Re: Ich höre gerade … Electronica

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friedrich

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KOMPAKT Festspiele – Teil 2

Kölsch – 1977 (2013)

Auch wenn der Name es nahelegt, ist Kölsch kein Kölner und hat auch nichts mir dem gleichnamigen Bier zu tun. Rune Reilly Kœlsch ist Däne, hat schon eine lange musikalische Karriere vorzuweisen und unter dem Namen Rune RK mit Calabria schon mal einen internationalen Gassenhauer produziert, zu dem auch das Partyvolk auf Ibiza tanzte. Irgendwie gelingt ihm jedoch einen Spagat zwischen Mainstream und Untergrund (den er selber offenbar aber gar nicht als Spagat empfindet) und so ist Kompakt an ihn herangetreten, für das Label aufzunehmen.

Kölsch hat für 1977 13 Techno Tracks produziert, die einerseits total billig und einfach gestrickt klingen, andererseits aber so dick auftragen, dass sie einen Riesenspaß machen. Damit lässt sich garantiert jede Großraumdisco auf die Beine bringen aber auch innerhalb der eigenen vier Wände funktioniert das bestens. Teilweise klingt das völlig vorhersehbar: Orgelklänge so gigantisch wie Kathedralen (Goldfisch), Hooklines, die sofort hängenbleiben (Loreley), Piano Akkorde, die man schon 1000 mal gehört hat (Der Alte), fette Beats, die direkt ins Schwarze treffen (Oma) – und das immer und immer wieder. Aber Kölsch setzt das alles so demonstrativ und hemmungslos gut gelaunt ein, dass es wie ein guilty pleasure klingt, dem ich mich gerne hingebe. Über 76 Minuten reiht sich ein Dancefloor-Kracher an den anderen, was in dieser unerbittlichen Partystimmung über diese Strecke fast schon etwas zu viel des Guten ist. Irgendwann wird es etwas penetrant und ist im trauten Heim nicht immer von Anfang bis Ende durchhörbar. Das ist jedoch verzeihlich, wenn man weiß, das 1977 ursprünglich nicht als Album konzipiert wurde, sondern bereits vorher auf 12“ Vinyl veröffentlichte Tracks mit einigen neuen Stücken mischt. Höchst ansteckend ist diese Musik auf jeden Fall und die extreme Dichte an Ohrwürmern macht Kölschs 1977 zu einem Heidenspaß. Hossa!

1977 bei KOMPAKT

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)