ctte gibt Senf dazu – VÖ-Betrachtungen mit leichtem Prog-Überhang

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  • #12426191  | PERMALINK

    close-to-the-edge

    Registriert seit: 27.11.2006

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    12. Hamferd – Men Guds hond er sterk

    Es wird düster und metallisch, dabei allerdings auch sehr opulent, und stammt von den Färöer. Thematisch kann man tief in die Seefahrermythologie einsteigen, man kann es allerdings auch lassen.

    Die Schwermütigkeit erinnert ein wenig an die frühen Werke von My Dying Bride, hätte die Band nicht den großartigen Jòn Aldara am Mikro, der traumwandlerisch zwischen Growls und sehr kräftigen Klargesang bis in erstaunliche Höhen wechselt. Deshalb veredelt der Mann auch gleich drei Bands auf einmal, nämlich noch Barren Earth, die ein wenig auf Eis zu liegen scheinen, und eine weitere Band, die ganz eventuell in dieser Liste auch noch auftauchen könnte.

    Hamferd sind übrigens gerade mit Sòlstafir getourt, eine geniale Kombi, denn neben den hektischen Isländern wird die Band fast wie ein gesetzter Ruhepol. Vor allem die einerseits zurückhaltenden, gleichzeitig aber sehr mächtigen Drums erzeugen eine enorme Wirkung. Von dem 6 Jahre alten Vorgänger unterscheidet sich das Werk übrigens vor allem durch die erhabene Produktion. Einziges Manko, dass die Songs sich mitunter etwas zu sehr ähneln.
    Anspieltipp kann nur das fantastische „Fendreygar“ sein, das ein wunderschönes Intro bekommen hat, wo der Übergang dann ungefähr so schön funktioniert wie bei „In the Air tonight“. Da bleibt einem dann schon einen Moment der Mund offen stehen.

    Übrigens ist für mich das Cover dieses Albums das schönste in dieser Liste. Es mischt so schön verschwommen die Elemente, und strahlt bei aller Urewalt der Meere doch eine gewisse Wärme aus. Könnte ich mir hervorragend als Poster hinter Glas vorstellen. Also schon deshalb unbedingt Vinyl kaufen.

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    #12426199  | PERMALINK

    close-to-the-edge

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    11. Die Nerven – Wir waren hier

    Die Plätze 9 bis 11 haben sich sehr hartnäckig gestritten, sie liegen eigentlich gleich auf. Dass die Stuttgarter die Punkt Ränge hauchdünn verfehlt haben, liegt möglicherweise daran dass der Opener noch nicht so recht zündet. „Eigentlich müsste das Album mit dem bockstarten „Das Glas zerbricht und ich gleich mit“ starten, in dem sich auch die ikonische Zeile „wir nehmen die letzten Stunden fette Jahre gerne mit“ befindet. Diese Zeile erklärt auch den Albumtitel ohne weitere Worte.
    Die Lyrics der bei Glitterhouse verlegten Stuttgarter waren nebenbei bemerkt schon immer spannend und anregend.

    Viele Songs bleiben relativ schnell im Kopf, was bei Die Nerven nicht immer so war. Wir haben hier wirklich einige prägnante Hymnen geschaffen, die sich zwischen den Genres durchaus eine eigene Identität suchen. Und sie machen das Album abwechslungsreich, ohne den wunderbaren Flow zu zerstören.
    „Wie man es nennt“ ist übrigens mein Favorit, der über allem thront. Wie auch „Achtzehn“ haben wir hier eine geradezu bedrohliche Langsamkeit, in der sich die Instrumente zwar mal Aufbäumen, dann aber auch schnell wieder verstummen. Letztere Nummer schließt sogar mit einem Streicherarrangement.

    Nach hinten raus wird es ein bisschen dünner, ein wenig nach Art des nicht ganz so kreativen Vorgängers. Aber insgesamt hat das Album reichlich Dinge, die im Gedächtnis bleiben.

