Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Retromania | ist Pop tot?
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AutorBeiträge
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AlbertoDas sehe ich anders. Das Internet ist doch viel zu atomisiert, um inhaltliche Durchschlagskraft zu entwickeln. Selbst eine „disco“-Wiederholung auf ZDF Kultur nachts um drei erreicht mehr unterschiedliche Bevölkerungsschichten, als jede Internet-Community mit egal wievielen Usern.
Ich sehe das Internet so wie Print als sekundäres Medium.
Print ist auf dem Weg ins …
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/frankfurter-rundschau104.html
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/ftd114.html… Nirvana.
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WerbungDemonVergangenes 1:1 wiederholen, das gibt es natürlich, als Nische. In der E-Musik sogar eine ziemlich große Nische: „historische Aufführungspraxis“. Aber i.d.R. verwenden wir den Begriff „retro“ doch auch dann, wenn nur einzelne Bausteine aus der Vergangenheit wiederverwendet werden, ohne die Absicht, die Vergangenheit komplett zu imitieren.
Möglicherweise müsste man über die von dir angesprochene Verwendung von retro nochmals nachdenken. Die partielle Verwendung von Zitaten (von Bausteinen bzw. Elementen) ist etwas anderes, als eine weitgehend unveränderte Reproduktion (die sich zudem nicht nur auf die zu hörende Musik, sondern auch auf Instrumente und/oder Produktions- bzw. Aufnahmegeräte erstreckt). Man sollte diese unterschiedlichen Herangehensweisen also vielleicht besser nicht begrifflich vermengen.
bullschuetzLauter interessante Fragen. Kannst Du Dir mal bitte eine oder zwei aussuchen, über die Du ausführlicher diskutieren willst? Ich fühle mich sonst etwas überfordert.
Die 19 sind nur die Eisbergspitze.
@iccarus666:
smokin’ cheap weed?
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Herr RossiSchon bei Frage 1 kann ich es nur mit Augustinus halten: „Was also ist »Pop«? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.“
Dieser Augustinus scheint entweder clever oder klug oder beides gewesen zu sein.
Pop wie Hecken es sieht, hat sieben wesentliche Merkmale: Oberflächlichkeit, Funktionalismus, Konsumismus, Äußerlichkeit, Immanenz, Künstlichkeit und Stilverbund. Verkehrt scheint mir das nicht zu sein.
1. Oberflächlichkeit meint dabei lediglich, dass Pop aus dekorativ gestalteten Oberflächen besteht, ungeachtet der technischen Funktion des Gegenstands. Poppig – das heißt in diesem Zusammenhang: Die Oberflächen des Pop sind vorzugsweise geschlossen; selten verlaufen oder vermischen sich die Farben und Muster.
2. Funktional ist Pop in anderer Hinsicht ausgerichtet: das Ziel ist, für Belebung zu sorgen, angenehm zu erregen, den Körper in Bewegung zu setzen, Attraktivität zu erhöhen und eine nette, heitere Stimmung oder eine coole Haltung zu bewirken.
3. Pop ist mit Konsum innig verbunden. Sich unterhalten zu lassen ist mindestens genauso viel wert wie das aktive Leben. Konsumieren ist zudem ein Pop-Kennzeichen, weil es im Gegensatz dazu steht, sich rauschhaft verzehren zu lassen. Die Ekstase zählt allenfalls vorübergehend einmal zur Pop-Welt – als Samstagnachtphänomen.
4. Pop hält sich strikt an das äußerlich, sinnlich Gegebene.
5. Anders pointiert, bedeutet das: Pop kann mit der Werbung oder den großen Bühnenshows, die sich aus dem historischen literarischen, mythologischen Fundus bedienen, etwas anfangen, weil es manchmal deren Gestaltung schätzt, nicht deren Bestreben, etwas über das Hör- und Sichtbare Hinausgehendes zu behaupten.
6. Pop kann mit dem Natürlichen nichts anfangen, außer es zu elektrifizieren, im Studio bewusst aufzusplitten, digital zu modellieren etc.
7. Ein Pop-Gegenstand kommt niemals allein. Der Musikstil z.B. ist mit einer Frisur, einer Hose, einem Auto, einer Attitüde auf eine Weise verbunden, die einen zwingenden Zusammenhang herstellen soll.
[Thomas Hecken | aus: Pop-Konzepte der Gegenwart / Pop – Kultur & Kritik (Heft 1)]
>>
Pop: Aktuelle Definitionen und Sprachgebrauch
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– Medienkonzerne weisen teilweise ähnlich gegliederte Abteilungen aus: beim deutschen Arm der Universal Music Group (Vivendi) etwa gibt es den Zweig »Universal Music Domestic Pop« und davon abgesetzt »Universal Music Domestic Rock«. »UDP steht für Pop/Mainstream, UDR für Rock/Urban«, erläutert die Homepage der Firma. Die Pop-Abteilung (UDP) betreut u.a. A-HA, Adoro, André Rieu, Christina Stürmer, DJ Ötzi, Hermes House Band, Ich + Ich, Juli, Kurt Krömer, Lena, Mia, Paul van Dyk, Reamonn, Rosenstolz, Sascha Grammel, Schiller, Silly, Tokio Hotel, Vicky Leandros, die Rock-Abteilung (UDR) Culcha Candela, Die Ärzte, Element of Crime, Jan Delay, Mando Diao, Polarkreis 18, Rammstein, Selig, Sportfreunde Stiller, The Prodigy, Unheilig.
– Der Internet-Händler Amazon unterteilt Musik in »Pop« (über eine Million Waren), »Rock« (über 250.000), Alternative« (über 150.000), »Metal&Hardcore« (fast 80.000), »Klassik« (gut 60.000) etc. Pop wiederum weist bei Amazon verschiedene Unterabteilungen auf (etwa »Disco«, »Pop-Rock«, »New Wave«, »Folk-Pop«).
Da wäre es doch ein interessanter Nebenschauplatz, nachzufragen, wer, wie und warum und mit welchen Begründungen es bei diesen Händlern zu den jeweiligen Zuordnungen kommt.
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Je suis Charlie Sometimes it is better to light a flamethrower than curse the darkness. T.P.Herr RossiAn dieser Stelle wird es schon fragwürdig, denn wann waren die „Produktlebenszyklen“ je so kurz wie in den 60s, die doch immer die Referenz für Pop-Innovationen sind? Damals wurden Veröffentlichungen mit einer Geschwindigkeit herausgebracht, als ob es kein morgen gäbe.
Über den Unterschied dieser jeweiligen Geschwindigkeiten bin ich mir nicht sicher, würde aber behaupten, dass zwischen den Sechzigern und heute ganz allgemein eine gesellschaftliche Beschleunigung stattgefunden hat (und weiter stattfindet). Es war seinerzeit wohl zumindest ein vollkommen anders strukturiertes Industrie-Management und Pop-Business. Und es gibt einen weiteren Unterschied: in den Sechzigern haben sich Veröffentlichungen die Aufmerksamkeit bzw. ihren Impact nicht mit einem Clip-Overkill auf diversen medialen Plattformen teilen müssen und ‘Augenmerk’ lag da auch noch auf gehörter Musik und nicht hauptsächlich auf gesehener Clip-Ästhetik, global chicness und visuell unterstützten Verkaufsstrategien.
In der ganzen „Retromania“-Debatte werden ja überhaupt verschiedene Dinge vermengt: Das konservative Kaufverhalten eines Teils der Rezipienten, wie eben beschrieben, hat meiner Ansicht nach keine Aussage über die Vitalität der aktuellen Musikszene. Sie ist da, sie ist vital, sie klingt anders als vor 10, 20 usw. Jahren. Diese Jammerarien über den angeblichen kreativen Stillstand kann ich überhaupt nicht teilen.
Wo machst du im Zusammenhang mit dieser Vitalität der Musikszene die Vorwärtsentwicklung von Popkultur/Popmusik aus? Würdest du das Adele-Album 21, das 2011 weltweit zum meistgekauften Album wurde, für eine Innovation halten? Worin bestünde diese? Womit ließe sich der immense Erfolg bei Käufermassen (auch jenseits von ‘normalen’ Popmusik-Konsumenten) einer derart rückwärtsbezogenen Musik begründen und eine Verbindung zu einem inhaltlichen Gegenwartsbezug knüpfen (von Songtexten ganz zu schweigen)?
Klingt toll, aber hier geht es doch wieder um Rezipienten und nicht um die Künstler. Du vermischst das ständig.
Mit Absicht. In der heutigen Zeit kann man das gar nicht mehr trennen. Zuschauer und Konsumenten empfinden sich heutzutage – nach meiner Meinung – ebenso als Pop (Love-Parade, TV-Superstar-Suche, Eurovisions-Contest, Konzerte, Events), wie entsprechende Acts. Oft tritt dabei sogar der rein musikalische Aspekt in den Hintergrund. Popkultur und Popkult feiern ein Eigenleben. Du hast es ja an anderer Stelle selbst schon mal geschrieben: Auftritte von Popkünstlern haben längst nicht mehr ausschließlich nur einen musikalischen Charakter. Das Vermischen von Künstlern und Rezipienten scheint mir daher legitim.
Alles richtig, darum ging es mir aber nicht bei dem Kaiser-Zitat, sondern auschließlich um seine Ausführungen dazu, dass klassische bzw. E-Musik eine differenzierte Kunstsprache ist, die nur der kreativ verwenden und weiterentwickeln kann, der ihre Geschichte kennt. Ich meine, wenn man diese Erkenntnis auf Pop-Musik bezieht, dann verliert diese ganze „Retro“-Thematik ihren vermeintlichen Schrecken, zumindest was die aktiven Künstler angeht.
