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Introducing …. Freddie Redd | Noch was aus den mittleren Fünfzigern, was ich übersprungen habe … das erste 10″-Album für Prestige entstand am 28. Februar 1955 bei Van Gelder mit John Ore und Ron Jefferson und ist vielleicht auch gleich gut zum Erklären, warum ich Redd bisher wohl übersprungen habe: die drei Blue Note-Alben mit McLean und Brooks mag ich echt gerne, aber als Pianisten finde ich Redd immer etwas langweilig. Schöner Touch, feine Kompositionen – aber irgendwie die Biedermeier-Version des Jazzpianos am Übergang von Bebop zu Hard Bop. Das ist sicher nicht ganz fair, zumal er schon sehr gut ist (zeigt er z.B. in der Ballade „The Things We Did Last Summer“, in der auch Ore super ist in der Begleitung – nie in den Vordergrund drängend, aber sehr präsent … fair, dass er gegen Ende auch ein paar Takte kriegt). Vielleicht versöhne ich mich mit dieser Trio-Session gerade, denn der Touch von Redd gefällt mir hier echt gut. Auch toll ist, wie er in seinem „Lady J Blues“ funky wird ohne seine Bud Powell-Wurzeln zu verraten und auch ohne in Klischees zu fallen. Kann sein, dass ich die Session zum ersten Mal ohne die 12″-Beigabe (die davor gestellt wurde) von Hampton Hawes mit Larry Bunker am Vibraphon höre, die halt zum Erfolg des ganzen auch nicht viel beiträgt (also: seit heute finde ich: deutlich weniger als die ganz gute Redd-Session – vielleicht muss ich jetzt das Trio-Album von 1971, das erste nach der langen Aufnahme-Pause in den Sechzigern, doch auch noch hervorkramen).

Freddie Redd in Sweden | Den Schweden-Ausflug von Redd und Tommy Potter hab ich irgendwie mit massiver Verspätung erst vor ein paar Jahren mal nachgeholt, weil eben. Joe Harris, ein Drummer, den ich auch nicht besonders mag, sitzt am Schlagzeug bei den Trio-Aufnahmen, die im September 1956 in Stockholm entstanden sind. Mit den Ausgaben ist es hier wieder schwierig, „Original“ und LP gibt es vermutlich nicht in einem, da die zwölf Stucke zunächst auf drei EPs erschienen sind (wie das „Album“ von Tommy Flanagan aus Schweden) … es gibt aber z.B. eine LP von 1958 auf Pye Nixa (England), mit sechs Trio-Aufnahmen und vier Stücken mit den Trompetern Benny Bailey und Rolf Ericson dazu:


Hier sind diverse Originals von Redd zu hören: „Dawn Mist“ zum Einstieg (auf der Bootleg-CD, die der Metronome-LP aus Japan von 1973 nachempfunden ist, die Prestige 10″ und noch zwei Stücke aus Schweden beigibt) erinnert stark an Powell, es folgt „Beautiful Adela“, später noch „Reminiscing“, „Blues X“, „A Night in Nalen“, „Blue Hour“, „Studio Blues“, „People’s Park“ und „Farewell to Sweden“. Dazwischen sind auch „I’ll Remember April“, „Bye, Bye Blackbird“ und „Get Happy“ eingestreut.


Hier setzt bei mir mir der Zeit wieder die Langweile ein – und ich kann echt nicht sagen, warum, denn wann immer ich aufmerksam lausche, gefällt mir sehr gut, was Redd spielt, wie er klingt … Potter (aus der Generation bevor der Bass im Modern Jazz spannend wird) und Harris (der mir oft zu laut und unsensibel ist, daher mag ich ihn nicht so) machen ihre Sache auch ganz gut … aber ich finde das alles etwas eintönig, etwas gleichmässig. Die Bonustracks der Lonehill-CD, live aus dem Folkets Park in Varnama von Ende Juli, sind „I’ll Remember April“ (da riffen aber auch noch leise ein paar Bläser mit) und das noch nicht gehörte „These Foolish Things“ (ein Bass-Feature, die Bläser spielen am Ende einen Ton), auch mit Potter/Harris.