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    #12426235  | PERMALINK

    close-to-the-edge

    Registriert seit: 27.11.2006

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    10. Mono – Oath

    Ab hier geht es also in die Punkte.
    Die japanischen Dinosaurier des Postrock haben es diesmal ziemlich ruhig angehen lassen. Da stellt sich wirklich die Frage, ob man die Songs überhaupt wiedererkennen wird, wenn sie sie auf der Bühne ausbreiten. Denn erst da gehen sie ja völlig aus sich raus. Aber so strukturiert und gemäßigt wie diesmal, waren sie auch im Studio nur selten, wenn gleich der Weg sich auf den letzten Alben vorgezeichnet hatte.

    Hier ist also ganz viel mit Streichern, Tasten, das Schlagzeug darf oft erst nach ein paar Minuten dazu kommen, die verzerrten Gitarren gibt es zwar weiterhin, aber sie kommen auffallend gebändigt daher.
    Und das sorgt bei der instrumental Band für ein sehr entspanntes Album, auch über die Länge von 71 Minuten. Die Stücke haben ganz viel Luft zum Atmen, der Hörer viel Zeit um einzutauchen. Es wechseln sich kurze Zwischenspiele mit längeren Songs ab, die sich schichtartig entwickeln. Das ist natürlich nicht ungewöhnlich, aber die Vorbereitung auf den ganz großen Ausbruch, auf das Inferno, das findet diesmal nicht statt. Auch final bleibt eine gewisse Transparenz erhalten, die Zügel entgleiten nicht.

    Zum Testen empfehle ich „Run on“, wo die Spannung am offensichtlichsten gerade daraus entsteht, dass man hier die Entladung vorenthält. Früher wäre der Song in einer heilloses Chaos gemündet, heute geht es vor allem diszipliniert zu.

    Folglich kann man geradezu von einem verträumten Album sprechen. Die Gedanken schweifen ins imaginäre, werden ein wenig geführt, aber nie wirklich gestört.

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    #12426243  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

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    sparch In der Tat sehr wild. Wo genau hörst Du hier die Héroes? Ist doch eine völlig andere Ecke, zumindest wenn ich an das Hitalbum denke.

    Ich glaube primär Nuancen in den Betonungen der Vocals. War aber nur ein erster Eindruck.

    Bist Du neu bei Opeth?

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    Hold on Magnolia to that great highway moon
    #12426301  | PERMALINK

    sparch
    MaggotBrain

    Registriert seit: 10.07.2002

    Beiträge: 36,855

    irrlicht
    Bist Du neu bei Opeth?

    Ja, The Last Will And Testament war aber nicht der Einstieg, das war In Cauda Venenum, das ich tatsächlich ziemlich stark finde. 70er Deep Purple Assoziationen hatte ich da keine, übrigens auch nicht bei Riverside. ID.Entity habe ich letztens wieder gehört und es konnte sogar noch zulegen. Bin schon gespannt auf die kommende Live Version.
    Bei The Last Will And Testament fehlt mir bislang ein Punkt zum Andocken, habe das Album aber längst noch nicht aufgegeben.

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    Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?
    #12426313  | PERMALINK

    close-to-the-edge

    Registriert seit: 27.11.2006

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    Ich habe gerade mal überlegt, ob man neun Alben vor Schluss schon erraten kann, was da noch kommt. Denn vom Horst bin ich diesmal sicher weit entfernt. Fast alles was hier noch kommt findet sich bereits in anderen Listen. Ein Album könnte ich ziemlich exklusiv haben, und bei einem weiteren kann ich gar nicht glauben, dass das noch keiner gevotet hat.

    Nick Cave ist übrigens diesmal bei mir raus. Der käme irgendwo auf Platz 40. Und bei den anderen Konsens Dingern

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    #12426327  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,447

    sparch Ja, The Last Will And Testament war aber nicht der Einstieg, das war In Cauda Venenum, das ich tatsächlich ziemlich stark finde.

    Verstehe, dann mal viel Spaß beim Entdecken. :-)

    close-to-the-edge Ich habe gerade mal überlegt, ob man neun Alben vor Schluss schon erraten kann, was da noch kommt.

    Ich bin gespannt, ob es Paula aufs Podest schafft.

     

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    Hold on Magnolia to that great highway moon
    #12426375  | PERMALINK

    close-to-the-edge

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    Mit der Sortierung der Top Ten bin ich gestern erst ganz fertig geworden. Ich kenne das Podest also inzwischen.
    Würde ich jetzt aber Dinge vorzeitig verraten, käme die Redaktion mit einer Konventionalstrafe um die Ecke.

    9. The Pineapple Thief – It Leads to This

    Letztes Jahr hatte es Bruce Soord solo in die Top Ten geschafft, und das Pfund zum wuchern war dabei die Homogenität der Platte. Mit The Pineapple Thief blickt er zwar auf eine lange Diskografie zurück, aber das Handicap war bisher, dass man sich die richtig starken Tracks oft aus dem Mittelmaß rauspicken musste.

    „It Leads to This“ ist auch homogen, sehr sogar. Keiner der sieben Titel fällt ab, alle sind von einem gewissen Schwermut durchdrängt, die rockigeren Sachen sind gemäßigt rockig, die baladesken haben immer auch Dynamik.
    Ausufernde Sachen sind diesmal nicht dabei, mit 40 Minuten für acht Songs wäre dafür auch nicht die Zeit gewesen, obwohl z.b das Titelstück einen wunderschönen instrumentalen Schlussteil hat. Aber dafür ist die Band ja ohnehin bestens bekannt.
    Das Intro von „The Frost“ ist übrigens ein ganz kleines bisschen bei Kraftwerk geklaut, dabei aber natürlich völlig unelektronisch.

    Die Platte hat einen wunderschönen Flow, und ich bin jedes Mal überrascht, wenn sie plötzlich schon zu Ende ist. Und seit Gavin Harrison in der Band ist, der wie ganz wenige seinen Stempel aufzudrücken versteht, sind TPT ohnehin noch einmal kompakter geworden und mit eigenständigem Sound klarer erkennbar. Zumal Soord ja auch, seit der zwischendurch solo Alben macht, seine Songs auf zwei Haufen ablegen kann, statt sie alle mit der Band verarbeiten zu müssen. Und da er nun mal viele Songs schreibt, war das sehr praktisch.

    Wer die Band nicht kennt, den könnte das Cover übrigens erstmal auf eine falsche Fährte führen. Das es aber zu dem Album eigentlich hervorragend passt, stellt man dann auch fest wenn man in die Themen einsteigt.

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    #12426391  | PERMALINK

    wolfgang

    Registriert seit: 19.07.2007

    Beiträge: 26,565

    Eine sehr schöne Beschreibung, ich muss jedoch gestehen, das ich mit TPT nicht viel anfangen kann, schon oft versucht, ein paar Sachen haben mir auch gefallen, aber insgesamt ist mir das zu viel Schwermut und Langsamkeit, es plätschert meistens vor sich hin und packt mich einfach nicht.

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    Savage bed foot-warmer of purest feline ancestry
    #12426489  | PERMALINK

    close-to-the-edge

    Registriert seit: 27.11.2006

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    Dafür kommt jetzt etwas sehr lebensbejahendes.

    8. Jon Anderson and the Band Geeks – True

    In den letzten 20 Jahren gab es zahlreiche Veröffentlichungen im Umfeld von Yes. Dabei waren allein zahlreiche Sänger im Einsatz. Was dabei herauskam war nicht immer schön, und vor allem blieb nur sehr wenig davon im Ohr. Um es mal ganz deutlich zu sagen, als jahrzehntelanger Bewunderer von Yes hatte man stellenweise sogar Angst vor neuen Alben aus dem Umfeld der Band.
    Dann starb auch noch Chris Squier, weshalb man den Bandnamen zu diesem Zeitpunkt in Würde hätte ruhen lassen können.

    Als ich hier im Forum las, Jon Anderson habe ein neues Album veröffentlicht, und es sei großartig, war ich zunächst irritiert. Als ich die Platte dann hörte, wuchs die Irritation noch an. Das gibt es doch gar nicht.

    Anderson hatte sich eine eingespielte Band gesucht, und mit dieser eine sehr frisch klingende Tournee mit sehr klassischem Yes-Programm absolviert. Geeks performten die Sachen ausgesprochen entspannt und geil, und der fast 80-jährige Anderson sang wie ein junger Gott. Sogar an „The Gates of Delirium“ wagte er sich noch heran, und löste sogar den Schlussteil „Soon“ bravorös.

