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THE BLUES AND THE ABSTRACT TRUTH
nelson, hubbard, dolphy, barrow, evans, chambers, haynes, taylor, van gelder (23.2.1961)
vor diesem wiederhören habe ich mich etwas gefürchtet, denn „stolen moments“ kann ich definitiv nicht mehr hören, und den rest hatte ich als substanziell schwächer in erinnerung. unbedingter fan bin ich jetzt, nachdem das seit ewigkeiten mal wieder lief, immer noch nicht, aber ich höre das heute anders als total begeistert vor 30 jahren und übersättigt seitdem. interessant erstmal, dass das wieder ein arrangeursalbum ist (und wieder zieht creed taylor dabei im hintergrund die strippen), vielleicht sogar mit einem arranger’s sax? dann der titel: wo kam der her? und baut der eigentlich einen gegensatz auf (zwischen blues und abstract, oder sogar zwischen blues und truth)? oder ist das eine addition? zuletzt die all-star-besetzung: ich hatte völlig vergessen, dass bill evans hier am klavier sitzt.
also: die arrangements. das geheimnis liegt in den bläsersätzen, wie sie akkorde generieren, die ein blues-feeling erzeugen, aber so gesetzt sind, dass man beim spontanen improvisieren nie darauf käme (denke ich). das ist toll. weniger toll: die verteilung von melodielinien auf verschiedene instrumentenstimmen, das hat etwas streberhaftes. zum arrangement gehört aber auch: ich lade mir nicht irgendwelche stimmen ein, sondern nur solche, die sich frei bewegen wollen. das ergibt eine reibung, ein kratzen am schulbuchhaften, einen widerstand gegen die formel. und dann platziere ich bill evans in ein hart swingendes b/dm-gespann und spiele selbst lange gewichtige linien gegen einen hyperaktiven dolphy. hat nelson hier seine soli vorher ausgeschrieben? (das gerücht gab es ja mal.). kann nicht sein, direkt im ersten reagiert ein melodiefragment direkt auf eine zwischenfigur von evans. und dann ist es immer noch der ton, der die musik macht, ein eigenartiger cry, keine scheu vor dynamik, zu einem fast klassischen vibrato.
der blues und die abstraktion. was ist hier blues? dass einzelne linien durch verschiedene akkorde gejagt werden? dass es keine angst vor wiederholungen gibt? dass hier sophistication aus einfachheit entsteht? ich finde nirgendwo was zur quelle des titels, aber er könnte auch vom produzenten sein, für den vielleicht blues und abstraktion gegensätze waren.
all stars. was dolphy hier spielt, ist wahnsinn. genauso gewagt ist, dass bill evans das tatsächlich zu begleiten versucht. am ende ist dieses album vor allem das: die lust aufs nächste solo. und sie wird sehr oft befriedigt. ich frage mich zwischendurch: was, wenn la faro der bassist gewesen wäre? warum braucht es gerade im bass eine traditionelle absicherung? und warum hat bill evans kein trio mit roy haynes gebildet, nach diesem zusammenspiel hier?
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