2019: Jazzgigs, -konzerte & -festivals

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    gypsy-tail-wind
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    Jazzfestival Middelheim – Samstag, 17.8. (Tag 3)

    15:30 – AMBROSE AKINMUSIRE ‚MAE MAE‘
    Ambrose Akinmusire (t, elec), Dean Bowman (voc), Gerald Clayton (p), Joe Sanders (b), Marvin Sewell (g), Kendrick Scott (d, comp), Mattie Mae Thomas (Spirit & Voice + lyrics)
    * * *1/2

    Vom dritten Tag kriegten wir nicht viel mit. Samstag und Sonntag ging es auch noch früher los (13:30 bzw. 14:00) und da das mein erster Besuch in Antwerpen war und wir nicht vor neun unterwegs sein mochten, fiel das abwägen beim Samstagsprogramm leicht. Das Ablaufschema war auch etwas anders: die Konzerte auf der Hauptbühne dauerten nur 60 Minuten, die auf der Nebenbühne dafür etwas länger als an den anderen Tagen (45 statt 35 Minuten wohl).

    Der Samstag war offensichtlich auf ein anderes Publikum ausgerichtet, und tatsächlich waren auf dem Festivalgelände mehr junge Leute zu sehen. Der ganze Abend kam ohne Stühle aus, nur der sonst zentral in der Halle ca. aber Reihe 8 für mehrere Reihen fast immer gähnend leere VIP-Bereich wurde schräg vor der Bühne mit ein paar Stühlen abgesperrt, und da sassen dann auch wieder ein paar verstreute Personen, während sich in der Mitte die Normalsterblichen vor der Bühne versammelten, auf der als zweiter Act der zweite Auftritt von Ambrose Akinmusire stattfand. Die Band mit dem p/g-Gespann von Lloyd, dazu der Bassist und der Drummer vom Akinmusire Quartet (der Drummer war auch bei „Origami Harvest“ dabei, das ohne Bass auskommt) war ziemlich tight, davor stand neben Akinmusire der Sänger Dean Bowman mit einer ordentlich charismatischen, eleganten Stimme. Das Konzept hinter diesem Projekt ist wohl, dass so etwas wie ein Geistegespräch mit Mattie Mae Thomas geführt werden sollte – zu ihr hat Dietmar oben schon etwas geschrieben, ich lasse also die Wikipedia-Recherche gleich bleiben. Drummer Kendrick Scott spielte Samples ein aus den Aufnahmen von Thomas, doch schien es überhaupt keine Abstimmung der gespielten Musik auf die Samples zu geben (noch nicht mal das Tempo stimmte überein), Bowman sang über die Samples, das alles ergab für mich wenig Sinn. Dennoch fand ich das Set mit der Zeit ziemlich super, die Samples hätte man einfach besser weggelassen und getan, was halt getan werden musste. Bowman fand ich ziemlich toll, auch was seine Bühnenpräsenz angeht, der Gesang von ihm schien – im Gegensatz zu den Samples – auch keinen Augenblick lang wie ein Fremdkörper. Clayton/Sewell erreichten nicht ganz die Magie vom Vorabend mit Lloyd, dafür packte Sewell zwischenzeitlich seine türkise Telecaster weg und spielte eine andere E-Gitarre, die auch etwas mehr nach Blues klang (hier sieht man die türkise gut: https://www.flickr.com/photos/jackman_on_jazz/35513003912 – bei Lloyd spielte Sewell bis fast zum Schluss wohl nur diese; am Ende, als Lloyd zur Querflöte griff, da kam noch eine andere Gitarre zum Einsatz, die für mich Laien ziemlich ähnlich aussah, aber eben nicht türkis sondern dunkelblau oder eher schwarz war, aber auch mit hellem Schlagschutz). Sewell fand ich bei den zwei Konzerten ziemlich gut – und vermutlich ist es auch kein Wunder, dass er bei Cassandra Wilson gearbeitet hat, die Dietmar ins Spiel bringt als mögliche Alternative zu Bowman (da wäre ich eher skeptisch, die Wilson von 1996 oder noch etwas früher sofort, die von heute ist doch viel zu glamourös geworden, viel zu sehr Diva? Oder lasse ich mich da von den Alben täuschen – die mich ca. seit dem Miles Davis-Tribute nicht mehr interessieren – und ist das live bei ihr eine andere Sache?). Anyway, der Samstag war kurz und das Set keins der Highlights.

    17:30 – NUBYA GARCIA
    Garcia (ts) + (p, b, d)

    Wir blieben dann doch noch etwas und stellten uns am Anfang des Sets von Nubya Garcia hinten ins Zelt. Die Band war neben der Louis Cole Big Band (die am Samstag das letzte Set auf der Hauptbühne spielte, aber vermutlich mit dem, was der Jazzhörer so als „Big Band“ identifiziert recht wenig zu tun haben dürfte?) als einzige des ganzen Festivals bis zum Schluss nicht namentlich angekündigt. Das scheint bei Garcia zwar üblich zu sein (ist auch für ihr kommendes Konzert in Zürich der Fall, auch in einem Club, der üblicherweise stets die ganzen Line-Ups nennt), aber in dem Rahmen fand ich das doch ziemlich respektlos – und da auch zum Tenorsax kein Name stand, fragte ich mich, ob Garcia eventuell nicht eine Vertretung geschickt habe, wer weiss das schon so genau … Nach 15 oder 20 Minuten gingen wir (zum Abendessen landeten wir dann ungeplant im Café/Restaurant Zurich, die Muscheln waren lecker) und hatten nicht das Gefühl, dass wir was verpassen würden. Wir hatten uns zwischenzeitlich in der Halle noch bis vors Mischpult bewegt, wo der Sound deutlich besser war als ganz hinten, aber wohl auch nicht besser als weit vorn – nur ein paar Konzerte, bei denen wir zu direkt in der Achse vor dem linken Lautsprecherturm sassen, waren etwas problematisch, ein paar Meter weiter in Richtung Mitte war der Klang schon wieder sehr ok. Auf dem Foto oben ist das Mischpult – inkl. einer der Kameras, die für die Leinwände neben der Bühne filmten, zu sehen.