    Also beschloss man im nächsten Schritt ein Album mit neuem Material zu machen. Und das Resultat ist wirklich unglaublich. Es ist wirklich das Beste was seit sehr, sehr langer Zeit im Umfeld von Yes entstanden ist.

    Das Spektrum reicht weit. Songs wie „True Messenger“ oder „Shine on“ erinnern in bemerkenswerter Weise an die frühen 80er der Band. In DM wird sogar augenzwinkernd kurz Wakeman’s Soloteil in der Mitte von „Close to The Edge“ zitiert. „Still a Friend“ lässt mich in Erinnerung an das AWBH-Album aus 1988 schwelgen, als die Namensrechte bei Squier lagen. Und der 16-minüter „Once Upon a Dream“ erinnert noch an ganz anderes selige Zeiten.

    Die Band versucht nicht um jeden Preis krampfhaft wie Yes zu klingen, sondern die können das einfach. Die Leichtigkeit mit der sie spielen macht nahezu fassungslos. Das ist frappierend organisch.

    Jetzt behaupte ich ja nicht, hier sei ein neues „Fragile“ oder „Tales“ entstanden. Die Qualität der Songs unterliegt nämlich auch Schwankungen, und beim Chorgesang hat man auch gar nicht erst versucht Unmögliches zu probieren, aber die sind verdammt nah dran. Und zwar gerade deshalb, weil eben auch viel eigene Identität drin steckt.

    Die Lyrics haben natürlich, wie sich das gehört, eine gehörige Portion Spiritualität aller Anderson intus, vor allem die Schlussnummer „Thank God“ geht in jedem Gottesdienst durch, aber das gehört dann eben auch dazu. Das hat uns ja früher auch nicht wirklich gestört.

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    #12426621  | PERMALINK

    close-to-the-edge

    Registriert seit: 27.11.2006

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    7. Borknagar – Fall

    „Fall“ hatte im Februar die Spitze übernommen, ist dann aber in dem starken Jahr noch ganz ordentlich zurückgerutscht. 54 Minuten wie aus einem Guss. Bereits der Vorgänger „True North“ war für mich das bis dahin zugänglichste Album der Norweger, die inzwischen ein wenig als Supergroup des Black Metal gelten, weil so ziemlich alle Bandmitglieder Verzweigungen zu allem was Rang und Namen hat aufweisen.

    Dieses Werk ist unverschämt gut produziert, großartige Songs, perfekter und transparenter Sound, brillante Übergänge und über allem die exzellenten Vocals und Chöre.
    Man kann reinhalten wo man will, man trifft garantiert eine vorzügliche Stelle. Am besten die Variabilität aufzeigen sollte aber der 8-minüter „Stars Ablaze“. Und mit „The Wild Lingers“ haben wir sogar eine Art Ballade.

    Die Schattenseite besteht natürlich darin, dass einigen der frühen Verehrer der Band die Entwicklung inzwischen zu perfekt geworden ist. Dein steht dann die Diskussion, darf Black Metal das überhaupt, oder ist das inzwischen Progressive? Da darf man dann aber bitte auch nicht vergessen, dass Weiterentwicklung auch im beherrschen seines Instruments bestehen kann. In dem Ehrgeiz technisch besser zu werden. Und dann eben auch Umbesetzungen innerhalb der Band darauf auszurichten.
    Das ist aber nicht mein Problem, zumal die Kreativität von Borknagar ungebrochen ist. Denn dass die Band ihren Status von Album zu Album verwalten, kann man nun wirklich nicht sagen.

    Das Cover ist auch toll, hebt sich vor allem nicht unerheblich von den bisherigen ab, ohne jedoch aus der Art zu schlagen.

    --

    #12426633  | PERMALINK

    mahoney

    Registriert seit: 29.08.2012

    Beiträge: 776

    close-to-the-edge12. Hamferd – Men Guds hond er sterk

    Kommt auf die Liste

    --

    #12426647  | PERMALINK

    close-to-the-edge

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    Mich hatte seinerzeit sparch auf das Album aufmerksam gemacht.

