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War bei mir genau so … konnte mir mal eine der alten Fresh Sound CDs kopieren, hab die dann aber doch kaum je angehört … ezz krieg ich beim Vertrieb zum Freundschaftspreis, da lag es nahe, den unhaltbaren Zustand mal zu ändern. Ich machte gestern noch etwas weiter und wiederhole beide Runden gerade nochmal:

The 3 Sounds – Moods | Wenn man „LD + 3“ mitrechnet, ist das Album mit Ruth Lion auf dem Cover bereits das fünfte, bloss eineinhalb Jahre nach dem Debut, im Juni 1960 aufgenommen (aber erst 1961 erschienen – die Gruppe zog ja 1962 zu Verve weiter und von da zu Mercury/Limelight bis sie 1967 wieder zu Blue Note zurückkehrte – ich kenne bisher nur Blue Note-Alben). Das CD-Reissue von 2019 war glaub ich der Moment, als ich die frühen Sachen erstmals richtig super fand. Zu den späten fand ich ausgerechnet durch die orchestralen/big band-Alben, die es ganz zum Schluss der Rare Groove CD-Reihe bei Blue Note erneut gab, aber auch davor schon so halb, schnelleren Zugang. Bei den frühen war es, wie ich schon zum Debut geschrieben hatte, eigentlich nur „Blue Hour“ mit Stanley Turrentine, das ich schon immer gemocht hatte. Auf „Moods“ findet das Trio einen tollen Groove nach dem anderen – und klar, es präsentiert auch „Moods“, aber die sind viel funkier – soulful eben – als damals 1950/51, als Columbia den „Piano Moods“ nachgestiegen ist. Dass da nur ein Jahrzehnt dazwischen liegt, finde ich auch ziemlich faszinierend. Es ist halt schon so, dass sich im Jazzpiano vieles vermischt, überlagert, aber eben auch herauskristallisiert. „Love for Sale“, „Things Ain’t What They Used to Be“ und „On Green Dolphin Street“ mit seinen etwas abgelegeneren Changes bilden die erste Hälfte der LP, jedes Mal gibt es einen leicht anderen aber prägnanten Groove, es gibt Riffs, Rim-Shots und anderes, das Ohr findet stets Halt. Harris‘ Piano klingt vielleicht am ehesten nach Oscar Peterson (muss ich den jetzt doch auch noch hervorholen? vielleicht ein, zwei Alben …), aber er spielt sparsam, da eher Jamal vergleichbar, von dessen Trio auch Bassist Andrew Simpkins und Drummer Bill Dowdy auch die eine oder andere Idee borgen, z.B. den suspended Orgelton, mit dem „Dolphin Street“ am Ende in den Fade-Out geht. Für die B-Seite stellte man (Lion und Harris, I presume) fünf kürzere Stücke zusammen, in der Mitte nochmal Ellington mit „I’m Beginning to See the Light“ in weniger als zweieinhalb Minuten – inklusive Gospel-Piano über Handclaps. Los geht es mit dem „Loose Walk“ von Sonny Stitt/Johnny Richards und da ist das Tempo für einmal hoch, doch die Band klingt auch hier federleicht, Harris spielt diese typischen Akkorde mit der Linken, so ungefähr auf eins und drei, natürlich gekonnt platziert und im Einklang mit dem Bass, der auch in Zwei unterwegs ist, während die Drums auf vier einen Rim-Shot setzen. Das entwickelt sehr viel Momentum – und wenn man da mal genauer hinhört, merkt man wohl wieder einmal, wie gekonnt so „einfacher“ Hard Bop eben doch oft ist, wie gut die das alles im Griff haben, wie jeder Akzent sitzt, damit das alles so „in the pocket“ herauskommt, so eng verwoben wirkt, als würden die drei gemeinsam atmen. „L’il Darlin“, ein Beitrag zum Buch der Basie Band von Neal Hefti – und klar, Basie ist für sowas (auch für Jamal, nehme ich an, obwohl da selten drüber gesprochen wird, soweit ich weiss?) auch eine wichtige Referenz – , ist dann die brennende Ballade, nach dem zweiten Ellington-Stück, und dann gibt es mit „Tammy’s Breeze“ das einzige Stück von Harris, bevor das Album mit „Sandu“ von Clifford Brown schliesst. Abgesehen von der einen oder anderen Länge hintenraus (42 Minuten sind für so ein Album vielleicht etwas viel, aber es war ja auch eher nicht zum konzentrierten Hören konzipiert) rundum gelungen, finde ich, wenigstens vier Sterne – aber Bestenlistenmaterial ist das bei mir natürlich nicht.