    Das restliche Programm des Samstags auf der Hauptbühne (die Line-Ups habe ich nicht abgetippt, aber ausser für Cole waren sie wie gesagt angegeben):
    13:30 – De Beren Gieren
    19:30 – Stuff.
    21:30 – Louis Cole Big Band

    Auf der kleine Bühne gab es wie gesagt längere Sets, die an diesem Abend auch nicht kuratiert waren:
    14:35 – Bombataz
    16:35 – Linus & Økland/Van Heertum/Zach
    18:35 – Benny Sings
    20:35 – Wwwater
    23:00 – Beraadgeslagen & Bondgenoten

    Zum Abschluss noch ein Bildchen von der Dame, die sehr gekonnt (auf Niederländisch, aber die Hälfte versteht man davon ja schon, und wenn wie hier der Kontext gegeben ist, eher noch mehr) alle Konzerte auf beiden Bühnen ansagte – natürlich jeden Abend in einem anderen Outfit, und einmal kam eben auch der Leoparden-Print zum Handkuss, der in den niederen Landen gerade der letzte Schrei ist:

    PS: Die Dame heisst Lies Steppe und arbeit bei Radio Klara, die auch neben dem grossen Zelt ein improvisiertes Studio aufgebaut hatten: https://klara.be/video/jazz-middelheim-2019-lies-steppe-interviewt-joe-lovano-0

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    gypsy-tail-wind
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    Jazzfestival Middelheim – Sonntag, 18.8. (Tag 4)

    Den letzten Tag gingen wir dann wieder mit mehr Elan an. In der Stadt hatten wir davor überraschenderweise noch einen weiteren geöffneten Plattenladen angetroffen (wir hatten schon am Vortag ein paar Dinge eingekauft). Die Pause tat bei dem dichten Programm jedenfalls gut, und das Programm vom Samstag war wie erwähnt eh nicht für uns gemacht. Das wirft auch nochmal die Frage auf, die wir uns einige Male gestellt haben: Was hat man sich beim Festival im Hinblick aufs Programm wohl überhaupt so überlegt? Waren z.B. die jeweiligen Abende als ganze konzipiert? Das hat für mein Empfinden nur beim Eröffnungsabend gepasst, danach konnte ich keine echte Dramaturgie mehr erkennen.

    Das erste Konzert am Sonntag haben wir auch wieder ausgelassen, auch weil es mit dem Schlusskonzert von Akinmusire – zwar auf der kleinen Bühne – auch so wieder vier längere Sets gab und das schon mehr als genug ist, wenn es keine richtigen Pausen gibt. Zudem hatten wir schon am ersten Tag erkannt, dass es besser war, satt aufs Gelände zu gehen, da die Dinge, die man dort zwischen die Zähne kriegt eher klein und recht teuer waren und man sich auch recht lange anstellen musste, was ja eben (dasselbe bei Getränken, die natürlich unverzichtbar waren – auch den Besuch der Konzerte auf der kleinen Bühne verhinderte … eigene Lebensmittel durfte man nicht aufs Gelände bringen, nicht mal eine Wasserflasche, was ich recht ätzend fand. Wir gingen also vorher noch was essen und liessen das erste Set mit Bojan Z. aus, den wir mit diesem Hintergedanken am Freitag auf der kleinen Bühne wenigstens kurz angehört haben.

    16:00 – EVERGREEN 5+ feat. AMBROSE AKINMUSIRE
    Ambrose Akinmusire (t), Lennert Baerts (ts), Jarno Verheyen (p), Roeland Celis (g), Soet Kempeneer (b), Klaas De Somer (d)
    * * *1/2

    Dort waren wir aber für das zweite Konzert auf der Hauptbühne, das Ambrose Akinmusire zusammen mit einer Band von Studenten des Konservatoriums von Antwerpen – die aber soweit ich das mitgekriegt habe auch tatsächlich als Band unterwegs sind. Gespielt wurden Stücke von mehreren Bandmitgliedern, aber auch wenigstens eines von Akinmusire. Dieser setzte sich überhaupt nicht in Szene, spielte seine Soli, fügte sich in den Klang der Band ein. Das Set, die Band war besser als erhofft, etwas verhalten-melancholisch meist, aber doch mehr als Kompetent. Beim Gitarristen wurde mir nicht klar, und ich befürchte es ist ihm halt (noch) nicht klar: Will er klassische Jazzgitarre spielen oder eher sowas wie Terje Rypdal machen? Und bei dem Namen ist auch die offensichtliche Referenz da, der Sound vieler europäischer Bands und Musiker, wie ihn ECM populär gemacht (und teils sicher auch mitgeprägt) hat. Ich dachte denn auch ein paar male an das übermässig brav geratene ECM-Album von Wolfgang Muthspiel mit Akinmusire, von dem ich gerade dachte, ich könne es zum Wiederhören bereitlegen, dabei hatte ich es wohl nur ausgeliehen und dann eben nicht gekauft … nun ja, ein überraschend stimmiger Auftakt war das auf jeden Fall schon.

    18:00 – JOE LOVANO TRIO TAPESTRY
    Joe Lovano (ts, gongs), Marilyn Crispell (p), Carmen Castaldi (d)
    * * *

    Lovano zählte durchaus zu den Namen, die mich anlockten, aber ich erwähnte es schon: auf dem Papier verstehe ich die Idee hinter diesem Trio überhaupt nicht, und leider half das Konzert diesbezüglich in die „falsche“ Richtung: ich verstehe das Trio jetzt erst recht nicht mehr bzw. halte es für eine verfehlte Idee (wessen ist mir nicht klar, ich würde aber auf Lovano tippen – ECM und Wynton Marsalis sind ja nicht immer an allem schuld). Lovano stand in seinem bunten Hemd herum, mit dem ulkigen mehrstöckigen Strohhut, der immerhin für etwas Ablenkung sorgte, aber der Versuch, den Hut zu identifizieren scheiterte dann leider doch. Richtig gut – ganz wie zu erwarten – war Marilyn Crispell, auf der Hauptbühne eine der wenigen Frauen (Nubiya Garcia war da ja noch, aber das war ja eher Pop, und sonst gab es nur Streicherinnen – bei Ackamoor und Akinmusire – und Sängerinnen – bei Ackamoor und Werner). Alleine würde Crispell wohl nie auf einer so grossen Bühne auftauchen, was überaus schade ist, aber so sind nunmal die ganzen Marktmechanismen und Publikumsinteressen halt gelagert. Carmen Castaldi, ein alter Buddy Lovanos aus Cleveland, hatte als einziger Drummer sein eigenes Drum-Set mit, das auch wunderbar klang, was aber aus Castaldi jetzt auch nicht den Wunderdrummer machte – will sagen ich fand das alles etwas anstrengend, phasenweise recht zäh, phasenweise aber schon auch ziemlich gut. Aber mein anderes Live-Erlebnis mit Lovano – ein Standards-Set mit einer Schweizer Rhythmusgruppe – war ein ganz anderer Fall und ein Rahmen, in dem er super aufspielen und seine ganze Souveränität demonstrieren konnte. Das ging in diesem für Lovanos Verhältnisse wohl etwas zu experimentell-offenen Rahmen nicht. Und seltsam: auch für Castaldi war der Rahmen zu offen. Auch seltsam: warum hat ihnen nie jemand gesagt, dass ein Bass nicht schaden würde? Crispell ist eine tolle Solistin und beherrscht das ganze Klavier, auch die tiefen Lagen, aber dieses Trio ist nicht ihre sondern Lovanos Show, sie spielte also eher zurückhaltend auf und liess es nicht gerade krachen. Also: einige Irritation, einige seltsame Momente (Lovano und seine Gongs), einige sehr schöne – am besten wohl ein längeres Piano/Drums-Duo. Fazit: mittelprächtig. Und wie das Werner-Set auch etwas ärgerlich, irgendwie.