    6. Klez.e – Erregung

    Das ist lustig. Seit dem Vorgänger aus 2017 bezieht Tobias Siebert sich ja erkennbar stark auf The Cure. Und damit niemand schreit, der klaut ja, hatte er diesen Vorgänger ja auch „Disintegration“ genannt. Eine großartige Platte war das, aber es stellte sich natürlich die Frage kann man so etwas noch mal machen?

    Im Vorfeld hieß es nein, Siebert habe das Cure-Element ein wenig zurückgefahren. Das stimmt allerdings gar nicht, dazu aber gleich mehr.

    Jetzt konnte Tobias bei den Aufnahmen natürlich nicht ahnen, dass die Band um Robert Smith, die ihr letztes großes Album vor drei Jahrzehnten gemacht hatte, und in den letzten zwei Jahrzehnten lediglich hin und wieder mal tourte, ausgerechnet in diesem Jahr mit was Neuen kommen würde. Folglich kann er sich nun mit den Vorbildern direkt messen. Und er schneidet super ab dabei.

    Ich mag das neue Cure Album wirklich, schließlich befindet es sich auch in dieser Liste, und ich hatte absolut weniger erwartet. Aber trotzdem ist das hier einfach größer.
    Allerdings nicht von Anfang an. Das Titelstück, der geniale Opener, funktioniert sofort, und ließ als Vorabtrack Großes erwarten. Aber bei den weiteren sieben Songs hatte man schon ein wenig zu tun. Die scheinbar einfachen Strukturen sind doch ganz schön vertrackt zum Teil. Auch die Lyrics, Siebert neigt zu langen Texten, lassen sich nicht so ohne weiteres durchdringen. Aber es lohnt sich dann eben. Und, um den Vergleich ein letztes Mal zu bemühen, Kollege Smith hat wesentlich weniger zu sagen.

    Egal ob Siebert in seine Schulzeit zurückfällt, einen ehemaligen Berliner Kultplattenladen edelt, oder den Beziehungsschmerz von Liierten und getrennten thematisiert, macht er das intelligent und sehr anregend.

    Das Werk ist auf jeden Fall der schlüssige Nachfolger von „Desintegration“. Und zwar ein klug gelöster. Wir bekommen nämlich zu keiner Zeit einen Abklatsch, aber eben auch keine kalkulierte Abkehr. Die Platte wächst stetig und offenbart immer wieder neue Details. Und sie schließt dann mit Siebert’s persönlichem „The Same Deep Water as You“ namens „Nachtflug“, das mit 6 Minuten dann leider ein bisschen kurz geraten ist.

    Übrigens meine günstigste Vinyl-Neuerscheinung des Jahres. Man kann offensichtlich noch Neuheiten als ordentliche Pressungen in der Nähe von 20 € vertreiben.

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    #12426659  | PERMALINK

    close-to-the-edge

    Registriert seit: 27.11.2006

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    5. Marco Glühmann – A Fragile Present

    Ich habe mich jetzt doch ein bisschen unter Zeitdruck gesetzt, weil ich eigentlich heute fertig werden wollte. Jetzt hoffe ich, noch Platz 5 und 4 hinzubekommen, um dann morgen das Podium zu machen, und mein Voting für die Jahres-Top 10 nicht in letzter Sekunde machen zu müssen. Denn da ist ja in 53 Stunden Abgabeschluss.

    Kommen wir nun zur Deutschen Prog-Rock-Küche in Freising. Dort gab es in der Jahresmitte zeitnah zwei Live Alben von RPWL und Sylvan, aber nichts Neues.
    Kalle Wallner nahm ein weiteres Soloalbum, diesmal nicht unter dem Namen Blind Ego auf, welches man eher als traditionelles Rockalbum wahrnehmen würde. Aber Wallner war auch hier ran beteiligt:

    Die erste Solo Platte von Marco Glühmann, ist nämlich eine Gemeinschaftsproduktion der beiden deutschen Flaggschiffe dieses Jahres. Jogi Lang war federführender Produzent, spielte aber nebst weiteren Musikern von Sylvan und RPWL auch selbst mit. Eingespielt wurde selbstverständlich auch in Freising, und prominente Gäste wie Steve Rothery und Billy Sherwood gaben sich auch die Klinke in die Hand.

