Enja Records

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  • #12299207  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    ja, das war als Kompliment gemeint… so viel Klatt kann man online tatsächlich nicht finden, hier

    ist ein Track von dem selbstproduzierten Album, Strangehorn, sein Tribute an Billy Strayhorn, das vom Stil her in die Richtung geht, auch das ein Duett mit Klavier… die meisten Alben von ihm sind nicht teuer, muss man einfach im Auge behalten und dann zuschlagen wenn die Zeit kommt…

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    #12299215  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind
    Gianluca (*1974) ist dann der Enkel (Sohn von Franco) – für den ich mich allerdings nie interessiert habe … manchen Aufnahmen von Franco und auch seiner wie ich finde durchaus eleganten Trompete kann ich einiges abgewinnen, aber man könnte die Familiengeschichte vielleicht auch als eine Art Niedergang über Generationen sehen (also: Franco ist vielleicht der interessanteste Musiker, Flavio – das passt dann ganz gut ins „Buddenbrooks“-Schema – noch recht gut und vor allem erfolgreich …)

    erfolg hat der enkel offenbar auch, zumal im verbinden von musiker- und industriellenkarriere (klingt nach todsicher platziertem alternativenergie-start-up). ich wollte auch gar nicht so viel meckern, terri lyne carrington z.b. habe ich selten so großartig gehört wie auf diesem album, mit ihrem dezidierten swing und dem no-bullshit-ansatz.

    schön, was hier los ist, die rosewoman-ecke muss ich auch noch auffrischen, zur vö-zeit hatte ich nur CONTRAST HIGH von ihr. osby, thomas & plaxico waren übrigens zu der zeit auch 3/5 der special edition von jack dejohnette, also sehr gut aufeinander eingespielt.

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    #12299221  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    George Gruntz Concert Jazz Band – First Prize | Am 7. und 8. Mai 1989 nahm die Band von George Gruntz zum ersten Mal für Enja auf – im studio von Radio DRS in Zürich, abgemischt wurde es von Ron Kurz, einem hierzulande sehr bekannten Namen in der Branche, in den ebenso bekannten Powerplay Studios in Maur am Greifensee (eine Viertelstunde ausserhalb von Zürich). Die Band ist prominent besetzt: Marvin Stamm, Mike Mossman, Stanton Davis, Manfred Schoof & Franco Ambrosetti (t/flh), Tom Varner & Sharon Freeman (frh), David Bargeron / Joe Daley (euph), Howard Johnson (tuba/bcl), Chris Hunter (fl/ss/as), Ernst-Ludwig Petrowsky (fl/cl/ss/as), Bob Malach (fl/ss/ts), Larry Schneider (ss/ts), Vinny Golia (bari/bfl), Gruntz (p/arr), Mike Richmond (b) und Adam Nussbaum (d). Es gibt acht Stücke – auf der LP nur sechs, „E.B.S.B.M.O.“ von Kenny Wheeler und „Band Switch“ von Gruntz fehlen. Die sechs LP-Tracks hat zur Hälfe Gruntz komponiert, Ambrosetti, Ray Anderson und Larry Schneider jeweils eines. Nach der Tschernobyl-Anspielung bei Klatt gibt es hier den „Goby-Chief“ (Gruntz), in dem Bargeron am Euphonium soliert; Daley ist auf „Trance Figurations“ (Ambrosetti) dran, direkt nach em Horn-Solo von Varner. Johnson kriegt je ein Tuba- und ein Bassklarienetten-Solo, überhaupt ist fast jede*r mal dran, nur Freeman geht leer aus (klar, eine Frau in der Band, auch noch ein Solo wäre echt zuviel des Guten). Ambrosetti, Davis, Schoof, Hunter, Schneider, Gruntz selbst und Nussbaum sind auch mehrmals zu hören. Aber ebenso wichtig wie die Solisten sind die Arrangements von Gruntz, die mit der breiten Palette an Blech- und Holzinstrumenten viel anzufangen wissen.

    Das ist moderner Big Band Jazz, der sich z.B. vor dem Mel Lewis Jazz Orchestra damals kaum zu verstecken braucht, vielschichtig in den Arrangements, in die die besten der Soli scheinbar nahtlos eingebettet sind. Schoof steigt in „Speaking of Love“ zum Beispiel nahtlos aus den Liegetönen des tiefen Blechs mit flächigen Linien in immer höhere Gefilde auf, um sich erst nach zahlreichen Phrasen loszureissen. Auch der massive Druck, den eine gute Big Band vor allem live erzeugt, ist vorhanden. Und das hervorragende Zusammenspiel, das dazu nötig ist, funktioniert bei diesen Leuten bestens – was auch damit zu tun hat, dass die Band relativ stabil war, obwohl Gruntz sie für jede Tour neu zusammenrufen musste. Sponsoren suchen, Auftritte planen, Musiker*innen anfragen … vor Jahren sah ich mal ein Portrait – vielleicht nach seinem Tod – im Schweizer Fernsehen, in denen er berichtete, wie viel Arbeit das jedes Mal war, aber wie gross die Freude bei allen beteiligten, wenn es gelang und man zusammen spielten konnte. Es gab über Jahrzehnte einen harten Kern, zu dem von den hier zu hörenden wenigstens Bargeron, Johnson, Hunter und Schneider gehörten, die alle auch 2011 noch dabei waren, als ich die Band zum einzigen Mal live hörte (damals war mit Tanya Darby eine tolle Lead-Trompeterin dabei – auch nichts, was man öfter erlebt).

    Der Albumtitel bezieht sich auf den „Best Performance Award“ von 1989, den die George Gruntz Concert Jazz Band für ihren Auftritt in Tokyo gewann. Bei den Danksagungen wird Pro Helvetia für den Support der 1989er-Tour gedankt, der später grössenwahnsinnig gewordenen Schweizerischen Bankgesellschaft (die deshalb 1998 geschluckt wurde, worauf die UBS entstand, die inzwischen jenseits des Grössenwahns angekommen ist), und lustigerweise Rank Xerox für „tons of photostats!“ – tempi passati in so vieler Hinsicht, nur Pro Helvetia existiert noch, aber das ist auch bloss eine kleine unbedeutende Stiftung (gegründet 1939 als Organisation zur Förderung der „Geistigen Landesverteidigung“ und als Förderin von Kulturschaffenden ganz und gar nicht unbedeutend, auch kulturpolitisch nicht, wird doch der Stiftungsrat direkt von der Landesregierung ernennt).

