Film“ Das war so. Sag ich als „Modern Primitive“ und Piercer. Wie kommt man denn im religiösen Wahn und als Mannbarkeitsritus auf so was. Autsch.

    Ich habe da so ne Film- Idee. Der kleine Winnetou und wie er dann Mann wird… Ravensburg, Interesse?
     

     

     

     

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    stormy-monday
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    Stay strong, proud nations!

    Und danke, Edward S. Curtis et al, für die wunderschönen Bilder einer aussterbenden Kultur.
    Pferde sind kulturell schwer angeeigenet. ;) Irgendwann konnten die besser reiten als die Besatzer.

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