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Barry Harris at the Jazz Workshop | Mein liebstes Trio-Album von Barry Harris ist bekanntlich ein anderes, aber ich hatte die Alben seit seinem Tod herausgelegt und bin dann doch nie wirklich zum Vertiefen gekommen, daher möchte ich gerade wenigstens die Trio-Alben alle mal wieder anhören. Harris war bis dahin ausserhalb von Detroit vor allem ein Mythos (abgesehen von drei Monaten mit Max Roach 1956, die einzige Zeit ausserhalb von Detroit bis 1960), wie Orrin Keepnews in den Liner Notes schreibt. Als Cannonball Adderley einen Nachfolger für Bobby Timmons suchte, heuerte er den Pianisten an, um den sich Legenden rankten, ohne dass die meisten Leute ihn je zu Gesicht bekommen hatten – und plötzlich stand Harris im Rampenlicht und man kriegte ihn im ganzen Land zu hören. Nach etwa drei Monaten mit der Band (er zog bald weiter, Victor Feldman war sein Nachfolger) nahm Riverside ihn im Jazz Workshop in San Francisco live auf – am selben Ort, an dem im Vorjahr mit Timmons eins der besten Adderley-Alben entstanden ist (mit einer unsterblichen Version von „This Here“). Harris war ein paar Monate davor dreissig geworden, schon ein wenig grau – und er war tatsächlich der Meister, über den man sich überall diese Geschichten erzählt hatte. Sam Jones und Louis Hayes waren schon länger zusammen und inzwischen bestens auf den neuen Pianisten eingestellt, der ein paar Originals („Curtain Call“, „Lolita“, „Morning Coffee“ – von „Lolita“ gibt es auch eine Adderley-Einspielung mit Feldman) mitbrachte und ein paar Klassiker arrangierte. Mit „Is You Is or Is You Ain’t My Baby“ von Louis Jordan geht es los, später sind auch der alte Bebop-Favorit „Star Eyes“ (mit typischem Latin-Groove im Thema und Swing in den Solos), „Moose the Mooche“ von Charlie Parker, „Woody’n You“ von Dizzy Gillespie und noch ein Standard zu hören, den schon in der Bop-Ära alle mochten, „Don’t Blame Me“ – ein Highlight hier, mit ein paar Monk-Anklängen. Harris ist ja ein Bebopper, der immer wieder in Hard Bop-Bands gelandet ist – bei den Adderleys oder im Studio für Lee Morgans „The Sidewinder“. Funky und soulful ist er nicht, jedenfalls nicht auf die Art, die damals mit den Attributen versehen wurde. Harris spielt pures Bebop-Klavier, aber mit einer Gelassenheit, wie es sie in den Vierzigern und auch den frühen Fünfzigern noch nicht gab. Er nannte Keepnews als grösste Vorbilder neben Art Tatum die Bebop-Grössen Charlie Parker und Bud Powell – und Spuren von Powell sind in manchen Stücken ziemlich direkt auszumachen, etwa in seinem Solo in „Moose the Mooche“ oder in „Morning Coffee“ (benannt nach dem einzigen Getränk, das es damals, nach „closing time“ um 2 Uhr morgens, in San Francisco noch zu kriegen gab). Sam Jones kriegt ein paar Solo-Spots und weiss sie hervorragend zu nutzen, bringt dann auch oft mehr Funk rein als der Leader. Louis Hayes – den Harris natürlich schon aus Detroit kannte – ist eher mal in Fours zu hören, glänzt aber auch sonst immer wieder mit aktivem Spiel, das zwar nicht annähernd so explosiv ist wie jenes von Philly Joe Jones, aber auf seine Weise gerade so effektiv. Immer wieder ist er auch in die Arrangements einbezogen, toll zum Beispiel im Closer, dem Bebop-Klassiker von Gillespie.
Für die CD hat man noch drei Alternate Takes ausgegraben, vom Opener von Louis Jordan, dem Balladenhighlight „Don’t Blame Me“ (zweieinhalb Minuten länger, was den Ausschlag gegeben haben mag bei der Wahl des Master Takes) sowie dem Closer von Gillespie – diese aber, wie so oft damals, direkt nach den Master Takes programmiert, was eine ziemlich doofe Idee ist (ist ja in dem Fall vor Publikum auch bestimmt nicht so gespielt worden, sondern das werden halt Takes aus anderen Sets oder vom anderen Abend sein – das Trio wurde am 15. und 16. Mai 1960 aufgenommen).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba