blindfoldtest #23 – gypsy tail wind

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  • #10207989  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Die Sache mit den 80ern irritiert mich gehörig, aber ich befürchte ich werde da auch keine befriedigende Antwort finden. Sowas wie das t/p-Duo kann man wohl auch in die 70er zurückschieben, Lester Bowie oder Don Cherry im Duo mit Drummern? Aber gibt es denn ein solches Duo aus den 80ern? Klar hätte es das theoretisch schon geben können (auch schon im 19. Jahrhundert, Trompeten und Klaviere gab es da ja auch schon), aber das ist ja gerade nicht der Punkt, oder?

    Worum es mir ging war nicht, neue „Strömungen“ vorzustellen sondern Stimmen. Stimmen, die ich für im relevante halte im Konzert der Gegenwart, wenn man so will. Ob dabei nun was rauskommt, was es – theoretisch – schon vor 30 oder 40 Jahren hätte geben können (oder tatsächlich gab, aber dann nennt bitte mal die Namen, an die Ihr denkt – und das meine ich nun aber ziemlich ironiefrei, denn es nimmt mich wirklich wunder!) war nicht der springende Punkt. Mir ist klar, dass das Klaviersolo (#6) oder das Klaviertrio (#5 und #9) recht ausgelatschte Formen sind, dass da käumlich noch Neues kommt (oder doch? b#1?) … aber gab es denn in den 80ern (oder den 70ern) jemanden, der mit einem Klavier so umsprang, wie das in #7 geschieht?

    Dass #9 am schlechtesten (oder fast) wegkommen könnte, hatte ich übrigens erwartet, das ist auch in dieser Zusammenstellung ein rechter Aussenseiter … aber das kann man noch über ein paar weitere behaupten.

    Bin leider heute Abend auch wieder weg, aber morgen sollte ich endlich Zeit haben, auf Eure Kommentare etwas genauer einzugehen!

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #10207993  | PERMALINK

    brandstand3000

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    Beiträge: 244

    vorgartenaber bei „nur noch variationen“ muss ich natürlich widersprechen. es gibt im jazz durchaus neue entwicklungen, an denen sich andere musiksparten eine scheibe abschneiden könnten – und es zum teil auch schon tun. ich würde natürlich lehmans „spektraljazz“ nennen (den es erst geben kann, seitdem es bestimmte computerprogramme gibt, was auf die spektralmusik an sich zutrifft), oder vijay iyers accelerando-formen, die er aus pitching-praxen der dj-culture hat, die er aber eben auf frei improvisierende jazztrio/sextett-besetzungen überträgt, oder (natürlich!) steve colemans neuformulierungen von funk im kontext von nicht in westlichen notationssystemen aufschreibbaren musikelementen.

    ich wusste, dass du das sagen würdest, und du hast natürlich recht. lehman find ich ja auch gut, mit iyer werde ich mich jetzt mal beschäftigen. aber bei steve coleman war ich immer so lauwarm. da musst du mir mal einen überzeugenden mix machen! in einer längeren arbeitspause :)

    vorgartenangesichts der hier vorgestellten sachen müssen andere mal erklären, was daran nicht aus den 80ern sein kann.

    darauf zähle ich.

    --

    #10208011  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,339

    Wenn ich auch etwas polemisieren darf, „nicht in westlichen notationssystemen aufschreibbaren musikelemente“ sind ja im Jazz auch nicht gerade was Neues … bloss weil Vieles in westlichen Notationssystemen zu erfassen versucht wurde, heisst das ja noch lange nicht, dass das wirklich geht. Völlig egal ob man sich Louis Armstrong in den Zwanzigern, Ellington in den Dreissigern, Parker in den Vierzigern, Mingus in den Fünfzigern, Coltrane in den Sechzigern vorknöpft: Nichts davon lässt sich auch nur annähernd „korrekt“ einfangen. Diese Notationen, die ja vor der Improvisation sowieso kollabieren, sind nur eine Annäherung, die eine eigene Interpretation – oder Repetition – ermöglicht, ohne dass man stets alles im Kopf haben muss und ausschliesslich über orale Tradition (äh, im Sinn von Weitergabe natürlich) funktionieren kann (also sowas wie: Buchstaben, Schrift überhaupt).

