Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert
-
AutorBeiträge
-
41
MONK’S MUSIC
monk, copeland, gryce, hawkins, coltrane, ware, blakey, keepnews, higgins, fowler (25./26.6.1957)hier gibt es eigentlich zwei verschiedene alben und – aber das geht höchstens als kalauer durch – auch zwei verschiedene monks (thelonious und william henry, 1823-1889): gleichzeitig aufgenommen, mit unterschiedlichen mikrofon-sets, eine stereo- und eine mono-aufnahme. und natürlich gibt es auch zwei tenorsaxofon-stars, hawkins und coltrane. das eine angebot, was diese verdopplungen machen, ist das der skurrilität: kirchenhymnen, tonexperimente, musiker-battles und der leader im roten wägelchen (mir kann nach wie vor niemand erzählen, dass das ein schnappschuss gewesen sein soll). das angebot, das mir mehr spaß dabei macht, ist, hier über eingeübte spontaneität nachzudenken. das ist ja eine jamsession, und in der stereoversion hört man monk coltrane von links nach rechts zum solo kommandieren, es gibt diesen tollen störmoment der rhythm section, der hawkins beim solo über „well you needn’t“ aus dem konzept bringt, das schlagzeugsolo, das – auch in der stereoversion zu hören – das studio beinahe zerlegt. man hört auch, wann und wie monk begleitet: mit coltrane ist ein faszinierendes pingpong-spiel, bei gryce und copeland hört er einfach damit auf, damit sie nicht gestört werden. für mich ist das ein heißkaltes album, ein solo-revue über verkantetem material („crepuscule with nellie“ finde ich immer noch für jede formation, die nicht über piano solo oder allenfalls modernes klaviertrio angeht, ungeeignet), mit kompositionen, die mich sonst wirklich nerven („well, you needn’t“ und „epistrophy“), hier aber nicht, und einer lieblings-monk-komposition („ruby my dear“), die hier ihre allerschönste interpretation erfährt. ich finde es erstaunlich, wie sehr sich hawkins in monk-material versenken kann, anderes beispiel wäre „blue monk“ auf dem abbey-lincoln-album, das sind zwei der schönsten soli, die ich von ihm kenne. aber die skurrilitäts-erzählung geht ja anders, und so ganz ungerecht ist die auch nicht, denn es bleibt ja z.b. das rätsel, warum da am anfang die kirchenhymne steht, von und für menschen auf dem totenbett geschrieben.
[transparenz-hinweis: ich habe das stereo-album gehört und „crepuscule with nellie“ in der mono-version gestreamt.]
--
Highlights von Rolling-Stone.deEdgar Froese und Tangerine Dream: „Den Geruch von Krautrock mag ich nicht“
James Brown: Dies ist die Todesursache des Godfather of Soul
„The Rocky Horror Picture Show“: Sex, Gewalt, viel Quatsch und noch mehr gute Songs
ABBA: 10 Fakten, die kaum einer über die schwedische Band kennt
Die 100 größten Musiker aller Zeiten: John Lennon
Huey Lewis im Interview: „Die Mundharmonika ist die Antithese zum Techno“
WerbungTolle Texte! Zwei kleine Kommentare: wegen dem Cover, das ist genau der Humor, den bei Riverside zu der Zeit irgendwer hatte, With these Hands, The Right Combination, Man Bites Harmonica… sind andere Beispiele…
http://www.jazzlists.com/SJ_Label_Riverside_200.htmWegen Hawkins und Monk, die gehen ja ganz weit zurück, Monk war Pianist in seiner Band in den frühen 40ern, schon bei Hawkins 1944er Solo Saxophonaufnahmen war was von Monk dabei (stand neulich bei Lewis Porter)
--
.redbeansandrice
Wegen Hawkins und Monk, die gehen ja ganz weit zurück, Monk war Pianist in seiner Band in den frühen 40ern, schon bei Hawkins 1944er Solo Saxophonaufnahmen war was von Monk dabei (stand neulich bei Lewis Porter)ah, das war mir gar nicht so klar, danke. ich war aber auch verwirrt von der anekdote, dass hawkins mit dem material von MONK’S MUSIC angeblich nicht klar kam und von monk nach einem hilfegesuch die antwort erhielt: du hast doch das tenorsaxofon erfunden, das sollte jetzt für dich keine schweirigkeiten bereiten. „ruby my dear“ hört sich für mich auch sehr viel komplexer an als „well you needn’t“, wo meiner ansicht nach auf der session etwas anderes passiert als „veteran ist von neuem material überfordert“.