    Lieblingsmusik ist da echt nicht, aber um Gruntz (1932-2013) herumzukommen war in der Schweizer Jazzwelt seit den Sechzigerjahren fast unmöglich – und auch überhaupt nicht nötig, denn er hat wirklich gutes Zeug gemacht, nicht zuletzt auch mit den Radio Big Bands vom WDR und vom NDR (TCB hat da mal eine 10-CD-Box mit dem Titel „Radio Days“ herausgebracht). In der Schweiz gab es eine solche ernstzunehmende Rundfunk-Big-Band nie, nur Unterhaltungsorchester … wenn ich „DRS Big Band“ – DRS hiess früher das Schweizer Radio – google, finde ich z.B. einen Treffer zu einer Sendung von 2010 mit Aufnahmen aus den 70ern, als Horst Fischer zu Gast war und Glenn Miller-Stücke spielte … in der Tracklist steht dann „UOR“, was eben für Unterhaltungsorchester steht).

    Damit bin ich im 6000er-Bereich des Katalogs angekommen, wo meine Bestände langsam dünn werden. Die Gruntz-Scheibe habe ich auch nur als Kopie aus der Bibliothek (solche gibt es hier auch, aber sie haben kaum Jazzbestände).

    Die erste Lücke ist auch schon hinter mir – Gruntz ist 6004. Ich höre aber hier auf, die Lücken zu erwähnen, denn es sind zu viele. Wikipedia bietet eine soweit ich sehen kann zumindest bis in die niederen 9000er-Nummern (da wurde das Schema geändert, die ganze zweite Hälfte des Enja-Katalogs findet sich im 9000er-Bereich) komplette Liste:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Enja_Records

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12299227  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten

    gypsy-tail-wind
    Gianluca (*1974) ist dann der Enkel (Sohn von Franco) – für den ich mich allerdings nie interessiert habe … manchen Aufnahmen von Franco und auch seiner wie ich finde durchaus eleganten Trompete kann ich einiges abgewinnen, aber man könnte die Familiengeschichte vielleicht auch als eine Art Niedergang über Generationen sehen (also: Franco ist vielleicht der interessanteste Musiker, Flavio – das passt dann ganz gut ins „Buddenbrooks“-Schema – noch recht gut und vor allem erfolgreich …)

    erfolg hat der enkel offenbar auch, zumal im verbinden von musiker- und industriellenkarriere (klingt nach todsicher platziertem alternativenergie-start-up). ich wollte auch gar nicht so viel meckern, terri lyne carrington z.b. habe ich selten so großartig gehört wie auf diesem album, mit ihrem dezidierten swing und dem no-bullshit-ansatz.
    schön, was hier los ist, die rosewoman-ecke muss ich auch noch auffrischen, zur vö-zeit hatte ich nur CONTRAST HIGH von ihr. osby, thomas & plaxico waren übrigens zu der zeit auch 3/5 der special edition von jack dejohnette, also sehr gut aufeinander eingespielt.

    Das mit DeJohnette hatte ich vorhin unterschlagen bzw. zu erwähnen vergessen – danke, hab das gleich noch also Vorab-Zitat eingebaut ;-)

    Dado Moroni, den Du ja auch lobend erwähnst, lernte ich auf einer Ray Brown-CD schon in den 90ern kennen. Mein Bassspielender bester (Schul-)Freund kaufte damals die CD mit den Pianisten aus der „Some of My Best Friends Are …“-Reihe bei TelArc, und da ist neben Ahmad Jamal und Oscar Peterson, Benny Green und Geoff Keezer eben auch ein Italiener mit lustigem Namen dabei. Irgendwann um 2000 herum hörte ich ihn dann an einer Privatparty auch mal live, im Duo mit einem lokalen Gitarristen, Roberto Bossard glaub ich (ich gehörte dort nicht hin, aber meine damalige Chefin beim Nebenjob neben der Uni, die wusste, dass ich Jazz liebe, lud mich ein, als ihre Eltern ein Sommerfest mit Live-Musik veranstalteten).

    Jetzt geh ich mal ins Kino und Essen … vielleicht geht’s am Abend noch etwas weiter. Oder auch nicht, danach die nächsten 10 Tage nur vereinzelt, befürchte ich.

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    #12299239  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind

    Abdullah Ibrahim – Mindif | Das nächste Album, direkt nach Baron im Katalog, ist „Mindif“ von Abdullah Ibrahim, benannt nach einem freistehenden Berg im Norden Kameruns, wo Claire Denis ihren Film „Chocolat“ drehte, der 1988 in Cannes lief. Das Album von Ibrahim ist der Soundtrack zum Film, den ich leider noch nicht kenne.

    wieder was gelernt. ich dachte immer, das album hätte es schon gegeben, und denis hätte nur ein paar songs für ihren film verwendet – vielleicht, weil das cover nichts mit CHOCOLAT zu tun hat. aber die titel schon – „protée“ heißt die hauptfigur und ein stück, und „pule (rain)“ kommt tatsächlich in einer regenszene zum einsatz. großartiger film, ein debüt mit über 40 jahren, über die eigene kindheit natürlich, aber dann rechnet der film diese perspektive wieder als unwichtig heraus. aktuell, mit 78, dreht sie wieder in kamerun.

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    #12299251  | PERMALINK

    vorgarten

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    @gypsy-tail-wind

    ja, dado moroni ist wirklich super auf dem ambrosetti-album, sehr schlüssige soli, aber vor allem tight und komplex in der begleitung, mich hat er sehr an geri allen erinnert (man hört ihn aber etwas mitsingen, deswegen hatte ich sie gleich ausgeschlossen – sonst hätte verwechslungsgefahr beim blindhören bestanden).

    franco ambrosetti, tentets (1985)

    steve coleman vor dem absprung, hier zweite geige hinter michael brecker, der seelenlosen hochdruck erzeugt. ambrosetti selbst hat seine chops hier besser im griff als auf dem späten album, das ich gehört habe. flanagan, humair, holland sind auch wieder so eine rhythm section, die an sich schon bestens funktioniert. die anlage, die arrangements, das blowing-konzept und die ausgewhlten stücke finde ich insgesamt nicht zwingend, da würde ich auch eher zu jones/lewis greifen.

    dass coleman mit ambrosetti auch live unterwegs war, darüber bin ich quasi im eigenen archiv (schwules museum) gestolpert. zwei kolleginnen haben dort 2000 fotos der fotografin petra gall (nachlass liegt komplett bei uns, darunter viele konzertfotos) digitalisiert und in eine datenbank eingepflegt, z.t. auch bei museum-digital veröffentlicht und vorbildlich beschriftet. da sieht man coleman mit howard johnson in der ambrosetti-band bei den berliner jazztagen:

    hier gibt es die ganze serie.

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    #12299255  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten

    gypsy-tail-wind

    Abdullah Ibrahim – Mindif | Das nächste Album, direkt nach Baron im Katalog, ist „Mindif“ von Abdullah Ibrahim, benannt nach einem freistehenden Berg im Norden Kameruns, wo Claire Denis ihren Film „Chocolat“ drehte, der 1988 in Cannes lief. Das Album von Ibrahim ist der Soundtrack zum Film, den ich leider noch nicht kenne.

    wieder was gelernt. ich dachte immer, das album hätte es schon gegeben, und denis hätte nur ein paar songs für ihren film verwendet – vielleicht, weil das cover nichts mit CHOCOLAT zu tun hat. aber die titel schon – „protée“ heißt die hauptfigur und ein stück, und „pule (rain)“ kommt tatsächlich in einer regenszene zum einsatz. großartiger film, ein debüt mit über 40 jahren, über die eigene kindheit natürlich, aber dann rechnet der film diese perspektive wieder als unwichtig heraus. aktuell, mit 78, dreht sie wieder in kamerun.

    Ich hatte mich gewundert,weil ich sowas vage im Hinterkopf hatte (Musik kam nach dem Film)… und gehofft, mich nur auf den hinten auf die CD gedruckten „blurb“ nicht zu verrennen. Die Titel der Stücke scheinen das aber zu bestätigen (also dass die Musik doch deb und also nach dem Film entstanden ist).

    Danke für das tolle Foto! Und Grüsse vor dem Kino, das mir hoffentlich bald mal ne Denis-Retro schenkt (nutz doch mal Deine Kontakte bitte ;-) ).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12299267  | PERMALINK

    atom
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    gypsy-tail-wind
    Freddie Hubbard – Outpost | Ein überaus elegantes Album, das wohl zu den besten (relativ) späten von Freddie Hubbard gehört. In seinem eigenen Opener „Santa Anna Winds“ geht es überraschend frei zu und her, dabei sehr melodisch und mit starker Unterstützung der erstklassigen Rhythmusgruppe, die aus Kenny Barron, Buster Williams und Al Foster besteht. „You Don’t Know What Love Is“ folgt, für mich eher eine mit Tenorsaxophonisten bzw. v.a. mit Sonny Rollins verbundene Ballade, in der Hubbard wohl das Flügelhorn spielt – mit bezaubernd klarem Ton, glänzend und warm. Das Album wurde am 16. und 17. März 1981 von David Baker im Sound Ideas Studio in New York aufgenommen. Im „Outpost Blues“, mit dem Seite 1 der LP endet, scheint der altbekannte Hubbard auf: schnelle, immer dichter werdende Linien, fast flächig, vermutlich mit Doppelzunge geblasen, spitze Vorstösse in hohe Lagen. Die zweite Hälfte besteht aus zwei Stücken, „Dual Force“ von Buster Williams (der Leader wieder am Flügelhorn, vermute ich? Und ein gutes Solo vom Komponisten) und „Loss“ von Eric Dolphy, das mit einem fast jumpenden Groove öffnet und dann starke Soli von Hubbard, Barron und Williams bietet.
    In meiner CD (vermutlich 1987, aber das weiss man bei Enja ja auch oft nicht so genau) gibt es im Booklet Rezensionen aus Musica Jazz (von „N. De R.“, it.) und dem Jazz Magazin (J. Réda, frz.) und einen englischen Text von einem Wolfgang Hörmann – Liner Notes für die CD-Ausgabe wohl, die u.a. einen 4-Sterne-Review von Down Beat für das Album erwähnen und Hubbard zitieren: „Playing that music again really made me feel clean“ (was sich vom Kontext her aber eher auf die im Text auch erwähnte V.S.O.P.-Band denn auf „Outpost“ beziehen dürfte).

    Treffend beschrieben. Ich höre mich gerade durch meine ganzen Neuerwerbungen der letzten Wochen und bin heute direkt bei diesem wunderbaren Album gelandet. Wirklich enorm toller Opener, der mich schwer begeistert.