    20:00 – TRIBUTE TO TOOTS THIELEMANS BY GREGOIRE MARET & KENNY WERNER + GUESTS
    Grégoire Maret (harm), Kenny Werner (p, synth), add: Nicholas Thys (b), Dré Pallemaerts (d), Philip Catherine (g)
    * * *

    Setlist:
    1. Days of Wine and Roses (duo)
    2. Autumn Leaves (duo)
    3. ? (Luis Eça) (quartet)
    4. Dance for Victor (Catherine) (quintet)
    5. The Shadow of Your Smile (quintet)
    6. Waltz for Sonny (für Rollins, comp. Thielemans) (quintet)
    6. All the Way (duo)
    7. Wave (duo)
    8. Ne me quitte pas (duo)
    9. What a Wonderful World (duo)
    Zugabe: 10. Bluesette (quintet)

    Die Setlist reicht schon fast aus als Beschreibung dieses letzten Konzerts in der grossen Halle (das Bild ganz oben entstand während der Zugabe, als wir schon draussen waren, das folgende Akinmusire-Set war wichtiger!). Grégoire Maret ist vermutlich besser, als es Toots je war, Kenny Werner, der einst mit Thielemans gespielt hat, entlockte schamlos dem Synthesizer, der auf dem Flügel lag, käsigste Streicherklänge (dem Guten hat wohl noch niemand mitgeteilt, dass die Achtziger schon länger vorbei sind), alles furchtbar nett, aber dennoch nicht schlecht. Schlechter wurde es aber, als nach einem Stück im Quartett (mit einem Bilderbuch-Belgier am Schlagzeug) der zweite Bilderbuch-Belgier auf die Bühne schlurfte, Philip Catherine … das Publikum war begeistert, doch das Zusammenspiel klappte nicht so richtig – auch hier hätte es wohl einer gemeinsamen Probe bedurft, aber stattdessen hat man wohl den Fritten und dem Bier gefrönt (womit ich an sich kein Problem habe, aber ich gehe ja auch nicht auf die Bühne). Also, „Autumn Leaves“, Sinatra, Jobim, Brel, Bossa, Sixties-Pop und mehr, und zum Schluss „What a Wonderful World“, und dann die obligate Zugabe „Bluesette“ … dass bei diesem Konzert endlich der VIP-Bereich mal nicht mehr völlig leer war, war wenig überraschend, dass das Publikum sich trotz der mittelprächtigen Musik noch begeisterter als sonst zeigte, fand ich dann aber bei aller liebe zu Belgien schon ein wenig verwunderlich.

    21:30 – AMBROSE AKINMUSIRE QUARTET (Kleine Bühne)
    Ambrose Akinmusire (t), Sam Harris (p, elp), Joe Sanders (b), Kendrick Scott (d, elec)
    * * * *1/2

    Dann ging es mit einem letzten Bier rüber zur kleinen Bühne, wo Ambrose Akinmusire zum Abschluss den Tag rettete und das erhoffte, super Set ablieferte. Am Klavier sass wieder Sam Harris, der auch zur Stammbesetzung des Quartetts gehört (Harish Raghavan am Bass, Justin Brown am Schlagzeug) und der für Akinmusire ein perfekter Partner ist. Die Rhythusgruppe (b/d) war dieselbe wie beim „Mae Mae“-Konzert am Samstag, also inzwischen alles vertraute Gesichter (auf dem 2010er Studio-Album „When the Heart Emerges Glistening“ ist übrigens Gerald Clayton mit Raghavan/Brown zu hören, auch die Kombination gab es also schon). Auch das Quartett war sofort da und spielte ein phantastisches, etwa einstündiges Set (beim „Mae Mae“-Set hatte Akinmusires Set übrigens sicher zehn Minuten Überlänge, d.h. statt der am Samstag vorgesehenen Stunde spielte er auch fast wieder die sonst üblichen fünf Viertelstunden). Das grossartige, energiegeladene Set des Quartetts, in dem Akinmusire nochmal glänzen konnte mit seinem Spiel voller rhythmischer Twists und oft unklar intonierten Tönen, sorgte also für einen überaus versöhnlichen Ausklang des Festivals, das unterm Strich mit zwei wirklich guten Tagen aufwarten konnte. Der Sonntag – vielleicht war ja auch das irgendwie Konzept? – war auf der Hauptbühne jedenfalls zu brav und zu nett, auch wenn Lovano vermutlich gerade mit diesem Trio eigentlich anderes beabsichtigt hat.