Freddy Redd Trio – San Francisco Suite for jazz trio | Gegen das Cover kann man echt nichts sagen, aber es wirkt halt so bunt und brav und aufgeräumt, und das passt wiederum nicht schlecht zu meinem Eindruck von Redds Musik, wenn er eben keine tollen Bläser in seiner Band hat. Stattdessen sind hier, am 2. Oktober 1957 im Studio in New York (ist ja ein Riverside-Album, das eingekaufte Cover-Foto von Magnum hat Dennis Stock gemacht) George Tucker und Al Dreares dabei – ein starker, aber für meine Ohren nicht so für diesen Rahmen geeigneter Bassist und ein eher unauffällig agierender Drummer. Wenn der Produzent des Albums, Orrin Keepnews, die halben Liner Notes darüber spricht, dass Redd sich vielleicht nie durchsetzen werde, aber aktuell eine frische Stimme sei, dann ist er sich selbst wohl höchst unsicher … und versucht genau das zu tun, war er am Ende als nutzlos beschriebt, nämlich Neulinge dem Publikum ans Herz zu legen. Mein Biedermeier-Eindruck kommt vermutlich am stärksten von hier, von der Titelgebenden Suite, 13 Minuten lang, hübsch durchstrukturiert, auch mal etwas Celesta (nicht in den Credits), Um-Pa-Rhythmen und „I Got Rhythm“, das in einen bluesigen Gospel abdriftet. Danach gibt es drei Standards („By Myself“, „Ol‘ Man River“ und „This Is New“) sowie drei Originals von Redd, darunter als Closer auch eins namens „Nica Steps Out“ (ob das, wie anzunehmen ist, für Pannonica de Koenigswarter ist, weiss ich nicht, Keepnews schreibt nichts dazu). Das und „This Is New“ direkt davor sind hier glaub ich meine Highlights.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deSilvester-Tipp von Phil Collins: Mit „In The Air Tonight“ ins neue Jahr
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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Freddie Redd Trio „Round Midnight“ (Interplay) 1977 …. Freddie Redd mit Henry Franklin (b) + Carl Burnett (dr) im frühen Dezember 1977 …. dies nicht uninteressant, jedoch gleichzeitig aber die zahlreichen losen Fäden und offenen Enden des eher suchenden Pianisten offenbarend, welche auch die sehr wertigen und auffallend aktiven Sidemen nicht schlüssig verknüpfen können ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
waldron, woode, favre, black glory (1971)
waldron im trio ist eher nichts für mich. das sind auch andere formen der repetition als bei parlan, den ich eher in der spirituellen praxis höre. hat natürlich alles irgendwie mit blues zu tun, aber bei parlan höre ich den gottesdienst, inklusive des ekstatischen ausbruchs, bei waldron die mühsal, das beharren, das bleibt auf dem boden und wühlt sich eher noch rein.
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sato, warren, favre, trinity (1971)
wichtiges album für mich. zum ersten mal achtsamer freier jazz, damals kannte ich die labelphilosophie des konkurrenten noch nicht. bin immer wieder verblüfft, wie sie hier eine gemeinsame sprache finden, durch ganz unterschiedliche sounds, mit viel rücksicht und sinn für den gesamtsound. super natürlich, was sato mit seiner elektronischen klavierverlängerung anstellt. geistervibrationen aus dem studio-keller. aber eigentlich ganz grundsätzlich: es verliert für mich in 45 minuten nie die spannung.
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sato, peacock, hino, samādhi (1972)
geht auf der ersten seite im gleichen geist weiter, vielleicht etwas vordergründiger. auf der zweiten wechselt sato ans e-piano (plus ring-modulator), die beats werden rockiger, die texturen flüssiger, die dramaturgie flacher, es gibt kleine themen. früh-70er-labor.