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    #12299297  | PERMALINK

    atom
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    gypsy-tail-windWeiter geht es dann wieder Bennie Wallace:

    Bennie Wallace Plays Monk | Das Album liegt immer noch griffbereit mit einigen weiteren CDs herum, die ich auch noch hatte anhören wollen, als wir es mal ein wenig mit Monk-Covern hatten. Wallace holt sich für drei der acht Stücke (auf der CD noch ein neuntes, ein alternate take von „Round Midnight“) einen sehr gut geeigneten zweiten Bläser zum Trio mit Eddie Gomez und Dannie Richmond: Jimmy Knepper an der Posaune. Damit ist neben der Monk- auch eine nochmal verstärkte Mingus-Connection gegeben (Richmond spielte ja schon mit Wallace, als er auch noch mit Mingus aufnahm (allerdings zumeist schon mit anderen Bassisten). Im Booklet meiner CD von 1994 finden sich drei kurze Zitate, die wohl aus Plattenreviews stammen. „Bennie shows himself to be closer to Thelonious Monk’s piano than was Monk’s own saxist of many years, Charlie Rouse“, schreibt John S. Wilson. Und Howard Mandel: „One can almost hear Thelonious comping and stomping in the background.“ Unser heutiges Urteil Rouse gegenüber fällt wohl ganz allgemein milder aus als damals, dünkt mich. Das Statement von Wilson sagt – mal abgesehen davon, dass es Rouse gegenüber vielleicht nicht fair ist, halt schon auch aus, wie sehr Wallace sich in die Musik vertieft hat, wie sehr er sie durchdringt. Das wird vielleicht nirgendwo so klar, wie auf dem Albumcloser, dem unbegleiteten „Variations on a Theme (Trinkle Tinkle)“. Die Aufnahmen entstanden am 4. und 5. März 1981 im Sound Ideas Studio in New York, auf dem Bandfoto auf der LP-Rückseite sieht Wallace ein wenig wie der kleine Nerd aus, der mit den coolen grossen Kids mitspielen darf – aber musikalisch wäre das eicht kein faires Fazit. Das ist jedenfalls eine starke Hommage an Monk, die noch 1981, also zu Lebzeiten, herausgekommen ist.

    Um den Dreh herum lief wohl der Deal mit Inner City aus, das bisher die US-Ausgaben herausgebracht hatte (teils mit anderen Covern oder leicht abgewandeltem Design, gerne mit Liner Notes auf den Rückseiten, wo es bei Enja nur die Noten zu einem er Stücke gab). Es gibt jetzt, 1981, auch US-Pressungen von Enja selbst.

    Das ist wirklich ein sehr gelungenes Monk-Tribute mit sehr starker Besetzung. Völlig aus der Zeit gefallen und weit weg von 1981. Ein weiteres Highlight im großen Enja-Katalog.

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    gypsy-tail-wind
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    Schön zu lesen @atom! Viel Spass beim Entdecken – es gibt da echt viel … ich bin total begeistert, auch jetzt noch, wo ich nur noch einen Bruchteil des Katalogs kenne. Da wäre bestimmt noch mehr zu holen, aber ich mache jetzt erstmal weiter und warte meine Japan-Bestellungen ab, die immer noch auf sich warten lassen (einzelne bestellte CDs werden wohl am Ende nicht mehr lieferbar sein und die bzw. die Versuche von CDJapan, sie noch zu kriegen, halten den Versand noch auf).

    vorgarten

    gypsy-tail-wind
    Gianluca (*1974) ist dann der Enkel (Sohn von Franco) – für den ich mich allerdings nie interessiert habe … manchen Aufnahmen von Franco und auch seiner wie ich finde durchaus eleganten Trompete kann ich einiges abgewinnen, aber man könnte die Familiengeschichte vielleicht auch als eine Art Niedergang über Generationen sehen (also: Franco Flavio ist vielleicht der interessanteste Musiker, Flavio Franco – das passt dann ganz gut ins „Buddenbrooks“-Schema – noch recht gut und vor allem erfolgreich …)

    erfolg hat der enkel offenbar auch, zumal im verbinden von musiker- und industriellenkarriere (klingt nach todsicher platziertem alternativenergie-start-up). ich wollte auch gar nicht so viel meckern, terri lyne carrington z.b. habe ich selten so großartig gehört wie auf diesem album, mit ihrem dezidierten swing und dem no-bullshit-ansatz.
    schön, was hier los ist, die rosewoman-ecke muss ich auch noch auffrischen, zur vö-zeit hatte ich nur CONTRAST HIGH von ihr. osby, thomas & plaxico waren übrigens zu der zeit auch 3/5 der special edition von jack dejohnette, also sehr gut aufeinander eingespielt.

    Ich merke erst jetzt, dass ich beim Generationen-Ablauf die ersten beiden vertauscht hab. Da muss man auch aufpassen …

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    #12299417  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Abbey Lincoln – Abbey Sings Billie | Am 6. und 7. November 1987 tritt Abbey Lincoln in New York für die Non-Profit-Organisation Universal Jazz Coalition auf, gegründet 1976 von Cobi Narita, die letzten November mit 97 Jahren verstarb. (Ich nehme an, „Cobi’s Place“, wo Bill Barron 1985, 1987 und 1988 aufgenommen wurde – postum 2005 und 2006 auf Steeplechase veröffentlicht – war auch eine von ihren locations?) – in ihrem Nachruf in der NY Times (4. Dezember 2023) ist ein Zitat von Lincoln von 1993 zu lesen: „Without producers like Cobi, musicians like me would have a hard time having careers.“ Neun Stücke erschienen 1989 auf der LP „Abbey Sings Billie – live at the U.J.C., Volume 1“ (Katalognummer 6012), zehn auf der CD-Version („Ill Wind“ ist das zusätzliche Stück, nach dem 10minütigen „Soul Eyes“ am Ende von Vol. 1 noch ein fast so langes Instrumental). Erst 1992 folgte Vol. 2 (Nr. 7037) mit sieben weiteren Stücken. 2001 kam dann eine Doppel-CD heraus, in der sich statt Liner Notes ein nicht datiertes Interview von Lincoln mit Adger Cowans findet. Daraus ein paar längeren Auszüge (die kleinen Nachfragen zwischendurch hab ich wegredigiert, der ganze Text ist deutlich länger):

    It wasn’t my idea at first. Cheryl Bruce with the Studio Museum of Harlem asked my rep, Jimmy, if I would sing some Billie Holiday songs for the concert I had promised. I said yes, and that she could call it, „Abbey Sings Billie.“ I’m glad the brought it tome. In a way, it was cathartic. […] There are some songs I need to sing right now and some songs I used to sing that are part of this collection Finally, I got a chance to pay homage to her and call her name because I am definitely one of the inheritors of her rich legacy. Then I started remembering some things that became more significant to me than they used to be. When I was in Honolulu, when I was about 22-23, she came there to work. I was at the Trade Winds. She was working at Brown Derby. I would do my show and then run over to see her show. She came to see me twice but she didn’t say anything to me. She sat at the bar; she had a little Mexican Chihuahua. I bought two Chihuahuas after that. I gave one to my mother. […]

