Antwort auf: 2019: Jazzgigs, -konzerte & -festivals

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gypsy-tail-wind
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Jazzfestival Middelheim – Samstag, 17.8. (Tag 3)

15:30 – AMBROSE AKINMUSIRE ‚MAE MAE‘
Ambrose Akinmusire (t, elec), Dean Bowman (voc), Gerald Clayton (p), Joe Sanders (b), Marvin Sewell (g), Kendrick Scott (d, comp), Mattie Mae Thomas (Spirit & Voice + lyrics)
* * *1/2

Vom dritten Tag kriegten wir nicht viel mit. Samstag und Sonntag ging es auch noch früher los (13:30 bzw. 14:00) und da das mein erster Besuch in Antwerpen war und wir nicht vor neun unterwegs sein mochten, fiel das abwägen beim Samstagsprogramm leicht. Das Ablaufschema war auch etwas anders: die Konzerte auf der Hauptbühne dauerten nur 60 Minuten, die auf der Nebenbühne dafür etwas länger als an den anderen Tagen (45 statt 35 Minuten wohl).

Der Samstag war offensichtlich auf ein anderes Publikum ausgerichtet, und tatsächlich waren auf dem Festivalgelände mehr junge Leute zu sehen. Der ganze Abend kam ohne Stühle aus, nur der sonst zentral in der Halle ca. aber Reihe 8 für mehrere Reihen fast immer gähnend leere VIP-Bereich wurde schräg vor der Bühne mit ein paar Stühlen abgesperrt, und da sassen dann auch wieder ein paar verstreute Personen, während sich in der Mitte die Normalsterblichen vor der Bühne versammelten, auf der als zweiter Act der zweite Auftritt von Ambrose Akinmusire stattfand. Die Band mit dem p/g-Gespann von Lloyd, dazu der Bassist und der Drummer vom Akinmusire Quartet (der Drummer war auch bei „Origami Harvest“ dabei, das ohne Bass auskommt) war ziemlich tight, davor stand neben Akinmusire der Sänger Dean Bowman mit einer ordentlich charismatischen, eleganten Stimme. Das Konzept hinter diesem Projekt ist wohl, dass so etwas wie ein Geistegespräch mit Mattie Mae Thomas geführt werden sollte – zu ihr hat Dietmar oben schon etwas geschrieben, ich lasse also die Wikipedia-Recherche gleich bleiben. Drummer Kendrick Scott spielte Samples ein aus den Aufnahmen von Thomas, doch schien es überhaupt keine Abstimmung der gespielten Musik auf die Samples zu geben (noch nicht mal das Tempo stimmte überein), Bowman sang über die Samples, das alles ergab für mich wenig Sinn. Dennoch fand ich das Set mit der Zeit ziemlich super, die Samples hätte man einfach besser weggelassen und getan, was halt getan werden musste. Bowman fand ich ziemlich toll, auch was seine Bühnenpräsenz angeht, der Gesang von ihm schien – im Gegensatz zu den Samples – auch keinen Augenblick lang wie ein Fremdkörper. Clayton/Sewell erreichten nicht ganz die Magie vom Vorabend mit Lloyd, dafür packte Sewell zwischenzeitlich seine türkise Telecaster weg und spielte eine andere E-Gitarre, die auch etwas mehr nach Blues klang (hier sieht man die türkise gut: https://www.flickr.com/photos/jackman_on_jazz/35513003912 – bei Lloyd spielte Sewell bis fast zum Schluss wohl nur diese; am Ende, als Lloyd zur Querflöte griff, da kam noch eine andere Gitarre zum Einsatz, die für mich Laien ziemlich ähnlich aussah, aber eben nicht türkis sondern dunkelblau oder eher schwarz war, aber auch mit hellem Schlagschutz). Sewell fand ich bei den zwei Konzerten ziemlich gut – und vermutlich ist es auch kein Wunder, dass er bei Cassandra Wilson gearbeitet hat, die Dietmar ins Spiel bringt als mögliche Alternative zu Bowman (da wäre ich eher skeptisch, die Wilson von 1996 oder noch etwas früher sofort, die von heute ist doch viel zu glamourös geworden, viel zu sehr Diva? Oder lasse ich mich da von den Alben täuschen – die mich ca. seit dem Miles Davis-Tribute nicht mehr interessieren – und ist das live bei ihr eine andere Sache?). Anyway, der Samstag war kurz und das Set keins der Highlights.

17:30 – NUBYA GARCIA
Garcia (ts) + (p, b, d)

Wir blieben dann doch noch etwas und stellten uns am Anfang des Sets von Nubya Garcia hinten ins Zelt. Die Band war neben der Louis Cole Big Band (die am Samstag das letzte Set auf der Hauptbühne spielte, aber vermutlich mit dem, was der Jazzhörer so als „Big Band“ identifiziert recht wenig zu tun haben dürfte?) als einzige des ganzen Festivals bis zum Schluss nicht namentlich angekündigt. Das scheint bei Garcia zwar üblich zu sein (ist auch für ihr kommendes Konzert in Zürich der Fall, auch in einem Club, der üblicherweise stets die ganzen Line-Ups nennt), aber in dem Rahmen fand ich das doch ziemlich respektlos – und da auch zum Tenorsax kein Name stand, fragte ich mich, ob Garcia eventuell nicht eine Vertretung geschickt habe, wer weiss das schon so genau … Nach 15 oder 20 Minuten gingen wir (zum Abendessen landeten wir dann ungeplant im Café/Restaurant Zurich, die Muscheln waren lecker) und hatten nicht das Gefühl, dass wir was verpassen würden. Wir hatten uns zwischenzeitlich in der Halle noch bis vors Mischpult bewegt, wo der Sound deutlich besser war als ganz hinten, aber wohl auch nicht besser als weit vorn – nur ein paar Konzerte, bei denen wir zu direkt in der Achse vor dem linken Lautsprecherturm sassen, waren etwas problematisch, ein paar Meter weiter in Richtung Mitte war der Klang schon wieder sehr ok. Auf dem Foto oben ist das Mischpult – inkl. einer der Kameras, die für die Leinwände neben der Bühne filmten, zu sehen.

Das restliche Programm des Samstags auf der Hauptbühne (die Line-Ups habe ich nicht abgetippt, aber ausser für Cole waren sie wie gesagt angegeben):
13:30 – De Beren Gieren
19:30 – Stuff.
21:30 – Louis Cole Big Band

Auf der kleine Bühne gab es wie gesagt längere Sets, die an diesem Abend auch nicht kuratiert waren:
14:35 – Bombataz
16:35 – Linus & Økland/Van Heertum/Zach
18:35 – Benny Sings
20:35 – Wwwater
23:00 – Beraadgeslagen & Bondgenoten

Zum Abschluss noch ein Bildchen von der Dame, die sehr gekonnt (auf Niederländisch, aber die Hälfte versteht man davon ja schon, und wenn wie hier der Kontext gegeben ist, eher noch mehr) alle Konzerte auf beiden Bühnen ansagte – natürlich jeden Abend in einem anderen Outfit, und einmal kam eben auch der Leoparden-Print zum Handkuss, der in den niederen Landen gerade der letzte Schrei ist:

PS: Die Dame heisst Lies Steppe und arbeit bei Radio Klara, die auch neben dem grossen Zelt ein improvisiertes Studio aufgebaut hatten: https://klara.be/video/jazz-middelheim-2019-lies-steppe-interviewt-joe-lovano-0

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