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Sato ist eine meiner ganz grossen Enja-Entdeckungen von neulich hier – kannte ich davor nicht.
vorgarten
waldron im trio ist eher nichts für mich. das sind auch andere formen der repetition als bei parlan, den ich eher in der spirituellen praxis höre. hat natürlich alles irgendwie mit blues zu tun, aber bei parlan höre ich den gottesdienst, inklusive des ekstatischen ausbruchs, bei waldron die mühsal, das beharren, das bleibt auf dem boden und wühlt sich eher noch rein.Das kann ich durchaus nachvollziehen – ich höre die auch überhaupt nicht ähnlich, die Parallelen im repetitiven und minimalistischen Spiel (bei Parlan ist das ja weniger minimalistisch, aber er erklärte das ja auch für die Liner Notes seines Debutalbums, dass er wegen seiner körperlichen Einschränkungen einen anderen Stil suchen, sich nicht an wem wie Tatum orientieren konnte) sind für meine Ohren rein äusserlicher Natur.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
Hampton Hawes – Bird Song | Nochmal 1956, Januar sogar – aber erst 1999 veröffentlicht: Hampton Hawes mit Paul Chambers und Larance Marable auf neun Stücken, dazu kommen drei, die angeblich mit Scott LaFaro und Frank Butler im März 1958 aufgenommen wurden – aber wie ich das im Kopf habe, stimmen diese Infos wohl nicht und nach LaFaro klingt das auch nicht wirklich – allerdings hab ich mir nie notiert, was @redbeansandrice dazu mal irgendwo hier geschrieben hat (vielleicht auch schon zweimal) – und die Suche hilft leider mal wieder nicht weiter. Die drei Stücke sind „What’s New“, „I’ll Remember April“ und „Blue ’n‘ Boogie“, #8, #10 und #12 der CD, was auch eine etwas seltsame Idee ist. Jedenfalls gibt es hier den sprudelnden jüngeren Hawes, überbordend in seinem „Blues for Jacque“, Charlie Parkers „Big Foot“ oder Thad Jones‘ Hommage an Parker, „Bird Song“ – und das schöne ist: dank Chambers ist das alles dunkel getönt, was von der Stimmung her schöner ist, als die drei Folgen „The Trio“, die ich ja auch gerne mag. Ein Highlight auch die ausufernde Version von „I Should Care“, in der ein eigentlich eng gehaltenes Arrangement durch aufsteigende, sich überschlagende Läufe aufgebrochen wird. Die CD war wohl nach „Mingus Three“ und zeitgleich mit „For Real!“ eine meiner ersten von Hawes, damals als Zweitausendeins den Vertrieb von Fantasy verlor und ich einige grosse Pakete mit jeweils ein paar Dutzend CDs für 2.99 bestellt hatte – und ich freue mich gerade sehr über das Wiederhören. Ein Nebeneffekt der letzten Tage ist auch, dass mir die Qualitäten von Paul Chambers‘ Spiel mal wieder sehr bewusst werden (so lange er nicht zum Bogen greift, und auch da gibt es Momente, die sich so eingebrannt haben, dass ich sie toll finde – aber eher mit Coltrane als im Trio).

Hampton Hawes – The Sermon | Nochmal Hawes, im November 1958 in den Contemporary Studios mit Leroy Vinnegar und Stan Levey und auch erst 1988 veröffentlicht. Ein paar Tage später ging Hawes ins Gefängnis. Verurteilt war er zu fünf Jahren. Es gibt Präsidenten, die am Fliessband Kriminelle begnadigen und es gibt Präsidenten, die einen Jazzmusiker nach der Hälfte der abgesessenen Strafe begnadigen, JFK in diesem Fall). Der Albumtitel ist kein Zufall, denn das Trio spielt Gospel-Klassiker und Kirchen-Hymnen: „Down by the Riverside“, „Just a Closer Walk with Thee“, „Swing Low, Sweet Chariot“, „Nobody Knows the Trouble I’ve Seen“ etc. Die einen Stücke werden druckvoll und mit Elan angegangen, andere eher ruhig. „Just a Closer Walk“ als Walking-Ballade ist zum Beispiel eine fast zärtliche Performance, aber mit tollen rhythmischen Akzenten. Vinnegar ist für so ein Album eine ganz hervorragende Wahl und Levey demonstriert immer wieder seine Meisterschaft mit den Besen. Hawes ist natürlich soulful und Hawes ist funky – aber das Album ist angesichts des Themas doch überraschend getragen und überaus geschmackvoll.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
Bill Evans – The Legendary Trio at Birdland 1960 Revisited | Das ist dann die Ausgabe, die ich mir von den Live-Aufnahmen aus dem März bis Mai 1960 geholt habe, 2024 bei Hat Hut/ezz-thetics erschienen. Das Evans Trio spielt grossteil s von den offiziellen Alben bekanntes Material, teils in mehreren Versionen (dreimal „Come Rain or Come Shine“, zweimal „Autumn Leaves“, je einmal „Beautiful Love“, „Nardis, „Blue in Green“), aber auch Material von frühen Evans-Aufnahmen („Our Delight“ und „Speak Low“ sind auf dem Debut „New Jazz Conceptions“ zu finden) oder welche, die später im Village Vanguard festgehalten wurden („All of You“). Das klingt alles eine Spur rauher, zupackender, lebendiger als im Studio – obwohl die Klangqualität zu wünschen übrig lässt, worunter vor allem Motian leidet, während LaFaro recht gut rüberkommt – besser eigentlich auch als Evans, dessen Klavier recht dünn klingt. Aber gut: eine so kurzlebige, so umwerfende Band, da ist man über jedes Dokument froh … und mehr ist ja leider nicht aufgetaucht in all den Jahren (obwohl Boris Rose, von dem diese Aufnahmen auch stammen, vermutlich mehr davon hatte – falls die Sets, die das Trio in der Pause der Haupt-Acts spielte, konservativ geschätzt, jeweils ca. eine halbe Stunde dauerten, müsste bei vier Sets zu den 71 Minuten nochmal fast eine Stunde mehr vorhanden sein).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDie 12 Stücke der 4 Birdland-Gigs wurden ja seit den 90ern ein paar Mal veröffentlicht, bisher habe ich mir keine der Veröffentlichungen gekauft, was 1960 zum einzigen weißen Bill Evans Fleck bei mir macht. Gute Idee, mit dieser Ausgabe die Lücke zu schließen.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...War bei mir genau so … konnte mir mal eine der alten Fresh Sound CDs kopieren, hab die dann aber doch kaum je angehört … ezz krieg ich beim Vertrieb zum Freundschaftspreis, da lag es nahe, den unhaltbaren Zustand mal zu ändern. Ich machte gestern noch etwas weiter und wiederhole beide Runden gerade nochmal:

The 3 Sounds – Moods | Wenn man „LD + 3“ mitrechnet, ist das Album mit Ruth Lion auf dem Cover bereits das fünfte, bloss eineinhalb Jahre nach dem Debut, im Juni 1960 aufgenommen (aber erst 1961 erschienen – die Gruppe zog ja 1962 zu Verve weiter und von da zu Mercury/Limelight bis sie 1967 wieder zu Blue Note zurückkehrte – ich kenne bisher nur Blue Note-Alben). Das CD-Reissue von 2019 war glaub ich der Moment, als ich die frühen Sachen erstmals richtig super fand. Zu den späten fand ich ausgerechnet durch die orchestralen/big band-Alben, die es ganz zum Schluss der Rare Groove CD-Reihe bei Blue Note erneut gab, aber auch davor schon so halb, schnelleren Zugang. Bei den frühen war es, wie ich schon zum Debut geschrieben hatte, eigentlich nur „Blue Hour“ mit Stanley Turrentine, das ich schon immer gemocht hatte. Auf „Moods“ findet das Trio einen tollen Groove nach dem anderen – und klar, es präsentiert auch „Moods“, aber die sind viel funkier – soulful eben – als damals 1950/51, als Columbia den „Piano Moods“ nachgestiegen ist. Dass da nur ein Jahrzehnt dazwischen liegt, finde ich auch ziemlich faszinierend. Es ist halt schon so, dass sich im Jazzpiano vieles vermischt, überlagert, aber eben auch herauskristallisiert. „Love for Sale“, „Things Ain’t What They Used to Be“ und „On Green Dolphin Street“ mit seinen etwas abgelegeneren Changes bilden die erste Hälfte der LP, jedes Mal gibt es einen leicht anderen aber prägnanten Groove, es gibt Riffs, Rim-Shots und anderes, das Ohr findet stets Halt. Harris‘ Piano klingt vielleicht am ehesten nach Oscar Peterson (muss ich den jetzt doch auch noch hervorholen? vielleicht ein, zwei Alben …), aber er spielt sparsam, da eher Jamal vergleichbar, von dessen Trio auch Bassist Andrew Simpkins und Drummer Bill Dowdy auch die eine oder andere Idee borgen, z.B. den suspended Orgelton, mit dem „Dolphin Street“ am Ende in den Fade-Out geht. Für die B-Seite stellte man (Lion und Harris, I presume) fünf kürzere Stücke zusammen, in der Mitte nochmal Ellington mit „I’m Beginning to See the Light“ in weniger als zweieinhalb Minuten – inklusive Gospel-Piano über Handclaps. Los geht es mit dem „Loose Walk“ von Sonny Stitt/Johnny Richards und da ist das Tempo für einmal hoch, doch die Band klingt auch hier federleicht, Harris spielt diese typischen Akkorde mit der Linken, so ungefähr auf eins und drei, natürlich gekonnt platziert und im Einklang mit dem Bass, der auch in Zwei unterwegs ist, während die Drums auf vier einen Rim-Shot setzen. Das entwickelt sehr viel Momentum – und wenn man da mal genauer hinhört, merkt man wohl wieder einmal, wie gekonnt so „einfacher“ Hard Bop eben doch oft ist, wie gut die das alles im Griff haben, wie jeder Akzent sitzt, damit das alles so „in the pocket“ herauskommt, so eng verwoben wirkt, als würden die drei gemeinsam atmen. „L’il Darlin“, ein Beitrag zum Buch der Basie Band von Neal Hefti – und klar, Basie ist für sowas (auch für Jamal, nehme ich an, obwohl da selten drüber gesprochen wird, soweit ich weiss?) auch eine wichtige Referenz – , ist dann die brennende Ballade, nach dem zweiten Ellington-Stück, und dann gibt es mit „Tammy’s Breeze“ das einzige Stück von Harris, bevor das Album mit „Sandu“ von Clifford Brown schliesst. Abgesehen von der einen oder anderen Länge hintenraus (42 Minuten sind für so ein Album vielleicht etwas viel, aber es war ja auch eher nicht zum konzentrierten Hören konzipiert) rundum gelungen, finde ich, wenigstens vier Sterne – aber Bestenlistenmaterial ist das bei mir natürlich nicht.

Wynton Kelly – Kelly At Midnite | Das ist hier eigentlich anders (eigentlich, weil 20 Plätze halt so wenige sind). Wynton Kelly im April 1960 mit einer gelegentlichen Miles Davis-Rhythmusgruppe: wenn Jimmy Cobb keine Zeit hatte, sprang auch nach 1958 hie und da Philly Joe Jones ein, der hier neben Paul Chambers zu hören ist. Ein grossartiges, etwas kurzes Album (32einhalb Minuten), das bei der Session genau umgekehrt ablief, als es dann auf der LP programmiert wurde: der lockere Blues, der dort das Geschehen nach einigem Feuerwerk beschliesst, war das Warm-Up, die Ballade und die beiden grössten Feuerwerke fanden in der Mitte bzw. am Ende der Session ihren Platz. Es ist also eine gute Idee, das in beide Richtungen zu hören. Leider gibt es hierzu auch im Mosaic-Set mit den vielen Alternate Takes beim zweiten Album (mit Cobb, teils aber mit Sam Jones am Bass) keinerlei zusätzliches Material, nur die fünf Master Takes. Aber die haben es in sich und bilden zusammen das wohl beste Album von Wynton Kelly, zumindest das beste im Trio-Format. Zwei Stücke von Kelly – der erwähnte Blues und „Temperance“ – rahmen das Programm, dazwischen gibt es zwei von Rudy Stevenson, dem Gitarristen von Nina Simone, und „Weird Lullaby“, die Ballade von Babs Gonzales, die auch unter dem Title „Lullaby of the Doomed“ bekannt ist.
Jones tanzt förmlich an den Besen, Chambers spielt in Zwei und Kelly reiht frische Ideen aneinander in „Temperance“, die Rhythmusgruppe variiert stets die Begleitung, Chambers spielt zwei Chorusse nach den vieren des Pianisten. Sieben Minuten, die zeigen, wie toll man „in the pocket“ sein und dennoch stets völlig überraschend bleiben kann – das sit dann schon eine andere Liga als bei The 3 Sounds. Und eine Performance eben, wie sie auch so ein Trio nicht zu Beginn einer Studiosession raushauen kann. Auch in der tollen Ballade (vom Komponisten 1947 für eine der Blue Note Sessions „3 Bips and a Bop“-Sessions erstmals aufgenommen, später kamen Lyrics dazu und der neue Titel) ist der Drive dieses Trios zu spüren. Im Thema singt das Klavier, die Begleitung ist zurückhaltend aber glüht. Für die Solo-Chorusse werden Bass und Drums etwas aktiver, nach dem superben halben Bass-Chorus spielt Kelly Block-Akkorde – ein Mittel, um den im Solo-Teil gewonnenen Punch nicht zu opfern, aber wieder zur getragenen Stimmung vom Thema überzuleiten.
Seite 2 der LP öffnet mit dem schnellen „On Stage“ – ein Stück, das im schnellen Tempo den catchy Groove und das lyrisch-melodische Können des Trios perfekt verbindet. Kelly spielt ein perfekt ausgeformtes Solo, in dem jeder Ton perfekt gesetzt und hörbar ist, auch in schnellen Phrasen. Dann ist Chambers für einmal mit Bogen zu hören – und glänzt. Jones begleitet ihn ohne sich zurückzunehmen, aber dennoch mit Rücksichtig auf die Gesamtdynamik – und spielt dann nach einer kurzen Klavierpassage ein kurzes, aber fabelhaftes Solo. Das ist alles total auf den Punkt, super tight, aber wirkt zugleich sehr frei, spontan, frisch (Steve Kuhn, der damals ganz genau hingehört hat, anscheinend Kelly immer wieder anhören ging, hat das Stück in den Achtzigern auch eingespielt). „Skatin“, das zweite Stevenson-Stück, ist funky und eingängig – und wieder glänzt das ganze Trio, zusammen und in den Soli, mit einer Lässigkeit, die dennoch immer auf den Punkt ist, sehr locker und zugleich total konzentriert wirkt. Als Closer dann „Pot Luck“, der mittelschnelle Kelly-Blues, mit dem die Session gestartet ist – Tempo und Stimmung sind wirklich ähnlich, wie wenn das Trio hinter Miles Davis am Ende des Sets in „The Theme“ fällt. Jones akzentuiert, Chambers hält den Groove und Kelly improvisiert darüber. Das ist grosses Kino, das aber ganz ohne die grossen Gesten auskommt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
Barry Harris at the Jazz Workshop | Mein liebstes Trio-Album von Barry Harris ist bekanntlich ein anderes, aber ich hatte die Alben seit seinem Tod herausgelegt und bin dann doch nie wirklich zum Vertiefen gekommen, daher möchte ich gerade wenigstens die Trio-Alben alle mal wieder anhören. Harris war bis dahin ausserhalb von Detroit vor allem ein Mythos (abgesehen von drei Monaten mit Max Roach 1956, die einzige Zeit ausserhalb von Detroit bis 1960), wie Orrin Keepnews in den Liner Notes schreibt. Als Cannonball Adderley einen Nachfolger für Bobby Timmons suchte, heuerte er den Pianisten an, um den sich Legenden rankten, ohne dass die meisten Leute ihn je zu Gesicht bekommen hatten – und plötzlich stand Harris im