    Of all the influences, I think Billie Holiday is the greater because she was social. […] If you listen to the songs she sang, you will know what she was like, where she lived, and what the people were experiencing. It was more than just herself she sang about, „God Bless the Child that’s Got His Own“ is true forever. „Strange Fruit“, that’s a document: this happened. They were lynching men and women whenever they got ready in the South. Bessie Smith was social, too. Bessie didn’t try for a pretty sound. She said, „What it is, is what it is“, „Up on black mountain a child will smack your face, babies crying for liquor, and all the birds sing bass.“ But Billie was this beautiful, delicate creature who didn’t have her chariot waiting, or her footman and the maids and the people that were supposed to be around. She was disinherited, like we all are. She was a queen, a delicate little queen, a beautiful woman who was set up all her life to fail, and her death was maligned. She suffered character association. That was one of the reasons I wanted to say to her, „Thank you“. Besides, I seek to live a life, a singular life, and I don’t want anybody lying on me after I leave here. So, this is a way of defending myself and her. This album is like a one-line sketch, in a way. She is a sibling, she’s my older sister, we could have come from the same family, a spiritual connection is definitely there.

    […]

    Billie was high-spirited, It takes one to know one – I am, too. […] She lived through her spirit. She didn’t do things for money. She had a free spirit: that’s why she dared to be herself.

    ~ Abbey Lincoln im Interview mit Adger Cowans, zu finden im Booklet der 2-CD-Ausgabe von 2001 (ganz unten)

    Mit Lincoln zu hören sind James Weidman (p), Tarik Shah (b), Mark Johnson (d) und Harold Vick (ts). Dieser ist tatsächlich nicht so recht auf der Höhe. Das stört manchmal, manchmal wiederum fühlt es sich irgendwie an, als würde er den ganz späten Pres channeln (der nicht mehr mit Holiday spielte, bzw. nur einmal bei „Sound of Jazz“, aber da ist er in Form bzw. kriegt einfach trotz allem ein unglaublich gutes Solo hin), was irgendwie gespenstisch wirkt. Ansonsten ist das vielleicht wirklich vom Debutalbum ab gesehen die einzige Lincoln-Aufnahme, der ich nur mässig etwas abgewinnen kann (nachdem ich sie für mich ja endlich entdeckt habe in den letzten Jahren). Vieles lief öfter mal, auch nebenbei, z.B. auf dem Weg zur Arbeit im Winter vor einem Jahr, den ich öfter zu Fuss zurücklegte und dabei Musik hörte) – aber nicht „Abbey Sings Billie“, weil es mich da einfach nicht hingezogen hat. Lincoln findet im erwähnten Interview warme Wrote für Vick, der am 13. November, also sechs Tage nach den Aufnahmen, starb. Sie nennt ihn einen „gentle giant“: wie habe nach einem „saxophone player who would be sensitive and not greedy“ gesucht und Vick davor nicht wirklich gekannt („never really heard him play“), sich auf eine gemeinsame Tour gefreut. Auf den zwei langen Instrumentals am Ende von CD 1 klingt er aber doch ganz ordentlich, dünkt mich (am Rand: abgesehen von seinem eigenen Blue Note-Album und den Aufnahmen, die er mit Labelkollege John Patton zur selben Zeit machte, dem einen oder anderen Album mit Jack McDuff und dem neulich neu aufgelegten von Shirley Scott bleibt er für mich einer der Musiker, dessen Output ich gerne mehre mögen würde, als ich es meist tue; „Bish at the Bank“ mit Walter Bishop hat bisher auch nicht so recht eingeschlagen). Lincoln und die Rhythmusgruppe sind zwar gut aufgelegt, aber auch von ihnen kommt hier irgendwie wenig wirklich Zwingendes zustande. Das wirkt alles ein ein wenig … gedämpft, was teils vielleicht auch mit der Aufnahme zu tun hat, die weder besonders differenziert noch sehr präsent wirkt. Vielleicht brauche ich gerade so lange oder es liegt sonst an was, aber den Closer, „For All We Know“, finde ich jetzt gerade tatsächlich sehr toll.

    Ansonsten ist es natürlich wahnsinnig schade, dass „Talking to the Sun“ keinen Nachfolger bei Enja fand. Diese Aufnahmen hier würde ich vorschlagen eher als Dokument denn als „Album“ zu begreifen. Und weil es von Holiday zwischen 1980 (das Marge-Album und die viel mitreissenderen Keystone Korner-Live-Mitschnitte) und 1990 (als es bei Universal mit dem Spätwerk losgeht) nur die Enja-Aufnahmen gibt, sind auf jeden Fall auch diese Live-Aufnahmen schön zu haben.

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    #12299419  | PERMALINK

    lotterlotta
    Schaffnerlos

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    heute(sorry gestern) mal kurz gehört

    mal waldron- up popped the devil

    sehr ansprechend, tolles interplay ohne das sich einer der beteiligten in den vordergrund drängt, unspektakulär aber fein ziseliert….

    mal waldron- mingus lives

    dieser solo auftritt hat eine unspektakuläre schönheit, der ihn unter umständen zu schnell in den hintergrund drängt, ein album das man öfters in ruhe hören muss um es evtl. tatschlich richtig wertschätzen zu können, braucht weitere spins, hohes potenzial….

     

     

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    #12299481  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich bin gestern noch hier hängen geblieben: Carrie Mae Weems interviewt Adger Cowans – zum zweiten Mal, weil beim ersten Mal die Aufnahme nicht klappte:
    https://bombmagazine.org/articles/2014/07/30/adger-cowans-carrie-mae-weems/

    Und gehört habe ich noch und höre jetzt erneut:

    David Murray / Dave Burrell / Wilber Morris / Victor Lewis – Lucky Four | Das ist das vierte Album von Tutu (888 008 für die LP bzw. 888 108 für die CD), aufgenommen am 25. September 1988 in den Trixi Studios und von Horst Weber produziert. Das CD-Reissue von 2007, das ich habe, lief dann auf Enja, ebenso (ein?) jüngere(s) LP-Reissue. Da gab es das Cover unten und aus den „Lucky Four“ wurde ein David Murray-Album. Bei der CD-Version vergass man mal eben (Never mind the friggin‘ details, it’s Enja, baby!) das Line-Up. Aus den Namen der Komponisten kann man was erahnen, da stehen auch die Namen von Burrell und Morris – aber Kunle Mwanga, der „Strollin‘ (For Jean Michel Basquiat)“ schrieb wird kaum der Drummer sein. Das ist dann eben Victor Lewis. Bei der LP gibt’s das nicht, irgendwo sah ich ein schön gestaltetes Rückcover, auf dem auch die Liner Notes zu finden sind, die Marty Cook schrieb. Hier scheint gemäss Discogs übrigens die CD 1988, die LP 1989 erschienen zu sein.

    Doch was kriegen wir hier? Wenn ich in meiner polemischen „vor dem ersten Espresso“-Laune bin, würde ich sagen, sowas wie neo-traditionalistischen Faux-Free … allerdings beschränkt sich der Free-Anteil auf einige von Dave Burrells ausufernden Soli, denn Murray zeigt sich eher zahm und die Rhythmusgruppe spielt Time (nicht nur Puls). Vielleicht ist Lewis hier nicht die richtige Wahl … oder er ist genau richtig? Ich bin mir unschlüssig, jedenfalls fehlt ihm die Flamboyanz von Murray und Burrell. Vielleicht wäre das zuviel, aber vielleicht würde es manchmal auch etwas mehr Leben rein bringen?

    Burrells Opener „Valley Talk“ mit seinem Tango-Rhythmus ist super charmant, Murray glänzt am Tenor, klingt wie ein verspäteter Schmusesaxer der Fünfziger. Dann folgt Morris „Chazz (For Charles Mingus)“ mit Murray an der Bassklarinette, irr entgleisendem Burrell-Solo (toll, wie nach der Diskant-Klimax in einen zweiten Teil navigiert, einfach nochmal weitermacht) und schönem Beitrag von Morris, den ich sowieso wahnsinnig gerne höre, egal in welchem Kontext. Dann folgt Morris‘ „As I Woke“, in dem Murray am Tenor zum ersten Mal so richtig abgeht – und das ist schon toll! Von Morris stammt auch noch der 12taktige Blues „Sharing“ – er ist hier also gleich dreimal als Komponist zu hören (Burrell zweimal, Mwanga einmal). Von „As I Woke“ und „Valley Talk“ gibt es auf er einstündigen CD noch jeweils eine „2nd Version“.

    „Strollin“ für Basquiat ist dann wieder ein Bassklarinetten-Feature, in dem Lewis einen fetten Beat spielt. Mit dem kurzen Stück beginnt Teil 2 der LP, dann folgt „Abel’s Blissed Out Blues“ von Burrell, für den Cook wieder die Struktur erläutert: A1 dauert 8 Takte, A 2 deren sieben, gefolgt von einem B-Teil mit 8. Und hier gibt es auch eine Art Jump-Section, die irgendwas zwischen Calypso und a „A Tisket, A Tasket“ ist – aber am Ende für meine Ohren zur Parodie wird, obwohl Murray darüber abgeht. In „Valley Talk“ ist die Form noch viel extravaganter: 6 Takte Piano-Intro, 8 Takte A1, 9 Takte A2, 12 Takte B, 8 Takte A3, 6 Takte C (Intro-Rekapitulation) – ich ich glaub sie bleiben in Murrays Solo in dieser Form. Dann folgt „Sharing“, der erwähnte tolle Blues von Morris mit einem eingängigen Thema und einem hervorragend aufgelegten Murray, in diesem längsten Stück in der zweiten Hälfte zu hören, bevor Morris es beschliesst. Dann folgen dann die zwei zusätzliche Takes, die 1988 schon dabei waren, also als integraler Teil des Albums betrachtet werden sollten.

    Das macht alles sehr viel Spass, aber verpufft irgendwie auch gleich wieder, ohne bei mir nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen – drum auch mein etwas überspitzt formuliertes Fazit. Cook streicht in seinen Liner Notes heraus, dass dieses Album gerade für die „detractors“, die Murrays Spiel für „harsh, undisciplined, chaotic“ hielten, eine „pleasant surprise“ sin sollte;: „the music is for the most part straight ahead, melodic, and swinging, played within traditional songform structures“, wobei er an der Stelle ein „well … almost“ nachschiebt, auf Burrells Twists bezogen, in den Formen seiner Stücke wie im Klavierspiel, „having assimilated styles as diverse as the stride of  James P. Johnson thru Cecil Taylor’s two-handed rhythmic assaults.“

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    Sathima Bea Benjamin – A Morning in Paris | Ich springe ein wenig in der Chronologie, lasse „African River“ von Benjamins Ex-Mann aus (das folgt dann später, wohl zusammen mit dem bei Tiptoe erschienenen „No Fear, No Die (S’en Fout La Mort)“). 1988 erschien mit „LoveLight“ Benjamins erstes, im Vorjahr aufgenommenes Enja-Album, 1992 folgte das 1989 entstandene „Southern Touch“. Und 1997 brachte Enja auch noch „A Morning in Paris“ heraus, ihre erste Session, auf Duke Ellingtons insistieren hin entstanden am 23. Februar 1963 in den Barclay Studios in Paris mit dem damaligen Dollar Brand Trio (Brand-p, Johnny Gertze-b und Makaya Ntshoko-d), der nur pizzicato zu hörenden Violine von Svend Asmussen sowie auf je zwei Stücken anstelle von Brand Ellington und Billy Strayhorn am Klavier. 1997 war ich noch in der „Jazzgesang ausser Billie Holiday geht nicht an mich“-Phase (und verstand entsprechend auch Holiday noch überhaupt nicht, aber das begriff ich logischerweise nicht … das Coltrane/Hartman-Album und verstreutes anderes liebte ich aber bereits sehr, Nat Coles „After Midnight Session“ zum Beispiel – die Tür war schon einen Spalt offen; in Diana Krall war ich natürlich auch verknallt).

    Die ganze Geschichte zu dieser Session gibt es im Booklet der CD, das bei Discogs vollständig vorliegt. Nach der Session mit Benjamin folgte eine mit Brand, die bald auf Ellingtons Label Reprise Records als „Duke Ellington Presents the Dollar Brand Trio“ erschien und dessen Karriere im Westen startete. Benjamins Album blieb verschollen.

    Duke told me the record company people said it wasn’t commercial enough for a vocal album […] But he said, „When they tell you it’s not commercial enough, you must have something going on there. You keep doing what you’re doing – you’re my singer from Africa.“

    „The tragedy for me, for 30 years […] was that I never heard the record. We recorded it, but I never got a copy. I asked for it and wrote letters. I found out eventually that the tapes were lost.“

    „Want to hear it?“ Gerhard Lehner [der Toningenieur im Studio an diesem Tag] asked me . It turned out that, ever since he recorded Glenn Miller during the war, Lehner made a habit (and a secret) of running off two tapes of every session he supervised, one for the client, one for his private, personal collection. For three decades, he had a pristine copy of the „Bea Benjamin Sessions“ at home, a tape that no one else had heard until, on July 29 ,1994, Sathima and I listened to it on a boom box in New York.

    Damned if Ellington wasn’t right.

    ~ David Hajdu, Liner Notes zur CD

    Dass diese Aufnahmen „nicht kommerziell genug“ war, kann man sich heute schwer vorstellen. Vielleicht zu viele Balladen, keine Pop-Songs, keine aktuelleren Stücke … aber Benjamin hat schon hier ordentlich Charisma, ihre Stimme ist nicht gross, nicht laut, ihr Gesang erzeugt aber sofort eine Nähe, ja Intimtät, das alles wirkt sehr warm, atmosphärisch (auch die Aufnahme hilft da) – ich stelle mir vor, direkt daneben zu stehen, wenn die Stücke entstehen. Gemäss Hajdu sind das fast nur first takes. Benjamin – die wie Ibrahim nicht wusste, was Ellington genau mit ihnen vorhatte, als er sie zu einer Session ins Studio in Paris berief – schlug jeweils ein oder zwei Songs vor, Ellington sagte: „Let’s go!“ und wenn die Aufnahmen im Kasten waren: „Wonderful! Marvelous! What’s next?“ – so entstand ein Dutzend meist kurz gehaltener Standards: „Darn That Dream“, „I’m Glad There Is You“, „I Could Write a Book“, „I Should Care“, „“Spring Will Be a Little Late This Year“, „The Man I Love“, „Soon“, „Lover Man“, und auch ein paar Songs aus dem Ellington-Umfeld: „I Got It Bad and That Ain’t Good“ und „Solitude“ mit Ellington am Klavier, und Strayhorns „Your Love Has Faded“, auf dem der Komponist am Klavier sitzt, was er auch auf dem Closer, „A Nightingale Sang in Berkeley Square“, wieder tut.

    Dass das Begleittrio eingespielt war, ist leicht zu hören – das kaschiert auch die eine oder andere kleine Unsicherheit von Benjamin … und die Beigabe der gezupften Violine von Asmussen war eine wirklich tolle Idee. Es gibt kein Album, das so klingt wie die über Jahrzehnte zum Mythos gewordenen „Bea Benjamin Sessions“. Enja (Winckelmann) hat sie 1997 herausgebracht. Und dank dem wiederholten insistieren von @vorgarten habe ich sie nochmal 16 Jahre später (grad geguckt, 2013 habe ich die CD gekauft) doch noch entdeckt. Ich war dann erstmal irgendwie schockverliebt – und darüber dann irgendwie so schockiert, dass ich die Aufnahme nur sehr selten angehört habe, quasi zu besonderen Momenten. Eine echte Preziose!

    Sathima Bea Benjamin – LoveLight | Zwei Jahre habe sie am Opener „Winnie Mandela – Beloved Heroine“ gearbeitet, schreibt Benjamin, bedankt sich für die Unterstützung bei Buster Williams (er kriegt einen Co-Composer-Credit), aber auch bei Abdullah Ibrahim, der ganzen Band, bei Ellington, der immer noch ihr „musical guide and mentor“ sei. Gewidmet ist das Album ihrer Mutter, die wenige Tage nachdem die Aufnahme am 5. September 1987 bei RVG stattfand, verstarb – das wichtigste der „LoveLights“. Ricky Ford (ts), Larry Willis (p), Buster Williams (b) und Billy Higgins (d) sind dabei und erweisen sich als exzellente Band für die seit 1963 deutlich gereifte Stimme Benjamins. Von dazwischen kenne ich bisher zu wenig, nur das grandiose Album „African Songbird“ und ein paar Tracks aus der Compilation „Song Spirit“, die auch die Enja-Alben und die mir bis auf „Musical Echoes“ noch fehlenden Ekapa-Aufnahmen abdeckt. Ekapa ist dann noch so ein Label, das irgendwie mit Enja verbandelt ist und dann doch wieder nicht: Benjamin und Ibrahims 1979 gegründetes Label, auf dem auch „LoveLight“ parallel zu Enja 1988 veröffentlicht wurde, wenn man Dicogs glauben darf. Oft wirkt es nur als Co-Label (mit Enja und auch dem einen oder anderen, das BlackHawk-Album „Water from an Ancient Well“, das dann auch wieder bei Enja landete, hatte ich schon erwähnt). Von den genuinen Eigenproduktionen sind Ekapa 001 bis 003 und 006 von Benjamin (die kenne ich wie gesagt alle nicht, nur was auf der Compilation ist), 004 und 005 von Ibrahim (die sind hier und 005, „Ekaya (Home)“ ist eins meiner allerliebsten von ihm).