--
Bei „Epistrophy“ ist Art Blakey auch unheimlich gut am Anfang, könnte mir gut vorstellen, dass Al Foster sich damit beschäftigt hatte. Beim Solo von Blakey merkt man es auch, dass wahrscheinlich Foster nach so einem Sound strebte. Roy Haynes bei „Epistrophy“ habe ich gerade nicht so im Ohr.
A new [Art Blakey] record came out, and I went by that night. And [A.T.’s mom] let me in, and I went to T’s room. And the new record was on, and he just yelled, “Bu.” [Short for Blakey’s Muslim name Abdullah Ibn Buhaina] I said, “Whoa.” He was really in love with Bu. He was a good person. (Joe Farnsworth interviewte Al Foster)
--
Schöne Texte! Mit der Wahrnehmung, dass „Saxophone Colossus“ kein kompaktes Ganzes (aka „Album“) sein soll, hadere ich nach wie vor massiv … da finden wir uns vermutlich nicht, und das ist natürlich völlig in Ordnung. Dass das Mingus-Album eine Art Retro-Ding sein soll, zumindest marketingtechnisch, hatte ich irgendwie gar nie bedacht … im Rückblick ist es völlig klar, dass sich das zwischen „The Clown“ und „Mingus Ah Um“ bestens einordnet … und den rollenden Blues hatte ja auch die Curson/Dolphy-Band noch drauf, zumindest wenn, wie in Antibes, Booker Ervin auch dabei war. Mit dem Monk-im-Wägelchen-Album fremdle ich irgendwie auch immer wieder … und hier greift für mich das mit dem Album-Konzept eher: zu viele Teile, die sich nicht so wirklich fügen mögen (wie das Pendant, das 1961 auf Jazzland nachgereichte „Thelonious Monk with John Coltrane“ … und irgendwie auch wie „Thelonious Himself“, wobei „Monk’s Mood“ dort ja schon kein Störfaktor ist – ich verstehe einfach die Produktionsüberlegungen hier nicht so recht … und kriege den Eindruck, dass das alles schwierige Sessions waren, die nicht genügend Material mit sich brachten, um kompaktere Alben zusammenzustellen). Hawkins‘ Version von „Ruby My Dear“ finde ich grandios. Und die frühe Session mit Hawkins war Monks erste im Studio überhaupt, wenn ich das richtig erinnere? Ein wenig blitzt hier schon auf, was sein Spiel so besonders macht:
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbadanke fürs einhaken! „on the bean“ hatte ich mir nach redbeans‘ bemerkung auch direkt angehört. und ich finde es gerade verrückt, wie viel neues ich noch in dieser listen entdecke – das gil-evans-album kannte ich noch gar nicht, MONK’S MUSIC kaum, andere habe ich ewig nicht mehr gehört. und vielen habe ich keine guten ausgaben, von QUIET KENNY z.b. nur eine horror-cd aus der original-jazz-classics-reihe. das ändert sich mit den nächsten alben aber.
--
Ich hätte die letzten Tage hier gerne schneller und ausführlicher eingehakt. Davon, dass Du das Evans-Album noch nicht kanntest, hatten wir es ja immerhin abseits des Forums – irre, es ist eindeutig mein liebstes von ihm und die CD bietet ja fast nochmal ein Extra-Album. An Sebesky hatte ich dabei nie gedacht – aber klar: irgendwoher kamen diese Ideen ja.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-windDavon, dass Du das Evans-Album noch nicht kanntest, hatten wir es ja immerhin abseits des Forums – irre, es ist eindeutig mein liebstes von ihm und die CD bietet ja fast nochmal ein Extra-Album.
bei gil evans dachte ich immer, dass da mal eine vertiefung aller aufnahmen lohnen würde, deshalb hatte ich mir das album wohl noch aufgespart. und jetzt habe ich nochmal längere zeit auf eine gute ausgabe gewartet. evans und mcfarland sind zukünftige themen für mich, in der liste steht ja als nächstes oliver nelson an.
--
Ich hab mit den Jahren einiges von Evans aus den Siebzigern angesammelt, aber mich immer davor gescheut, das mal systematisch zu hören … vielleicht Angst vor einer gewissen Gleichförmigkeit? Nelson wäre sicher das spannendere Projekt, mit einer grossen Bandbreite zwischen tollen Sachen und (manchmal auch tollen) ziemlich kommerziellen – McFarland kenne ich nur sehr oberflächlich. Auf die Fortsetzung hier freue ich mich natürlich, auch wenn von Nelson nur der eine offensichtliche Kandidat dabei ist … klar, auch da tolle Arrangements und interessante Kompositionen – den ganz grossen Big Band-Klassiker hat er irgendwie nie rausgehauen (oder keins der betreffenden Alben wurde zum Klassiker – darüber könnte man wohl diskutieren, ein paar sind ja schon sehr gut).
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaNur schnell zwei kleine Einwürfe zu diesen Anekdoten von mir. Ist ja ganz witzig:
vorgarten41
MONK’S MUSIC
monk, copeland, gryce, hawkins, coltrane, ware, blakey, keepnews, higgins, fowler (25./26.6.1957)
(…) der leader im roten wägelchen (mir kann nach wie vor niemand erzählen, dass das ein schnappschuss gewesen sein soll). (…)Aus Thomas Fitterlings Thelonious Monk-Monografie von 1987:
„Die Leute von Riverside wollten, daß ich mich in einem Mönchshabit mit einem Glas Whisky auf einer Kirchenkanzel fotografieren lasse. Ich lehnte ab; zudem stehen Mönche nicht auf Kanzeln. Dann wollten sie mich in Abendkleidung mit Frack und so stecken. Auch das lehnte ich ab und bot ihnen dafür an, daß ich mich in einen kleinen Handwagen setze, weil ich nämlich tatsächlich schon im Handwägelchen meines Sohnes auf dem Gehweg vor dem Haus komponiert habe.“vorgarten
redbeansandrice
Wegen Hawkins und Monk, die gehen ja ganz weit zurück, Monk war Pianist in seiner Band in den frühen 40ern, schon bei Hawkins 1944er Solo Saxophonaufnahmen war was von Monk dabei (stand neulich bei Lewis Porter)ah, das war mir gar nicht so klar, danke. ich war aber auch verwirrt von der anekdote, dass hawkins mit dem material von MONK’S MUSIC angeblich nicht klar kam und von monk nach einem hilfegesuch die antwort erhielt: du hast doch das tenorsaxofon erfunden, das sollte jetzt für dich keine schweirigkeiten bereiten. „ruby my dear“ hört sich für mich auch sehr viel komplexer an als „well you needn’t“, wo meiner ansicht nach auf der session etwas anderes passiert als „veteran ist von neuem material überfordert“.
Aus der Ausgabe der Zeitschrift DU mit Thema Monk von 1994. In der Erinnerung von Art Blakey:
„Monk schrieb die ganzen Stücke, aber Hawk hatte Schwierigkeiten, sie zu lesen. Also bat er Monk, sie ihm und Trane zu erklären. Monk sagte zu Hawk: „Du bist der grosse Coleman Hawkins, oder? Du bist der Kerl, der das Tenorsaxophon erfunden hat, oder?“ Hawk stimmte zu. Dann sagte Monk zu Trane: „Du bist der grosse John Coltrane, oder?“ Trane wurde bleich und murmelte „Uuh .. ich bin nicht so groß.“ Dann sagte Monk zu den beiden: „Ihr spielt beide Saxophon, oder?“ Sie nickten. „Nun, die Musik ist im Horn. Zwischen euch beiden solltet ihr sie finden können.“Stelle mit diese Szene gerade bildlich vor. 😂
Meine Monk-Phase liegt ja schon weiter zurück. MONK’S MUSIC hatte ich mal, das Album ist aber einer Säuberungsaktion zum Opfer gefallen. Jaja, im Nachhinein sind es immer die falschen Alben, die man weggegeben hat …
Aber ich sollte M’s M einfach mal wieder streamen.
Coleman Hawkins war Mitte der 40er dem Bebop gegenüber wohl sehr aufgeschlossen. Ich habe eine CD, auf der er u.a. mit Howard McGhee, Miles Davis und Oscar Pettiford zu hören ist. Aus dieser Zeit kenne ich aber nur ein einziges Stück von Hawk und Monk. Die beiden blieben aber wohl ihr Leben lang eng einander verbunden und Monk hat sich, als es mit Hawk in den 60ern gesundheitlich bergab ging, um ihn gekümmert.
--
“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)Danke für die Erinnerungen @friedrich – beides (Fitterling und das Du-Heft) als Teenager gelesen – Blakeys Geschichte ist wirklich schön, auch wenn es sich schwer eruieren lässt, ob er sie frei erfunden hat oder nicht. Coltranes Nickerchen können wir ja alle auf der Platte nachhören (er verpennt sein Solo, Monk ruft „Coltrane, Coltrane“) … das sehe ich z.B. als einen Hinweis auf eine möglicherweise schwierige Session, denn da macht man doch nochmal einen Take, bricht sogar gleich ab und beginnt neu – aber wenn sie bis dahin vielleicht schon 50 false starts angehäuft haben, lässt man halt mal laufen und wenn man sonst nichts mehr aus den Musikern rauskriegt, kommt der Take halt auf die Platte.
Von der Session von Hawkins mit Monk (vier Stücke, wie damals üblich) hatten wir es oben ja bereits (vorgarten landete beim Stück, das ich eingebettet habe). Hier der Eintrag bei jazzdisco.org:
Coleman Hawkins Quartet
Coleman Hawkins, tenor sax; Thelonious Monk, piano; Edward „Bass“ Robinson, bass; Denzil Best, drums.NYC, October 19, 1944
On The Bean Joe Davis 8251; Prestige PRST 7824, PRCD-24124-2; Milestone M-47015
Recollections –
Flyin‘ Hawk Joe Davis 8250; Prestige PRST 7824, PRCD-24124-2; Milestone M-47015
Drifting On A Reed –* Prestige PRST 7824 Coleman Hawkins – Bean And The Boys 1970
* Milestone M-47015 Coleman Hawkins – The Hawk Flies 1973
* Prestige PRCD-24124-2 Coleman Hawkins – Bean & The Boys 1993
* Joe Davis 8251; Jazz Selection (F) JS 510 Coleman Hawkins – Recollections / On The Bean
* Joe Davis 8250; Jazz Selection (F) JS 508 Coleman Hawkins – Drifting On A Reed / Flyin‘ HawkDa fehlt (neben einigem anderem, nehme ich an) die Prestige 3-CD-Box von Monk, die mit den vier Stücken beginnt:
https://www.discogs.com/release/1413572-Thelonious-Monk-The-Complete-Prestige-Recordings--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaich danke auch. auf die blakey-anekdote bezog ich mich ja, die steht auch bei wikipedia, aber nicht, dass sie von blakey kommt… ich denke, man darf da angesichts der vertrautheit von hawkins mit der musik von monk berechtigte zweifel haben
genausowenig glaube ich übrigens die behauptung vom beinahe verschlafenen solo von coltrane – für mich hört sich das so an, als hätte monk einfach spontan entschieden, dass coltrane das erste solo spielen soll, ohne dass sie früher darüber geredet hätten.
aber dafür, dass das eine schwierige session war, gibt es mehrere anzeichen (am ersten tag erschien monk ja viel zu spät und sie haben auch nichts brauchbares aufgenommen; dann die verwirrende situation mit den vielen mikrofonen für stereo UND mono; außerdem stelle ich mir den jungen coltrane neben hawkins auch nicht gerade entspannt vor. außerdem mussten sie ja auch noch eine kirchenhymne einstudieren!
--
40
THE BLUES AND THE ABSTRACT TRUTH
nelson, hubbard, dolphy, barrow, evans, chambers, haynes, taylor, van gelder (23.2.1961)vor diesem wiederhören habe ich mich etwas gefürchtet, denn „stolen moments“ kann ich definitiv nicht mehr hören, und den rest hatte ich als substanziell schwächer in erinnerung. unbedingter fan bin ich jetzt, nachdem das seit ewigkeiten mal wieder lief, immer noch nicht, aber ich höre das heute anders als total begeistert vor 30 jahren und übersättigt seitdem. interessant erstmal, dass das wieder ein arrangeursalbum ist (und wieder zieht creed taylor dabei im hintergrund die strippen), vielleicht sogar mit einem arranger’s sax? dann der titel: wo kam der her? und baut der eigentlich einen gegensatz auf (zwischen blues und abstract, oder sogar zwischen blues und truth)? oder ist das eine addition? zuletzt die all-star-besetzung: ich hatte völlig vergessen, dass bill evans hier am klavier sitzt.
also: die arrangements. das geheimnis liegt in den bläsersätzen, wie sie akkorde generieren, die ein blues-feeling erzeugen, aber so gesetzt sind, dass man beim spontanen improvisieren nie darauf käme (denke ich). das ist toll. weniger toll: die verteilung von melodielinien auf verschiedene instrumentenstimmen, das hat etwas streberhaftes. zum arrangement gehört aber auch: ich lade mir nicht irgendwelche stimmen ein, sondern nur solche, die sich frei bewegen wollen. das ergibt eine reibung, ein kratzen am schulbuchhaften, einen widerstand gegen die formel. und dann platziere ich bill evans in ein hart swingendes b/dm-gespann und spiele selbst lange gewichtige linien gegen einen hyperaktiven dolphy. hat nelson hier seine soli vorher ausgeschrieben? (das gerücht gab es ja mal.). kann nicht sein, direkt im ersten reagiert ein melodiefragment direkt auf eine zwischenfigur von evans. und dann ist es immer noch der ton, der die musik macht, ein eigenartiger cry, keine scheu vor dynamik, zu einem fast klassischen vibrato.
der blues und die abstraktion. was ist hier blues? dass einzelne linien durch verschiedene akkorde gejagt werden? dass es keine angst vor wiederholungen gibt? dass hier sophistication aus einfachheit entsteht? ich finde nirgendwo was zur quelle des titels, aber er könnte auch vom produzenten sein, für den vielleicht blues und abstraktion gegensätze waren.
all stars. was dolphy hier spielt, ist wahnsinn. genauso gewagt ist, dass bill evans das tatsächlich zu begleiten versucht. am ende ist dieses album vor allem das: die lust aufs nächste solo. und sie wird sehr oft befriedigt. ich frage mich zwischendurch: was, wenn la faro der bassist gewesen wäre? warum braucht es gerade im bass eine traditionelle absicherung? und warum hat bill evans kein trio mit roy haynes gebildet, nach diesem zusammenspiel hier?
--
vorgartenich danke auch. auf die blakey-anekdote bezog ich mich ja, die steht auch bei wikipedia, aber nicht, dass sie von blakey kommt… ich denke, man darf da angesichts der vertrautheit von hawkins mit der musik von monk berechtigte zweifel haben
genausowenig glaube ich übrigens die behauptung vom beinahe verschlafenen solo von coltrane – für mich hört sich das so an, als hätte monk einfach spontan entschieden, dass coltrane das erste solo spielen soll, ohne dass sie früher darüber geredet hätten. aber dafür, dass das eine schwierige session war, gibt es mehrere anzeichen (am ersten tag erschien monk ja viel zu spät und sie haben auch nichts brauchbares aufgenommen; dann die verwirrende situation mit den vielen mikrofonen für stereo UND mono; außerdem stelle ich mir den jungen coltrane neben hawkins auch nicht gerade entspannt vor. außerdem mussten sie ja auch noch eine kirchenhymne einstudieren!
„Ruby, My Dear“ klingt wie für Hawkins geschrieben, allerdings besonders viele Stücke von Monk hatte Hawkins wohl nicht im Repertoire. Hier gibt es „In Walked Bud“. Blakey hatte dafür schon auf einigen Aufnahmesessions von Monk gespielt, auf ihn konnte sich Monk wohl ziemlich verlassen. Trotzdem finde ich es eher schlau von Hawkins, dass er sich was erklären lassen wollte. Interessant fand ich noch die Pausen bei Coltrane am Anfang der LP. Man muss sich das so vorstellen: Früher wurde Material (für EPs oder Longplayer) oft in wenigen Stunden aufgenommen. In diesem Fall hatte es mal etwas länger gedauert. Und Coltrane hatte doch auch nicht alle Stücke von Monk gespielt. Charlie Rouse kannte viele, und er gab aber auch zu, dass manche davon nicht so einfach zu spielen sind.
--
vorgarten43
THE INDIVIDUALISM OF GIL EVANS evans, coles, glow, royal, mucci, cleveland, studd, rehak, alonge, watkins, cohen, corado, buffington, northern, barber, shorter, richardson, dolphy, lacy, tricarico, block, bushell, ross, maxwell, burrell, galbraith, peacock, chambers, hinton, davis, tucker, jones, johnson, taylor, van gelder, simpson (9/1963, 6.4.1964 & 9.7.1964)
der „song vom nein und ja“, auch als „barbara-song“ bekannt, kommt hier nicht als kokette selbstermächtigung daher, sondern als tieftraurige weise, von harfe und altflöte in watte gepackt, mit ahnungsvollen akkorden, die sich langsam lösen. und gil evans spielt nach der melodie blues-akkorde, verschiebt das lied zum mood. unfassbar detailreich breitet sich das von da aus, mit einem leichten marschrythmus im rubato (elvin jones) und einem fantastischen tenorsaxsolo von wayne shorter, das aus dem nebel auftaucht und wieder darin verschwindet. (…)Sehr schön beschrieben – aber für diese Musik, die sich beinahe in den gasförmigen Aggregatzustand aufzulösen scheint, fast noch zu harte Worte. Aber sehr anregend. Guter Anlass, da anzusetzen.
Habe mir die Gil Evans Interpretation des Barbara Songs inzwischen ein paar mal aufmerksam angehört. Wenn ich es nicht schwarz-auf-weiß hätte, würde ich nicht glauben, dass die Vorlage ein Lied aus der Dreigroschenoper ist. Evans scheint die ursprüngliche Komposition als Ausgangspunkt genommen aber sie dann durch einen Filter nach dem anderen geschickt zu haben, bis das Original eigentlich nicht mehr zu erkennen ist. Eine fast vollständige Metamorphose. Da erkenne ich keinen Song mehr. Ich höre farbige Klangwolken, die sich langsam ausbreiten, vor- und hintereinander schieben und miteinander mischen, hier und da verdichtet sich etwas in Form eines Solos auf Sax oder Flöte und mit dem Klavier blitzen ein paar funkelnde Kristalle auf. Schichten von Klang in ungewöhnlichen dunklen Pastelltönen. Bass und drums ganz weit unten verbinden das nur noch locker mit festem Boden.
Und sie scheinen das auch nur noch locker mit „Jazz“ zu verbinden. Das ist doch auch eher ein Orchester als eine Big Band. Gil Evans beruft sich in den liner notes von The Individualism … auch auf die französischen und vor allem spanischen Impressionisten – von denen ich natürlich keine Ahnung haben. Wenn das nicht so eine Schwermütigkeit und so einen Detailreichtum hätte, könnte man das auch als ambient music missverstehen. Man könnte es auch mit Miles Davis` Requiem für Duke Ellington He Loved Him Madly vergleichen. Und ich frage mich, was Gil Evans gemacht hätte, wenn ihm elektronische Klangerzeuger zur Verfügung gestanden hätten.
produzent creed taylor wird sehr genau hingehört haben – für sein späteres eigenes label ist das hier die blaupause, und die trademark-altflötentöne in den sebesky-arrangements hat jemand vor ihm erfunden. „i write popular music.“ (gil evans)
Das ist ein erstaunlicher und interessanter Gedanke. Wäre ich nicht drauf gekommen, aber erscheint irgendwie plausibel.
Apropos spanische Einflüsse, spanische Titel, Las Vegas Tango, El Toreador, Moods, „ahnungsvolle
Akkorde“: Manchmal fühle ich mich bei Gil Evans an einen Italo-Western erinnert. An der Grenze zu Mexiko, die Sonne brennt erbarmungslos und die Luft flimmert, am Horizont nähert sich in einer Staubwolke eine Gruppe Desperados …--
“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler) -
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.