Das Piano-Trio im Jazz

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    gypsy-tail-wind
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    Yancy Körössy – Identification | A propos Art Tatum … nicht nur Martial Solal fand in Europa eigene Wege, um an das Spiel des grossen Pianisten anzuknüpfen und es fortzuschreiben. Auch der 1926 in Cluj geborene und 2013 in Bukarest verstorbene ungarischstämmige rumänische Pianist János (aka Ianci, Yancy, Janci, Iancsi usw.) Körossy gehört zu den Virtuosen, die da ansetzten, wo Tatum aufhörte. Wie Solal findet Körössy eine modernere harmonische Sprache, in der er das tut – im Fall seines vielleicht besten Albums am 9. September 1969 in Villingen für MPS und mit Hans Rettenbacher und Charly Antolini an seiner Seite. Schon 1960 hatte Körössy in Prag seine ersten Aufnahmen im Trio-Format gemacht, das Format war für ihn also altbekannt, und er schöpft auf „Identification“ aus den Vollen. Es gibt Standards („All the Things You Are“, „Bye Bye Blackbird“, „Stella by Starlight“, „I Can’t Give You Anything But Love“, „Stompin‘ at the Savoy“) und Originals („Sorrow“ und das Titelstück von Körössy, „I’m On My Way“ von Rettenbacher). Die Grooves bewegen sich zwischen Bop und Groove, werden oft intensiv, manchmal überborden sie so sehr, dass sie schon allein deshalb fast ins Freie durch brechen. Später kamen vermehrt auch Klänge aus seiner Heimat dazu, er verwob Jazz mit rumänischer Folklore oder liess sich auch mal von George Enescu inspirieren. Vielleicht kommt die Figur, von der das Trio sich im Titelstück zu freien Ausbrechen, auch aus der Tradition? Jedenfalls ist das ein ziemlich irrer Trip, der danach durch eine weitere halbe Rag-Nummer zurückgeholt wird, „I Can’t Give You Anything But Love“ mit einem tolle Intro von Körössy. Wenn danach die Rhythmusgruppe einsteigt, wird die Rag-Stimmung ihrerseits aufgebrochen und das Trio rompt mit steigender Intensität durch die Nummer, Antolini spielt immer dichtere Kommentare und Fills, das Klavier schrammt am Funk vorbei … rein von der Pianistik her dünkt mich da auch Newborn recht nah. Im Closer stoppen die drei dann den Flow und finden ausgerechnet in „Stompin‘ at the Savoy“ zum völlig freien Spiel. Vor zwanzig Jahren wäre das ein Lieblingsalbum gewesen, heute nicht mehr ganz.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    gypsy-tail-wind
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    The Barry Harris Trio – Magnificent! | Barry Harris war vielleicht einer dieser Musiker, die mit zunehmendem Alter einfach immer besser werden? Sieben Jahre nach dem letzten Trio-Album (davor nahm er für sein neues Label Prestige 1967 und 1968 schon je ein Sextett-Album auf) ist Harris wieder mit einem Trio zu hören: Ron Carter ist zurück für einen Sideman-Job im Mainstream und Leroy Williams mit seinem „dancing, darting beat“ (Ira Gitler in den Liner Notes) sitzt am Schlagzeug, was er die kommenden Jahre bei Harris immer tun sollte. Los geht es rasant mit „Bean and the Boys“, dem Leader in Powell-Territorium aber mit Linien und Einfällen, die es so bei den ersten Beboppern noch nicht gegeben hätte. An Kanten mangelt es Harris wirklich nicht, auch wenn sein Spiel am Ende gerade so elegant – und ja: schön – ist wie das von Hank Jones oder Tommy Flanagan. Sein „You Sweet and Fancy Lady“ ist ein sehr schönes mittelschnelles Original, in dem die drei einen tollen Groove finden und Williams an den Besen tatsächlich tänzelt. „Rouge“ ist dann eine ausgewachsene Ballade, in der Carter mit tollen Gegenlinien glänzt, auch wenn er bloss begleitet. Beide Albumhälften enden mit Charlie Parker: „Ah-Leu-Cha“ und „Dexterity“ am Schluss des Albums. Dazwischen gibt es noch zwei Originals, „Just Open Your Heart“ mit einem Monk’schen Intro und „Sun Dance“, sowie den Balladen-Klassiker „These Fooolish Things (Remind Me of You)“. Nicht nur beim Closer denke ich hier in mancher Trio-Passage auch mal an das Jarrett-Trio, das ja auch hie und da Bebop-Klassiker neuinterpretiert hat.

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    gypsy-tail-wind
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    Siegfried Kessler, Barre Phillips, Steve McCall – Live at the „Gill’s Club“ | Letzte Runde aus dem Jahr 1969, live im Gill’s Club in Paris am 26. und 27. Dezember 1969 für eins der Label von Gérard Terronès. Der 1935 in Saarbrücken geborene Pianist trat mit den unwesentlich älteren Amerikanern Barre Phillips am Kontrabass und Steve McCall am Schlagzeug auf. Für das CD-Reissue wurden nicht nur fast 10 Minuten von „LB“ wiederhergestellt („long & improvised version“ steht dazu, 22:25 Minuten statt 12:40) sondern auch noch ein knapp 13minütiges „Milestone“ (Miles Davis) ergänzt. Die fünf Stücke der LP von 1970 stammen bis auf den Opener „Elyane“ alle von Phillips. Der Opener beginnt maximal frei mit Tupfern des Klavier, einzelnen Becken- und Trommelschlägen, einem frei gestrichenen Bass, der ständig ins Falsett wechselt. Erst nach vier, fünf Minuten schält sich in der linken Hand und den Drums allmählich ein Groove heraus – und nach über sechs Minuten dann plötzlich ein kleines Thema, das im Bass zwischen zwei Akkorden wechselt und halbe Flamenco-Anklänge kriegt. Das Stück entwickelt über fast 18 Minuten einen grossen, tollen Bogen. „Journal Violone“, „Spikenard“ und „Silver Cloud“ heissen die drei kürzeren Phillips-Stücke, die folgen. Das erste hier als eine Art Free-Ballade, natürlich mit Phillips im Zentrum. Das Klavier gesellt sich mit einfachen Melodiefetzen dazu, die Drums punktieren ein wenig. Im zweiten ist das Tempo schnell, die Räume vm „Journal“ werden wieder verdichet. Im dritten tänzeln Bass und Drums einen Walzer und das Klavier setzt sich dazwischen, stört mal, macht dann wieder mit. Das Riff wird bald punktiert, das Klavier schiebt Arpeggien herum – aber eigentlich bleibt der Bass auch hier die ganze Zeit im Lead. In „LB“ findet das Trio dann schon nach kurzem freien Intro einen raschen Puls, wobei der Bass und die Drums nie zusammen zu sein scheinen sondern irgendwie parallel ihre Wege gehen, während das Klavier dazu grummelt und kleine Melodien oder Akkorde einstreut. Phillips spielt zwischen schnellen Passagen auch mal double stops und McCall überrollt bald alles mit seinen Attacken. Nach ein paar Minuten beruhigt sich das Geschehen, der Puls löst sich auf, Phillips greift zum Bogen. Nach einigen Minuten findet der Bass ein neues Riff, das vielleicht ein wenig arabisch klingt. Die Drums gesellen sich jetzt passend dazu, das Klavier rifft, und so findet das Stück dann nach 22 Minuten sein Ende (keine Ahnung, welcher Teil weggekürzt wurde für die LP, vermutlich eher der erste). Dann noch „Milestones“, Phillips lässt den Bass ausklingen, Kessler deutet das Thema bruchstückhaft an, McCall spielt einen Puls, der mehrere Tempi gleichzeitig andeutet. Ziemlich toll, wie das läuft – bis es recht unvermittelt zu einem Ende kommt, und damit auch die 73 Minuten Musik auf der CD. Gefällt mir sehr gut, auch von der Stimmung her, die an diesen Abenden herrschte.

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