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katharsisAber das Aha-Erlebnis kommt sicher!!
wichtig ist vor allem, dass man die gleichen Musiker lobt, wie im bürgerlichen Leben, der Rest ist Sport mal abwarten, ob das gelungen ist…
Hierzu ist bereits vieles geraten und richtiges gesagt worden, aber warum hat noch niemand nach den Sidemen gefragt? Die Band war zwar keine working band, aber die Herren dürften sich schon gekannt haben.
Wie ist das mit den sidemen ?
Die Nähe zu Hawkins ist auffallend, auf diesem Track aber weniger das RnB-Naturell des Texas-Tenoristen. Spannend fand ich während des bft immer wieder, dass große und vor allem schwergewichtigere Namen herangezogen wurden, die dem Herren hier alle große Ehre machen. Leider sind die Settings, in die der Saxophonist eingebunden wurde, eher leichter Natur, aber ich glaube, dass er darüber hinaus die Tendenz zu einem Heavyweight gehabt hätte.
das klingt jetzt irgendwie nach curtis amy oder clifford scott, oder clifford solomon, oder so…
Ungeschliffen trifft es genau. Die BN-Ästhetik habe ich bislang bei keinem anderen Label finden können und es liegt nicht immer an der Aufnahmetechnik, sondern einfach am Spiel naher der Perfektion. Es lässt sich oftmals nicht rational beschreiben, aber inerhalb der ersten halben Minute ist klar, dass diese Session zwar die BN-Musik atmet, aber niemals dort erschienen wäre.
seh ich absolut genauso
Auch den Vergleich mit Dorham finde ich sehr interessant, das werde ich noch nachhören!
dizzy reece auf comin‘ on war aber tendentiell näher dran
Insgesamt lese ich das ein bißchen als ein gemischstes Statement.
Ich habe es oben schon geschrieben, dass ich diesen Trompeter, den ich sehr schätze, immer etwas schwer greifen kann. Den Gillespieschen Bop merkt man ihn ebenso an, wie das drängende von Booker Little, oder die Wärme Art Farmers. Am deutlichsten steht er vielleicht in der Nähe zu Lee Morgan, weniger zu Hubbard, der kraftstrotzender und schneller spielen konnte. Ich empfinde ihn allerdings als etwas trickreicher und reifer als Lee Morgan, nur dass dieser mehr Glück bei der Wahl des Plattenlabels hatte und sich dadurch in illustrer Runde stärker entwickeln konnte.interessantes statement zu morgan und hubbard (kraftstrotzender und schneller, seh ich ähnlich, auch wenn die sounds der beiden ja eher in umgekehrte richtungen deuten)
Der Gitarrist ist übrigens auch bekannter, als man meinen könnte.
Und der Hauch Bacharach – finde ich eine tolle Interpretation! Wo sind die 60er Spy Movies mit solcher Musikuntermalung?joe pass?
Ähnlich wie der Herr aus #1 ist der Pianist hier ziemlich vergessen, durfte aber immerhin etwas öfter einspielen und einer einigermaßen bekanntan, aber tollen Sängerin erste Startimpulse geben.
bin mal sehr gespannt auf die beiden…
Unkonventionell ja, daher vielleicht auch unbekannt. Du kennst ihn allerdings und er hat eine Reihe an tollen Alben eingespielt, leider mit wechselnder Besetzung, so dass man keine wirkliche Entwicklung verfolgen kann. Hier ist vielleicht mein Unverständnis am größten, wie man dieser Band keine Chance geben konnte, sich auf CD zu präsentieren.
Was meinst Du mit „nach so komisch schnalzen“?ach so eine ungewöhnliche art töne zu betonen, werd es nochmal nachhören und dann genauer sagen..
Von der Ästhetik her gebe ich Dir recht und so ist der Track auch nur knapp nicht der Älteste. Chet Baker finde ich als Idiom irgendwie passend, aber auch hier stimme ich zu: Der Ton ist zu selbstbewusst, zu instabil für Baker. Art Farmer hat diese Form der spröden, aber reflektierten Eleganz auf seinen Einspielungen für Atlantic gezeigt, aber er ist es nicht. Ich muss mich noch ein bißchen um mehr Hintergrundinformationen über den Trompeter bemühen, aber kopieren gehört mit Sicherheit irgendwie zu ihm.
der jüngste?
Auf meinem nächsten bft werde ich eine Orgel verstecken! :lol:
ich bitte darum – ein hardbopbft ohne orgel…
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WerbungHm, die Nähe des (ja schon identifizierten) Klarinettisten zu Tony Scott kann ich nicht erkennen. Mein erster (bald verworfener) Impuls war Buddy De Franco. Scott spielt viel… überschäumender, läuter, härter – jedenfalls nach seinen Anfängen, wo (an seiner Seite oft Bill Evans) ein paar ruhigere, feinere Sachen zu finden sind. Aber den Ton hier, den würde ich Scott nicht zutrauen. Dafür ist Scott seinerseits von den Mainstream-Klarinettisten jener, der dern grössten Druck hinkriegte, manchmal auch die verschrobensten, sprunghaftesten, unerwartetsten aller Linien fand.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbakatharsisSchade einerseits, andererseits aber auch interessanz zu sehen, wie manchmal Namen und Karrieren komplett getilgt werden. Ich kann mich noch an eine Diskussion erinnern, in der es darum ging, dass oftmals Musiker nicht ganz zu Unrecht vergessen wurden, da ihre Musik im Vergleich zu der großer Namen einfach geringer anzusehen ist. Die durchweg positive Resonanz auf gerade diese Tracks zeigt mir aber, dass das in den seltensten Fällen auch wirklich so stimmt.
Ich konnte erstaunlich viel „unverbrauchte“ (untouched trifft es besser) Musik entdecken, Musik die für mich nicht so recht in ein Schema passte, mir zusagt, und die ich auch nicht automatisch bestimmten Plattenfirmen zuordnen konnte oder wollte. Das hat mich etwas von meiner Beschäftigung mit Big Bands abgebracht, was nicht weiter schlimm ist. Man kann an diesem BFT gut erkennen, wie sehr doch manches noch gründlicher vertieft werden müsste. Auch hat das Ganze meine kleine Suchliste nochmals umgekrempelt. Da stehen jetzt schon wieder ganz andere Leute: Ronnie Mathews, Nat Adderley, Clifford Jordan, Junior Cook (Jazzland) und Harold Land habe ich hinzugefügt. Ich habe mir auch mal ältere Posts von dir durchgelesen. („Naturally!“ von Nat sieht nach einem ziemlich unterbewerteten Album aus.) Die Auflösung wird von mir jedenfalls mit großer Spannung erwartet.
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redbeansandrice
Wie ist das mit den sidemen ?das klingt jetzt irgendwie nach curtis amy oder clifford scott, oder clifford solomon, oder so…
dizzy reece auf comin‘ on war aber tendentiell näher dran
interessantes statement zu morgan und hubbard (kraftstrotzender und schneller, seh ich ähnlich, auch wenn die sounds der beiden ja eher in umgekehrte richtungen deuten)
joe pass?
der jüngste?
ich bitte darum – ein hardbopbft ohne orgel…
Die Sidemen waren in Chicago durchaus bekannt und haben in einem länger bestehenden Trio mitgearbeitet.
Treffer! Aber was mich erstaunt, wenn ich den Umkehrschluss mache: Würdest Du Amy als Leichtgewicht einstufen, oder zumindest sagen, dass er mehr hätte machen können?
Ja, Reece war sowieso mehr dran an Dorham, aber auch an Thad Jones, Hubbard und Ted Curson. Ich müsste mich mehr mit seinen frühen Aufnahmen beschäftigen. Bei den Trompetern habe ich irgendwie mehr Schwierigkeiten, sie auseinanderzuhalten und zu sortieren, als bei Saxophonisten. Ich weiß auch nicht warum, aber deswegen mag ich Hubbard so, da dieser für mich sofort erkennbar ist.
Hubbard war für mich jemand, der virtuos sein wollte, das aber oft durch Gewalt versucht hat. Natürlich konnte er auch Balladen, aber irgendwie hat er immer diesen Druck dahinter gehabt, der ihn irgendwie nie gänzlich entspannt wirken ließ. Dadurch finde ich auch, dass er sich in viele unterschiedliche Settings einpassen konnte und auch mit schwierigen Mitmusikern Impulse setzen konnte. Lee Morgan empfinde ich dagegen als etwas distanzierter, überlegter, dadurch manchmal auch feinsinniger. Dadurch ist er für mich auch der fragilere Trompeter von beiden, der mehr Clifford Brown atmete und diesen Stil sehr dezent mit dem Soul Jazz vermischen konnte, ohne jemals platt zu klingen (außer durch manche Arrangements).Nein, nicht Joe Pass, aber durchaus naheliegend, was die gewisse Westcoast-Affinität betrifft.
Sorry, dummer Fehle: Ich meinte, nicht ganz die jüngste Aufnahme – aber trotzdem alt!
Ja, die Orgel. Für mich immer noch weit weniger Bestandteil des Hardbop (vielmehr des Souljazz), als sie tatsächlich ist!
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur IIIgypsy tail windHm, die Nähe des (ja schon identifizierten) Klarinettisten zu Tony Scott kann ich nicht erkennen. Mein erster (bald verworfener) Impuls war Buddy De Franco. Scott spielt viel… überschäumender, läuter, härter – jedenfalls nach seinen Anfängen, wo (an seiner Seite oft Bill Evans) ein paar ruhigere, feinere Sachen zu finden sind. Aber den Ton hier, den würde ich Scott nicht zutrauen. Dafür ist Scott seinerseits von den Mainstream-Klarinettisten jener, der dern grössten Druck hinkriegte, manchmal auch die verschrobensten, sprunghaftesten, unerwartetsten aller Linien fand.
Genau die Anfänge, die Du erwähnst, meinte ich. Da ist viel fein ziselierte und kontemplativ-ruhige Musik dabei, die aus meiner Sicht der hier vorgestellten gar nicht so unähnlich ist.
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur IIITHELONICAIch konnte erstaunlich viel „unverbrauchte“ (untouched trifft es besser) Musik entdecken, Musik die für mich nicht so recht in ein Schema passte, mir zusagt, und die ich auch nicht automatisch bestimmten Plattenfirmen zuordnen konnte oder wollte. Das hat mich etwas von meiner Beschäftigung mit Big Bands abgebracht, was nicht weiter schlimm ist. Man kann an diesem BFT gut erkennen, wie sehr doch manches noch gründlicher vertieft werden müsste. Auch hat das Ganze meine kleine Suchliste nochmals umgekrempelt. Da stehen jetzt schon wieder ganz andere Leute: Ronnie Mathews, Nat Adderley, Clifford Jordan, Junior Cook (Jazzland) und Harold Land habe ich hinzugefügt. Ich habe mir auch mal ältere Posts von dir durchgelesen. („Naturally!“ von Nat sieht nach einem ziemlich unterbewerteten Album aus.) Die Auflösung wird von mir jedenfalls mit großer Spannung erwartet.
Das freut mich, dass Du das so schreibst und siehst – da hat mein bft eine Wirkung erzielt, die ich gar nicht unbedingt erzielen wollte, was aber umso toller ist.
Interessanterweise ist nur einer der von Dir genannten Musiker im bft vertreten, aber so ist man eben schnell dabei, in Ecken zu graben, die man bisher gar nicht so auf dem Schirm hatte.
Wir hatten ja schon kurz darüber geredet, dass Nat Adderley vielleicht nie das Spotlight bekommen hat, das ihm gebührt hätte – auch wenn er unzählige Aufnahmen machen durfte. Gerade auf den früheren Jazzland/Riverside-Alben schafft er es immer wieder, tolle Bands zu formen, die gut harmonieren. Dazu dürftest Du einiges in den entsprechenden Threads finden und ich muss mich mal um die Besternung kümmern. Das Ronnie Mathews/Hubbard-Album empfinde ich übrigens auch für eines der stärksten Prestige-Alben, auch wenn es kein Meisterwerk ist.
Übrigens habe ich gestern ein bißchen was vom späteren Clifford Jordan gehört und kann nun besser verstehen, warum er bei #7 häufiger genannt wurde. Gerade die Sessions für Strata East zeigen einen deutlichen Coltrane-Einfluss, ohne dass er sein eigenes Idiom dafür zurück gestellt hat. Kurze Empfehlung übrigens für „Starting Time“ auf Jazzland. Kenny Dorham und Cedar Walton tragen außerdem dazu bei, dass diese Session wirklich spannend geraten ist.Zur Auflösung: Nachdem sich redbeans noch eingebracht hat, werde ich versuchen, heute nachmittag mit der Auflösung zu beginnen und zumindest die ersten vier Stücke näher vorzustellen.
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur IIIkatharsisDie Sidemen waren in Chicago durchaus bekannt und haben in einem länger bestehenden Trio mitgearbeitet.
Treffer! Aber was mich erstaunt, wenn ich den Umkehrschluss mache: Würdest Du Amy als Leichtgewicht einstufen, oder zumindest sagen, dass er mehr hätte machen können?
nie von ihm gehört, aber das klingt jetzt nach earl washington mit crosby/fournier (alternativ natürlich irgendwer mit holt/young) (auch wegen „In June of that year he cut 5 tracks for Formal Records with the Earl Washington All Stars, who included Basie-ites Thad Jones (cornet), Benny Powell (tb), Frank Foster (ts), Frank Wess (fl), Eddie Jones (b), and Sonny Payne (d);“) krass, man sollte meinen, man kennt diese Diskografien alle rauf und runter… link, hier kann man auf der zweiten CD noch zwei Tracks hören
nein, ich find Amy hat in den 60ern genau die Alben aufgenommen, die für ihn richtig waren (zumindest teilweise), klar, mit einem Blue Note Vertrag wären die alle etwas nüchterner ausgefallen, aber das passt schon, und klar, Studioarbeit, Doors, Carole King etc, hat er gemacht, das ist vom Rest erstmal unabhängig, und da hat er teilweise bei vergleichsweise großartigen Projekten vergleichsweise viel eingebracht… ich hör ihn als Saxophonisten jetzt nicht ganz auf dem Level meiner größten Lieblinge (konkret in diesem Genre Griffin), aber schon als einen der vorne mitreden konnte, etwa so wie Houston Person, vielleicht ein bißchen besser, ein Leichtgewicht sicher nicht…
edit: noch kurz zu den beiden motown tracks, hier erfährt man, das einer der beiden tracks (Opus No 3) die all-star band mit Thad Jones enthält, während der andere ein seltenes Solo von John Neely, Tenorist aus Chicago, enthält, der zB das eine Stück auf Blowin‘ in from Chicago komponiert hat, aber selber kaum aufgenommen hat… klingt als wär das schade… und ohne vorgreifen zu wollen, ist hier eine (leider etwas kaputte) Seite über Earl Washington
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.Ich freu mich sehr auf die Auflösung, katharsis! Mir geht es durchaus ähnlich wie THELONICA, was das Entdecken betrifft! Bin zwar derzeit mal wieder weniger in Hardbop-Stimmung, aber manchem, was Du uns hier vorgestellt hast, möchte ich in Zukunft gerne mal nachforschen!
Und der „mexican bandit“ (der übrigens aus Massachusetts stammte) hat mal einen eigenen Thread verdient!
Und :bier: an redbeans!
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katharsis
Übrigens habe ich gestern ein bißchen was vom späteren Clifford Jordan gehört und kann nun besser verstehen, warum er bei #7 häufiger genannt wurde. Gerade die Sessions für Strata East zeigen einen deutlichen Coltrane-Einfluss, ohne dass er sein eigenes Idiom dafür zurück gestellt hat. Kurze Empfehlung übrigens für „Starting Time“ auf Jazzland. Kenny Dorham und Cedar Walton tragen außerdem dazu bei, dass diese Session wirklich spannend geraten ist.Starting Time (auf CD auf dem Twofer „Mosaic“) hab ich auch irgendwann die Monate nochmal gehört und war sehr positiv überascht… und den späteren Clifford Jordan hab ich immer wieder gehört in den letzten Wochen, da gibt es tolle Sachen, bzw, eigentlich ist alles irgendwie toll, Royal Ballads, The Adventurer zB werden nicht oft genannt.. (nur von Soul Fountain muss man abraten)
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.Zu Beginn möchte ich mich noch einmal bei allen Teilnehmern bedanken, die mitgerätselt und ihre Eindrücke mitgeteilt haben. Mir hat das große Freude bereitet und besonders die Resonanz fand ich sehr toll – Danke!
Gut, dann beginne ich mit dem ersten Teil der Auflösung, bevor redbeans das übrige noch im Handumdrehen aufdeckt, denn:
#1: Earl Washington – Reflections
Earl Washington (p), Israel Crosby (b), Vernel Fournier (d)
Workshop Jazz
Chicago, 1963Earl Washington wurde 1921 in Chicago geboren und bekam schnell den Spitznamen „Ghost“, da er offenbar eine ausnehmend blasse Erscheinung gewesen sein muss und geisterhaft das Klavier bediente. Wie man hier besonders gemerkt hat, trifft dieser Spitzname allerdings auch auf sein musikalisches Erbe zu, welches nur wenig dokumentiert und gar nicht wiederveröffentlicht wurde. „Reflections“ war die zweite Veröffentlichung des Pianisten auf dem Motwon-Sublabel „Workshop Jazz“, für das sich Roy Brooks als musikalischer Leiter verantwortlich zeichnete. Die erste Veröffentlichung des Labels war die All Stars-Band, geleitet von Washington, auf die redbeans bereits hingewiesen hat.
Washington studierte in Chicago und Boston, erwarb sich dort seine ersten musikalischen Meriten und spielte nach dem Zweiten Weltkrieg in der Band von Red Saunders, einem Rnb und Swing-orientiertem Drummer aus Chicago. Danach schrieb und arrangierte Washington hauptsächlich für Motown-Künstler, arbeitete mit Count Basie und spielte als Resident-Pianist in einigen Chicagoer Jazz-Clubs. Später hielt er außerdem musikwissenschaftliche Vorlesungen ab und war als Klavierlehrer tätig.
Durch seine Ausbildung und die unterschiedlichen Studio-Erfahrungen war Washington ein vielseitiger Pianist, der irgendwo in der Tradition von Art Tatum und Oscar Peterson steht, aber auch impressionistische Einflüsse von Ravel und Stravinsky zu integrieren vermochte. In den Liner Notes zu „Reflections“ – geschrieben von Johnny Pate – ist zu lesen, dass Washington in naher Zukunft eine Suite in Form eines Klavierkonzertes mit Orchesterbegleitung aufnehmen wollte, allerdings scheint daraus nichts geworden zu sein. Zu Crosby und Fournier kam Washingston schätzungsweise durch gemeinsame Auftritte, da alle sich in Chicago gekannt haben dürften, näheres sucht man jedoch vergebens. Beide hatten ihre Arbeit mit Ahamd Jamal bereits beendet und Crosby, übrigens einer der ersten afro-amerikanischen Studio-Bassisten, starb kurze Zeit nach den Aufnahmen, die irgendwann 1962 entstanden sein dürften.
Das Titelstück entspricht dem Bluesschema, ist jedoch durch die östlichen Anklänge weit trickreicher geraten. Crosby passt sich dem Rhythmus gut an, während man bei Fournier den Spaß herauszuhören meint, wie er dem Groove Kanten verleiht und Washington dann mit den Becken durch das Stück treibt. Washington dehnt und kürzt, arpeggiert, trillert und treibt sich selbst mit wechselhaften und leichtfüßigen Läufen an, ohne den Boden, den Groove aus den Augen zu verlieren.#2 Clifford Scott – Samba de Bamba
Clifford Scott (ts), Les McCann (p), Joe Pass (g), Herbie Lewis (b), Paul Humphrey (d)
Pacific Jazz
Los Angeles, 1. Feb. 1963Clifford Scott, Texas-Tenor. Er sammelte erste Erfahrungen in der Band von Lionel Hampton und spielte dazwischen mit RnB-Musikern wie Roy Brown, Roy Milton, oder Jay McShann. Zurück bei Hampton kam Scott mit Clifford Brown oder Jimmy Cleveland in Berührung und ging danach wegen eines Musikstudiums nach New York. Dort traf er auf den Organisten und Pianisten Bill Doggett, an dessen Nummer „Honky Tonk“ er offenbar auch als Komponist beteiligt war und damit einen ersten Hit produziert. Auf rockabilly.nl liest man dazu folgendes: „Honky Tonk“ was conceived by Clifford Scott and Billy Butler (who played guitar in Doggett’s combo) in an informal hotel room jam session before a dance in Lima, Ohio. That night, on stage and without rehearsal, Butler told Bill Doggett and drummer Shep Shepherd to „just play a shuffle“ and when they got through the people started to applaud. They wouldn’t get off the dance floor, they just continued to stand there and appalud „more, more, more..“. So they did it again, played some other tunes and had an intermission, and when they came back the audience started yelling „We wanna hear that tune!“. And they didn’t even have a name for it.“
1961 kam Scott nach Los Angeles und arbeitet als RnB-Session-Musiker, u.a. in der Band des Schlagzeugers Wayne Robinson. In dieser Zeit sind weitere, gemeinsame Aufnahmen entstanden, so z.B. eigene Dates für World Pacific, oder auch „Evenin‘ Blues“ von Jimmy Witherspoon.
„Out Front“ ist das dritte Album mit Scott als Leader und als solches auch das gewichtigste. McCann hatte kurz zuvor Paul Humphrey in seine Band aufgenommen und für diese Session Joe Pass hinzugeholt. Die Handschrift von McCann ist klar erkennbar und so zeichnet er sich auch als Komponist des Stückes „Samba de Bamba“ verantwortlich. Die Musik ist eine Mischung aus Bossa und Samba und die Band erreicht einen leichten, aber doch irgendwie härter klingenden Groove. Scott eröffnet sehr melodiös und färbt den Rhythmus etwas nachdenklich, melancholisch ein, bevor McCann auflockert und Scott in der Folge mitnimmt. Spannend finde ich die kurze Bridge, bevor Scott anfängt, das Terrain zu explorieren. Er zeigt aus meiner Sicht sehr schön, dass er Texaner ist und über viel Rhythm and Blues-Erfahrung verfügt, verhehlt aber auch nicht, dass er härter spielen kann, indem er ein paar schöne Stops und kleine crys einfließen lässt. Pass und McCann nehmen den Groove gekonnt auf und schaffen ein paar kleine, melodisch schöne und gar nicht unspannende Interventionen, lassen Scott aber klar im Rampenlicht stehen.
Die gesamte Session ist recht schön geraten und gehört zu Unrecht zu den unbekannten Pacific Jazz-LP’s. Trotzdem hört man klare Grenzen und ich glaube, dass Scott von einer Hardbop-orientierten, aber auch gutmütig spielenden Rhythmusgruppe stark hätte profitieren können.#3 Paul Gonsalves – Boom-Jackie-Boom-Chick
Paul Gonsalves (ts), Pat Smythe (p), Kenny Napper (b), Ronnie Stevenson (d)
Vocalion
London, 1963Über Paul Gonsalves muss ich wenig schreiben, da er allen bekannt sein dürfte. Nachdem er lange Zeit in der Band von Duke Ellington saß und diesem durch sein Solo im Rahmen des 1956er Newport Jazz Festival zu neuem Glanz verhalf, nahm er einige Alben in wechselnden Besetzungen unter eigenem Namen auf, die sich unterschiedlicher Bekanntheit erfreuen. Seine bekanntesten Leaderalben sind zwischen 1957 und 1963 auf Argo, Jazzland und Impulse veröffentlicht wurden, während „Boom Jackie Boom Chick“ erst 1964 erschien. Das Titelstück und damit die gesamte LP sind Jack Sharpe zugedacht, einem Freund und Londoner Clubbesitzer, in dessen Wohnung Gonsalves 1974 verstarb. Sharpe spielte außerdem Tenor- und Baritonsaxophon und war viel mit Tubby Hayes unterwegs. Nach einer kurzen Zeit als Taxifahrer stürzte er sich wieder ins Musikleben und ist auf einigen Aufnahmen zu hören. So spielt er auch auf zwei Stücken von „Boom-Jackie-Boom-Chick“. Näheres zu Sharpe liefert [COLOR=“DarkOrange“]diese informative Seite.
Die exzellente Gruppe um Pat Smythe, der bereits Erfahrungen mit Dizzy Reece sammeln konnte und bei Joe Harriott spielte, ermöglicht es Gonsalves, seinen seidig-warmen Tenor strahlen zu lassen. Gleichzeitig treiben sie ihn an und gestatten ihm wenig Ruhe. Besonders im zweiten Teil beißt Gonsalves zu und steigt unerwartet ein, fängt sich aber schnell wieder und glättet seinen Ton, bleibt aber etwas kantiger. Smythe spielt ein schönes, perlendes Solo und zeigt seine elegante, lyrische Art, die mit der Majestätik Gonsalves gut harmoniert. Sehr interessant finde ich übrigens den Bass, der sehr funkig klingt und damit dem Stück ein bißchen einen Latin-Touch verleiht, den Gonsalves und Smythe auf sehr dezente Art absorbieren.#4 The Jazz Brothers – Something Different
Chuck Mangione (tp), Gap Mangione (p), Sal Nistico (ts), Larry Combs (as), Bill Saunders (b), Roy McCurdy (d)
Riverside
New York City, 8. Aug. 1960Endlich die erste typische Hardbopnummer, ausgerechnet von einem Musiker angeführt, der heutzutage so gar keine Jazz-Credentials mehr hat. Die Jazz Brothers waren ein junges Ensemble, das in Rochester, NY von ein paar Freunden gegründet wurde und nahezu unverändert drei Alben aufgenommen hat. „Something Different“, eine Komposition von Chuck ist der Kick-Off zum Debütalbum der Band, die zu diesem Zeitpunkt etwa seit einem Jahr gemeinsam in Rochester musizierte. Übrigens wurden während dieser Zeit die Adderley-Brüder auf die Mangione-Brüder aufmerksam, machten einen Plattendeal mit Orrin Keepnews klar und produzierten in der Folge den Erstling für Riverside. Das ausgewählte Stück hat für mich alles, was ein klassisches Hardbop-Stück haben muss. Eine hungrige, junge Band (die Solisten waren 19/20 Jahre alt, Bassist und Drummer nur wenig älter), eine schön abgezirkelte Komposition mit eingängigem, melodischem Thema und darauf aufbauende, rasante Soli, die ineinander übergehen.
Sal Nistico, der großartige Tenorsaxophonist macht den Anfang und verrät hier noch ein bißchen etwas von seiner RnB-Vergangenheit, deutet aber bereits die Richtung an, in die er sich später weiter entwickelte – muskulös, aber beweglich, bop-orientiert, trotz dessen auch an Ammons orientiert. Auch wenn das kurze Intermezzo hier nur wenig von seiner Größe verrät, lohnt es sich, vor allem nach seinem ersten Leaderalbum „Heavyweights“ Ausschau zu halten, das ihn schon als wesentlich reiferen Musiker präsentiert. Ein großer Konkurrent auf dieser Aufnahme ist sicher Larry Combs, der allerdings bald danach verschluckt wurde und erst in den 70ern wieder vereinzelt Aufnahmen machte, u.a. für Gloria Gaynor. Sein Ton hier ist scharf, irgendwie kantig, aber gleichzeitig wendig genug und er zeigt ein paar Manierismen, die ich durchaus in Bezug zu Dolphy setzen würde. Auch Chuck Mangione zeigt im Mittelteil, dass er ein guter, Gillespie-orientierter Trompeter war. Er klingt zwar vergleichsweise dünn, atmet in seinem Solo alledings reinen Bebop und präsentiert aus meiner Sicht die besten Ideen des Stücks. Man darf auch hier nicht vergessen, dass er erst 19 Jahre alt war und sich in der Folgezeit weiter entwickelte, bis hin zu Blakey’s Jazz Messengers.In der Folgezeit sind zwei weitere Alben der Gruppe auf Riverside erschienen, in der lediglich Drummer und Bassist ausgewechselt wurden (Vinnie Ruggiero und Frank Pullara kamen stattdessen). Chuck Mangione spielte außerdem ein gutes Soloalbum für Jazzland ein und konnte für „Recuerdo“ auf eine exquisite Band zurückgreifen, während Nistico das erwähnte „Heavyweights“ mit Nat Adderley und Barry Harris und „Comin‘ on up“ für Jazzland/Riverside aufnahm. Auf dem letzteren ist übrigens Sal Amico zu hören, ein ebenso vergessener Trompeter. „Hey Baby“ ist die schwächste Platte der Jazz Brothers, während „Spring Fever“ ein ähnlich hohes Niveau erreicht. dustygroove.com bezeichnen diese Platte als ‚the kind of record you put on, then run back to the turntable a few minutes later, saying „What is THIS?“ und das ist auch für das Debüt zutreffend.
Auf [COLOR=“darkorange“]Mangionemagic sind die Linernotes von Orrin Keepnews zu lesen, die noch ein paar weitere Infos enthalten.
Ach und über das spätere Werk von Chuck Mangione reden wir mal nicht, aber Gap Mangione hat mit „Diana in the Autumn Wind“ ein tolles Alben veröffentlicht, das oft gesampled wurde und ihn auch als eigenständigen Komponisten empfiehlt.Teil #2 folgt, sobald ich dazu komme!
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur IIIAch nee – hier ist nochmal der „an den Kopf lang“-Move! Von der Scott-Scheibe hatte ich auch was für einen BFT bereit :roll:
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbakurz, Larry Combs wurde später Soloklarinettist des Chicago Symphony Orchester, er hat ein bißchen zugelegt, aber es geht ihm gut
http://www.youtube.com/watch?v=p73Op93_iYM--
.tolle Sachen waren das, katharsis! #1 hatte ich überhaupt nicht auf dem radar (zufallsfund? bzw woher kanntest du das?), #2-4 von Alben, die ich mir immer schonmal anhören wollte…
zielsicher Les McCann gebasht, da können seine Apologeten sagen, was sie wollen, Jack Wilson/Frank Butler statt McCann/Humphrey und es wäre ganz ganz groß geworden, etwas ärgerlich, da stimm ich zu… bin jetzt wahnsinnig gespannt auf #5-7 also bitte schnell weitermachen
und Nistico war später offenbar besser… muss ich aber nochmal kontrollieren …
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.gypsy tail windAch nee – hier ist nochmal der „an den Kopf lang“-Move! Von der Scott-Scheibe hatte ich auch was für einen BFT bereit :roll:
Ich mag solche Momente! :bier:
redbeansandricekurz, Larry Combs wurde später Soloklarinettist des Chicago Symphony Orchester, er hat ein bißchen zugelegt, aber es geht ihm gut
http://www.youtube.com/watch?v=p73Op93_iYMDanke, toller Hinweis. Ich bin über die Klarinette gestolpert, aber nicht so weit vorgedrungen. Schade, dass er offenbar dem modernen Jazz den Rücken gekehrt hat, aber eine Orchesterstelle ist zumindest besser bezahlt und auch etwas sicherer.
redbeansandricetolle Sachen waren das, katharsis! #1 hatte ich überhaupt nicht auf dem radar (zufallsfund? bzw woher kanntest du das?), #2-4 von Alben, die ich mir immer schonmal anhören wollte…
zielsicher Les McCann gebasht, da können seine Apologeten sagen, was sie wollen, Jack Wilson/Frank Butler statt McCann/Humphrey und es wäre ganz ganz groß geworden, etwas ärgerlich, da stimm ich zu… bin jetzt wahnsinnig gespannt auf #5-7 also bitte schnell weitermachen
und Nistico war später offenbar besser… muss ich aber nochmal kontrollieren …
Zu Earl Washington bin ich durch Roy Brooks gekommen. Ich habe mich durch dessen „Beat“ für die Diskographie von Workshop Jazz interessiert und bin so auf Washington gestoßen. „Reflections“ ist hin und wieder ganz gut greifbar, während ich das All Stars-Album bisher nur einmal gesehen und noch nie gehört habe. Besonders daran bin ich aber sehr interessiert. Workshop Jazz wurde ansonsten sehr wenig beachtet, so dass es meines Wissens nur eine CD-Reissue von „Beat“ gibt. Johnny Griffith, George Bohannon, Lefty Edwards, alle mehr oder weniger getilgt.
Ich stimme Dir absolut zu, dass Wilson/Butler, oder auch Strazzeri/Butler absolut gepasst hätten. So ist „Out Front“ flüssiger, melodischer, aber auch ‚leichter‘ geraten. Das liegt natürlich auch an Scott selbst, aber sein Ton verrät schon, dass er sich hätte anstecken lassen. Die beiden anderen World Pacific LP’s („Plays the Big Ones“ & „Lavender Sax“) mit Orgel statt Klavier kenne ich übrigens nicht.
Nistico schätze ich sehr, allerdings kenne ich weder seinen späteren Output, noch habe ich mal alle Alben chronologisch gehört. Nistico war vor allem ein Parker-Disciple, der aber einen runden, geschmeidigen und beweglichen Ton besaß, der durchaus in die Richtung von Johnny Griffin gehen konnte. Was mir an ihm gut gefällt ist, dass er bereits als junger Spieler sehr selbstbewusst und ruhend klingt, den Eindruck macht, sich irgendwie bereits gefunden zu haben. Anders kann ich es nicht sagen. Wie erwähnt, der Track ist nicht die beste Visitenkarte für ihn, sondern mehr für die Band als ‚Unit‘.
Der zweite Teil der Auflösung folgt morgen, versprochen!
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur IIImir sagen earl washington, clifford scott und die jazz brothers natürlich überhaupt nichts, aber paul gonsalves mal mit kleiner besetzung zu hören war eine großartige entdeckung. die ganze session ist toll, da hast du ja eigentlich noch das avancierteste stück ausgewählt. aber auch insgesamt ist der kontrast von gonsalvez‘ mächtigem ton und dem dezent modernistischen spiel von smythe von ganz großem reiz. was der da unter dem thema spielt ist ja eigentlich schon m-base…
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