    Nicht gehört: haben wir das erste Set des Abends (vielleicht ein Fehler? ich vermute aber eben, dass auch das furchtbar nett war):
    14:00 – Ragini Trio feat. Bojan Z & Sawani Mudgal: Nathan Daems (sax), Marco Bardoscia (ba), Lander Gyselinck (d) + Bojan Z (p), Sawani Mudgal (voc)

    Auf der kleinen Bühne hatte der Saxophonist Manuel Hermia die drei Pausensets kuratiert (das vierte fiel weg, weil es Akinmusire gehörte):
    15:20 – Hermia/Darrifourq/Florent: Manuel Hermia (sax, bansuri), Joachim Florent (b), Sylvain Darrifourcourcq (d)
    17:20 – Orchestra Nazionale della Luna: Kari Ikonen (p, moog), Manuel Hermia (sax, fl, bansuri), Sebastien Boisseau (b), Teun Verbruggen (d)
    19:20 – Bahdja: Manuel Hermia (sax, cl), Kheireddine Mkachiche (v), Zinou Kendour (p), François Garny (b), Franck Vaillant (d)

    Unterm Strich ein sehr lohnender Besuch, wobei ich nicht ganz ausschliessen möchte, dass das Fazit etwas negativer ausgefallen wäre, wenn Antwerpen nicht auch eine tolle Stadt wäre, die vor dem Gang aufs Festivalgelände auch einiges zu bieten hat. Nächstes Jahr sind meine (Ferien-)Pläne eventuell andere (ich liebäugle mit einer Reise nochmal ins Friaul – in Undine und Triest war ich letzten Herbst, ich möchte auch mal nach Gorizia und dann noch einmal nach Triest, das es mir sehr angetan hat – und nach Slowenien und Kroatien, mit einem Besuch am Jazzfestival in Ljubljana, das dann quasi zum Zentrum der kleinen Reise würde. Aber da steht ja noch nicht einmal der Termin fest (Mitte/Ende Juni in der Regel). Mal schauen, ob dann noch genügend Urlaub übrig bleibt für ein weiteres Sommerfestival und ob es eines gibt, das vom Programm her verlockend genug ist (Mulhouse verlor ja diesmal die Ausmarchung gegen Antwerpen – und ich denke das war eine kluge Wahl, denn das Météo wäre wohl nochmal etwas weniger ansprechend geworden als letztes Mal, was den Trend der letzten drei Ausgaben fortgesetzt hätte … mag sein dass ich irre, der Punkt ist aber der, dass es in Mulhouse kaum was zu sehen gibt, wenn man Konzerte überspringt tut man das eher, um mal was richtiges Essen zu gehen oder weil man einfach kein Interesse hat und lieber auf dem Rathausplatz ein Bier trinkt.

    Im Gegensatz zu den Schweizer Festivals, um darauf nochmal zurückzukommen und doch den Hauptkritikpunkt zu formulieren, ist man in Mulhouse aber beschäftigt, eine Fahrt dahin lohnt (die Konzerte dauern nach dem Eröffnungsabend am Dienstag von Mittwoch bis Samstag von ca. mittags bis nach Mitternacht). Beim Unerhört, aber letztlich auch bei den meisten anderen Festivals hier, geht man abends wieder heim, dann am Tag zur Arbeit und danach halt ans Konzert, wozu man ja kein Festival braucht … weshalb ich oft eher von Konzertreihe als von Festival reden würde (und es wäre manchmal – das ist wohl beim Enjoy Jazz der Fall, weshalb ich das auch gar nicht erst in meine Urlaubsplanung aufnehme – wohl fast angenehmer, die Konzerte würde über eine ganze Saison oder im Wochenabstand oder so abgehalten, statt jeden Abend).

    In Willisau geht das eigentliche Festival am Freitag um 18 Uhr los (Mi/Do gibt es auch nur Abends ein Konzert mit je zwei Bands). Am Freitag gibt es vor dem Hauptkonzert schon ein Set (in der „Intimities“-Reihe, die Solos/Duos präsentiert), und dann noch einen „Late Spot“ um 23:30. Am Samstag und Sonntag finden die „Intimities“ um 11 Uhr statt, dann gibt es um 14 Uhr die ersten Hauptkonzerte (am Sonntag ist damit dann auch Schluss, so um 17 Uhr), am Samstag dann nochmal um 20 Uhr ein Hauptkonzert und um 23:30 ein „Late Spot“. Dazwischen gibt es auch die „Zeltkonzerte“, die aber eher zur Untermalung des Wurstessens der Locals dient, denn das Festival ist in dem Kaff natürlich auch ein Ereignis für die Einwohner (was ja auch super ist so, das sind Jazzfestivals in der Regel ja gerade nicht!). Ab Freitagabend ist man also schon auch beschäftigt, aber dieses Jahr sprach mich das Gebotene zuwenig an, als dass ich eine Übernachtung in Erwägung gezogen hätte – ich gehe dieses Jahr nur morgen Nachmittag ans Schlusskonzert. Vermutlich hätte es sich schon gelohnt, heute ab 11 Uhr dort zu sein (Co Streiff solo, Moor Mother, Anthony Patheras – aber auch wieder zuviele lokale Acts, für die ich an kein Festival gehen muss, wenn ich sie mir schon in Zürich kaum anhören gehe – letzteres sollte ich öfter tun, das ist klar, aber noch häufiger an Konzerte als die letzten paar Jahre kann ich ja fast nicht gehen!).

    Morgen geht es also für das letzte Konzert nach Willisau (Gabriela Friedli Trio und James Brandon Lewis/Chad Taylor Duo – erstere kann ich in Zürich hören, ich verstehe die Programmpolitik der Schweizer Festivals ja eben seit längerem nicht mehr, aber das ist eine Diskussion, die wohl niemand interessiert, auch nicht jene, die die Schweizer Festivals machen, befürchte ich), Ende September ist Han Bennink angesagt (im Trio des Zürcher Saxophonisten Omri Ziegele, mit Christian Weber am Bass), im Oktober dann das Quartett von Co Streiff und Russ Johnson (mit Gerry Hemingway am Schlagzeug und erneut Christian Weber), im Januar sind dann die drei Tage Braxton in Wels (AT) vorgesehen … und davor am Unerhört Ende November/Anfang Dezember (beim Unerhört würde ich gerade eher von einer Konzertreihe reden statt von einem Festival) geht es sicher zu den Solo-Konzerten von Kaja Draksler und Wadada Leo Smith, und aller Voraussicht nach wohl auch ans Duo von Alexander Hawkins und Angelika Niescier (letztere vermochte mich 2016 beim Jazzfest Berlin gar nicht zu überzeugen, die Trio-CD auf Intakt vom letzten Jahr fand ich aber okay, und ich kenne einige Leute, die von ihr total begeistert sind …). Tomeka Reid und ein paar andere verpasse ich, weil ich dann mit Heinz Holliger und Neuer Musik beschäftigt sein werde.