Wynton Kelly – Kelly At Midnite | Das ist hier eigentlich anders (eigentlich, weil 20 Plätze halt so wenige sind). Wynton Kelly im April 1960 mit einer gelegentlichen Miles Davis-Rhythmusgruppe: wenn Jimmy Cobb keine Zeit hatte, sprang auch nach 1958 hie und da Philly Joe Jones ein, der hier neben Paul Chambers zu hören ist. Ein grossartiges, etwas kurzes Album (32einhalb Minuten), das bei der Session genau umgekehrt ablief, als es dann auf der LP programmiert wurde: der lockere Blues, der dort das Geschehen nach einigem Feuerwerk beschliesst, war das Warm-Up, die Ballade und die beiden grössten Feuerwerke fanden in der Mitte bzw. am Ende der Session ihren Platz. Es ist also eine gute Idee, das in beide Richtungen zu hören. Leider gibt es hierzu auch im Mosaic-Set mit den vielen Alternate Takes beim zweiten Album (mit Cobb, teils aber mit Sam Jones am Bass) keinerlei zusätzliches Material, nur die fünf Master Takes. Aber die haben es in sich und bilden zusammen das wohl beste Album von Wynton Kelly, zumindest das beste im Trio-Format. Zwei Stücke von Kelly – der erwähnte Blues und „Temperance“ – rahmen das Programm, dazwischen gibt es zwei von Rudy Stevenson, dem Gitarristen von Nina Simone, und „Weird Lullaby“, die Ballade von Babs Gonzales, die auch unter dem Title „Lullaby of the Doomed“ bekannt ist.
Jones tanzt förmlich an den Besen, Chambers spielt in Zwei und Kelly reiht frische Ideen aneinander in „Temperance“, die Rhythmusgruppe variiert stets die Begleitung, Chambers spielt zwei Chorusse nach den vieren des Pianisten. Sieben Minuten, die zeigen, wie toll man „in the pocket“ sein und dennoch stets völlig überraschend bleiben kann – das sit dann schon eine andere Liga als bei The 3 Sounds. Und eine Performance eben, wie sie auch so ein Trio nicht zu Beginn einer Studiosession raushauen kann. Auch in der tollen Ballade (vom Komponisten 1947 für eine der Blue Note Sessions „3 Bips and a Bop“-Sessions erstmals aufgenommen, später kamen Lyrics dazu und der neue Titel) ist der Drive dieses Trios zu spüren. Im Thema singt das Klavier, die Begleitung ist zurückhaltend aber glüht. Für die Solo-Chorusse werden Bass und Drums etwas aktiver, nach dem superben halben Bass-Chorus spielt Kelly Block-Akkorde – ein Mittel, um den im Solo-Teil gewonnenen Punch nicht zu opfern, aber wieder zur getragenen Stimmung vom Thema überzuleiten.
Seite 2 der LP öffnet mit dem schnellen „On Stage“ – ein Stück, das im schnellen Tempo den catchy Groove und das lyrisch-melodische Können des Trios perfekt verbindet. Kelly spielt ein perfekt ausgeformtes Solo, in dem jeder Ton perfekt gesetzt und hörbar ist, auch in schnellen Phrasen. Dann ist Chambers für einmal mit Bogen zu hören – und glänzt. Jones begleitet ihn ohne sich zurückzunehmen, aber dennoch mit Rücksichtig auf die Gesamtdynamik – und spielt dann nach einer kurzen Klavierpassage ein kurzes, aber fabelhaftes Solo. Das ist alles total auf den Punkt, super tight, aber wirkt zugleich sehr frei, spontan, frisch (Steve Kuhn, der damals ganz genau hingehört hat, anscheinend Kelly immer wieder anhören ging, hat das Stück in den Achtzigern auch eingespielt). „Skatin“, das zweite Stevenson-Stück, ist funky und eingängig – und wieder glänzt das ganze Trio, zusammen und in den Soli, mit einer Lässigkeit, die dennoch immer auf den Punkt ist, sehr locker und zugleich total konzentriert wirkt. Als Closer dann „Pot Luck“, der mittelschnelle Kelly-Blues, mit dem die Session gestartet ist – Tempo und Stimmung sind wirklich ähnlich, wie wenn das Trio hinter Miles Davis am Ende des Sets in „The Theme“ fällt. Jones akzentuiert, Chambers hält den Groove und Kelly improvisiert darüber. Das ist grosses Kino, das aber ganz ohne die grossen Gesten auskommt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba