Re: Ich höre gerade … Electronica

#9196093  | PERMALINK

friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

Beiträge: 4,877

Elektronische Musik hören ist hier ein einsamer Job. Aber einer muss ihn ja machen.

Elektro Guzzi – Observatory (2014)

Elektro Guzzi sind ein 2004 gegründetes österreichisches Trio aus Bernhard Hammer, Jakob Schneidewind und Bernhard Breuer, das in der Besetzung Gitarre, Bass und Drums seit 2010 Techno-Platten veröffentlicht. Richtig gelesen: Eine Band in traditioneller Rock-Besetzung, die Techno spielt. Es gibt hier also keine vorprogrammierten Sounds und Loops, sondern alles wird live und wie auf den ersten beiden Studioalben explizit vermerkt ist ohne overdubs eingespielt. Observatory ist EGs drittes Studioalbum und hier wird erstmals nicht nur auf die Einhaltung dieses Reinheitsgebots sondern auch auf die individuelle Zuordnung von Instrumenten verzichtet.

EGs erste zwei Alben, das selbstbetitelte Debut (2010) und das direkter und aggressiver klingende Parquet (2011), sind minimalistische, fast schon spröde wirkende Platten mit meist gnadenlos durchlaufendem Beat, über dem eine klanglich manipulierte E-Gitarre Akzente setzt. Produzent Patrick Pulsinger verpasst dem aufgenommenen Material danach Dub Effekte. Das Klangspektrum von EG unterscheidet sich schon allein dadurch von rein elektronischen Produktionen.

Das von EG selbst produzierte Observatory klingt im Vergleich zu den vorherigen Alben erheblich dichter und voller. Unzählige Klangschichten verdichten sich zu einem wall of sound, der kaum merklich strukturiert, entwickelt und verändert wird. Über weite Strecken ist das eine Übung in Monotonie, die beim Hörer je nach individueller Wahrnehmung entweder Langeweile oder eine hypnotische Wirkung hervorrufen kann. In diesem massiven Brocken verbergen sich aber Feinheiten, die erst wahrnehmbar werden wenn man Observatory in der angemessenen – hohen! – Lautstärke oder – nachbarschaftsfreundlicher – über Kopfhörer hört. Dann offenbart Observatory eine verwirrende Fülle an Klang und Details, die sich durch seine dichte Struktur zieht, dass es einem in den Ohren klingelt. Ein Bastard aus Krautrock, Techno und Noise Rock, als hätten sich NEU!, Richie Hawtin und Sonic Youth im Studio verabredet.

--

„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)