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    gypsy-tail-wind
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    Fotos auf der FB-Seite des Festivals:
    https://www.facebook.com/pg/jazzmiddelheim/photos/

    Interviews von Lies Steppe, der Journalistin, die die Bands ansagte:
    https://klara.be/tag/lies-steppe

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    dietmar_

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    Ein paar Anknüpfungen:

    Tag 1:

    IDRIS ACKAMOOR & THE PYRAMID **1/2

    Meine Frau fing schon auf dem Weg zum Zelt an zu tanzen, auch das ein Grund weswegen wir das Festival von ganz hinten starteten. Ich saß in der letzten Reihe, sie höbbelte hinten mit im Rhythmus der gebotenen Musik. Aber sie hörte auch recht schnell wieder auf, was ich sicher nicht gleich bemerkte. Aber das ist zumindest Indiz für die gebotene Musik.

    Als Opener für das Festival hielt ich Ackamoor/Pyramids auch geeignet, aber sehe es nicht so ganz positiv wie du. Tatsächlich ging mir sein Gesang, meist zusammen mit der Violonistin Sandra Poindexter, auf die Nerven. Ackamoor kann nicht singen! Deshalb scheint meine Wertung ungerecht, denn sein Instrumentenspiel war schon schön und die Band hatte auch gute Momente.

    Dieses Bamboophone habe ich komplett übersehen. Wahrscheinlich war ich auf der Toilette? Oder holte Bier? ;)

    DAVID MURRAY QUARTET ft. SAUL WILIAMS *****

    Für mich begann hiermit das Festival. Aber wie! Tolle Band, Murray war tatsächlich in großartiger Form. Dein „holy shit!“ beschreibt es wirklich am treffendsten. Und Williams ein cooler Hund mit arroganter, trotzdem wohltuender Attitüde.
    Dieser Auftritt wird mir immer in Erinnerung bleiben.

    AMBROSE AKINMUSIRE ‚ORIGAMI HARVEST‘ ****

    Tatsächlich komme ich mit dem Studioalbum besser zurecht. Ich weiß noch, dass ich bei den ersten Hördurchgängen des Albums das Gebotene als überraschend homogen einstufte. Diesen Eindruck hatte ich in Middelheim nicht wirklich. Ich kann aber nicht sagen, woran das gelegen haben mag? Auch hier gab es ein anderes Line-up …
    Ich tue mich immer schwer (klassisch geschulte) Streicher in einen „Jazz“kontext zu akzeptieren. Bei Origami Harvest haben sie eine ganz eigene dominante Stimme, sind nicht Ausschmückung oder Hintergrund.
    Ich bin mir ebenfalls sicher, dass nur wenige Menschen im Publikum diese Musik vorher kannten, trotzdem war dessen Disziplin recht gut – nur wenige wanderten ab.

    PHAROAH SANDERS QUARTET ****

    Meine Einschätzung ist hier sicher subjektiv gefärbt. Die Freude Pharoah in concert zu sehen, gibt sicher einen halben Stern mehr. ;)
    Von dem kraftvollen Saxophonisten vergangener Jahrzehnte ist nicht mehr so viel zu erahnen. Wahrscheinlich blieb mir deswegen anfangs der Mund offen stehen? Ich schrieb schon, dass ich ein wenig geschockt war. Der Schock wandelte sich kurz darauf in Traurigkeit, die wiederum verflog aber während des Gigs und ich konnte mich über das Hier Und Jetzt freuen, freuen, dass Sanders so ergreifend spielte, noch unter uns weilt und mich empfängt.

    Am nächsten Tag, während der Auftritte von Charles Lloyd und Enrico Rava, wurde mir bewusst, dass beide, obwohl älter (81 bzw. so gut wie 80 Jahre alt) als Sanders, deutlich fitter wirkten. Zen Meditation und Rotwein vermute ich? ;)

    _

    Tag 2:

    KENNY WERNER QUARTET ***1/2

    Ich glaube, bei diesem Konzert habe ich recht bald meinen Fokus auf Liebman gelegt. Wenn ich den Auftritt noch einmal verinnerliche, habe ich nie einen richtigen Zugang zum Gebotenen gefunden. Werner war sicherlich nicht der beste Pianist des Festivals (auch wenn ich Cryspel außen vor lasse, weil ich sie am letzten Tag verpasst habe). Liebman spielte toll, er spielt wahrscheinlich immer toll. Aber man hätte ihn wahrscheinlich auch alleine auf Antwerpens Grote Markt stellen können und ich hätte ebenso empfunden. So gesehen der positive „Fremdkörper“ des Auftritts? Deine Einschätzung, dass das kühl rüberkam, stimmt wohl. Der negative Fremdkörper in Person von Vivienne Aerts wurde dem Publikum glücklicherweise nur kurz präsentiert. Dieses Intermezzo stellte für mich das größte musikalische Ärgernis des Festivals dar.

    CHARLES LLOYD ‚KINDRED SPIRITS‘ *****

    Mir fällt jetzt ein, dass sich bei mir sehr schnell ein Gefühl von Sympathie einstellte. Dabei war ich im Vorfeld sehr pessimistisch eingestellt, was den Auftritt von Charles Lloyd betraf. Wie schon gesagt, der positiv überraschendste Auftritt des Festivals. Von einem „nun ja“ zum Fan – dafür kann es noch nicht reichen, denn ich kenne kaum etwas von Lloyds Musik. Aber ein Anfang ist gemacht und ich werde seine Musik in Zukunft aufmerksamer in Betracht ziehen. Vielleicht liegt meine bisherige Zurückhaltung zu seiner Musik am „kompositorisch Unprägnanten“?

    Die Band hätte bestimmt auch ohne Gitarre funktioniert. Aber ich mochte Marvin Sewells Spiel sehr gerne und auch die ein, zwei Blues-Soli waren meins. Dazu passt vielleicht noch die Aussage meiner Frau, Penthe, während des Auftritts, dass sie endlich einmal mit einer Gitarre [im Jazz] keine Probleme habe, dass sie dessen Spiel mag.

    Ja, auch ich denke, dass Rogers/Harland die beste Rhythmusgruppe des Festivals waren.

    RAVA SPECIAL EDTION 80th BIRTHDAY ****

    Enrico Rava live sehen zu können, hat mich schon sehr gefreut, obwohl ich gewisse Bedenken bezüglich seiner „Geburtstagsparty“ hatte, die sich aber sofort zerstoben – es gibt noch nicht einmal ein Album zum Motto! ;) Oder? Ich weiß noch nicht einmal, was das aktuelle Rava-Album ist?

    Dir hat der Gitarrist Francesco Diodati gefallen. Ich konnte mit seinem langen Solo nicht wirklich etwas anfangen, es verstörte mich ein wenig. Sehr brutal empfand ich das. Aber wir blieben. ;) So einfach sind wir nicht aus einem Konzertsaal zu vertreiben!

    Rava/Asterix: *gacker* Ja, eine gute Idee. Gute Beobachtung! ;)

    _

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    #10875609  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Wegen Enrico Rava und seiner Band: ich weiss nicht, ob die so als fixe Gruppe unterwegs ist – bin mir aber ziemlich sicher, dass das entweder der Fall ist, oder aber dass die alle in unterschiedlichen Kombinationen schon zusammen gespielt haben. Sonst wäre dieses bunte und doch aus einem Guss daherkommende Set kaum zu machen.

    Die Sympathie bei Charles Lloyd, das stimmt total, ging mir auch so. Ich hörte ihn 2000 oder 2001 schon einmal live, damals noch mit John Abercrombie (g), Marc Johnson (b) und Billy Hart (d), die Band hat er danach ja mehrmals umgebaut … neben „Jumping the Creek“ und „Passin‘ Thru“ empfehle ich „Rabo de Nube“ ebenfalls unbedingt, und auch „Lift Every Voice“ mit Geri Allen … und wenn das Hippie-Drumherum (Rotwein und Meditation dürfte passen, ersterer vielleicht, wer weiss, aus dem eigenen Rebberg im Nappa Valley? ich sage das nur so dahin) kein Hindernis ist, dann ist auch das Duo-Doppelalbum mit Billy Higgins, „Which Way Is East“, wunderbar (mir gefällt es, obwohl ich auf Hippie-Gedöns sonst eher allergisch reagiere). Falls Du die Band mit Billy Higgins austesten willst, „Hyperion with Higgins“ ist das gute Album von den zweien, „The Water Is Wide“ ist ein Mix aus Begleitmusik zum Sex und Hippie-Hymnik, alles furchtbar brav und zahm und wie ich finde lahm – kaum zu glauben, dass das die gleiche Band ist, dieselben Sessions … aber „Hyperion“ ist stark. Ich habe da noch Lücken („Voice in the Night“, „Aunt Hagar’s Song“, „Mirror“ und „Sangam“, ich glaube „Wild Man Dance“ fehlt mir auch, dafür habe ich „I Long to See You“, das erste mit The Marvels, ist aber nicht mein Fall, das zweite mit Gast Lucinda Williams liess ich dann auch aus). Die ECM-Alben mit Bobo Stenson habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gehört, das letzte, „Canto“, gefiel mir damals (ich kaufte es wohl 1-2 Jahre nach seinem Erscheinend), aber meine Meinung über Stenson hat sich seither ziemlich zum negativen gewandt bzw. ich langweile mich da einfach viel zu schnell, klassische ECM-Kiste halt …

    Die Sache mit Rogers/Harland … vielleicht waren die Jungs mit Murray noch etwas besser, aber Drake ist ja eh quasi eine Kategorie für sich: der einzige Top Reggae-Drummer des (Avantgarde-)Jazz, oder so ähnlich. Der Punkt ist aber – und das bestätigte das gestrige Konzert in Willisau mit Chad Taylor: die richtig guten Drummer unserer Tage waren in Antwerpen gar nicht am Start. Ich denke zuvorderst an Marcus Gilmore und Nasheet Waits, an Chad Taylor, aber auch an Tyshawn Sorey, an Gerald Cleaver oder Eric McPherson (und da reiht sich dann Harland auch irgenwdo ein).

    Bei Idris Ackamoor werden wir uns nicht einig, ich habe bei dieser Art Musik mit Gesang kein Problem und fand ihn auch nicht sonderlich schlecht, zudem gefiel mir das Zusammenspiel, das Zusammenwirken der Band insgesamt sehr gut. Das Bambusding ist auf dem ersten Foto (Hochformat) zu sehen, er blies das zu Beginn des Auftritts, als die Band quasi in Polonaise-Formation hinter dem Chef spielend auf der Bühne erschien – danach kam das Teil nicht mehr zum Einsatz. Früher spielte er übrigens vornehmlich Altsax, was diesmal nur kurz der Fall war (ein Stück, glaube ich, oder nur ein halbes sogar). Auch den Gitarrensynthesizer fand ich in diesem Rahmen unproblematisch (die Streicher von Werner im Thielemans-Set waren dagegen das pure Grauen).

    Ergänzend noch, weil redbeans mich dran erinnert hat: im Set von Evergreen 5+ feat. Ambrose Akinmusire gab es wenigstens zwei Stücke von Akinmusire, eins früh im Set, und danach noch „Henya“ (das hatte ich damals während dem Konzert gegoogelt, weil ich dachte es käme mir bekannt vor – was auch stimmt, denn die CD, auf der es zu hören ist, „When the Heart Emerges Glistening“, war meine erste Akinmusire-Anschaffung … leider aktuell verlegt, ich wollte sie schon vor dem Festival mal wieder anhören).

    Und klar, Pharoah Sanders in Aktion zu sehen war auch für mich eine spezielle Sache – das hätte ich durchaus deutlicher hervorheben können. Im Gegensatz zu Archie Shepp, von dem man ja aus verlässlichem Mund fast nur von Enttäuschungen hört, und an dessen letztes Konzert in Zürich ich auch nicht ging, den ich aber vor ein paar Jahren zusammen mit Yusef Lateef erlebte, war Sanders‘ Auftritt alles in allem auch wirklich keine Enttäuschung (vorbereitet war ich da auf das Allerschlimmste).

    Was meine Erwartungen und Enttäuschungen angeht:
    – Akinmusire (generell): erstere waren hoch, er hat sie auch gehalten
    – Murray: mittel, deutlich übertroffen
    – Lloyd, Rava: gemischt, übertroffen (bei Lloyd noch mehr als bei Rava, weil Set noch besser, Erwartungen tiefer)
    – Legnini: weniger nett/brav als erwartet, also übertroffen
    – Ackamoor, Sanders: schlimmstes erwartet, so gesehen totale Outperformer ;-)
    – Werner/Liebman, Lovano/Crispell/Castaldi: konfuse Erwartungen, die dennoch enttäuscht wurden
    – Maret etc.: keine klaren Erwartungen, kein klares Resultat (kompetent gespielter Jazzstudenten-Muzak?)
    – Garcia: positiv eingestellt ohne klare Erwartungen, enttäuscht

    Wobei es vielleicht unfair ist, Garcia in die Liste zu nehmen, denn Boehme/Bojan Z und Reggie Washington liess ich auch oben beim Besternen schon aussen vor – eher Rahmenprogramm als Teil des Musikprogramms.

    --

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    #10875703  | PERMALINK

    dietmar_

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    Dann werde ich mich einmal umschauen, ob es etwas von dieser Rava Band gibt.

    Von Charles Lloyd habe ich nur sehr wenig, aber immerhin finden sich hier der Twofer mit Liveaufnahmen aus Monterey und New York (1966 und 1968) „Forrest Flower“ und „Soundtrack“. Außerdem gibt es „Hyperion With Higgins“, „Rabo De Nube“ und neuerdings auch „Passin‘ Thru“. Damit bin ich nach deiner Aufzählung gar nicht so schlecht aufgestellt. ;)
    „Voice in the Night“ hatte ich vor 20 Jahren einmal, habe sie abgegeben, weil ich sie langweilig fand. Ich stand damals aber auch ganz am Anfang meines Jazzentdeckens.
    Mein mit ‚Zen Meditation und Rotwein‘ meinte ich Lloyd>Zen und Rava>Wein. Aber deine Idee könnte ich mir auch vorstellen.

    Ja, Hamid Drake war schon sehr gut.
    Marcus Gilmore ist der Drummer auf dem Album „Origami Harvest“, aber er wird gar nicht auf dem Cover genannt. Ich glaube, ich entdeckte diese Info auf Akinmusires Website? Gestern Brandon Lewis mit Chad Taylor, da beneide ich dich ein bisschen.
    Tyshawn Sorey habe ich vor einigen Jahren in Middelburg/NL mit Steve Lehman Octet gesehen, die Band zu erleben war auch eines meiner Highlights.

    Stimmt, bei Ackamoor kamen wir ein bisschen zu spät, der Bierstand, du verstehst. ;) Da hatte er das Rohr wohl schon weggelegt?
    Mit Gesang generell habe ich keine Probleme, auch wenn es nicht zu meinen liebsten „Instrumenten“ gehört, aber er kann es nicht, finde ich.
    Und ach ja, ich hatte den Gitarrensynthesizer verdrängt. Nein, ich höre das nicht gerne.

    --

    #10875783  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    Nur kurz, wo es oben um ja auch ein bisschen um die verbliebenen Jazzfestivals ging… Ich hab gerade mal in einem Anfall von Lokalpatriotismus nachgesehen, welche Schlagzeuger man dieses Jahr bei North Sea Jazz in Rotterdam haette sehen koennen (zum Teil parallel geschedult) – habe es dieses Jahr leider nicht geschafft (letztes schon), und es ist sicherlich nicht alles Gold – aber man kann sich dort schon ziemlich tolle Programme zusammenbauen…

    (das sind jetzt nicht alle Schlagzeuger sondern nur eine Auswahl von vergleichsweise namhaften – Samstag find ich krass…)

    Freitag:

    Calvin Weston, Joey Baron, Tomas Fujiwara, Karriem Riggins, Steve Gadd, Nasheet Waits, Makaya McCraven, Magnus Öström, Kendrick Scott

    Samstag:

    Billy Hart, Joey Baron, Damion Reid, John Betsch, Bill Stewart, Nasheet Waits, Jonathan Blake, Kendrick Scott, Willie Jones III, Eric Ineke

    Sonntag:

    Marcus Gillmore, Dave King, Damion Reid, Jeremy Dutton, Kweku Sumbry (bei Origami Harvest…), Elliot Humberto Kavee

     

    --

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    #10875929  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Das ist schon ziemlich krass … aber das ist ja wohl auch das krasseste Jazzfestival seit vielen Jahren, mit den parallelen Konzerten usw. (was mir aber fast mehr den Eindruck einer Messe vermittelt, ehrlich gesagt, und Messe ist in meiner Hierarchie ganz weit unten, nur Volksfest kommt noch tiefer … ich finde die Vorstellung ätzend, dass man bei einigermassen breiten Interessen dauernd überlegen muss, wohin man wann gehen will und ob man da 15 Minuten früher verschwindet, um dort noch was mitzukriegen). Aber das schreibe ich, wie Du weisst, ohne je dort gewesen zu sein. Ich stelle mir einfach ernsthaftes Zuhören unter diesen Umständen erschwert vor (so wie in Antwerpen bei der kleinen Bühne, da ging das ja eigentlich auch nicht so wirklich bzw. man hätte halt sofort rüberrennen müssen und vorn hinsitzen … und ab und zu den Kathederbeutel auswechseln ;-) )

    --

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    #10876071  | PERMALINK

    dietmar_

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    … ab und zu ein Schlückchen aus dem Flachmann, so wie man es beim Wandern halten kann. Bier/Cola/Wasser belasten zu sehr die Blase. ;)

    Ich glaube, meine Laune würde sich wegen der vielen verpassten Chancen eher verschlechtern?

    --

    #10876101  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    dietmar_
    Ich glaube, meine Laune würde sich wegen der vielen verpassten Chancen eher verschlechtern?

    Genau das ist meine Befürchtung bei einem so gearteten Festival … ich fand das schon beim Middelheim etwas schwierig mit der kleinen Bühne. So gesehen empfand ich das Météo-Festival vom Ablauf her nahezu perfekt (dieses Jahr wurde das Programmschema etwas verändert – möglicherweise aus Kostengründen, wie ich hörte), Konzerte über den ganzen Tag und die ganze Stadt verteilt, mit längeren und kürzeren Pausen – aber natürlich auch in viel kleinerem Rahmen als in Antwerpen beim Middelheim (und sicher beim NSJ, das ich mir noch grösser vorstelle?).