    Ich weiss auch nicht genau, wohin das alles führt, aber bitte erklärt mir gelegentlich die Sache mit den 80ern.

    Ach so, 80er … da kommt mir das enorm lesenswerte Interview mit James Newton in den Sinn, das auf do the math zu lesen ist (da geht es kurz auch um die „dunkle Seite“ der 80er, die ihr wohl nicht meint, aber die ist halt auch da):
    https://ethaniverson.com/interview-with-james-newton/

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10208017  | PERMALINK

    brandstand3000

    Registriert seit: 29.12.2016

    Beiträge: 244

    gypsy-tail-wind
    Worum es mir ging war nicht, neue „Strömungen“ vorzustellen sondern Stimmen. Stimmen, die ich für im relevante halte im Konzert der Gegenwart, wenn man so will.

    das habe ich auch genau so verstanden. die frage war mir nur ganz allgemein beim hören gekommen. klar, #9 klingt für mich wie aus den 80ern. aber das ist ja nur negativ, weil es mir nicht gefällt. sonst ist das ja wurst. #4 z.b. hat eine ganz klassische form. dass könnte (vielleicht mit anderem sound) eine aufnahme von ’59 oder was auch immer sein, oder? und das find ich super. eben, eine eigene stimme. damit sozusagen auch zeitlos. ich bin absolut nicht der meinung, dass es obsolete, veraltete musikformen gäbe. für gute musik ist immer die richtige zeit (sag ich da so manufactum-mäßig).

    #9 hat sicher auch eine eigene stimme. nur keine, die ich hören muss. (jetzt höre ich es natürlich dauernd, und bin voll dabei :) #9 soll ja auch nicht irgendwie „neuer“ sein. ist nur ein genre, dass ich nicht so mag. vor allem eine sound frage, glaub ich. ich finde es so „maiden voyage“ in doof. (ist natürlich ganz anders; nur als richtung.) aber ich lasse mir sehr gerne erklären, was daran super ist. und gut, wenn hier was polarisiert. vielleicht tauchen ja noch mehr verteidiger von #9 auf. würde mich freuen.

    aber gab es denn in den 80ern (oder den 70ern) jemanden, der mit einem Klavier so umsprang, wie das in #7 geschieht?

    du meinst wieder die #6, oder?
    keine ahnung, wer das früher so gemacht hat. mir war ja cecil taylor auch schon zu anstrengend ;)

    --

    #10208019  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    gypsy-tail-windWenn ich auch etwas polemisieren darf, „nicht in westlichen notationssystemen aufschreibbaren musikelemente“ sind ja im Jazz auch nicht gerade was Neues … bloss weil Vieles in westlichen Notationssystemen zu erfassen versucht wurde, heisst das ja noch lange nicht, dass das wirklich geht. Völlig egal ob man sich Louis Armstrong in den Zwanzigern, Ellington in den Dreissigern, Parker in den Vierzigern, Mingus in den Fünfzigern, Coltrane in den Sechzigern vorknöpft: Nichts davon lässt sich auch nur annähernd „korrekt“ einfangen. Diese Notationen, die ja vor der Improvisation sowieso kollabieren, sind nur eine Annäherung, die eine eigene Interpretation – oder Repetition – ermöglicht, ohne dass man stets alles im Kopf haben muss und ausschliesslich über orale Tradition (äh, im Sinn von Weitergabe natürlich) funktionieren kann (also sowas wie: Buchstaben, Schrift überhaupt).

    ja, aber das sind ja genau die sachen/ leute, auf die coleman sich vehement bezieht, auch wenn seine musik ganz anders klingt. und: ich für meinen teil habe an keiner stelle polemisiert und möchte für brandstands polemiken nicht die retourkutschenadresse sein ;-)

    --

    #10208021  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    vorgarten
    ja, aber das sind ja genau die sachen/ leute, auf die coleman sich vehement bezieht, auch wenn seine musik ganz anders klingt. und: ich für meinen teil habe an keiner stelle polemisiert und möchte für brandstands polemiken nicht die retourkutschenadresse sein

    Aber Du hast die 80er-Aussage ja nochmal verstärkt bzw. bestätigt, daher meine Frage an Euch beide. Andernfalls hast Du ein „nicht“ zuviel im Satz oder so ambig formuliert, dass ich auf dem Schlauch stehe, aber jetzt muss ich wirklich los (auch @brandstand3000), sorry.