    „You Are My Heart’s Delight“ von Franz Léhar ist dann das zweite Stück – hier wird Benjamin in der ersten Hälfte nur von Willis begleitet, der überhaupt auf dem ganzen Album gut ist. Die Originals „Music“ und „African Songbird“ folgen. Die zweite Hälfte öffnet mit dem letzten Original, „Gift of Love – for Duke“, dann folgen Noel Coward („I’ll See You Again“), Kern/Gershwin („Long Ago and Far Away“) und DePaul/Raye („You Don’t Know What Love Is“). Das ist Musik, die in ihrer immensen Wärme gar nicht so weit von den Alben von Ibrahim mit Ekaya entfernt sind (auf denen abgesehen von Willis alle drei Begleiter auch mal auftauchen), aber die Musik ist dann doch viel näher am US-Jazz. Arrangiert hat Benjamin alles selbst.

    Ein grosses Highlight ist zweifellos „African Songbird“, das Higgins mit Talking Drums öffnet. Bass-Vamp, Trommel und darüber Benjamin. Der Gesang hat oft etwas Deklamatorisches, entfaltet auf mich nicht den gleichen Zauber wie die frühe Session – aber das dünkt mich auch ein unsinniger Vergleich.

    Sathima Bea Benjamin – Southern Touch | Buster Williams und Billy Higgins waren auch am 14. Dezember 1989 wieder dabei, als Benjamin bei RVG ihr zweites Enja-Album aufnahm. Kenny Barron ist das neue Gesicht, ein beim Label vertrauter Musiker. Erschienen ist das Album erst ein paar Jahre später, trägt daher eine deutlich höhere Katalognummer.

    Schon im Opener, „Loveless Love/Careless Love“, beschleicht mich kurz das Gefühl, dass Barron seinen Ibrahim-Gedenk-Modus auspackt – was er hier aber geschickt mit old-timey-chords mischt, wie sie diesem W. C. Handy-Medley natürlich angemessen sind. Im zweiten Song gibt es den verführerischen „Cape Town rhythm“, wie Benjamin ihn in ihren Liner Notes nennt, mit catchy Bass-Vamp und tänzelndem Klavier von Barron, während Benjamin beklagt, wie sie den Blues einfach nicht verjagt kriegt – ein fantastischer Einstieg! Es gibt dieses Mal ein reines Standard-Programm, aber nicht mit den Songs, die man bei sowas erwartet. „Street of Dreams“ (toll!), „I’ve Heard That Song Before“ und Jimmy Dorseys „I’m Glad There Is You“ folgen, dann „One Alone“ von Romberg/Harbach/Hammerstein – und ich glaube, das Stück kenne ich sonst überhaupt nicht. Dann ist das populäre „Together“ an der Reihe und zum Ausklang Ellington mit „I Let a Song Go Out of My Heart“ (wieder mit diesem Cape Town-Rhythmus, der irgendwo zwischen afro-cubanisch und Calypso mäandert) und Strayhorn mit „Lush Life“ (eh ein Lieblingssong, auch hier super – im Verse nur Barron, die zweite Hälfte dann mit dem ganzen Trio).

    Vom Material her mag dieses zweite Album weniger persönlich wirken – aber dieser Eindruck täuscht. Benjamin verleibt sich diese Songs ein, lässt sie so persönlich klingen, dass schon mal der Eindruck entstehen kann, dass sie sie fast wie eine zweite Haut bewohnt, dass das ihre eigenen Songs sind.

    Für alle, die wie ich die Japan-Ausgabe haben, gibt es bei Discogs auch hier einen kompletten Scan mit lesbaren Liner Notes. Und Benjamins Text dort suggeriert, dass sie – ganz die unabhängige Künstlerin, die ja eben auch ihr eigenes Label leitete – die Session selbst organisierte und wohl auch produzierte – es gibt keine Produktions-Credits, Winckelmanns Name taucht nur beim Name des Labels auf.

    Ich kenne diese beiden Enja-Alben beide noch nicht sehr gut, habe sie in den Japan-Ausgaben von 2014 bzw. 2021, aber jeweils erst 2017 und 2023 gekauft. Das zweite Album ist mir heute eine Spur lieber und näher – aber das braucht natürlich alles Zeit und weitere Hörgänge. Beides Alben, die ich nicht missen möchte, wenn es auch keine Lieblingssalben sind.

    Zwei Nachgedanken: früh oder spät – am liebsten mag ich Benjamin in langsamen Tempi (auch wenn ihre manchmal eigenwillige Intonation da stärker zum Vorschein kommt). Und RVGs Sound mag ich hier total gerne – die Stimme ist wunderbar aufgenommen, sonst fehlt zwar etwas von der Klarheit der meisten Enja-Produktionen, aber für diese zwei Alben passt sein „Mischklang“ super, und der Bass ist okay aufgenommen (Williams mag das halt auch, wenn er diese unnatürliche Resonanz hat, und spielt hier manchmal sehr gekonnt damit).

    Und zuletzt mal noch ein grosses Dankeschön an @vorgarten fürs Insistieren, hier und anderswo (Alice Coltrane und Abbey Lincoln sind die ersten, die mir noch einfallen).

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    lotterlotta
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    @gypsy-tail-wind

    „Ich war dann erstmal irgendwie schockverliebt – und darüber dann irgendwie so schockiert, dass ich die Aufnahme nur sehr selten angehört habe, quasi zu besonderen Momenten. Eine echte Preziose!“

    herrlich….da wird sie wohl in deiner liste in einer der vorderen positionen auftauchen….ich höre sie tatsächlich öfter, wenn ich online karten spiele als begleitmusik, hab sie ja nur als behelf, ein wundervolles album, schade das sie nicht zeitnäher zur aufnahme auf vinyl erschien…..

    …schade das letzteres nicht in die liste darf und die erst vö auf enja aus dieser session als lp so unverschämt teuer ist….wer bei diesem konzert dabei war konnte sich glücklich schätzen…..erstere ist aber auch hervorragend…..

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