    Ich habe mich neulich mal daran erinnert, dass ich nach dem großartigen „Posthumous Silence“, mit dem ich Sylvan vor langer Zeit kennengelernt hatte, mal der Meinung war, der Glühmann sei mit seiner Stimme ein bisschen eindimensional unterwegs. Bei weiteren Alben stellte sich das dann allerdings als gewaltiger Irrtum heraus. Beim letzten Sylvan-Album, mein Jahresalbum ’22 zog er Register die ich überhaupt noch nicht kannte. Und genau das findet hier auch statt.

    Denn eines ist ja klar, wenn ich mit einer Band so viele Alben aufgenommen habe, und mache jetzt mal was eigenes, und das auch noch weitgehend mit den gleichen Leuten, dann muss ich mir natürlich etwas einfallen lassen, damit man meine Platte nicht als Outtake Sammlung meiner Hausband wahrnimmt.
    Dazu zwei wichtige Vorgaben. Kein zusammenhängendes Konzept, dass die Songs vorher in ein Korsett zwingen könnte, und relativ kurze und abwechslungsreiche Songs.

    Und eben einen Produzenten, der trotzdem vielen bekannten Gesichtern sehr darauf achtet, ein buntes und variantenreiches Album zu schaffen. Übrigens so bunt wie das Cover.

    Die meisten Songs gehen schnell und gut ins Ohr, Opener und Schlussnummer sind extrem eingängig, längere Instrumentalparts bleiben völlig aus, und die Grundausrichtung ist viel weniger elegisch als rockig.
    Natürlich kann Glühmann seine Herkunft nicht verleugnen. So toll er variiert und den unterschiedliche Rollen schlüpft, ist seine Stimme doch zu charismatisch als dass man sie nur schwer erkennen könnte. Und natürlich kann man auch stilistisch hier nicht alles über Bord werfen. Aber für eine so wunderschöne Ballade wie „Live is Much too Short“ muss man im Backatalog von Sylvan schon sehr lange suchen. Deshalb haben die 12 Songs für sich genommen schon alle etwas eigenständiges. Mal mehr, mal weniger.

    Die Produktion ist natürlich gestochen, gelegentlich vielleicht sogar eine Idee zu süßlich, aber auf Länge sehr bekömmlich.
    Allerdings haben sie beim Haus-Label ein bösartiges Problem geschaffen. Man wollte offenbar keine Doppel-Vinyl, fand aber das 56 Minuten für eine Scheibe zu viel sind. Das mag ja sein, aber leider verfiel man auf die wenig glückliche Idee einfach zwei Songs wegzulassen. Der Vinylkäufer bekommt also nicht das ganze Album. Einen Abzug gibt es dafür aber nicht, denn das war ganz sicher nicht die Idee von Glühmann selbst.

    Zum Schluss die Frage, ist das jetzt eigentlich Neoprock, oder eine mehr oder weniger normale Rockpop-Platte? Nun, das außerordentlich melodisch, prägnant und songdienlich zugeht, ist die Frage zumindest berechtigt. Aber beantworten soll sie bitte jemand anders.

    Noch was, die Schlussnummer „My Eyes are Wide Open“ wäre in einer anderen Welt, und vielleicht mit einem Text der irgendwas mit Weihnachten zu tun hat, wahrscheinlich ein Superhit geworden. Jedenfalls wenn Ed Sheeran oder Mariah Carey die Nummer gesungen hätten, was dem Song freilich nicht so gut getan hätte.

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    #12426691  | PERMALINK

    wolfgang

    Registriert seit: 19.07.2007

    Beiträge: 26,565

    Marco Glühmann bei mir auf Platz 22, nicht schlecht, aber für meinen Geschmack etwas zu poppig, aber wäre ja auch Blödsinn gewesen, das gleiche wie bei Sylvan zu machen. Bei Kalle Wallner liegst du falsch, das Album The Hunting Party ist sehr wohl unter Blind Ego gelaufen und ist ein Top Album, abwechslungsreich mit einem starken Sänger und deutlich mehr Biss als RPWL, bei mir auf Platz 3.

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    Savage bed foot-warmer of purest feline ancestry
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