Ich höre gerade … Jazz!

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    friedrich

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    gypsy tail windIch finde die Scheibe auch nicht vollumfänglich gelungen, eins der schwächeren Riverside-Alben Monks jedenfalls (wirklich schwache gibt es für mein Empfinden nicht, zu den schwächeren reihe ich fürderhin die beiden ersten und beiden letzten sowie die Aufnahmen aus San Francisco mit Gordon/Land ein, aber letztere kenne ich zugegeben noch nicht gut).

    Aber ob es nur an Monk lag, schwer zu sagen … Monk ist gewiss keiner, mit dem man einfach mal ne Jam Session abhält (das merkte Miles ja schon ein paar Jahre früher) – auch Blakeys lockere Truppe gewinnt auf dem Album mit Monk sofort an Konturen und an einer gewissen Schärfe, die sie sich sonst nur ab und zu überziehen mochte (wenigstens in der Phase, später mit Morgan/Shorter und Hubbard/Fuller/Shorter liefen ja wieder andere Dinge). Aber Mulligan selbst ist auch nicht der grösste Kommunikator, oder? Zwei machen ihr Ding, und was mit Hodges und Webster erstaunlich gut funktionierte (mit Desmond wäre alles andere eine Überraschung gewesen, mit Getz funktioniert es für meine Ohren auch wieder nicht ganz so rund), das will mit Monk halt nicht so recht klappen. Wenn es einen schuldigen geben muss, würde ich mal am ehesten auf denjenigen zeigen, der die Idee hatte oder sie nicht stoppte (wobei sooo schlecht ist das Ergebnis ja dann auch wieder nicht).

    Schwer zu sagen. Alles Spekulation. Ich würde auch nicht nach einem Schuldigen suchen. Diese Projekte, zwei ganz unterschiedliche Musiker zusammenzubringen, sind Experimente mit offenem Ausgang. Eigentlich ist das doch was sehr Jazz-mäßiges.

    Produzent Orrin Keepnews hat wohl verschiedenes versucht um Monk aus seiner introvertierten Komfortzone herauszuholen und ihn mit anderen Musikern in Kontakt zu bringen. Gut gemeint und einen Versuch wert, jedoch mit unterschiedlichem Erfolg. Aber dann wiederum gab es auch Glück im Unglück: Meines Wissens ist Thelonious Alone In San Francisco so zustande gekommen, dass Keepnews Monk mit West Coast Cool-Drummer Shelly Manne zusammenbringen wollte, die beiden aber nicht miteinader konnten. Notgedrungen hat Keepnews dann Monk solo aufgenommen.

    Ich habe übrigens keineswegs gesagt, dass MMM sooo schlecht ist. Im Gegenteil, sie hat ihre Reize. Aber sie wirkt doch hier und dort etwas holprig. Die Erwartungen sind mit diesen beiden Namen allerdings auch sehr hoch.

    --

    “There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)
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    #8488965  | PERMALINK

    john-the-relevator

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    Habe das alles sehr intensiv und interessiert durchgelesen. Mir stellt sich da immer wieder die Frage: Wie höre ich die Musik, was entwickelt sich da bei mir ? Da ich, im Gegensatz zu manch anderen, doch noch sehr unerfahren oder unwissender bin – wobei was ist das „unwissend“? – gehe ich doch sehr emotional an die Musik heran. Bei „Mulligan meets Monk“ ist es das Zusammenspiel von baritone sax und dem Pianospiel von Monk was die Reize und und die Intensität des Hörens bei mir ausmacht. Ob das konstruiert oder nicht genau passt – höre ich vllt. nicht – da bin ich vllt. zu „hörunerfahren“! Ich finde sie toll – gerade weil es nicht 100% passt, gerade weil da vllt. Welten aufeinanderprallen.
    Hören hat immer was, jedenfalls bei mir, mit einer sehr emotionalen Empfindung zu tun, die dann entscheidend für die Bewertung einer Platte, einer Aufnahme, ist. Ich erkenne und erfahre beim Durchlesen oft, das ein massives Loch an Hintergrundinformation bei mir vorhanden ist, was zu stopfen, durch Lesen und Hören ein Leichtes ist, aber das die Herangensweise an die Beurteilung einer Aufnahme bei mir letztendlich doch sehr einfach ist: Berührt sie mich oder nicht? Mulligan meets Monk berührt mich, besonders „Round Midnight“! Vielleicht auch deswegen, weil sie eben nicht „perfekt“ oder „passend“ ist.
    Wie beurteile ich eine Aufnahme, ein Album, ein Künstler? Welche Parameter der Beurteilung nehme ich um dann zu urteilen zu bewerten – das fällt mir schon schwer! Ist Freddie Hubbard oder Lee Morgan der bessere Trompeter. Welches Pianospiel finde ich besser oder ist intensiver oder berührt mich am meisten? Wer spielt mit wem am Besten zusammen – das kann ich oft nicht erkennen – da fehlt wohl noch die Zeit des Hörens und die Erfahrung. Ist aber letztendlich beim Erfahren des Albums nicht so elementar , da ich mich ja meistens auf die emotionale Ebene wiederfinde. (Ich habe bewusst das Wort „wiederfinde“ und nicht „reduziere“ benutzt)

    Deswegen jetzt noch mal:

    Höre unter dem Eindruck von eurer Beurteilung das Album noch mal intensiv! Es wird mir ein Vergnügen sein!

    --

    Music is like a river, It's supposed to flow and wash away the dust of everyday life. - Art Blakey
    #8488967  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Gestern Nacht hier noch:

    Sehr, sehr schön! Kammerjazz könnte man wohl sagen, Klarinetten, Cello, Bass, etwas Elektronik (vonseiten Brinkmanns) und sonstige Klangerzeugungsdinger (Puntin spielt neben Klarinette und Bassklarinette noch Glockenspiel, „toys“ und Hohner Organa 30). Es gibt neben dem Opener („Amarcord“) auch Musik aus „The Godfather“, „Casanova“, „La dolce vita“, „La strada“ etc., und auch zwei aus Rotas „7 pezzi per bambini“.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #8488969  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

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    John The RelevatorHabe das alles sehr intensiv und interessiert durchgelesen. Mir stellt sich da immer wieder die Frage: Wie höre ich die Musik, was entwickelt sich da bei mir ? Da ich, im Gegensatz zu manch anderen, doch noch sehr unerfahren oder unwissender bin – wobei was ist das „unwissend“? – gehe ich doch sehr emotional an die Musik heran. Bei „Mulligan meets Monk“ ist es das Zusammenspiel von baritone sax und dem Pianospiel von Monk was die Reize und und die Intensität des Hörens bei mir ausmacht. Ob das konstruiert oder nicht genau passt – höre ich vllt. nicht – da bin ich vllt. zu „hörunerfahren“! Ich finde sie toll – gerade weil es nicht 100% passt, gerade weil da vllt. Welten aufeinanderprallen.
    Hören hat immer was, jedenfalls bei mir, mit einer sehr emotionalen Empfindung zu tun, die dann entscheidend für die Bewertung einer Platte, einer Aufnahme, ist. Ich erkenne und erfahre beim Durchlesen oft, das ein massives Loch an Hintergrundinformation bei mir vorhanden ist, was zu stopfen, durch Lesen und Hören ein Leichtes ist, aber das die Herangensweise an die Beurteilung einer Aufnahme bei mir letztendlich doch sehr einfach ist: Berührt sie mich oder nicht? Mulligan meets Monk berührt mich, besonders „Round Midnight“! Vielleicht auch deswegen, weil sie eben nicht „perfekt“ oder „passend“ ist.
    Wie beurteile ich eine Aufnahme, ein Album, ein Künstler? Welche Parameter der Beurteilung nehme ich um dann zu urteilen zu bewerten – das fällt mir schon schwer! Ist Freddie Hubbard oder Lee Morgan der bessere Trompeter. Welches Pianospiel finde ich besser oder ist intensiver oder berührt mich am meisten? Wer spielt mit wem am Besten zusammen – das kann ich oft nicht erkennen – da fehlt wohl noch die Zeit des Hörens und die Erfahrung. Ist aber letztendlich beim Erfahren des Albums nicht so elementar , da ich mich ja meistens auf die emotionale Ebene wiederfinde. (Ich habe bewusst das Wort „wiederfinde“ und nicht „reduziere“ benutzt)

    Deswegen jetzt noch mal:

    Höre unter dem Eindruck von eurer Beurteilung das Album noch mal intensiv! Es wird mir ein Vergnügen sein!

    Hörerfahrungen sind jene die man selbst macht, also vertraue einfach ruhig Deinen Ohren und Deinem Herzen ….. die Beiträge zu „Mulligan Meets Monk“ habe ich mit Interesse gelesen – diese basieren genau auf den vorgenanten persönlichen Eindrücken des/der Verfasser(s) ….. ich persönlich mag dieses Album ganz gerne, die zwischen den Hauptprotagonisten (von manchen) empfundene Distanz ist für mich einfach das Spiel im eigenen Stil – das kann dann im Gesamtkontext durchaus monolithisch wirken (ein Klassiker hiezu IMO ist „Hawkins meets Rollins“ ….) – was mich zuerst befremdet hat war das Fehlen des akustischen Fundaments, was umso bizarrer ist als der Bassist Wilbur Ware ist ….hier sind aber die Transfer dafür verantwortlich, auf japanischem Vinyl war dies schon viel besser wahrnehmehmbar und auf einer 45er Reissue (Analog Productions glaub ich war das) war dies nochmals stark verbessert – klar, Wilbur Ware und Shadow Wilson sind hier klassiche „time keeper“ aber deren akustische „Anwesenheit“ verändert die Aufnahme für mich ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #8488971  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

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    John The RelevatorHabe das alles sehr intensiv und interessiert durchgelesen. Mir stellt sich da immer wieder die Frage: Wie höre ich die Musik, was entwickelt sich da bei mir ? Da ich, im Gegensatz zu manch anderen, doch noch sehr unerfahren oder unwissender bin – wobei was ist das „unwissend“? – gehe ich doch sehr emotional an die Musik heran. Bei „Mulligan meets Monk“ ist es das Zusammenspiel von baritone sax und dem Pianospiel von Monk was die Reize und und die Intensität des Hörens bei mir ausmacht. Ob das konstruiert oder nicht genau passt – höre ich vllt. nicht – da bin ich vllt. zu „hörunerfahren“! Ich finde sie toll – gerade weil es nicht 100% passt, gerade weil da vllt. Welten aufeinanderprallen.

    (…)

    Deswegen jetzt noch mal:

    Höre unter dem Eindruck von eurer Beurteilung das Album noch mal intensiv! Es wird mir ein Vergnügen sein!

    Ach, ich bin auch ein Unwissender und ich höre auch emotional. Was anderes kann ich ja gar nicht. ;-)

    Du hast vielleicht auch gelesen wie unterschiedlich vorgarten und ich z.B. Steve Coleman hören. Für ihn groovt das, für mich klingt das so steif wie ein Besenstil. Die Paarung Monk und Mulligan ist auf jeden Fall reizvoll, zumal ich beide einzeln sehr mag, Monk als amtlicher Kauz auf seinem Instrument und Mulligan als einer der sehr wenigen Bariton-Saxofonisten – eigentlich der einzige – von seinem Format. Wie man das Ergebnis beurteilt, ist ein andere Frage, die jeder selbst beantworten darf. Wenn Dir MMM gut gefällt, ist das toll und Du solltest Dich daran erfreuen!

    Was gypsy und ich hier tun, ist Klagen auf sehr hohem Niveau. Wenn Dich Mulligan Meets … auch in anderer Kombi interessiert, sei Dir allerwärmsten das hier ans Herz bzw. ans Ohr gelegt.

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    #8488973  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    soulpopeHörerfahrungen sind jene die man selbst macht, also vertraue einfach ruhig Deinen Ohren und Deinem Herzen …..

    Auf jeden Fall! Mit den Jahren wird man dann mancherorts Veränderungen des Urteils wahrnehmen, während anderes sich verfestigt, bestätigt.

    Und ich mag „Mulligan Meets Monk“ auch „ganz gerne“, aber mehr dann eben doch nicht – und die Aufnahmen Monks, die ich mehr als „ganz gerne“ mag, sind halt doch zahlreich: die kompletten Blue Note-Sessions, manches von den Prestige-Aufnahmen (die Session mit Julius Watkins ist – wegen demselben und ich glaub auch wegen des Drummers, lange nicht gehört – grossteils verunglückt, nur das Titelstück „Friday the Thirteenth“ ist sowas wie ein Klassiker), von den Riverside-Aufnahmen wie schon erwähnt „Brilliant Corners“, „Monk’s Music“, „Monk with Coltrane“, „At Town Hall“, „Thelonious in Action“, „Misterioso“, „Thelonious Alone in San Francisco“, „5 by Monk by 5“, dazu das famose Carnegie Hall-Konzert und der Five Spot-Mitschnitt mit Coltrane, das Solo-Album auf Vogue … und das ist ja noch längst nicht alles, die Aufnahmen mit Frankie Dunlop (allen voran „Monk’s Dream“, aber auch „Criss Cross“ und der Mitschnitt aus Tokyo), „Big Band and Quartet in Concert“, die erweiterte Band von 1967, die famose Doppel-CD mit allen Columbia-Aufnahmen („Monk Alone“ … das Album „Solo Monk“ allein packte mich nie recht, aber ich kannte es kaum) … und „Mulligan Meets Monk“ gehört eben mit den anderen gestern schon genannten Riverside-Alben und ein paar weitere Dingen eher in die „mag ich ganz gerne“-Schublade.

    Das mit dem Zusammentreffen und dem „eigenen Stil“ ist halt auch so eine Sache, wenn ich den advocatus diaboli spielen darf, unterstellst Du oben mir (und anderen), dass wir verlangen würden, dass die Musiker bei solchen Zusammentreffen auf ihren „eigenen Stil“ verzichten, Kompromisse eingehen sollten – natürlich nicht! Aber passen muss es halt doch … Lennie Tristano und Elvin Jones hätte z.B. nicht gepasst, ganz so wie Philly Joe und Warne Marsh (auf dem halben Atlantic-Album Marshs) effektiv nicht wirklich passte – da sind Welten zusammengeprallt, derer Berührungspunkte wenige sind, und wo ein „Wunder“ nicht eintraf. Wohingegen Tristano mit Charlie Parker selbstverständlich perfekt passte, denn Tristano war ja eigentlich auch bloss ein Bebopper, irgendwie … Lester Young und Miles Davis, würde man erwarten, sollte magische Folgen haben, tut es auf den wenigen Radio-Mitschnitten von 1956 aber überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, Routine, mehr nicht (dennoch interessant, da die beiden doch so viel verbindet). Aber Monk und Milt Jackson z.B. war eine „marriage made in heaven“, wenn man sich an die gemeinsame Blue Note-Session halten darf. Der sperrige und der flüssige, der Ganztonmann und der Blueser … hätte auch nicht unbedingt funktionieren müssen. Es bleibt zu konstatieren, dass es ja immer wieder Zusammentreffen gibt, an die man höchste Erwartungen hat, die dann aber überhaupt nicht erfüllt werden können („Money Jungle“ wäre ja, um es mal wieder zu erwähnen, auch beinah gescheitert, nur – im engen Sinne – aussermusikalische Gründe führten dazu, dass wir das Album haben).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #8488975  | PERMALINK

    soulpope
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    gypsy tail wind
    Das mit dem Zusammentreffen und dem „eigenen Stil“ ist halt auch so eine Sache, wenn ich den advocatus diaboli spielen darf, unterstellst Du oben mir (und anderen), dass wir verlangen würden, dass die Musiker bei solchen Zusammentreffen auf ihren „eigenen Stil“ verzichten, Kompromisse eingehen sollten – natürlich nicht! Aber passen muss es halt doch …

    Naja wenn ich das unterstellen wollte, würde ich es unmissverständlicher formulieren ;-)

    Das war also nicht gemeint, vielmehr habe ich vermitteln wollen, daß hier „Monk spielt Monk“ und „Mulligan spielt Mulligan“ vorliegt (was bei manchen Transfers fast als Duoplatte rüberkommt) und dies für mich trotzdem einen gewissen Reiz hat ….. daß dies nicht die epochale Monk Scheibe ist müssen wir gar nicht erst diskutieren …..

    Hängengeblieben bin ich bei Deiner Formulierung “ …. dass wir verlangen würden, dass die Musiker ….“ und das ist ja etwas, was für mich ein ewiger innerer Widerstreit ist – nämlich einerseits quasi neue musikalische Erfahrungen erhören zu wollen und andrerseits die eigene oft fixe Erwartungshaltung (aka „verlangen“), daß ein Musiker nach meinem bei ihm angesetzten Maßstäben funktioniert …

    Schlussendlich spricht es schon für die Qualität der Monk-Mulligan Scheibe, wenn sie noch immer solche interessanten Diskussionen auslösen kann …

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    #8488977  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Es liegt ja auch in der Natur der Sache, dass solche Scheiben, solche Zusammentreffen, eher mal eine Diskussion auslösen … interessant ist ja z.B. auch, dass Getz/Baker nicht recht ging … weder das Studio-Album (mit interessanter Rhythmusgruppe aus Chicago) noch der Live-Mitschnitt, bei dem Getz für Mulligan einspringt (was als „Baker/Getz“ daherkommt ist also eigentlich das Mulligan Quartett mit Baker und einem Ersatzmann für den abwesenden Leader) zeitigen wirklich erfolgreiche Resultate. Beide gehören sie aber auch zu den „mag ich ganz gerne“-Alben hier.

    Und sagen wir, Du hast Dich potentiell missverständlich ausgedrückt ;-)

    Der Punkt mit dem „verlangen“ ist in der Tat interessant – wir können ja irgendwie gar nicht anders, wenn man das ganze als kommerzielles Unterfangen anschauen – das es ja immer auch ist, mal mehr, mal weniger, aber eigentlich niemals gar nicht – dann dürfen wir ja auch etwas erwarten, schliesslich sind wir „Kunden“, invesiteren Geld und Zeit – und wollen dafür etwas bekommen. Andererseits empfinde ich es zugleich stets als Zumutung meinerseits, wenn ich mich bei solchen Gedanken ertappe – denn was geht es mich an, was ein Künstler macht? Ich kann zuhören oder nicht, ich kann auch aus dem Konzert rauslatschen (noch fast nie, aber schon getan) wenn es mir nicht passt (Geld zurück ist allerdings nicht drin, einmal habe ich einem Jazzclub hier – recht ausführlich und natürlich höflich, enttäuscht nicht erzürnt – geschrieben und nicht mal eine Antwort gekriegt, war richtig übel). So gesehen nimmt man ja auch Einfluss, man „sanktioniert“ gewissermassen – was man kauft, wes Konzerte man besucht etc. Aber da, wo es wirklich interessant ist, versuche ich, so offen als möglich hinzugehen und hinzuhören – und mich einfach mal einzulassen, egal wohin es geht. Dennoch kann man seine Erwartungen natürlich nie ganz ausblenden (was hier im Forum einige nicht zu begreifen imstande sind, aber das betrifft die Jazz-Ecke ja zum Glück nicht). Anderswo, wenn ich z.B. „survivors“ hören gehe – Benny Bailey, Curtis Fuller, Benny Golson, solche Leute – dann erwarte ich eigentlich nicht viel bzw. bin’s zufrieden, die Leute einfach mal noch erleben zu können und erwarte von denen nichts sonderlich Anregendes sondern halt ja: gute Unterhaltung. Dann gibt es Grenzfälle – Lee Konitz etwa, der zweimal, dreimal lieferte, aber inzwischen wohl nicht mehr wirklich kann … aber auch welche, bei denen alles noch viel besser ist, als man sich in den kühnsten Träumen auszumalen gewagt hätte (in meinem Fall waren das z.B. Sheila Jordan oder Randy Weston – und eben auch Konitz, aber das ist jetzt schon länger her, am besten war er 1996 oder so, bei der Tour mit Steve Swallow und Paul Motian … und wen ich live auch grosse Klasse fand, vor 15 Jahren oder so, einmal gesehen: Joe Lovano – da hatte ich gemischte Erwartungen, dachte eher an „solide“, aber was er an dem Abend ablieferte, war so viel mehr als das).

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    #8488979  | PERMALINK

    friedrich

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    gypsy tail wind(…) und die Aufnahmen Monks, die ich mehr als „ganz gerne“ mag, sind halt doch zahlreich: die kompletten Blue Note-Sessions, manches von den Prestige-Aufnahmen (…), von den Riverside-Aufnahmen wie schon erwähnt „Brilliant Corners“, „Monk’s Music“, „Monk with Coltrane“, „At Town Hall“, „Thelonious in Action“, „Misterioso“, „Thelonious Alone in San Francisco“, „5 by Monk by 5“, dazu das famose Carnegie Hall-Konzert und der Five Spot-Mitschnitt mit Coltrane, das Solo-Album auf Vogue … und das ist ja noch längst nicht alles, die Aufnahmen mit Frankie Dunlop (allen voran „Monk’s Dream“, aber auch „Criss Cross“ und der Mitschnitt aus Tokyo), „Big Band and Quartet in Concert“, die erweiterte Band von 1967, die famose Doppel-CD mit allen Columbia-Aufnahmen („Monk Alone“ … das Album „Solo Monk“ allein packte mich nie recht, aber ich kannte es kaum)

    Ich würde es auf noch ein paar Alben weniger eindampfen, aber im Grunde sehen wir das sehr ähnlich.

    Es bleibt zu konstatieren, dass es ja immer wieder Zusammentreffen gibt, an die man höchste Erwartungen hat, die dann aber überhaupt nicht erfüllt werden können („Money Jungle“ wäre ja, um es mal wieder zu erwähnen, auch beinah gescheitert, nur – im engen Sinne – aussermusikalische Gründe führten dazu, dass wir das Album haben).

    In diesem Sinne:

    Duke Ellington · Charlie Mingus · Max Roach – Money Jungle (1962)

    Ein Gott, ein Titan und zumindest ein Held von mythologischem Format treffen aufeinander. Erwartungsgemäß sprühen da die Funken. Da werden die Ellenbogen eingesetzt, Gift und Galle gespuckt, Kratzen, Beißen, Haareziehen – aber dann auch wieder Momente, wo die drei ein Herz und eine Seele zu sein scheinen. Und das musikalische Ergebnis ist fantastisch und paradoxerweise viel mehr und etwas völlig anderes als die Summe seiner Einzelteile.

    Was ist noch mal die außermusikalische Geschichte dahinter?

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    #8488981  | PERMALINK

    atom
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    FriedrichWas ist noch mal die außermusikalische Geschichte dahinter?

    Ein Projekt, das durch die Idee von United Artists zustande kam, das aufgrund der Reibungen zwischen Mingus und Roach aber fast gescheitert wäre. Erst durch die Mittlerrolle Ellingtons konnte der Disput beigelegt werden.

    --

    Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
    #8488983  | PERMALINK

    sandman

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    gypsy tail windGestern Nacht hier noch:

    Sehr, sehr schön! Kammerjazz könnte man wohl sagen, Klarinetten, Cello, Bass, etwas Elektronik (vonseiten Brinkmanns) und sonstige Klangerzeugungsdinger (Puntin spielt neben Klarinette und Bassklarinette noch Glockenspiel, „toys“ und Hohner Organa 30). Es gibt neben dem Opener („Amarcord“) auch Musik aus „The Godfather“, „Casanova“, „La dolce vita“, „La strada“ etc., und auch zwei aus Rotas „7 pezzi per bambini“.

    Läuft jetzt auch bei mir.

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    #8488985  | PERMALINK

    roseblood

    Registriert seit: 26.01.2009

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    Frank Sinatra – It Might As Well Be Swing

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    #8488987  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    FriedrichDa werden die Ellenbogen eingesetzt, Gift und Galle gespuckt, Kratzen, Beißen, Haareziehen – aber dann auch wieder Momente, wo die drei ein Herz und eine Seele zu sein scheinen.

    Wie atom schon sagte … Roach und Mingus hatten viele Jahre nicht mehr zusammen gespielt und Mingus musste, so hat er später berichtet, feststellen, dass sein time sich völlig anders entwickelt hatte als das von Roach. Dem Bassisten bleibt in der Situation nur, sich zu fügen oder den Hut zu nehmen (oder auf seinem Standpunkt zu verharren und die Session zu obstruieren, aber das ging natürlich nicht in diesem Fall). Und wer etwas über Mingus weiss, kann sich denken, wie schwierig es ihm gefallen sein muss, sich zu fügen – aber er tat es, aus Respekt vor Ellington, der in seinem musikalischen Kosmos ja wirklich Gott war.

    @sandman: schön, nicht? Hab die CD gestern gekriegt, werde sie die nächsten Tage wohl öfter hören!

    Hier jetzt auch mal:

    Was ich finde, auch heute wieder: die beiden coasten einfach durch … wenig involviert und noch weniger inspiriert, obwohl Ware/Wilson doch ein schönes Fundament legen – gerade Wilson, ein grandioser, völlig vergessener Drummer! Aber Mulligan klingt müde, träge, etwas klebrig (sprich: rhythmisch überfordert ihn die Musik wohl ziemlich, das ist nicht der Basie-Groove, den die Westcoaster bevorzugten, und schon gar nicht ein trockener „Bopsieland“-Swing). Monk klingt wenig mehr denn routiniert.

    Übrigens – es läuft die ZYX-Ausgabe der „Complete Riverside“-Box, CDs 5 & 6 – gibt es klanglich hier keine gröberen Defizite, der Bass ist ziemlich präsent.

    --

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    #8488989  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    #8488991  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Zunächst von CD 9 und 10 die drei Quartett-Stücke, mit denen das Town Hall-Konzert begann, dann selbiges (auf dem Rest von CD 10). Danach, mal schauen … wäre an der Zeit, auch die Aufnahmen aus San Francisco vom 28./29. April 1960 mal wieder anzuhören (auf CD 12 und 13 der Box).

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