    In Willisau diskutierte ich übrigens mit Leuten, die von Intakt-Seite her am Unerhört Festival beteiligt sind, dass ihr Echo ganz anders ausfällt: am liebsten wollten die Leute in Zürich nur EIN Konzert aufs Mal, fänden schon zwei oder drei Bands am Abend schwierig (beim Taktlos gab es stets drei Bands im Hauptprogramm und allenfalls noch ein Spätprogramm, beim Unerhört sind es eher zwei, am Wochenende manchmal mehr). Aber ich bleibe dabei, ich finde konzentrierte Festivals in wenigen Tagen eine sehr bereichernde Erfahrung und empfinde Anlässe wie das Unerhört tatsächlich eher als quasi verdichtete Konzertreihe.

    --

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    #10876121  | PERMALINK

    dietmar_

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    Ich denke, 3 bis 4 Auftritte von je etwa 60 bis 75 Minuten, an ca. 3 bis 4 Tagen, kann ich gut bewältigen. Dann brauche ich nicht unbedingt ein Pausenprogramm, denn die Pausen nutze ich gerne für Essen/Trinken, Gespräche/Entspannung, Toilette.

    Im Prinzip hat es so in Middelheim gut funktioniert, wir haben die kleine Bühne meistens ausgelassen.

    Lieb wäre es mir gewesen, wenn wir ein bisschen mehr von Antwerpen mitbekommen hätten, aber dafür sollte man vielleicht einen Extratag einplanen. Jedenfalls wenn das Festival außerhalb, wie in diesem Falle, stattfindet. Das kleine Festival in Middelburg/NL fand auf dem Abdijplein, mitten in der Stadt statt, da war es leicht mal eine Stunde oder zwei etwas anderes zu machen.

    --

    #10876133  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    das mit Meteo sehe ich genauso – hier nimmt man die Konzerte wirklich noch sehr schoen separat wahr… Bei North Sea Jazz gibt es auch 75 Minuten Sets. Ich habe es so gemacht dass ich mir zwei, drei Konzerte rausgesucht hab, die ich komplett hoeren wollte, hier zB Mulatu Astatke und Vijay Iyer

    https://www.northseajazz.com/nl/programma/2018/zondag-15-juli/

    und dann noch in ein paar Sachen so 45 Minuten reinhoeren (hier zB Mathias Eick, DeJohnette/Scofield). Dafuer sind die 75 Minuten dann eigentlich ganz gut, weil man einerseits Zeit hat sich auf ein paar Sachen wirklich einlassen kann, und andererseits relativ flexibel einen substantiellen Teil eines Konzerts hoeren kann, ohne sich total zu stressen. Das fand ich zB deutlich angenehmer als LeGuessWho in Utrecht, wo es wirklich wahnsinnig viele relativ kurze (45min?) parallele Sets gibt…

    also, mit Middelheim war es mE letztlich so: So lange das Programm auf der Hauptbuehne fantastisch ist (wie Donnerstag und Freitag), ist das Konzept super. Sobald das nicht mehr der Fall ist (Samstag und letztlich auch Sonntag), wuenscht man sich doch irgendwie Alternativen…

    zuletzt geändert von redbeansandrice

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    #10876141  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    dietmar_
    Ich denke, 3 bis 4 Auftritte von je etwa 60 bis 75 Minuten, an ca. 3 bis 4 Tagen, kann ich gut bewältigen. Dann brauche ich nicht unbedingt ein Pausenprogramm, denn die Pausen nutze ich gerne für Essen/Trinken, Gespräche/Entspannung, Toilette.
    Im Prinzip hat es so in Middelheim gut funktioniert, wir haben die kleine Bühne meistens ausgelassen.
    Lieb wäre es mir gewesen, wenn wir ein bisschen mehr von Antwerpen mitbekommen hätten, aber dafür sollte man vielleicht einen Extratag einplanen.

    Wir waren jeweils ziemlich lang auf den Beinen und haben (mit einer Wohnung im Zentrum von Antwerpen als Basis) ziemlich viel mitgekriegt in den vier Tagen – die aber auch ordentlich streng waren … beim Quartett von Werner bin ich dann auch mal etwas weggedöst (was aber mit der Musik direkt zusammenhing, passierte mir nämlich nur an dem Tag – am Samstag wär’s aber auch blöd gewesen, im Stehen einschlafen stell ich mir nicht so lustig vor ;-) )

    Ich finde halt auch, ein Festival soll auf den Ort abgestimmt sein … in Mulhouse gibt es echt nicht viel zu tun, also ist viel Musik super (und die Pausen sind deutlich grosszügiger bemessen als am Middelheim). In Antwerpen kann man sich natürlich einiges anschauen, aber mich dünkte ja trotzdem, dass der grössere Teil des Publikums aus der Region kam (und ergo wohl auch nicht mehr so viel zu sehen hatte) – so gesehen fand ich die Mischung auch ziemlich gelungen. Hingegen eben in Willisau (nicht viel zu sehen) oder Zürich (schon was zu sehen, aber ans Unerhört kommen ja eh kaum Leute von ausserhalb) finde ich ein „Festival“, das über viele Tage aber nur von 20 bis 23 dauert nicht soooo phantastisch.

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    gypsy-tail-wind
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    redbeansandrice
    also, mit Middelheim war es mE letztlich so: So lange das Programm auf der Hauptbuehne fantastisch ist (wie Donnerstag und Freitag), ist das Konzept super. Sobald das nicht mehr der Fall ist (Samstag und letztlich auch Sonntag), wuenscht man sich doch irgendwie Alternativen…

    Ja, klar … aber so ein Festival mit Alternativen kenne ich bisher schlicht nicht – ist das eine NL-Spezialität oder gibt es das anderswo auch?

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    dietmar_

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    gypsy-tail-wind

    redbeansandrice also, mit Middelheim war es mE letztlich so: So lange das Programm auf der Hauptbuehne fantastisch ist (wie Donnerstag und Freitag), ist das Konzept super. Sobald das nicht mehr der Fall ist (Samstag und letztlich auch Sonntag), wuenscht man sich doch irgendwie Alternativen…

    Ja, klar … aber so ein Festival mit Alternativen kenne ich bisher schlicht nicht – ist das eine NL-Spezialität oder gibt es das anderswo auch?

    Klar, ist das Programm nicht interessant, freut man sich über eine Alternative. Man könnte natürlich auch nur 2 oder 3 Tage buchen.

    Noch einmal Middelburg: dort gab es in den Pausen mal einen DJ, einen kleinen Nachwuchswettbewerb gab es auch. Das war eigentlich ganz nett, aber nicht zwingend.

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