    --

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    #10208023  | PERMALINK

    brandstand3000

    Registriert seit: 29.12.2016

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    gypsy-tail-wind
    aber bitte erklärt mir gelegentlich die Sache mit den 80ern.

    die 80er (eigentlich meine ich das ende der 70er) war jetzt von mir so dahingesagt, als imaginärer zeitpunkt, bis zu dem es noch „bahnbrechende neuerungen“ gab. nach diesem zeitpunkt stünde für mich dann verfeinerung, variation, recycling, remix, zitat.

    --

    #10208029  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    gypsy-tail-wind
    jaAber Du hast die 80er-Aussage ja nochmal verstärkt bzw. bestätigt, daher meine Frage an Euch beide. Andernfalls hast Du ein „nicht“ zuviel im Satz oder so ambig formuliert, dass ich auf dem Schlauch stehe, aber jetzt muss ich wirklich los

    da hast du mich falsch verstanden. ich glaube, dass es eine form der „freien“ improvisation gibt, die sich an sich nicht groß weiter entwickelt hat, aber durch neue stimmen immer anders weitergeschrieben wird, live auch mehr sinn macht als auf tonträger usw. – also da fühlte ich mich ein bisschen bei brandstand. ich wollte mich aus der diskussion aber eigentlich nur ausklammern, da ich glaube, dass du oder @nicht-vom-forum da sehr viel mehr hört und besser differenzieren könnt.

    --

    #10208047  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Ok. Aber über den 80er-Satz, den brandstand oben zitiert, 2. Zitat im 2. Post dieser 2. Seite des Threads (müssen mal andere erklären – ich zähle darauf) stolpere ich weiterhin. Ich lese ihn so: die hier zur Diskussion gestellte Musik könnte auch aus den 80ern sein. Wer – ausser mir – die anderen sind, auf die ihr bzw. brandstand zu zählen können glaubt, ist dann nur noch eine Folgefrage, die zu stellen ich mir komisch vorkomme.

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    #10208059  | PERMALINK

    brandstand3000

    Registriert seit: 29.12.2016

    Beiträge: 244

    gypsy-tail-windOk. Aber über den 80er-Satz (…) stolpere ich weiterhin.

    jetzt häng dich nicht so an dem satz auf. (ich denke, es war gemeint: irgendwann vorher bis hin in die 80er, nicht speziell in den 80ern.)mich würde mehr interessieren, was du an der vorgestellten musik aktuell und relevant findest. wenn du sagst:

    gypsy-tail-wind Stimmen, die ich für (…) relevant (…) halte im Konzert der Gegenwart, wenn man so will.

    hast du damit sicher recht. du darfst aber auch, bei gelegenheit, konkreter werden. vor allem bei #9, und für mich eigentlich noch mehr bei #13

    und wenn ich euch zu polemisch bin, müsst ihr es nur sagen. ändern werd ich das wohl nicht. 

    zuletzt geändert von brandstand3000

    --

    #10208709  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Okay, ich muss jetzt meine Tracks verteidigen? ;-)

    Keine Ahnung, ob ich das überhaupt kann … dass ich gestern rasch auf dem Smartphone unterwegs zu meiner abendlichen Verabredung den Relevanz-Begriff hervorgekramt habe, ist natürlich mein eigner Fehler  :scratch:

    Aber die Frage ist schwierig und auch irgendwie absurd (und so gesehen wieder ganz einfach), denn dass der Jazz in den Siebzigern in so viele Richtungen ging, dass er quasi zersplitterte, ist ja nichts Neues (wir hatten dazu eine grössere Diskussion … hab gerade eine halbe Stunde gesucht, guck mal in diesen Thread). Ich glaube es geht seit der Post-Marsalis-Zeit (die ja eigentlich die Zeit von ganz anderen Leuten war, aber das Scheinwerferlicht zeigte halt auf die hübschen jungen Konservativen, die man auch so gut vermarkten konnte … ich verweise da auch nochmal auf das Interview mit James Newton, das ich oben schon erwähnte, wirklich sehr, sehr lesenwert) nicht mehr darum, Innovation als Weiterentwicklung eines Jazz-Hauptstromes zu betreiben, denn eben: es gibt diesen Strom nicht mehr. Er läuft gewiss da und dort weiter, aber „Haupt-“ kann bzw. muss man wohl streichen, denn er ist halt einer unter vielen. Diese Öffnung ermöglichte es wohl auch den Europäern erst, sich zu emanzipieren („european free improvisation“ und all das, setzt ja auch in den späten Sechzigern ein und kommt in den Siebzigern zur Reife … aber auch da, das gehört ja wohl mit in die Schublade der

    vorgartenform der „freien“ improvisation gibt, die sich an sich nicht groß weiter entwickelt hat

    bzw. es IST diese Schublade? Aber da vermischen wir wohl längst mit einer Selbstverständlichkeit Dinge, die an sich nicht wirklich zusammengehören bzw. von der Herkunft her nicht und auch von der Ausgestaltung her auch nur bedingt, die aber oftmals nebeneinander präsentiert werden? Also: was ein Parker (Evan, that is), ein Bailey, ein Brötzmann, ein Schlippenbach tun, hat mit dem Jazz-Strom schon was am Hut, aber da entstand eben was Neues – natürlich nicht im luftleeren Raum, aber gerade die Zersplitterung (die ja keine Zerstörung ist sondern eher eine kreative Öffnung in alle möglichen Richtungen, mit allen Vor- und Nachteilen, die sowas halt mit sich bringt) war gerade auch der Moment, in dem Musiker, die nicht aus dem US/afro-amerikanischen Kontinuum stammten, die Chance kriegten, ihr eigenes Ding einzubringen (davor gab es eher Leute, die die Sprache perfekt lernten, aber bei denen man schwerlich behaupten kann, sie hätten sie mitgeformt: René Thomas, Bobby Jaspar, René Urtreger, Tubby Hayes, Victor Feldman, Hans Koller, Barney Wilen, was weiss ich, mehr oder weniger die Hard Bopper halt, wobei ein Wilen oder ein Koller später den einen oder anderen Impuls gab, ein Mangelsdorff wohl auch, ebenso ein Gruntz – die blieben halt auch recht lange dabei). Vielleicht kann man bösartig (ich bin mir fast sicher, das gewisse US-Kritiker das auch tun) auch sagen: das ist nichts Neues, das ist auch nur ein Abklatsch von Dingen, die in den Sechzigern schon getan wurden (irgendwo zwischen Coltrane, Taylor und Bill Dixon; auf die Chicagoer beziehen die Europäer sich ja irgendwie eher nicht, scheint mir, denn dort läuft eben der afro-amerikanische Strom auf eine Weise weiter, dass man sich nicht so gut herauspicken kann, was man braucht, um innerhalb des Idioms seinen eigenen Idiolekt zu formulieren).

    Ein paar lose Gedanken beim Wiederhören der Tracks:

    #2 – hier höre ich eine eigenwillige Stimme am Piano, die das Instrument als Ganzes spielt (was für mich gerade das Gegenteil von „musikinstrumente gegen die betriebsanleitung gespielt“ ist) und dabei Wege findet, Eigenes mit Traditionen zu verbinden, die natürlich nicht nur aus dem afro-amerikanischen Hauptstrang des Jazz kommen.

    #3, #4 und #11 sind dann Tracks, die aus diesem Hauptstrom kommen oder zu ihm gehören, #5 wohl auch – dort geht es mir übrigens sehr ähnlich wie @vorgarten, ich kann das auch nicht wirklich einordnen. #10 gehört da auch wieder mit dazu, da ist schlicht die Stimme am Tenorsaxophon, die mir sehr gut gefällt, und das reicht dann eben auch. Da muss man natürlich nichts von „relevant“ hinausposaunen, denn es geht am Ende ja oft nur persönliche Vorlieben.

    Und da sind wir dann auch wieder bei der Schwierigkeit, im Aktuellen überhaupt feste Urteile zu fällen, Dinge zuzuordnen. Das muss man ja an sich auch gar nicht tun, aber bei der Entwicklung der Diskussion gerade wäre es wohl hilfreich, wenn ich dabei nicht so kläglich scheitern bzw. mich auch sträuben würde.

    Gut, nochmal:

    #6 ist in meinen Ohren wirklich eine eigene Stimme, eine eigene Sprache – ich kenne so etwas nicht. Aber klar, man kann sagen: Cecil Taylor, Marilyn Crispell, auch Irène Schweizer, Alexander Schlippenbach, unter den jüngeren vielleicht Alexander Hawkins, die alle hätten sowas auch drauf … dann entgegne ich aber: Zurück auf Feld 1, ein Dutzend Alben kaufen, hinsitzen, hören! Und danach reden wir wieder ;-)

    Beim Ghosttrack (b#5b oder wie heisst der jetzt in der Nomenklatur? ;-) ) empfinde ich das auch so, auch bei #12, ebenso bei b#3 … klar haben schon andere in den Flügel gegriffen, vielleicht gibt es aus anderen Ecken (Minimal? Sonstwas – halbwegs – Zeitgenössisches?) Ähnliches, aber da kenne ich mich dann wiederum nicht gut aus.

    Da sind übergall Bruchlinien drin und dennoch ist ein starker Gestaltungswille da, aber ihr merkt ja, dass es mir auch nicht leicht fällt, zu diesen Tracks klare Worte zu finden. Das ist wohl auch das Risiko, wenn man sich mal so ganz der aktuellen Musik zuwenden in seinem solchen Rahmen. Aber das soll die Polemik und die klaren Worte der Kritik nicht hemmen, im Gegenteil, wäre es anders herum, würde ich mich ja auch zurückhalten.

    #7 (da liegt Ihr richtig @vorgarten und @brandstand3000, war ja klar) ist für mich nur ein Platzhalter für eine aktuelle Strömung, die mir enorm gut gefällt. Was ich meine sind Gruppen von vornehmlich jüngeren Leuten (heisst wohl so um die 30-40 in diesem Fall), die eine eigene Musik machen, die sich um Genres foutiert (auch darum, ob wer meint, irgendwas sei ein Musikhochschulthema), die aber vor allem auf das Kollektiv baut und dennoch jedem Einzelnen darin Freiräume lässt, sowohl was den individuellen Ausdruck betrifft als auch was die Mitgestaltung des Kollektivs angeht … sprich zurücklehnen und warten, was der Bandleader will, reicht nicht. Da, denke ich, entsteht gerade etwas Neues bzw. etwas, was es in der Geschichte des Jazz erst seit den späten Sechzigern in der Form gibt (Liberation Music Orchestra, Art Ensemble) und aus dem sich nie viel entwickelt hat, abgesehen von den Protagonisten, die das schon damals prägten (und inzwischen halt im Begriff sind, abzutreten, wenn sie nicht schon verschwunden sind).

    Ähnliches könnte man wohl auch zu b#1 oder b#5 sagen, da ist der Rahmen natürlich viel kleiner. Das sind dann überhaupt Tracks aus Alben, die ich phantastisch finde und denen ich nichts Vergleichbares entgegenhalten kann, egal ob wir in den Siebzigern, den Achtzigern oder sonstwo gucken.

    So, und jetzt mal gucken, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, auf die einzelnen Kommentare einzugehen :-)

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    #10208737  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,339

    brandstand3000du darfst aber auch, bei gelegenheit, konkreter werden. vor allem bei #9, und für mich eigentlich noch mehr bei #13

    zu #13: Da gebe ich mir nun auch mal Mühe, einen Mix mit Flow und so zusammenzustellen, filmisches Intro und Outro … und dann sowas!  B-)

    zu #9: das war auch bei mir der Wackelkandidat, hätte ich weglassen können, aber es ging dann eben auch um den Plan des Ganzen und obendrein nahmen mich die Reaktionen wunder, weil mir das Album irgendwie recht gut gefällt, ich aber auch nicht wirklich sagen kann, was ich daran überhaupt mag … den Bassisten am liebsten wohl, den sah ich mit einem anderen Klaviertrio im Konzert und war ziemlich beeindruckt. Neulich, nach dem jüngst im entsprechenden Thread erwähnten Konzert, unterhielt ich mich jedoch mit jemandem, der gerade diesen Bassisten quasi für einen Automaten hält (im Sinn von: „wenn ich zuhause rumspiele und Walking-Bass-Linien programmiere, sind sie genau so, wie der spielt“) … aber das ist wohl fast so normal wie dass man über Leute spricht, die das Gegenüber jeweils nicht kennt – es gibt so verdammt vieles und vieles davon bewegt sich auf recht hohem Niveau. Da die wirklichen Perlen herauszufischen ist nichts, was ich zu können behaupten würde, aber ich bleibe dran, beobachte, mache mir einen Reim draus (der sich immer wieder ändert und gewiss manchmal völlig in die falsche Richtung geht) und versuche, auch da und dort neue Türen zu öffnen.

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    #10208761  | PERMALINK

    brandstand3000

    Registriert seit: 29.12.2016

    Beiträge: 244

    gypsy-tail-windOkay, ich muss jetzt meine Tracks verteidigen?

    das hättest du mit fug und recht abschmettern können, aber nein, du hast sehr interessant geantwortet. vielen dank. ich muss es gleich nochmal lesen.

    --

    #10208769  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    @gypsy-tail-wind
    @brandstand3000

    Ich lese hier nur so quer mit. Habe den BFT downgeloadet, mal ganz kurz quergehört, gemerkt, dass das für mich Hörarbeit wird und erstmal liegen lassen. Ich hatte aber auch eine volle Woche und kommende Woche bin ich im Urlaub und dort sind alle to-do Listen tabu. Btw. fahre ich auf eine sonnige Portugiesisch sprachige Insel, ggf. werde ich mir da wohl auch auf musikalischen Wege einige melodische Nasale und weiche Zischlaute zu Gemüte führen. Wenn es all zu langweilig wird, höre ich mir den BFT aber gerne mal an. ;-)

    Da mein Name hier fiel:

    brandstand3000ZUVIEL KUNST, ZU WENIG MUSIK!
    war meine erste banausen-reaktion.
    (…)
    das fazit, lieber gypsy, gefallen hat mir wenig, aber ich fands große klasse. dein bft kam jetzt vor allem so krass wegen friedrichs schmuse-bft zuvor. immer dieser kontext.

    brandstand3000friedrichs bft funktionierte super auf dem boulevard. deiner ist eher für zuhause. halt eher hör-arbeit/kunst-genuss. (friedrichs war natürlich auch große kunst! aber mehr for the people.) keinesfalls wertend.

    Die schmusige Leichtigkeit und Hörerfreundlichkeit war mir bewusst und auch beabsichtigt. Gerade das ist bei den BFTs aber eher die Ausnahme.

    So, und jetzt ganz leicht ins Freibad!

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #10208783  | PERMALINK

    brandstand3000

    Registriert seit: 29.12.2016

    Beiträge: 244

    gypsy-tail-windUnd da sind wir dann auch wieder bei der Schwierigkeit, im Aktuellen überhaupt feste Urteile zu fällen, Dinge zuzuordnen. Das muss man ja an sich auch gar nicht tun,

    absolut richtig. und dann sind da eben noch die gesetze des BFT, die einen verleiten genau das zu tun. das sind dann natürlich moment-urteile, die sich auch wieder ändern können. und die vor allem sehr stark vom kontext der vorigen und folgenden stücke beeinflusst sind. b#3 höre ich z.b. gerade einzeln und da finde ich es ganz toll. diese gezupfte bass-figur, die fast elektronisch klingt, die unregelmäßige ambient-soundscape…
    dieses vergleichen und was sagen wollen führt die diskussion dann zum teil in absurde richtungen. „erklär mir die relevanz“ ist natürlich quatsch, aber du hast es sehr gut getan.
    und sorry, dass ich deinen filmischen gestaltungswillen nicht goutiert habe! ;-)

    --

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