Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Beats / Hip Hop › Ich höre gerade … Electronica
-
AutorBeiträge
-
Ein neuer Thread. Electronica bitte hier hinein.
Ich hatte von mir aktuell gehörte Musik, die ich im weitesten Sinne als Electronica bezeichnen würde, bislang im entsprechenden Urban/Elektro/Hip Hop-Thread abgelegt, mit dem Ergebnis, das sie sich dort zu R&B und Gangsta Rap gesellte. Aber Gangsta Rap ist von Electronica etwa soweit entfernt wie Jazz von Rock – auch wenn es durchaus Berührungspunkte geben kann, wie z.B. die elektronische Klangerzeugung. Aber damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten auch schon fast. Insofern sollte man das auch hier trennen.
Eine Definition von Electronica ist naturgemäß schwierig. Sagen wir’s mal so: Wenn man das Genre Electronica auf die Altvorderen beziehen wollte, könnte man vielleicht Eno und Kraftwerk als Ausgangspunkte benennen. Frühen House und Techno könnte man im weiteren Verlauf der Zeitschiene streifen und ab den 90er Jahren könnte man Aphex Twin, Autechre, Mouse On Mars, Alva Noto, Oval und andere als Bezugskoordinaten verorten. Und von da an weiter in die Gegenwart um in die Zukunft vorzudringen, weiter als je zuvor …
Los geht’s:
Robert Lippok – Redsuperstructure
2011
Solo-Album des einen Drittels von to rococo rot auf Raster-Noton. Unterscheidet sich deutlich von trr und lehnt sich eher an diese RN-Ästhetik aus betont kühlen und artifiziellen Sounds aus Zischen, Piepen, Klicken und Brummen an. Das letzte 14-minütige Stück samplet und manipuliert den Klang einer Harfe bis zur Unkenntlichkeit bis die Töne verdampfen und am Ende in Form eines Gewitterregens niedergehen.
Wie immer bei RN sehr schön auch das Cover, das im eigentlich digitalen und körperlosen Zeitalter mit seiner feinen Gestaltung so etwas wie einen minimalistischen Produktfetischismus erzeugt.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Highlights von Rolling-Stone.deDiese 24 Songs retten jedes Weihnachten
Lemmy Kilmister: Die letzten Tage im Leben des Motörhead-Sängers
Die schönsten Bilder aus „Nightmare Before Christmas“
Zum 60. Geburtstag von Eddie Vedder: Sänger für die Verlorenen
Christmas-Playlist: 10 großartige Songs zu Weihnachten
Oh, du Hässliche! Die 25 schrecklichsten Weihnachtsalben-Cover
WerbungEin Vorstoß in das Herz der elektronischen Klangverarbeitung
Autechre – Amber (1994)
Kaum zu glauben: Amber wurde vor jetzt schon 20 Jahren veröffentlicht. Aber erst vor ein paar Tagen ist es mir gelungen ein günstiges gebrauchtes Exemplar dieses Album zu ergattern, das rätselhafter Weise out of print ist.
So paradox es klingt, scheint mir bei Autechre elektronische Musik gleichzeitig technoid und organisch zu sein. Da gibt es die kalt und mechanisch klagenden beats, die bedrohlich dröhnenden Klangflächen aber es klingt nie so, als wären es vorprogrammierte Sounds, sondern so als wäre die Elektronik mutiert und hätte ein Eigenleben entwickelt. Elektronische Tanzmusik, zu der man nicht mehr tanzen kann. Diesem funktionellen Zwang gibt es auf Amber nicht und am interessantesten sind Autechre sogar dann, wenn sie die Strukturen der Musik so weit auflösen, bis die Klänge frei im Raum zu schweben scheinen.
Klassisches Album, das auch nach 20 Jahren noch beeindruckend klingt.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Autechre – Incunabula (1993)
Incunabula ist Autechres Debut Album, das 1993, also ein Jahr vor Amber erschien. Das Wort Incunabula ist die lateinische Bezeichnung für Bücher, die bis 1500, also in der Säuglingszeit des Buchdrucks gedruckt wurden. Frappierend, wie treffend das britische Duo die Frühphase seiner Karriere damals schon charakterisieren konnte. Dabei hatten sie damals noch nicht den zeitlichen Abstand, den man eigentlich braucht, um ein Urteil darüber abzugeben.
Incunabula klingt tatsächlich so, als würden Autechre noch etwas nach ihrer musikalischen Sprache suchen. Hier gibt es noch Elemente, die man auch von anderer Electronica aus dieser Zeit kennt: Man hört den TR 808 (oder so) tuckern, auch so manche andere Sounds meint man irgendwoher zu kennen, den Acid House TB 303 glaube ich zu hören, wenngleich das hier nicht eingesetzt wird um Tanzflächenfutter zu produzieren. Dazu ist es dann doch zu komplex, vielschichtig, versponnen und atmosphärisch und nicht direkt auf die Eins und deutet damit schon klar in eine andere Richtung. Eigentlich kann man erst im Rückblick erkennen, dass dies so etwas wie eine Vorstufe zu späteren Sachen von Autechre ist – wie z.B. Amber – mit der Autechre viele Stereotypen von elektronischer Musik mit vorprogrammierten Sounds hinter sich lassen. Rätselhaft, wie Autechre das aber damals schon in Echtzeit so gesehen haben. Vielleicht ist der Titel der Platte aber auch Zufall und ergibt erst im Nachhinein diesen Sinn.
Dennoch ist Incunabula eine sehr gute Platte. Aus heutiger Sicht klingt sie fast schon demonstrativ artifiziell und technoid, kalt und metallisch, aber auch schon sehr vielschichtig und vom Klang sehr reich. Kann durchaus auch als sie selbst bestehen. Ich habe Incunabula erst nach dem später erschienen Amber kennengelernt – heute! – und Amber habe ich auch erst nach dem wiederum danach erschienen Album kennengelernt, also in reverse. Faszinierend, die frühe Entwicklung von Autechre aus der heutigen Perspektive rückwärts nachzuvollziehen.
Aktuelle Musik von Autechre kenne ich übrigens noch gar nicht.
Die Cover von Autechre-Alben wurden mit fortschreitender Zeit eindeutig besser.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Four Tet – 0181 (2013)
Ein Mix von Tracks die Four Tet alias Kieran Hebden, der für die Produktion des letzten Neneh Cherry Albums verantwortlich war, zwischen 1997 und 2001 aufgenommen hat. Kann man hier für kein Geld downloaden. . Sicher kein Meisterwerk aber zum nebenher Hören recht angenehm. Was der Titel soll, (Handyvorwahl?) weiß ich nicht.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Bibio – Silver Wilkinson (2013)
Gerade mal Mittagszeit aber jetzt schon 32° C. Das kühle Bad im See habe ich schon hinter mir. Jetzt zu hause die Hitze ausgesperrt und Siesta. Dazu diese entspannte Musik von Stephen Wilkinson alias Bibio. Klingt wie ein Bastard aus Nick Drake und Hip Hop, manche nennen es auch Folktronica.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Aphex Twin – 26 Mixes for Cash (2003)
In den letzten Tagen mehrfach rauf und runter gehört.
26 Mixes for Cash ist genau das, was der Titel verspricht: Eine Doppel-CD Compilation mit Remixes, die Aphex Twin alias Richard D. James als Auftragsarbeiten gegen Bares gemacht hat. So erklärt sich wohl auch der goldene Farbton von Cover und CDs. Auftraggeber waren solch verschiedene Künstler wie Philip Glass, 808 State, Nine Inch Nails, die Fantastischen Vier und andere, deren Namen mir nur zum Teil vertraut sind. Auch Remixes von des Meisters eigenen Stücken sind vertreten. Ein Kessel Buntes also und nicht weniger vielfältig ist die Art und Weise wie Aphex Twin die den Remixes zugrunde liegenden Stücke behandelt. Mal fügt er nur hier und dort etwas hinzu oder lässt es weg, schiebt die Regler etwas hoch und runter, mal dekonstruiert er das Original bis zur Unkenntlichkeit und die zwei Stücke, die hier NIN zugeschrieben werden, sind in Wirklichkeit von Aphex Twin frei erfunden.
Zusammengenommen klingt das wie ein sehr gut gemachtes Mixtape mit stilistisch sehr unterschiedlicher Musik, von atmosphärischer Ambient Music über Techno und industrielles Gehämmer bis zu … ja … äh … abstrakten Tondichtungen. Nicht alles sagt mir gleich viel zu, dazu ist die Musik zu verschiedenartig, aber durchgehend spannend und abwechslungsreich zu hören ist 26 Mixes allemal. Und wenn Aphex Twin wie bei Nobukazu Takemuras Let My Fish Loose das ja ganz nette Original auf links wendet, wird etwas Großartiges daraus.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Ich höre mich weiter einsam durch den Elektronischen Dschungel.
Das sehr empfehlenswerte und kostenlose Magazin ELECTRONIC BEATS, das trotz seines Namens keineswegs nur auf Elektronisches spezialisiert ist, hat einen Mix mit Tracks des Kölner KOMPAKT Labels als Stream ins Netz gestellt. Den führe ich mir gleich mal zu Gemüte.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)http://www.factmag.com/2014/06/17/stream-aphex-twins-lost-caustic-window-album-in-full/
Wow. Dass ich das noch erleben darf!
--
Es ist Breitling, scheiß auf deine Aldi-Uhr / Auf meinem nächstem Cover halt ich das ExcaliburShanks
http:x/www.factmag.com/2014/06/17/stream-aphex-twins-lost-caustic-window-album-in-full/
Wow. Dass ich das noch erleben darf!
Aphex Twin alias Caustic Window mit einem 1994 kurz vor der Veröffentlichung zurückgezogenem Album. Ich kenne mich mit der Discographie von AFX kaum aus, aber das scheint ja dann so was wie The Beach Boys Smile, Velvet Undergrounds VU, Neil Youngs Homegrown oder Princes Black Album zu sein, oder so ähnlich. Wenn 4000 Leute sich jetzt durch ihre finanzielle Beteiligung eine digitale Kopie davon sichern konnten, dürfte es ja wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis die als MP3 irgendwo im Netz auftaucht, oder? Bis dahin kann man stattdessen bei ebay das Vinyl für mehr als $ 45.000 ersteigern (Stand 19.06.14).
Versteht man alles aber irgendwie auch nicht. Warum veröffentlicht AFX das Album nicht regulär? Würde doch weggehen wie geschnitten Brot.
Ach ja, und wie findest Du die Musik?
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Andrew Pekler – Station To Station (2002)
Das Debüt von Andrew Pekler, einem in Berlin lebenden amerikanischen Expat. Irgendwo zwischen Clicks & Cuts, Minimal Dub, Ambient und Techno. Soweit ich weiß, hat AP bislang vier CDs + einige etwas obskure Vinyl-only Sachen veröffentlicht. Ein Album gab’s auch mal (nur?) als Download. Ich kenne die ersten 5 Veröffentlichungen. Alle sind mindestens gut. Station To Station ist noch das konventionellste davon. Spätere Sachen sind teils recht experimentell und lassen Genregrenzen völlig hinter sich – es sei denn, man betrachtet musique concrete als Genre. Ich glaube, AP hat jedenfalls manches ausschließlich aus Samples zusammengebastelt
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Elektronische Musik hören ist hier ein einsamer Job. Aber einer muss ihn ja machen.
Elektro Guzzi – Observatory (2014)
Elektro Guzzi sind ein 2004 gegründetes österreichisches Trio aus Bernhard Hammer, Jakob Schneidewind und Bernhard Breuer, das in der Besetzung Gitarre, Bass und Drums seit 2010 Techno-Platten veröffentlicht. Richtig gelesen: Eine Band in traditioneller Rock-Besetzung, die Techno spielt. Es gibt hier also keine vorprogrammierten Sounds und Loops, sondern alles wird live und wie auf den ersten beiden Studioalben explizit vermerkt ist ohne overdubs eingespielt. Observatory ist EGs drittes Studioalbum und hier wird erstmals nicht nur auf die Einhaltung dieses Reinheitsgebots sondern auch auf die individuelle Zuordnung von Instrumenten verzichtet.
EGs erste zwei Alben, das selbstbetitelte Debut (2010) und das direkter und aggressiver klingende Parquet (2011), sind minimalistische, fast schon spröde wirkende Platten mit meist gnadenlos durchlaufendem Beat, über dem eine klanglich manipulierte E-Gitarre Akzente setzt. Produzent Patrick Pulsinger verpasst dem aufgenommenen Material danach Dub Effekte. Das Klangspektrum von EG unterscheidet sich schon allein dadurch von rein elektronischen Produktionen.
Das von EG selbst produzierte Observatory klingt im Vergleich zu den vorherigen Alben erheblich dichter und voller. Unzählige Klangschichten verdichten sich zu einem wall of sound, der kaum merklich strukturiert, entwickelt und verändert wird. Über weite Strecken ist das eine Übung in Monotonie, die beim Hörer je nach individueller Wahrnehmung entweder Langeweile oder eine hypnotische Wirkung hervorrufen kann. In diesem massiven Brocken verbergen sich aber Feinheiten, die erst wahrnehmbar werden wenn man Observatory in der angemessenen – hohen! – Lautstärke oder – nachbarschaftsfreundlicher – über Kopfhörer hört. Dann offenbart Observatory eine verwirrende Fülle an Klang und Details, die sich durch seine dichte Struktur zieht, dass es einem in den Ohren klingelt. Ein Bastard aus Krautrock, Techno und Noise Rock, als hätten sich NEU!, Richie Hawtin und Sonic Youth im Studio verabredet.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Elektronische Vergangenheitsbewältigung? Bewältigende Elektronikvergangenheit? Vergangene Bewältigungselektronik?
Various – Köln Kompakt 1 (1998)
Köln Kompakt 1 hält genau das, was der Titel verspricht: Es ist die erste CD, die das Kölner Kompakt Label veröffentlichte, nachdem sich der vier Jahre vorher gegründete Plattenladen Delirium in Kompakt umbenannt hatte und verschiedene Labels unter diesem Namen vereinigte. Auch wenn das Spektrum auf dieser Compilation recht weit von Electronica von Kandis über knochentrockenen Minimalismus von Tandem bis zu dem vergleichsweise poppigen – und ausgerechnet! – Elbchaussee benannten dance track von Thomas/Mayer reicht, ist schon hier der charakteristische Kompakt-Klang, der Sound of Cologne zu hören. Mit Wolfgang Voigt’s Studio 1, Thomas Brinkmann, M 1:5 und anderen finden sich hier auch einige inzwischen klangvolle Namen. Und der typische kompakt’sche Lokalpatriotismus zeigt sich unübersehbar auf dem Cover.
Abstrakte, reduzierte und nüchtern wirkende elektronische Musik, die sich in einer Umlaufbahn um das Zentralgestirn Techno bewegt, von dem es sich mal mehr oder weniger weit entfernt. Das klingt zum größten Teil experimenteller als vieles, was Kompakt später veröffentlichte, ist noch in der Entwicklungsphase, aber schon unverkennbar. Fast so etwas wie ein Manifest für das damals gerade erst entstehende Kompakt Imperium.