Rampenlicht und man kriegte ihn im ganzen Land zu hören. Nach etwa drei Monaten mit der Band (er zog bald weiter, Victor Feldman war sein Nachfolger) nahm Riverside ihn im Jazz Workshop in San Francisco live auf – am selben Ort, an dem im Vorjahr mit Timmons eins der besten Adderley-Alben entstanden ist (mit einer unsterblichen Version von „This Here“). Harris war ein paar Monate davor dreissig geworden, schon ein wenig grau – und er war tatsächlich der Meister, über den man sich überall diese Geschichten erzählt hatte. Sam Jones und Louis Hayes waren schon länger zusammen und inzwischen bestens auf den neuen Pianisten eingestellt, der ein paar Originals („Curtain Call“, „Lolita“, „Morning Coffee“ – von „Lolita“ gibt es auch eine Adderley-Einspielung mit Feldman) mitbrachte und ein paar Klassiker arrangierte. Mit „Is You Is or Is You Ain’t My Baby“ von Louis Jordan geht es los, später sind auch der alte Bebop-Favorit „Star Eyes“ (mit typischem Latin-Groove im Thema und Swing in den Solos), „Moose the Mooche“ von Charlie Parker, „Woody’n You“ von Dizzy Gillespie und noch ein Standard zu hören, den schon in der Bop-Ära alle mochten, „Don’t Blame Me“ – ein Highlight hier, mit ein paar Monk-Anklängen. Harris ist ja ein Bebopper, der immer wieder in Hard Bop-Bands gelandet ist – bei den Adderleys oder im Studio für Lee Morgans „The Sidewinder“. Funky und soulful ist er nicht, jedenfalls nicht auf die Art, die damals mit den Attributen versehen wurde. Harris spielt pures Bebop-Klavier, aber mit einer Gelassenheit, wie es sie in den Vierzigern und auch den frühen Fünfzigern noch nicht gab. Er nannte Keepnews als grösste Vorbilder neben Art Tatum die Bebop-Grössen Charlie Parker und Bud Powell – und Spuren von Powell sind in manchen Stücken ziemlich direkt auszumachen, etwa in seinem Solo in „Moose the Mooche“ oder in „Morning Coffee“ (benannt nach dem einzigen Getränk, das es damals, nach „closing time“ um 2 Uhr morgens, in San Francisco noch zu kriegen gab). Sam Jones kriegt ein paar Solo-Spots und weiss sie hervorragend zu nutzen, bringt dann auch oft mehr Funk rein als der Leader. Louis Hayes – den Harris natürlich schon aus Detroit kannte – ist eher mal in Fours zu hören, glänzt aber auch sonst immer wieder mit aktivem Spiel, das zwar nicht annähernd so explosiv ist wie jenes von Philly Joe Jones, aber auf seine Weise gerade so effektiv. Immer wieder ist er auch in die Arrangements einbezogen, toll zum Beispiel im Closer, dem Bebop-Klassiker von Gillespie.
Für die CD hat man noch drei Alternate Takes ausgegraben, vom Opener von Louis Jordan, dem Balladenhighlight „Don’t Blame Me“ (zweieinhalb Minuten länger, was den Ausschlag gegeben haben mag bei der Wahl des Master Takes) sowie dem Closer von Gillespie – diese aber, wie so oft damals, direkt nach den Master Takes programmiert, was eine ziemlich doofe Idee ist (ist ja in dem Fall vor Publikum auch bestimmt nicht so gespielt worden, sondern das werden halt Takes aus anderen Sets oder vom anderen Abend sein – das Trio wurde am 15. und 16. Mai 1960 aufgenommen).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: Jazz, Piano, Piano Trio
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