Heutzutage bietet so ziemlich jede neue Band oder neue Künstler ellenlange und bunte Listen der eigenen Einflüsse, die zeigen, dass sie nicht „unbeleckt“ ans Werk gehen, sondern in dem Wissen, dass andere vor ihnen auch schon Musik gemacht haben und sie diese Musik geprägt hat. Das wussten die viel gerühmten Innovatoren der 60s aber schon genauso gut.
Ich sehe momentan eigentlich gar keinen Schrecken an retro – höchstens eine merkwürdige Entwicklung, die offensichtlich munter voranschreitet (Kitty, Daisy & Lewis, Waterhouse, Adele, Lamar, Bugg), aber nur wenige wirklich Interesse an der Thematik zeigen (am wenigsten Konsumenten, am meisten Kulturhistoriker und Poptheoretiker).
DJs oder Remixer müssen beim Mischen oder beim Scratchen nicht unbedingt auch musikhistorische Zusammenhänge oder Auswirkungen ihres Ausgangsmaterials kennen um damit etwas kreativ hervorzubringen. Ich bin mir daher nicht sicher, ob Kaisers Kunstsprache-Ansatz allgemein genommen hier zutrifft.
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tolomoquinkolomÜber den Unterschied dieser jeweiligen Geschwindigkeiten bin ich mir nicht sicher, würde aber behaupten, dass zwischen den Sechzigern und heute ganz allgemein eine gesellschaftliche Beschleunigung stattgefunden hat (und weiter stattfindet). Es war seinerzeit wohl zumindest ein vollkommen anders strukturiertes Industrie-Management und Pop-Business. Und es gibt einen weiteren Unterschied: in den Sechzigern haben sich Veröffentlichungen die Aufmerksamkeit bzw. ihren Impact nicht mit einem Clip-Overkill auf diversen medialen Plattformen teilen müssen und ‘Augenmerk’ lag da auch noch auf gehörter Musik und nicht hauptsächlich auf gesehener Clip-Ästhetik, global chicness und visuell unterstützten Verkaufsstrategien.
Da widerspreche ich in mehrfacher Hinsicht.
Die These der gesellschaftlichen Beschleunigung etwa wird immer wieder gerne gekaut. Betracht man die Realitäten aber unter soziologischer Perspektive, hat sich eigentlich nicht sehr viel geändert. Da ist absolut nichts beschleunigt, eher im Gegenteil: Die Generationenfolge hat sich in Anbetracht der stark angestiegenen Lebenserwartung verlangsamt und mit ihr auch die Entwicklung der Sozialstrukturen.
Wenn sich etwas beschleunigt haben solllte, dann die Wahrnehmung von Vorgängen aller Art. Das ist aber eine Ableitung, eine zwangsläufige Folge der technologischen Weiterentwicklung von medialen Aufbereitungs- und Archivierungsmechanismen („Globalisierung“ und „Wissensexplosion“), die wiederum Folgen haben wird (siehe dazu auch Exkurs Internet).
In diesem Zusammenhang stehen gerade die 60er im Zeichen einer wirklich tiefgreifenden Revolution, des Massenfernsehens nämlich. Damit kam eine Bilderflut in die Welt, die eine völlig neue Qualität darstellt.
(Exkurs: Das Internet ist auf dieser Ebene nur eine weitergehende Evolution des Fernsehens, auf der Wissensebene – Archivierung – hat es möglicherweise eine andere Qualität, deren tatsächliche Auswirkung aber noch nicht wirklich zu definieren sind. Alle Aussagen darüber befinden sich etwa auf dem Level der Medientheorie von McLuhan in den 60ern – mehr Prognose als Analyse.)
Das Fernsehen markiert den maßgeblichen Umbruch im letzten Jahrhundert, der nicht nur soziologisch evident, sondern sogar neurologisch nachweisbar ist: Die Hirnströme der in den 60er Jahren in den Industriestaaten aufgewachsenen Generation weisen andere Muster auf als die der Elterngeneration – Folge der flimmernden Röhren, in die man geblickt hat.
Dazu gehört auch die mehr oder minder global schnelle Verbreitung von Moden (Kleidung, Haltung, Sprache etc), sprich: Pop. Der Augenmerk lag vielleicht sogar noch deutlich stärker auf dem Visuellen als heute, wo durch die Allgegenwärtigkeit der Bilder diese immer beliebiger werden. Wobei auch die Audiotechnologien einen Schub erhielten (Elektrifizierung mit nicht nur neuer Lautstärke, sondern auch neuartigen Tönen).
Die 60er Jahre sind in Pop, Musik und vielen anderen Dingen wegen der technologischen Revolutionen zwangsläufig ein Referenzjahrzehnt. Das wird solange gelten, wie es ähnliche umwälzende Entwicklungen gibt, die imho immer mit Technologien (welcher Art auch immer) zusammenhängen.
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The only truth is music.MikkoDu siehst das so.
Viele andere sehen das offenbar anders. Du erinnerst Dich an eine Band namens Arctic Monkeys? Dir sagt der Name Lana Del Rey was?
Ohne Internet würde diese Künstler niemand kennen.
Das sind einzelne Künstler, z.T. retro-orientiert, aber keine Trends.
Was haben denn die Blogosphäre oder Pitchfork bisher an Entwicklungen angestoßen? Ich meine jetzt nicht einzelne Künstler, sondern eine „Szene“, die sich aus der virtuellen Welt hinausentwickelt hat.
Dass „Wetten dass“ kein Trendsetter ist, ist klar. Das war die Sendung auch früher nie. Nur gab es da noch den Musikladen oder die Formel Eins, die deutsche Musicbox und später MTV und VIVA, die nicht erst am Ende der Kette standen. Im TV wurden diese Formate nicht ersetzt (außer gerade eben durch „Clipster“ in der Nische einsfestival). Ich kann die intensive Wirkung und die breite Präsenz dieser früheren TV-Sendungen weder in der Blogosphäre, noch bei Pitchfork erkennen.
zuletzt geändert von alberto--
AlbertoWas haben denn die Blogosphäre oder Pitchfork bisher an Entwicklungen angestoßen? Ich meine jetzt nicht einzelne Künstler, sondern eine „Szene“, die sich aus der virtuellen Welt hinausentwickelt hat.
Dass „Wetten dass“ kein Trendsetter ist, ist klar. Das war die Sendung auch früher nie. Nur gab es da noch den Musikladen oder die Formel Eins, die deutsche Musicbox und später MTV und VIVA, die nicht erst am Ende der Kette standen. Im TV wurden diese Formate nicht ersetzt (außer gerade eben durch „Clipster“ in der Nische einsfestival). Ich kann die intensive Wirkung und die breite Präsenz dieser früheren TV-Sendungen weder in der Blogosphäre, noch bei Pitchfork erkennen.
Ich glaube einerseits reden wir ein bisschen aneinander vorbei, und andererseits hat sich halt auch die Bedeutung von Pop gewandelt.
Noch mal: nur weil Du nicht im Internet nach neuer Musik suchst oder Dich auf entsprechenden Seiten herumtreibst, heißt das noch lange nicht, dass die nicht Trends anstoßen oder sogar setzen.
Natürlich entsteht im Internet jetzt nicht irgendeine neue „Szene“. Es sei denn, man bezeichnet die Blogosphäre an sich bereits als „Szene“. Es ist aber so, dass Menschen ganz allgemein immer mehr das Internet in ihrem täglichen Leben nutzen, so wie sie früher andere Medien genutzt haben und sie ja zum Teil auch immer noch nutzen. Für neue Trends in der Popmusik (völlig unabhängig von irgendwelchen Szenen) ist deshalb das Internet enorm wichtig geworden. Vieles, was später auch in anderen Medien erfolgreich ist, taucht zuerst im Netz auf. Und der Erfolg dort führt dann erst dazu, dass andere Medien aufmerksam werden und einen neuen Namen oder auch Trend aufgreifen.
Da Seiten wie Bandcamp, Soundcloud, Pitchfork u.a. sozusagen „neutral“ sind, befördern sie natürlich nicht einzelne Szenen oder Trends von sich aus. Aber wenn auf diesen Seiten bestimmte neue Bands und Künstler erfolgreich sind (was man an der Click Rate misst z.B.), dann entstehen daraus u.U. neue Trends. Ist doch eigentlich ganz einfach, oder?--
Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Blitzkrieg BettinaIch finde das Ganze weniger interessant, denn es war ja nun nicht gestern dass aus Jamaika wichtige Impulse kamen…
Dass auch abseits der westlichen Welt immer wieder musikalische Anstöße für westliche Popmusik kommen, ist alleine schon durch Einwanderungen und dem musikalischen „Import“ außereuropäischer Stile offenkundig, siehe Banghra im UK. Aber darum ging es in dem Reynolds-Argument nicht, zumal Jamaika in den Sechzigern und Siebzigern kein „newly industrialised country“ war. Er macht das anhand dem Prozess der Industrialisierung fest, auch an den neuerlichen Obsessionen mit Raumfahrt in Indien, Brasilien und China. Dazu kommt ein sehr hoher Anteil an jungen Leuten, die für die Weiterentwicklung von Popkultur und Setzen von Trends immer entscheidend waren. Natürlich hatten und haben all diese Länder ihre einheimische Musik und die Einwohner konsumieren auch angloamerikanische Popmusik, aber durch die Zukunftsgläubigkeit – so Reynolds – sind musikalische Quantensprünge eher dort zu erwarten als im sich in der eigenen Nostalgie suhlenden Westen.
Bei seiner Argumentation gibt es allerdings einen Widerspruch. Die Faktoren, die er für „retromania“ im Westen verantwortlich macht, also die Verfügbarkeit von allem Vergangenen im Netz, sind ja in diesen Ländern zumindest bei den oberen und neuen Mittelschichten ebenfalls präsent.
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http://hyphish.wordpress.com "Every generation has its one defining moment. We are yours."grandandtDa wäre es doch ein interessanter Nebenschauplatz, nachzufragen,
wer, wie und warum und mit welchen Begründungen es […] zu den
jeweiligen Zuordnungen kommt.Ich möchte auch die Frage stellen, ob sich unsere bisherige Diskussion und
die darin vorgetragenen Argumente gleichermaßen auf beide Zweige des
Pop (in der Definition der UMG) beziehen. Ich hatte das stillschweigend
schon so empfunden.– beim deutschen Arm der Universal Music Group (Vivendi) etwa
gibt es den Zweig »Universal Music Domestic Pop« und davon abgesetzt
»Universal Music Domestic Rock«.[…]Das finde ich hochinteressant! Diese Unterscheidung „Pop“ vs „Rock“ ist
ja schon fast sowas wie eine Unterscheidung U- und E-Musik! (Und eine
öffentliche Watschn für manche Künstler, die in die Gruppe „Pop“
einsortiert werden…)Die Klassifikation von Amazon hingegen scheint mir ren äußerlicher Art zu
sein; vermutl. zu Zwecken der Statistik und/oder Werbung.--
Software ist die ultimative Bürokratie.@ tolo
Da du die musikalische Entwicklung so kritisch siehst…
Ist so vieles „Retro“, weil der Musiker es möchte, oder weil der Konsument es kauft und demnach verlangt?
Wenn du Musikerin wärst, was würdest du denn anders spielen? Hättest du Ideen, Musik auf die Beine zu stellen, die keinen großen Bezug zur Vergangenheit hätte?
Die Musik ist in gewisser Weise ausgeschöpft. Zumindest die Arten, wie man Musik spielen kann. Demnach bleibt vielen Musikern nichts anderes übrig, als älteres mit aktuellen Gegebenheiten zu vermischen. Zudem hat Musik heute wohl eine andere Aussage- und Einflusskraft, weswegen Musik nicht so vieles erreichen und verändern und bilden kann wie in den Jahrzehnten zuvor.
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tolomoquinkolomDieser Augustinus scheint entweder clever oder klug oder beides gewesen zu sein.
Pop wie Hecken es sieht, hat sieben wesentliche Merkmale: Oberflächlichkeit, Funktionalismus, Konsumismus, Äußerlichkeit, Immanenz, Künstlichkeit und Stilverbund. Verkehrt scheint mir das nicht zu sein.
1. Oberflächlichkeit meint dabei lediglich, dass Pop aus dekorativ gestalteten Oberflächen besteht, ungeachtet der technischen Funktion des Gegenstands. Poppig – das heißt in diesem Zusammenhang: Die Oberflächen des Pop sind vorzugsweise geschlossen; selten verlaufen oder vermischen sich die Farben und Muster.
2. Funktional ist Pop in anderer Hinsicht ausgerichtet: das Ziel ist, für Belebung zu sorgen, angenehm zu erregen, den Körper in Bewegung zu setzen, Attraktivität zu erhöhen und eine nette, heitere Stimmung oder eine coole Haltung zu bewirken.
3. Pop ist mit Konsum innig verbunden. Sich unterhalten zu lassen ist mindestens genauso viel wert wie das aktive Leben. Konsumieren ist zudem ein Pop-Kennzeichen, weil es im Gegensatz dazu steht, sich rauschhaft verzehren zu lassen. Die Ekstase zählt allenfalls vorübergehend einmal zur Pop-Welt – als Samstagnachtphänomen.
4. Pop hält sich strikt an das äußerlich, sinnlich Gegebene.
5. Anders pointiert, bedeutet das: Pop kann mit der Werbung oder den großen Bühnenshows, die sich aus dem historischen literarischen, mythologischen Fundus bedienen, etwas anfangen, weil es manchmal deren Gestaltung schätzt, nicht deren Bestreben, etwas über das Hör- und Sichtbare Hinausgehendes zu behaupten.
6. Pop kann mit dem Natürlichen nichts anfangen, außer es zu elektrifizieren, im Studio bewusst aufzusplitten, digital zu modellieren etc.
7. Ein Pop-Gegenstand kommt niemals allein. Der Musikstil z.B. ist mit einer Frisur, einer Hose, einem Auto, einer Attitüde auf eine Weise verbunden, die einen zwingenden Zusammenhang herstellen soll.
[Thomas Hecken | aus: Pop-Konzepte der Gegenwart / Pop – Kultur & Kritik (Heft 1)]
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Pop: Aktuelle Definitionen und Sprachgebrauch
.Warum nur habe ich das Gefühl, dass Hecken gerne Prog und Burschen im Hozfäller-Hemd hört?
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.tolomoquinkolom
Pop wie Hecken es sieht, […]
Verkehrt scheint mir das nicht zu sein.
>>
Pop: Aktuelle Definitionen und SprachgebrauchAus demselben Haus und vom selben Autor:
“Avant-Pop als bedeutende zeitgenössische kulturelle Richtung“Der letzte Absatz hat mich beim Lesen einigermaßen überrascht, denn
übergang- und begründungslos (trotz des Wörtchens „deshalb“) kommt
Hecken zum Schluss:Deshalb bleibt es im Moment und auf absehbar längere Zeit bei der
kontinuierlichen, routinierten kulturellen Weiterführung des Avant-Pop.
Die Wende ist vollzogen, die Richtung etabliert, Abweichungen vom Kurs
sind nicht zu erwarten.(M)ein Versuch zu verstehen:
Die Popkultur reibt sich nicht mehr an gesellschaftlichen Schranken
(weil diese bereits überwunden sind). Sie braucht nicht mehr um
Anerkennung zu kämpfen (weil diese bereits erfolgt ist). Sie ist nicht
mehr nur dem „hier & jetzt“ verpflichtet (sondern wird archiviert und
analysiert). Und daraus folgt zwangsläufig – und zwar so zwangsläufig,
dass Hecken es gar nicht näher begründet – dass diese Kultur in
„Routine“ verfällt und keine „Abweichungen vom Kurs“ mehr zu erwarten
sind.Kann es sein, dass auch das nicht so verkehrt ist? Auch wenn’s traurig
wäre…--
Software ist die ultimative Bürokratie.tolomoquinkolom
Pop wie Hecken es sieht, hat sieben wesentliche Merkmale: Oberflächlichkeit, Funktionalismus, Konsumismus, Äußerlichkeit, Immanenz, Künstlichkeit und Stilverbund. Verkehrt scheint mir das nicht zu sein.Mir schon, zumal mit seinen Erläuterungen. „Funktional ist Pop in anderer Hinsicht ausgerichtet: das Ziel ist, für Belebung zu sorgen, angenehm zu erregen, den Körper in Bewegung zu setzen, Attraktivität zu erhöhen und eine nette, heitere Stimmung oder eine coole Haltung zu bewirken.“ Wovon redet der Mann da? Wenn das die „Funktion“ von Pop wäre, müssten wir uns hier nicht darüber unterhalten, ob es eine Krise des Pop gibt und ob wir diese Krise bedauern müssten. Nein, seine Definitionen teile ich überhaupt nicht. Und Augustinus runzelt auch die Stirn!
tolomoquinkolomUnd es gibt einen weiteren Unterschied: in den Sechzigern haben sich Veröffentlichungen die Aufmerksamkeit bzw. ihren Impact nicht mit einem Clip-Overkill auf diversen medialen Plattformen teilen müssen und ‘Augenmerk’ lag da auch noch auf gehörter Musik und nicht hauptsächlich auf gesehener Clip-Ästhetik, global chicness und visuell unterstützten Verkaufsstrategien.
Wie kommst Du darauf? Auch und gerade in den 60s war die visuelle Ebene von Pop ungeheuer wichtig und definierte die „global chicness“. Und natürlich „verkaufte“ man Künstler auch damals über Bilder – TV-Shows, Kinofilme, Scopitones, Zeitschriften, Poster, Autogrammkarten, Platten-Cover/Sleeves usw. usw.
Wo machst du im Zusammenhang mit dieser Vitalität der Musikszene die Vorwärtsentwicklung von Popkultur/Popmusik aus? Würdest du das Adele-Album 21, das 2011 weltweit zum meistgekauften Album wurde, für eine Innovation halten? Worin bestünde diese? Womit ließe sich der immense Erfolg bei Käufermassen (auch jenseits von ‘normalen’ Popmusik-Konsumenten) einer derart rückwärtsbezogenen Musik begründen und eine Verbindung zu einem inhaltlichen Gegenwartsbezug knüpfen (von Songtexten ganz zu schweigen)?
Ach, über Adele mag ich keine Worte mehr verlieren. Es gab und gibt genügend Alternativen, auch erfolgreiche.
Du hast es ja an anderer Stelle selbst schon mal geschrieben: Auftritte von Popkünstlern haben längst nicht mehr ausschließlich nur einen musikalischen Charakter. Das Vermischen von Künstlern und Rezipienten scheint mir daher legitim.
Kann mich nicht erinnern, in welchem Zusammenhang ich das geschrieben haben könnte. Natürlich ist Pop wie jede Kunst ohne Rezipienten nicht denkbar, die Rezipienten haben eine aktive Rolle. Pop funktioniert nicht „top down“.
Ich sehe momentan eigentlich gar keinen Schrecken an retro – höchstens eine merkwürdige Entwicklung, die offensichtlich munter voranschreitet (Kitty, Daisy & Lewis, Waterhouse, Adele, Lamar, Bugg), aber nur wenige wirklich Interesse an der Thematik zeigen (am wenigsten Konsumenten, am meisten Kulturhistoriker und Poptheoretiker).
Was hat Kendrick Lamar in der Reihe zu suchen? KD&L und noch stärker Waterhouse sind Spezialistenthemen. Ich sehe nicht, welche Aussage sie über Pop allgemein machen, genausowenig wie Adele und Jake Bugg.
Aber jetzt mal eine Frage an Dich: Wie sieht eigentlich Deine Vorstellung von musikalischer Innovation aus? Ernstgemeint. Ich bringe Deine musikalischen Favoriten nicht gerade mit Avantgarde in Verbindung. Ist kein Vorwurf, mir ist nur nicht klar, was konkret Du eigentlich vermisst.
AlbertoWas haben denn die Blogosphäre oder Pitchfork bisher an Entwicklungen angestoßen? Ich meine jetzt nicht einzelne Künstler, sondern eine „Szene“, die sich aus der virtuellen Welt hinausentwickelt hat.
Gegenfrage: Welche Entwicklungen siehst Du in der Pop-Musik in den letzten Jahren und wie wurden diese kommuniziert, wenn nicht durch das Internet?
Die von Mikko genannten Namen sind nur zwei von inzwischen beliebig vielen. Bei den Arctic Monkeys war es vielleicht noch eine Nachricht, dass sie ein „Internet-Phänomen“ sind, aber sieben Jahre später ist es eine schlichte Selbstverständlichkeit.
„Das Internet“ macht keine Trends, sondern das Internet ist heutzutage der Kommunikationsraum, in dem sich diejenigen, die sich für aktuellen Pop interessieren, vernetzen und austauschen. Daran führt überhaupt kein Weg mehr vorbei. Du wirst keinem Künstler mehr begegnen, der ein Debüt vorlegt, jedenfalls keines, das Beachtung findet, ohne dass er zuvor schon ein Thema im „Social Web“ und in der „Blogosphäre“ gewesen wäre. Wenn doch, wäre das eine Nachricht wert!
Über Trends zu sprechen, ist heute schwieriger als früher, die Szenen und Genres verschwimmen. Von Musikjournalisten geprägte Begriffe wie „Hypnagogic Pop“ können sich nicht mehr im allgemeinen Sprachgebrauch der Pop-Hörer durchsetzen. Im Zweifelsfall ist für die Rezipienten alles irgendwie „Indie“.
Ich kann die intensive Wirkung und die breite Präsenz dieser früheren TV-Sendungen weder in der Blogosphäre, noch bei Pitchfork erkennen.
Dazu müsste man wissen, welche aktuelle Musik Du überhaupt hörst und wie Du auf diese gestoßen bist. Nenn doch mal ein paar Namen. (Pitchfork ist einflussreich, ich würde es aber nun auch nicht so hervorheben, es ist halt eines von diversen Online-Musikmagazinen.)
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Pop-Schaum und iPod, Gegenwartsflüchter und andere Philosophen.
Es gibt Menschen, die sich komplett aus ihrer eigenen Zeit verabschiedet haben. Sie gehen in Bars, die aussehen wie die Kantine eines Filmraumschiffes der späten sechziger Jahre, haben eine mit orangefarbenen Leuchten vollgestopfte Wohnung, hören Bossa Nova und sehen insgesamt aus, als hätte man einen Pariser Geschäftsmann der sechziger auf einen drogensüchtigen Cowboy der siebziger Jahre geschraubt. Selten gab es eine Zeit, die so wenig mit sich selbst zu tun haben wollte: Erfolg haben vor allem Produkte, die sichtbar untergegangene Formen wiederbeleben. Genau genommen gibt es zwei Bewegungen: eine, die sich in den Weltraummodernismus der sechziger Jahre flüchtet, und eine, die sich eine nicht politisch, sondern rein ästhetisch verstandene neue Bürgerlichkeit wilhelminischer Art mit Klavierabend, Krawattenpflicht und Sandsteinfassaden zurückwünscht. Andererseits gibt es zurzeit viel mehr interessante Dinge, Haltungen und Formen, als man denkt. Man sieht sie nur schlecht, was am vielen Retro liegt, das den Blick so ermüdet, das man am Ende gar nicht mehr genau hinschauen mag.
Die Retrokultur ist erstmal ein Generationenproblem. Wer 2001 dreißig war, erkennt in seinem Geburtsjahr 1971 eine heile Welt ohne Arbeitslosigkeit, Aids und al-Qaida, in die er gern zurückkehrte; wer 1971 dreißig war, ist 1941 geboren und hat wenig Grund, sich in die Zustände des Jahres seiner Geburt zurückzuwünschen. Bei Retro handelt es sich dabei nicht bloß um ästhetische, sondern auch um ideologische Rückwärtsrollen; mit der Retroküche schleichen auch alte Rollenbilder ins Haus. Im Kokon aufgewärmter Kindheitsformen, berieselt von öden Liedern über das Jahr 1973 und dubiosen Biologismen, verabschiedet sich der Mensch der Nullerjahre aus dem Jetzt und seinen Chancen, verpasst sein Leben hier, aber das macht ihm nichts; das seiner Vorfahren gefällt ihm deutlich besser. Natürlich war Retrokultur wichtig – als Wiedervorlage von Ideen, die es lohnte, weiterzudenken. Was man heute Barock nennt, hatte ein knappes Jahrhundert Zeit, sich weiterzuentwickeln und auszudifferenzieren; die Moderne von Buckminster Fuller oder Verner Panton hatte nur wenige Jahre. Retro war auch ein Versuch, die Opfer immer kürzerer Epochenzyklen zu bergen – aber mittlerweile wurden die alten Teebeutelchen ein bisschen zu oft aufgegossen.
Wer auf aktuelle Möbelmessen geht, tritt in eine Welt, die aussieht wie die des Jahres 2001, das schon wie der Film 2001 – A SPACE ODYSSEY von 1967 aussehen wollte. Leider sehen all diese Dinge aus wie zu oft aufgewärmtes Essen: aufgedunsen, trocken, zusammengesackt. Gibt es überhaupt noch Dinge, die nicht retro sind? Und was wären Formen, die spürbar aus der Gegenwart stammen? Wenn es Filme gab, in die man einziehen mochte und die das Fühlen einer Generation prägten, lag das vor allem an der aus Musik, Blicken, Bauten und Dingen zusammengesetzten Stimmung, die in ihnen kristallisierte: das Paris von 1959 war nicht mehr dasselbe nach den Jeans, der Sonnenbrille, den Zigaretten und der Kurzhaarfrisur, die Jean Seberg in A BOUT DE SOUFFLE trägt. Aber: Wo findet man, wenn man es denn vermisst, das Gefühl von Gegenwärtigkeit heute? Vielleicht im Moment mehr in der Architektur. Vor allem hier wird grundlegend neu sortiert, was öffentlich und was privat ist, und das ästhetische Experiment ist auch ein politischer Akt: Außen und innen, Wohnen und Draußen-Sein verhalten sich in diesen Experimentalwelten ganz anders als noch vor kurzem – und fühlen sich dank neuer Materialien auch anders an.
Wenn es darum geht, welche Materialien die Gegenwart beschäftigen, dann ist es interessant, dass Philosophen und Ingenieure in den letzten Jahren unabhängig voneinander am gleichen Material arbeiteten, nämlich an Schaum. Zum Beispiel Peter Sloterdijks ‘Schäume’ – so der Untertitel eines Bandes seiner Sphärentrilogie: Die Gesellschaft sei wie Schaum organisiert, die Menschen ko-isolierte Existenzen, einzelne zelluläre, fragile Weltblasen, die sich über unterschiedliche Medien – Architektur, Fernsehen, Internet, Konsum – berühren, manchmal auch platzen und strukturell zu Schaum verdichten. Konkretere Schaumdeutung betreibt der Ingenieur Werner Sobek und fragt: Könnte es sein, dass man in großporigen Schäumen wohnen kann? Man muss den Schaum nur verfestigen, dann hätte man eine Behausung, ein Habitat aus der Dose. Und Ryue Nishizawas Moriyama-Haus zerlegt in Tokio einen Bau in zehn Kuben. Jeder beherbergt einen Raum, die Flure dazwischen sind öffentliche Wege. Die Mitglieder der hier lebenden kleinen Gemeinschaft benutzen die öffentlicheren Räume gemeinsam und haben gleichzeitig Rückzugskuben, die Privatsphäre garantieren. Das Haus ist nicht nur ein mikrosoziales Experiment, sondern auch die Entsprechung des iPods in der Architektur: die klaren weißen Kuben zeigen, wie auf engstem Raum alles Nötige untergebracht werden kann.
[Niklas Maak | aus: Retro-Manie. Endlich Gegenwart]
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