Hier kann man Wolfgang Voigt, Mitinhaber von Kompakt, in einer nüchternen, klaren und überzeugenden Weise übers das Geschäft des Labelbetriebs reden hören, wie ich es mir von manch einem meiner Chefs auch mal gewünscht hätte.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)KOMPAKT Festspiele im Hause Friedrich. Ich habe mich selbst beschenkt indem ich bei KOMPAKT eine Online-Bestellung aufgegeben habe. Nur wenige Tage später erreichte mich ein Paket, das durch Klebebänder mit KOMPAKT-Schriftzug und Logo zusammengehalten wurde und neben den bestellten drei Tonträgern vier verschiedene Aufkleber enthielt, zwei davon mit dem Aufdruck KOMPAKT. Und das alles zu einem Preis, zu dem ich nicht nein sagen konnte. Die KOMPAKT-Maschinerie mit corporate identity und 1A Kundendienst läuft also wie geschmiert. Hier lebt er noch, der Rheinische Kapitalismus!
KOMPAKT Festspiele – Teil 1
Michael Mayer – Immer (2002)
Keine Ahnung, wer zuerst auf die Idee einer Mix-CD gekommen ist, also der Veröffentlichung von Stücken verschiedener Künstler in einem DJ-Mix. Eigenartiger Weise wird dies dann unter dem Namen des DJs veröffentlicht, obwohl es eigentlich eine Compilation ist. Aber Gott ist bekanntlich ein DJ und deswegen gebührt diesem wohl auch die Ehre.
Michael Mayer, Kölner Techno-Lokalmatador und KOMPAKT co-founder, kocht aus 13 Tracks einen 75-minütigen Mix, so understated und smooth und gleichzeitig subtil und spannend, dass er absolut zwingend – nein, eher: absolut selbstverständlich klingt. Ich kannte bislang kein einziges Stück von IMMER, und nachdem ich IMMER gehört habe, kann ich mir auch gar nicht mehr vorstellen, wie diese Stücke außerhalb dieses Mixes überhaupt eine sinnvolle Existenz haben können. Sie sind ja sowieso kaum noch als unterschiedliche Tracks zu erkennen, da sie kaum merklich ineinander gemixt werden. Funktioniert vermutlich genauso gut auf der Tanzfläche wie in meinen heimischen vier Wänden. Läuft und läuft und läuft. Immer und immer weiter.
Thx an Forumsuser juan für den Tipp!
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)KOMPAKT Festspiele – Teil 2
Kölsch – 1977 (2013)
Auch wenn der Name es nahelegt, ist Kölsch kein Kölner und hat auch nichts mir dem gleichnamigen Bier zu tun. Rune Reilly Kœlsch ist Däne, hat schon eine lange musikalische Karriere vorzuweisen und unter dem Namen Rune RK mit Calabria schon mal einen internationalen Gassenhauer produziert, zu dem auch das Partyvolk auf Ibiza tanzte. Irgendwie gelingt ihm jedoch einen Spagat zwischen Mainstream und Untergrund (den er selber offenbar aber gar nicht als Spagat empfindet) und so ist Kompakt an ihn herangetreten, für das Label aufzunehmen.
Kölsch hat für 1977 13 Techno Tracks produziert, die einerseits total billig und einfach gestrickt klingen, andererseits aber so dick auftragen, dass sie einen Riesenspaß machen. Damit lässt sich garantiert jede Großraumdisco auf die Beine bringen aber auch innerhalb der eigenen vier Wände funktioniert das bestens. Teilweise klingt das völlig vorhersehbar: Orgelklänge so gigantisch wie Kathedralen (Goldfisch), Hooklines, die sofort hängenbleiben (Loreley), Piano Akkorde, die man schon 1000 mal gehört hat (Der Alte), fette Beats, die direkt ins Schwarze treffen (Oma) – und das immer und immer wieder. Aber Kölsch setzt das alles so demonstrativ und hemmungslos gut gelaunt ein, dass es wie ein guilty pleasure klingt, dem ich mich gerne hingebe. Über 76 Minuten reiht sich ein Dancefloor-Kracher an den anderen, was in dieser unerbittlichen Partystimmung über diese Strecke fast schon etwas zu viel des Guten ist. Irgendwann wird es etwas penetrant und ist im trauten Heim nicht immer von Anfang bis Ende durchhörbar. Das ist jedoch verzeihlich, wenn man weiß, das 1977 ursprünglich nicht als Album konzipiert wurde, sondern bereits vorher auf 12“ Vinyl veröffentlichte Tracks mit einigen neuen Stücken mischt. Höchst ansteckend ist diese Musik auf jeden Fall und die extreme Dichte an Ohrwürmern macht Kölschs 1977 zu einem Heidenspaß. Hossa!
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)KOMPAKT Festspiele – Teil 3
Vermont (2014)
Vermont sind Marcus Worgull und Danilo Plessow, die eigentlich für das Label Innervisions bzw. unter dem Namen Motor City Drum Ensemble Material für die Tanzflächen produzieren. Zwei mir bislang unbekannte Figuren, die sich für Vermont erstmalig zusammengetan haben um ein Album für KOMPAKT zu produzieren. Diese Gelegenheit nutzen sie, um sich mal abseits des Diktats der durchgehenden bassdrum zu bewegen. Tatsächlich gibt es auf Vermont kaum mal überhaupt beats zu hören. Stattdessen haben die beiden im Studio auf analogen Synthesizern herum improvisiert und so 14 musikalische Miniaturen geschaffen. Meist sind das nur ein paar einfache patterns, die sie überlagern, gegeneinander verschieben und variieren. Es schwillt an und ab, setzt ein und aus, hier ein kurzes Melodiechen, da ein kleiner groove. Ganz einfache Mittel eigentlich, aber mehr brauchen Worgull und Plessow nicht. Vermont klingt sehr lässig, aufgeräumt und transparent, ganz entspannt fließt die Musik dahin. Gleichzeitig entlocken Worgull und Plessow den analogen Synthesizern eine schön gefächerte Klangvielfalt und schaffen damit eine fast organisch wirkende, ebenso schlichte wie schöne Musik, die man in ihrer zurückhaltenden Art bedenken- und achtlos nebenher laufen lassen kann. Aber wenn man auf dem Sofa dösend versehentlich doch mal hinhört, entwickeln die einzelnen Stücke auf einmal eigene Charaktere und werden zu kleinen Pop-Perlen.
Wenn es auf den beiden Stücken Cocos und Macchina dann doch mal drums zu hören gibt, spielt sie Jaki Liebezeit, der drummer von Can. Vermont atmet sicher auch etwas von der Unbeschwertheit des Krautrocks und früher elektronischer Musik, jedoch hört sich das hier fokussierter und kompakter an. Und vielleicht kann man auch die frühen Kraftwerk oder Harmonia als Inspirationsquellen heraushören, weniger jedoch Can mit deren ausufernden Kollektivimprovisationen.
Vermont ist sicher die Platte, die ich in den letzten Wochen am häufigsten gehört habe. Und ich habe sie immer noch nicht satt. Vermont sei jedem empfohlen – ob er sich für Elektronische Musik interessiert oder auch nicht.
Noch was: Wenn man Vermont bei KOMPAKT als Vinyl kauft, bekommt man eine LP + eine 7“. Darauf sind alle Stücke des Albums enthalten, das zusätzlich noch als CD beiliegt. Das alles zu einem Preis, für den man üblicherweise gerade mal die CD alleine erhält. Ich weiß nicht, ob hinter KOMPAKT am Ende doch ein böses Ausbeuter-Imperium steht, das unbezahlte Praktikanten im finsteren Keller Tonträger verpacken und verschicken lässt, um solche Angebote zu ermöglichen. Vorerst vertraue ich darauf, dass Mayer, Paape & Voigt ihr mittelständisches Unternehmen so klug und effizient führen, dass sie „ihrem Freund, dem Kunden“ (Voigt) diesen Service bieten können.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme) -
Schlagwörter: Electro Beats
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.